L 7 KA 10/11

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 79 KA 217/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 10/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 22/14 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Fehler eines Verwaltungsaktes, deren isolierte Korrektur gemäß § 45 SGB X ausgeschlossen ist, können gleichwohl im Rahmen des Zugunstenverfahrens (§ 44 SGB X) berichtigt werden.
2. Probatorische Leistungen müssen mir einem arithmetisch gemittelten Punktwert von mindestens 2,56 Ct vergütet werden. Die Bildung eines nach den Leistungsanteilen im Primär- und Ersatzkassenbereich gewichteten Mittelwerts ist nicht zulässig.
Bemerkung
BSG: Revision zurückgewiesen
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. November 2010 geändert. Die Bescheide der Beklagten vom 19. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. April 2006 werden aufgehoben. Der Honorarbescheid vom 22. September 2003 (Quartal I/03) in der Gestalt des Bescheids vom 8. September 2005, des Widerspruchsbescheids vom 25. April 2006 und des Bescheids vom 16. Dezember 2009 wird geändert. Die Beklagte wird verpflichtet, die probatorischen Sitzungen des Klägers in diesem Quartal im Primärkassenbereich zu einem um 0,1486 Ct höheren Punktwert zu vergüten. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 7/8 und die Beklagte zu 1/8. Die Revision wird zugelassen, soweit die Quartale I/00 bis I/01 Streitgegenstand sind.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Vergütung psychotherapeutischer Leistungen in den Quartalen I/00 bis II/04 und IV/04.

Der Kläger nimmt seit dem 01. April 1999 als psychologischer Psychotherapeut im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg an der vertragspsychotherapeutischen Versorgung teil, und zwar bis zum Quartal II/02 unter der Arztnummer und ab dem Quartal III/02 unter der Arztnummer. In den streitgegenständlichen Quartalen vergütete die Beklagte die vertragspsychotherapeutischen Leistungen des Klägers wie folgt:

Quartal Behandlungsfälle Anerkannte Punkte Honorargutschrift in DM I/2000 145 1.589.456,0 83.241,80 II/2000 146 1.606,045,5 93.582,83 III/2000 151 1.495.975,9 97.562,71 IV/2000 134 1.479.900,0 98.419,98 I/2001 136 1.500.870,7 91.304,27 II/2001 122 1.330.520,0 87.154,72 III/2001 120 1.347.645,4 96.261,57 IV/2001 125 1.504.012,0 92.055,31

Quartal Behandlungsfälle Anerkannte Punkte Honorargutschrift in EUR I/2002 117 1.296.440,0 39.619,93 II/2002 111 1.266.730,7 37.046,15 III/2002 121 1.273.650,1 40.819,43 IV/2002 119 1.430.323,5 43.338,79 I/2003 135 1.462.947,1 42.493,12 II/2003 120 1.420.144,2 41.382,66 III/2003 111 1.264.376,7 42.154,78 IV/2003 98 1.122,982,3 36.396,64 I/2004 109 1.262.729,6 41.361,45 II/2004 104 1.085,853,2 36.286,29 IV/2004 108 1.267,574,9 54.325,45 Hierbei vergütete die Beklagte sämtliche Leistungen der zeitgebundenen antragsabhängigen und genehmigungspflichtigen Psychotherapie ohne Mengenbegrenzung und Punktwertabstaffelung.

Der Kläger legte gegen sämtliche Quartalshonorarbescheide der Beklagten für die oben genannten Quartale Widerspruch ein, weil er die Vergütung der psychotherapeutischen Leistungen als gesetz- und verfassungswidrig ansah.

Während der Widerspruchsverfahren erließ die Beklagte weitere diese Quartale betreffende Bescheide:

- Für das Quartal I/01 führte der Fremdkassenzahlungsausgleich zu einer nachträglichen Erhöhung der Punktwerte und somit zu einer Nachvergütung in Höhe von 1.479,17 DM für den Primärkassenbereich und 937,84 DM für den Ersatzkassenbereich (Bescheid vom 29. November 2001).

- Für die Quartale I/00 bis IV/00 führten die Vertragsabschlüsse mit den Krankenkassen für das Jahr 2000 sowie der Fremdkassenzahlungsausgleich zu einer nachträglichen Erhöhung der Punktwerte und Nachvergütungen in folgender Höhe (Bescheid vom 29. November 2001): Kassengruppe Quartal Nachvergütungsgutschrift Primärkassen (PK) 1/00 3.905,75 DM 2/00 2.749,56 DM 3/00 2.826,14 DM 4/00 121,11 DM Ersatzkassen (EK) 1/00 10.979,78 DM 2/00 12.391,73 DM 3/00 11.117,30 DM 4/00 1.136,07 DM

- Der Abschluss der Vergütungsvereinbarung mit den Ersatzkassen für das Jahr 2002 führte zu einer Nachvergütung in Höhe von 347,88 Euro für die Quartale I/02 und II/02 (Bescheid vom 20. März 2003).

- Gemäß der Vergütungsvereinbarung für das Jahr 2002 stützten die Betriebskrankenkassen die Leistungen der antrags- und genehmigungspflichtigen Psychotherapie mit 0,11 Euro pro Punkt, was zu einer Nachvergütung i.H.v. insgesamt 408,46 Euro für die Quartale III/02 bis I/03 führte (Bescheid vom 19. Dezember 2003).

- Mit Bescheid vom 29. Juni 2005 forderte die Beklagte vom Kläger aufgrund einer das Quartal IV/04 betreffenden Neufestsetzung seines Honorars 9.726,15 Euro zurück, weil "gemäß Beschluss des Bewertungsausschusses nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB V zur Festlegung der angemessenen Höhe der Vergütung ausschließlich psychotherapeutisch tätiger Vertragsärzte und Psychotherapeuten gemäß § 85 Abs. 4 SGB V [ ] die zeitgebundenen antrags- und genehmigungspflichtigen G IV-Leistungen (GO-Nr. 871 bis 884 lediglich bis zu einer Höhe von 561.150 Punkten mit einem Mindestpunktwert zu bewerten" seien. Nach der Anlage zu diesem Bescheid reduzierte die Beklagte den Punktwert für 139.929 Punkte im Primärkassenbereich und 354.521 Punkte im Ersatzkassenbereich von einheitlich von 4,423 Cent auf 1,3862 Cent im Primärkassen- und 2,811 Cent im Ersatzkassenbereich.

- Mit zwei (die unterschiedlichen o.g. Abrechnungsnummern betreffenden) Bescheiden vom 08. September 2005 hob die Beklagte die Honorarbescheide des Klägers für die Quartale I/00 bis II/04 insoweit auf, als er in diesen Quartalen als ausschließlich psychotherapeutisch tätiger Leistungserbringer antrags- und genehmigungspflichtige Leistungen des IBM-Kapitels G IV (GO-Positionen 871-884) abgerechnet habe und der für die Vergütung dieser Leistungen im Quartal gültige Auszahlungspunktwert unterhalb des nach dem vom Bewertungsausschuss in seiner 93. Sitzung am 29. Oktober 2004 festgelegten Vorgaben neu berechneten Mindestpunktwertes lag. Um die Differenz zwischen diesem Mindestpunktwert und dem bisher zugrunde gelegten Auszahlungspunktwert erhöhte die Beklagte die Vergütung von Leistungen bis zu einer Punktzahlobergrenze von 561.150 Punkten. Für die über diese Grenze hinausgehenden Punkte verringerte sie den bisherigen (Auszahlungs-)Punktwert auf den im jeweiligen Quartal geltenden ungestützten rechnerischen Punktwert, welchen sie als "F1" bezeichnete. Hieraus ergaben sich Nachvergütungen in Höhe von 40.750,81 Euro bezüglich der Arztabrechnungsnummer 7270805 und 34.877,65 Euro bezüglich der Arztabrechnungsnummer 7268032.

- Mit zwei weiteren (die unterschiedlichen o.g. Abrechnungsnummern betreffenden) Bescheiden vom 19. September 2005 reduzierte die Beklagte die Nachvergütungsbeträge aus den beiden Bescheiden vom 08. September 2005 auf 30.114,38 Euro bezüglich der Arztabrechnungsnummer und 31.723,04 Euro bezüglich der Arztabrechnungsnummer. Zur Begründung führte sie übereinstimmend aus: "Bei der Zusammenstellung der relevanten Punktzahlvolumina sind die Überschreitungsvolumina der Kostenträgerarten AOK und BKK nicht übernommen worden. Die in der Tabelle "Vergütungsaufteilung" insoweit korrekt ausgewiesene Differenz ("zum rechnerischen Punktwert (F1)") der Gesamtpunktanforderung ("Gesamt") zur Obergrenze 561.150 Punkte ("zum Mindestpunktwert") stimmt daher nicht mit der Summe der unter der Überschrift "Überschreitungspunkte" dargestellten Punktvolumina überein. Durch diesen Fehler ist die Korrektur der Punkte oberhalb der 561.150-Punktegrenze im Umfang des von Ihnen – gemäß der prozentualen Überschreitung – abgerechneten Punktzahlanteils in den Bereichen der AOK und der BKK nicht ausgewiesen worden."

Auch gegen alle diese Bescheide legte der Kläger Widerspruch ein.

Ferner hatte die Beklagte dem Kläger bereits mit zwei Schreiben vom 20. April 2005 mitgeteilt, dass eine Entscheidung des Schiedsamtes zur Frage, wer die höheren Honoraransprüche für zeitgebundene antrags- und genehmigungspflichtige Psychotherapien zu finanzieren habe, bevorstehe. Der Kläger könne mit einer Nachvergütung von 86.921,29 Euro bezüglich der Arztabrechnungsnummer und 67.284,59 Euro bezüglich der Arztabrechnungsnummer rechnen. Es werde jedoch aus rechtlichen Gründen darauf hingewiesen, dass es sich bei diesen Summen lediglich um eine Vorabinformation handele. Dieses Schreiben hebe die alten Honorarfestsetzungsbescheide nicht auf und stelle weder einen neuen Honorarfestsetzungsbescheid noch eine Zusicherung dar.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25. April 2006 wies die Beklagte sämtliche Widersprüche zurück.

Während des Klageverfahrens setzte die Beklagte die Honorare des Klägers für die antrags- und genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen bis zu einer Obergrenze von 561.150 Punkten je Quartal durch Erhöhung der Mindestpunktwerte auf 4,297 Cent für das Jahr 2000 und 4,244 Cent für das Jahr 2001 neu fest, was zu einer Nachvergütung von 6.944,30 Euro führte (Bescheid vom 09. September 2009). Ferner setzte sie die Honorare des Klägers für probatorische Leistungen "in den Jahren 2003 bis 2008" neu fest, sofern der durchschnittliche gewichtete Punktwert beider Kassenbereiche im Falle des Klägers unter 2,56 Cent lag und seine diesbezüglichen Honorarbescheide noch nicht bestandskräftig waren. Hierdurch ergab sich für die Quartale II/03 und II/05 bis III/06 eine Nachvergütung i.H.v. insgesamt 3.254,62 Euro (Bescheid vom 16. Dezember 2009).

Mit Urteil vom 10. November 2010 wies das Sozialgericht die auf Neubescheidung bezüglich der o.g. Quartale gerichtete Klage ab und begründete dies wie folgt: Hinsichtlich der Vergütung der zeitgebundenen und genehmigungsbedürftigen psychotherapeutischen Leistungen habe sich die Beklagte bei der Honorarverteilung an die gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben entsprechend den Urteilen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 28. Mai 2008 (Az.: B 6 KA 9/07 R und B 6 KA 49/07 R) sowie des hierauf reagierenden Beschlusses des Bewertungsausschusses gehalten. Die Beklagte sei auch berechtigt gewesen, durch die Bescheide vom 19. September 2005 die Bescheide vom 08. September 2005 zu korrigieren. Die Befugnis zur Berichtigung sei nicht aus Vertrauensschutzgesichtspunkten entfallen, weil die Beklagte mit den Bescheiden vom 08. September 2005 eine Neufestsetzung des klägerischen Honorars, nicht aber eine sachlich-rechnerische Berichtigung durchgeführt habe. Mit den Bescheiden vom 19. September 2005 habe die Beklagte erstmals zu Lasten des Klägers eine Korrektur der Nachvergütungsbescheide vorgenommen und sei in diesem Zusammenhang auch gehalten gewesen, bei der Vergütung der zeitgebundenen genehmigungsdürftigen Leistungen die Obergrenze von 561.150 Punkten zu berücksichtigen. Die ursprünglichen Honorarbescheide seien insoweit fehlerhaft gewesen, als die Beklagte diese Obergrenze nicht korrekt angewandt habe, obwohl sie bereits in den ursprünglichen Beschlüssen des Bewertungsausschusses aus seiner 62. Sitzung enthalten gewesen seien. Die entsprechenden Regelungen seien gemäß § 85 Abs. 4a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) unmittelbar Inhalt des Honorarverteilungsmaßstabes. Auch aus dem Schreiben der Beklagten vom 20. April 2005, welche diese als "Vorabinformation" bezeichnet habe, ergebe sich kein Vertrauensschutz des Klägers. Die Vergütung der übrigen psychotherapeutischen Leistungen im streitbefangenen Zeitraum sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Rechtfertigung für die Einführung von Individualbudgets, insbesondere die Vermeidung des so genannten Hamsterradeffektes, treffe auch für die nicht zeitgebundenen und genehmigungsbedürftigen psychotherapeutischen Leistungen zu, da diese Mengenbegrenzungen nicht unterlegen hätten. Es bestünden auch keine Bedenken dagegen, dass die Beklagte Individualbudgets des Klägers auf der Grundlage der vier Quartale des Jahres 2002 gebildet habe. Nach der Rechtsprechung des BSG zur Mindestvergütung probatorischer Sitzungen sei die Beklagte berechtigt gewesen, für die einzelnen Quartale aus niedrigen Primärkassenpunktwerten und hohen Ersatzkassenpunktwerten einen gewichteten Mischpunktwert zu bilden, der nicht unter 2,56 Cent habe liegen dürfen. Für die Vergütung der übrigen nicht zeitgebundenen und genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen sei ein Mindestpunktwert nicht erforderlich.

Gegen dieses ihm am 21. Dezember 2010 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 19. Januar 2011, zu deren Begründung er vorträgt: Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts komme eine sachlich-rechnerische Richtigstellung nur bei einer unzutreffenden Anwendung der Gebührenordnung durch den Leistungserbringer in Betracht. Die Änderungsbefugnis finde nach der Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 08. Februar 2006 – B 6 KA 12/05 R – und vom 22. März 2006 – B 6 KA 27/05 R –) hingegen keine Anwendung bei einer nachträglichen Korrektur wegen der Auswirkungen der gesetzlichen Vorschriften zur Punktmengenbegrenzung. Sie finde auch keine Anwendung bei einer nachträglichen Korrektur zu gering festgesetzter Punktwerte, da dies offensichtlich keine Frage der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der ärztlichen Abrechnung betrifft. Damit hätte das Sozialgericht prüfen müssen, ob Vertrauensschutzgesichtspunkte einer rückwirkenden Korrektur begünstigender Honorarbescheide entgegenstünden. Dies sei der Fall: Zum einen lägen die Honorarbescheide bis einschließlich des Quartals II/01 länger als vier Jahre zurück. Zum anderen habe die Beklagte hinsichtlich der übrigen Honorarbescheide bereits mit den Bescheiden vom 08. September 2005 eine inhaltliche Überprüfung vorgenommen und vorbehaltlos eine Nachzahlung festgesetzt. Unerheblich müsse dabei sein, wie die Beklagte die Bescheide vom 08. September 2005 deklariert habe. Die Beklagte habe erstmalig mit dem am 20. Juni 2005 beschlossenen Honorarverteilungsmaßstab (HVM) eine Punktobergrenze für genehmigungspflichtige psychotherapeutische Leistungen von 561.150 Punkten eingeführt. Die rückwirkende Anwendung dieser Punktobergrenze auf den Zeitraum 01. Januar 2000 bis 20. Juni 2005 sei unzulässig. Insoweit fehle es zunächst an einer Rechtsgrundlage, da der bis zum 20. Juni 2005 anzuwendende HVM keine Beschränkung der Punktmenge enthalte. Soweit der Beschluss des Bewertungsausschusses vom 29. Oktober 2004 die Einführung einer Punktobergrenze rückwirkend ab dem 01. Januar 2000 vorsehe, sei er aufgrund einer unzulässigen Rückwirkung rechtswidrig. Denn er – der Kläger – habe sich auf das Fehlen einer Punktgrenze eingerichtet und seine wirtschaftliche Kalkulation daran ausgerichtet. Werde hierin nachträglich eingegriffen, stelle dies einen Eingriff in einen bereits abgewickelten Sachverhalt dar. Die Entscheidung der Beklagten stelle einen unzulässigen Widerruf nach §§ 48, 49 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) dar. Die nachträgliche Einführung einer Punktobergrenze verletze ihn in seinen Gleichheitsrechten aus Art. 3 GG, weil er gegenüber denjenigen Kollegen, die unter der Punktobergrenze geblieben seien, ganz erheblich benachteiligt werde. In Hinsicht auf die erforderlichen Rückzahlungen führe dies zu dem abstrusen Ergebnis, dass für den Zeitraum III/02 bis II/04 eine Praxis, die nur bis zu einer Punktemenge von 561.150 Punkten Leistungen erbracht habe, insgesamt 19.240,53 Euro mehr ausbezahlt bekomme als der Kläger, der erheblich mehr Leistungen in diesem Zeitraum erbracht habe. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass die Beklagte keine Rückstellung für die streitigen Nachzahlungsbeträge gebildet habe. Hinsichtlich der nicht antragsabhängigen und genehmigungsbedürftigen psychotherapeutischen Leistungen greife er – der Kläger – sowohl die Bildung eines Individualbudgets (IB) als auch die Höhe der Vergütung an. Die erbrachten Leistungen seien ungeeignet, Gegenstand eines IB zu sein. Es stehe nicht in seinem Belieben, ob er die vor Aufnahme bestimmter Behandlungen vorzunehmenden probatorischen Sitzungen durchführe oder nicht. Weil aber auch nicht jede Behandlung vorausgehende probatorische Sitzungen erfordere, sei deren Anfall eher zufällig bedingt und hänge zum einen davon ab, wie viele neue Therapien in einem Jahr begonnen werden (könnten), zum anderen, welche Art von Therapien "nachgefragt" würden. Im Übrigen müsse auch die Beklagte die Rechtsprechung des BSG zur Kenntnis nehmen, wonach eine sonstige psychotherapeutische Leistung mit nicht weniger als 50 Prozent des Regelpunktwertes vergütet werden müsse. Die Beklagte und das Sozialgericht legten dies jedoch offensichtlich so aus, dass die Vergütung auch nicht höher sein dürfe, da nur so die Bildung eines gewichteten Mittelwertes zwischen den von Ersatz- und Primärkassen gezahlten Punktwerten zu verstehen sei. Dies sei in mehrfacher Hinsicht rechtswidrig: Zum einen habe das BSG lediglich eine Untergrenze für die Vergütung von psychotherapeutischen Leistungen eingezogen. Zahle eine Kassengruppe (hier die Ersatzkassen) mehr als den Mindestpunktwert, gebe dies der anderen Kassengruppe nicht das Recht weniger als den Mindestpunktwert zu zahlen. Zum dritten sei die Bildung eines individuellen gewichteten Durchschnitts zwischen Ersatz- und Primärkassenvergütungen unzulässig. Dies bedeute, dass die von den Kassen für die Behandlung ihrer Mitglieder gezahlten Vergütungen von Leistungserbringer zu Leistungserbringer abwichen, je nachdem wie der Anteil ein Primär- und Ersatzkassenpatienten in der Praxis im jeweiligen Quartal gewesen sei. Eine solche Verfahrensweise verstoße gegen den Grundsatz zur gleichen Vergütung derselben Leistung an verschiedene Leistungserbringer und damit gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß Art. 3 Grundgesetz (GG). Die Beklagte habe vor Erlass ihrer Bescheide vom September 2005 sehr viel höhere Nachzahlungsbeträge "unverbindlich" angekündigt. Vor dem Hintergrund der schweren Erkrankung seiner kurz darauf verstorbenen Ehefrau habe er – der Kläger – im Vertrauen auf die Richtigkeit dieser Zusagen ein Ferienhaus auf Usedom erworben, um seiner Ehefrau für die ihr verbliebene Lebenszeit eine große Freude zu bereiten. In die Finanzierung dieses Immobilienerwerbs seien die angekündigten Nachzahlungsbeträge einkalkuliert worden. Die von der Punktobergrenze befreiten Leistungen müssten mindestens zum halben Mindestpunktwert vergütet werden. Soweit das BSG den "durchschnittlichen Punktwert" für probatorische Sitzungen ausreichen lasse, greife dies zu kurz und verletze Grundrechte der betroffenen Psychotherapeuten. Für die Bildung der IB habe der HVM auch nicht auf den Umsatz im Jahre 2002 abstellen dürfen. Da zum damaligen Zeitpunkt für die genehmigungspflichtigen Leistungen keine Punktobergrenzen angewandt worden seien, sei der Anteil der genehmigungspflichtigen Leistungen deutlich höher gewesen, als wenn Punktobergrenzen angewandt worden wären. Da Psychotherapeuten im Gegensatz zu anderen Arztgruppen infolge der Erbringung zeitgebundener Leistungen einen Punktwertverfall nicht durch die Erledigung einer größeren Anzahl von "Fällen" pro Stunde ausgleichen könnten, hätte eine Reduzierung der genehmigungspflichtigen zeitgebundenen Leistungen infolge der Anwendung von Punktobergrenzen pro Quartal dazu geführt, dass mehr Zeit für nicht genehmigungspflichtige Leistungen verblieben wäre, so dass die Umsätze im Jahr 2002 mit solchen Leistungen höher und das IB größer gewesen wäre. Ein IB basiere auf dem Gedanken, dass der in einem Referenzzeitraum erreichte Praxisumsatz bei typisierender Betrachtung ein maßgebliches Indiz für den Umfang sei, auf den der Vertragsarzt seine vertragsärztliche Tätigkeit ausgerichtet habe. Dieses Indiz versage regelmäßig bei probatorischen Sitzungen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. November 2010 aufzuheben und die Honorarbescheide der Beklagten für die Quartale I/00 bis II/04 und IV/04 in der Fassung der Bescheide vom 29. November 2001, 20. März 2003, 19. Dezember 2003, 29. Juni 2005, 08. September 2005 und 19. September 2005, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2006, diese wiederum alle in der Fassung der Bescheide vom 09. September 2009 und 16. Dezember 2009, zu ändern und über seine Honoraransprüche für die Quartale I/00 bis II/04 und IV/04 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden,

hilfsweise, ihm Gelegenheit zur Stellungnahme auf den Schriftsatz der Beklagten vom 14.2.2014 zu geben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig. Bei der Ermittlung des Stützungsbedarfs für die probatorischen Sitzungen komme es wirtschaftlich auch auf die Leistungsanforderungen in den jeweiligen Kassenbereichen an. Daher sei es sachgerecht, den für die Stützung der Probatorik relevanten Mindestpunktwert eben nicht isoliert nach den jeweiligen Kassenbereichen und auch nicht durch arithmetische Teilung zu bestimmen, sondern gewichtet nach der Punktanforderung für Probatorik im Primär- und Ersatzkassenbereich.

Die Beigeladenen haben sich im Berufungsverfahren nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten, die in der mündlichen Verhandlung vorgelegen haben.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nur teilweise begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage weitgehend abgewiesen. Rechtswidrig sind einerseits die Bescheide vom 19. September 2005 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. April 2006) und andererseits alle Bescheide, die die Vergütung der vom Kläger im Quartal I/03 erbrachten probatorischen Sitzungen im Primärkassenbereich betreffen. Im Übrigen sind die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütung der probatorischen Sitzungen und der sonstigen nicht genehmigungsbedürftigen psychotherapeutischen Leistungen zu dem von ihm für zutreffend erachteten Punktwert (hierzu unter III.). Die Beklagte war auch nicht grundsätzlich gehindert, im Rahmen der rückwirkenden Höherbewertung psychotherapeutischer Leistungen eine Mengenbegrenzung bei den zeitgebundenen genehmigungsbedürftigen psychotherapeutischen Leistungen (sog. große Psychotherapie) vorzunehmen (hierzu unter IV.). Zulässig war es darüber hinaus, für die nicht der großen Psychotherapie zuzuordnenden psychotherapeutischen Leistungen ein IB zu bilden und hierfür auf den Umsatz des Jahres 2002 abzustellen (hierzu unter V.).

I. Streitgegenstand sind neben den ursprünglichen Honorarbescheiden für die Quartale I/00 bis II/04 und IV/04 auch sämtliche Bescheide, die eine Nachvergütung für eines dieser Quartale bewilligen, d.h. die Bescheide vom 29. November 2001, 20. März 2003, 19. Dezember 2003, 08. September 2005, 19. September 2005, 09. September 2009 und 16. Dezember 2009. Denn diese Bescheide änderten die ursprünglichen Honorarbescheide in ihrem Verfügungssatz, welcher die Höhe des für ein bestimmtes Quartal gewährten vertragsärztlichen Honorars beziffert, ab und wurden daher gemäß § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Klageverfahrens. Dies trifft indes auch für den Bescheid vom 29. Juni 2005 zu, durch den das Honorar des Klägers für das Quartal II/04 herabgesetzt wurde.

Im Berufungsverfahren nicht mehr streitig ist die Frage, ob der Kläger auch die Vergütung seiner Leistungen der großen Psychotherapie zu einem höheren Punktwert verlangen kann. Ein diesbezügliches Begehren ist dem Berufungsvorbringen nicht zu entnehmen.

II. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die von ihm erbrachten Leistungen der großen Psychotherapie zu einem höheren Punktwert vergütet werden. Hierzu fehlt es an substantiellem Vorbringen der Klägerseite. Dieses besteht in diesem Punkt vielmehr nur in einem pauschalen Hinweis auf den erstinstanzlichen Vortrag. Im sozialgerichtlichen Verfahren hat der Kläger indes auf die Urteile des BSG vom 28. Mai 2008 (B 6 KA 8/07 R und B 6 KA 9/07 R, juris), welche u.a. die Mindestpunktwerte für Leistungen der großen Psychotherapie zum Gegenstand haben, Bezug genommen, die infolge dieser höchstrichterlichen Entscheidungen erfolgten Nachvergütungen durch die Beklagte (o.g. Bescheid vom 09. September 2009) als Teilanerkenntnis angenommen und im übrigen keine Einwände mehr gegen diese Urteile erhoben. Der Senat verweist daher zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des BSG in diesen Entscheidungen und macht sie sich zu Eigen.

III. Die probatorischen Sitzungen musste die Beklagte nicht mit einem höheren durchschnittlichen Punktwert als 2,56 Cent vergüten. Unzulässig war indes, dass die Beklagte einen gewichteten durchschnittlichen Punktwert zugrunde legte. Diese Vorgehensweise wirkte sich indes nur bezüglich des Quartals I/03 zuungunsten des Klägers aus. Nur für dieses Quartal war die Beklagte daher zu einer Nachvergütung zu verurteilen.

1. Ausgangspunkt sind die Vorschriften des § 85 Abs. 4 Satz 4 und Abs. 4a Satz 1 letzter Halbsatz SGB V (hier zugrunde zu legen in der zum 1. Januar 2000 in Kraft getretenen Fassung des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22. Dezember 1999, BGBl. I 2626). Danach hat der Bewertungsausschuss für die KVen, die in ihren Verteilungsmaßstäben eine angemessene Höhe der Vergütung psychotherapeutischer Leistungen je Zeiteinheit gewährleisten müssen (§ 85 Abs. 4 Satz 4 SGB V), den Inhalt der von ihnen zu treffenden Regelungen zu normieren (§ 85 Abs. 4a Satz 1 letzter Halbsatz SGB V).

a. Diese gesetzlichen Vorgaben zwingen die Beklagte nicht dazu, probatorische Sitzungen ebenso zu vergüten wie die Leistungen der sog. großen Psychotherapie.

aa. Denn der Bewertungsausschuss hat bei dieser Normsetzung – wie jeder Normgeber – Gestaltungsfreiheit. So wie dies für die ihm gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB V aufgetragene Ausformung des einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) anerkannt ist, gilt das auch für die ihm gemäß § 85 Abs. 4 Satz 4 i.V.m. Abs. 4a Satz 1 letzter Halbsatz SGB V obliegende Bestimmung von Vorgaben für die Gewährleistung einer angemessenen Vergütung für psychotherapeutische Leistungen. Die Gestaltungsfreiheit des Bewertungsausschusses erstreckt sich dabei auch auf die Entscheidung, für welche zeitgebundenen Leistungen er eine bestimmte Höhe der Vergütung vorschreibt und für welche nicht.

bb. Ein Anhaltspunkt, die Gestaltungsfreiheit des Bewertungsausschusses sei dahingehend eingeschränkt, dass er Vorgaben überhaupt nur für diejenigen Leistungen nach Abschnitt G IV des bis zum Quartal I/05 geltenden EBM (alte Fassung – aF) treffen könne, die sowohl zeitgebunden als auch genehmigungsbedürftig sind, ist weder der Wortfassung des § 85 Abs. 4 Satz 4 i.V.m. Abs. 4a Satz 1 letzter Halbsatz SGB V noch den ihr zu Grunde liegenden Materialien aus dem Gesetzgebungsverfahren zu entnehmen. Zwar hat das BSG in seinem Urteil vom 25. August 1999, auf das der Gesetzgeber mit dieser Bestimmung reagiert hat, die Punktwertstützung nur für diejenigen zeitgebundenen Leistungen gefordert, die auch genehmigungsbedürftig sind. Eine Begrenzung der Normsetzungsaufgabe des Bewertungsausschusses auf nur diese Leistungen hat aber in der Gesetz gewordenen Fassung keinen Ausdruck gefunden. Diese stellt vielmehr nur auf die Zeitgebundenheit der psychotherapeutischen Leistungen ab, ohne das weitere vom BSG genannte Merkmal "Genehmigungsbedürftigkeit" in Bezug zu nehmen (§ 85 Abs. 4 Satz 4 SGB V: " ... Regelungen ..., die eine angemessene Höhe der Vergütung je Zeiteinheit gewährleisten." – Abs. 4a Satz 1 letzter Halbsatz: "Der Bewertungsausschuss ... bestimmt ... den Inhalt der nach Absatz 4 Satz 4 zu treffenden Regelungen"). Daher ist der Bewertungsausschuss grundsätzlich befugt, inhaltliche Vorgaben für die angemessene Honorierung psychotherapeutischer Leistungen auch für diejenigen Leistungen festzulegen, die nur zeitgebunden und nicht genehmigungsbedürftig sind.

Andererseits ist es dem Bewertungsausschuss aber nicht verwehrt, sich darauf zu beschränken, eine Punktwertstützung nur für diejenigen Leistungen vorzugeben, die sowohl zeitgebunden als auch genehmigungsbedürftig sind. Eine solche Eingrenzung hält sich im Rahmen der ihm zustehenden Gestaltungsfreiheit. Dies ergibt sich vor allem daraus, dass die Gesetzesvorschriften eine Umsetzung der Rechtsprechung des BSG darstellen, die eine Punktwertstützung nur für die zeitgebundenen und genehmigungsbedürftigen psychotherapeutischen Leistungen gefordert hat. Die Auslegung der gesetzlichen Vorschriften dahin, dass diese es dem Bewertungsausschuss gestatten, sich auf Vorgaben für die sowohl zeitgebundenen als auch genehmigungsbedürftigen Leistungen zu beschränken, hat ihre Bestätigung durch die Gesetzesnovelle des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) vom 14. November 2003 erfahren. Der Gesetzgeber hat mit dieser Gesetzesänderung den vom BSG vorgegebenen Zuschnitt der Arztgruppe, die von der Punktwertstützung profitieren soll, erweitert, im Übrigen aber die Gesetzesvorschrift unverändert gelassen, also die vom Bewertungsausschuss vorgenommene Beschränkung auf Vorgaben für die sowohl zeitgebundenen als auch genehmigungsbedürftigen Leistungen nicht korrigieren wollen.

cc. Die Begrenzung der Punktwertstützung auf die sowohl zeitgebundenen als auch genehmigungsbedürftigen Leistungen und die Ausgrenzung derjenigen, die wie die probatorischen Sitzungen nur zeitgebunden, nicht aber genehmigungsbedürftig sind, verstößt auch nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG. Dieses gebietet nach ständiger Rechtsprechung dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, belässt dem Normgeber aber Gestaltungsfreiheit. Dieser darf auswählen und gewichten, nach welchen Kriterien er Sachverhalte als im Wesentlichen gleich oder ungleich ansieht; er darf auch pauschalieren, typisieren, generalisieren und schematisieren. Nur wenn für die gleiche oder ungleiche Behandlung ein vernünftiger, einleuchtender Grund fehlt, ist Art. 3 Abs. 1 GG verletzt.

Nach diesen Maßstäben des Art. 3 Abs. 1 GG ist es nicht zu beanstanden, dass der Bewertungsausschuss sich darauf beschränkt hat, eine Punktwertstützung nur für diejenigen zeitgebundenen Leistungen vorzugeben, die auch genehmigungsbedürftig sind. Der Bewertungsausschuss durfte und darf nach dem Merkmal "Genehmigungsbedürftigkeit" differenzieren. Die in der Psychotherapie-Vereinbarung (Anlage 1 zum Bundesmantelvertrag-Ärzte – BMV-Ä) vorgeschriebene Genehmigung der Krankenkassen hat nicht nur formale Bedeutung. Sie verhindert, dass der Patient diese Leistungen einfach von sich aus nachfragen und der Therapeut sie daraufhin ohne Genehmigung der Krankenkasse erbringen kann. Deswegen kann dieser solche Leistungen nur in enger begrenztem Maße vermehren; er kann weder seinen Leistungsumfang noch die abrechenbare Punktemenge allein nach eigener Entscheidung nachhaltig beeinflussen. Probatorische Sitzungen kann er demgegenüber rein tatsächlich – wenn auch jeweils nur bis zu fünf bzw. acht Sitzungen (Abschnitt E 1.1.1. der vom damaligen Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen beschlossenen Psychotherapie-Richtlinien, hier zugrunde zu legen in der ab 1. Januar 1999 geltenden Fassung) – bei allen seine Praxis aufsuchenden Patienten nach eigener Indikationsstellung durchführen und abrechnen. Dieser Unterschied ist vom BSG bereits wiederholt herausgestellt worden. Er ist eine ausreichende Rechtfertigung dafür, dass der Bewertungsausschuss Punktwertstützungen nur für solche Leistungen vorgeben muss, die sowohl zeitgebunden als auch genehmigungsbedürftig sind. Dieser ist nicht gehalten, die Vorgaben für Stützungen auch auf solche Leistungen zu erstrecken, die zeitgebunden, aber nicht genehmigungsbedürftig sind (BSG, Urteil vom 29. August 2007 – B 6 KA 35/06 R –, juris, m.w.N.).

b. Dies bedeutet aber nicht zugleich, dass die Vergütung der probatorischen Sitzungen dem freien Belieben der Beklagten anheimgestellt ist.

aa. Denn ungeachtet der o.g. Unterschiede, die den Bewertungsausschuss berechtigen, sich bei seinen Vorgaben gemäß § 85 Abs. 4 Satz 4 i.V.m. Abs. 4a Satz 1 letzter Halbsatz SGB V auf Punktwertstützungen für die zeitgebundenen und genehmigungsbedürftigen Leistungen zu beschränken, ist zu beachten, dass die probatorischen Sitzungen zum Kern des Leistungsspektrums der Psychotherapeuten gehören und bei ihnen deshalb ein beliebiger Punktwertabfall auf Dauer nicht hingenommen werden darf. Diese Leistungen werden im Gesetz ausdrücklich hervorgehoben, und zwischen ihnen und den zeitgebundenen und genehmigungsbedürftigen Leistungen der Nr. 871ff EBM aF besteht ein enger Zusammenhang. Auf der Grundlage der probatorischen Sitzungen wird die Diagnose gestellt und die Entscheidung getroffen, ob eine Behandlung im Sinne der Nr. 871ff EBM aF veranlasst und welche der verschiedenen Behandlungsmethoden (Verhaltenstherapie, tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie oder analytische Psychotherapie) die sachgemäße ist, sowie, ob zwischen dem Therapeuten und dem Versicherten eine ausreichende Beziehungsbasis für eine erfolgreiche Behandlung besteht. Aus dieser zentralen Funktion probatorischer Sitzungen folgt, dass die KVen – im Rahmen der ihnen gemäß § 85 Abs. 4 Satz 2 SGB V obliegenden Ausgestaltung ihrer Honorarverteilungsregelungen – für sie eine substanzielle Honorierung gewährleisten müssen (BSG, a.a.O.). Die für eine sachgerechte psychotherapeutische Versorgung in der einzelnen Praxis notwendige Mindestzahl an probatorischen Sitzungen muss deshalb so honoriert werden, dass – erforderlichenfalls nach Anwendung von Mengenbegrenzungsregelungen oder Ähnlichem – jedenfalls die Hälfte des ursprünglich zur Kalkulation herangezogenen Punktwerts von 10 Pf. (d.h. 5,0 Pf. bzw. 2,56 Cent) für solche Leistungen nicht unterschritten wird (BSG, Urteil vom 28. Mai 2008 – B 6 KA 49/07 R –, juris). Insoweit ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich, in die die i.d.R. unterschiedlich hohen Punktewerte des Primär- und des Ersatzkassenbereichs einfließen. Nur wenn deren arithmetischer Mittelwert den o.g. Mindestpunktwert von 2,56 Cent erreicht, entspricht die Vergütung probatorischer Sitzungen den gesetzlichen Vorgaben (BSG, a.a.O.).

bb. Diesen Anforderungen genügt die von der Beklagten zuletzt vorgenommene Vergütung der probatorischen Sitzungen für das Quartal I/03 nicht.

(1) Die von ihr zuletzt zugrunde gelegten Punktwerte i.H.v. 1,9627 Cent (PK) und 3,0087 Cent (EK) für das Quartal I/03 bzw. 1,9631 Cent (PK) und 2,9577 Cent (EK) für das Quartal II/03 ergeben ein arithmetisches Mittel von 2,4857 Cent für das Quartal I/03 bzw. 2,4604 für das Quartal II/03. Die Beklagte hat demgegenüber unter Berücksichtigung des PK- und EK-Anteils einen durchschnittlichen gewichteten Punktwert i.H.v. 2,64465 Cent für das Quartal I/03 bzw. 2,54635 Cent für das Quartal II/03 gebildet und demzufolge nur den Punktwert für das Quartal II/03 angehoben. Diese Vorgehensweise widerspricht den Vorgaben des BSG (a.a.O.), wonach ein arithmetischer Mittelwert zu bilden ist.

Unerheblich ist, dass die probatorischen Sitzungen des Klägers im Quartal II/03 aufgrund der Berechnungsweise der Beklagten zu einem 2,56 Cent übersteigenden Punktwert (nach-)vergütet wurden. Dass die Beklagte dem Kläger damit eine höhere Vergütung gewährte, als sie von Gesetzes wegen geboten war, ist einer Prüfung des Senats entzogen, da der Bescheid vom 16. Dezember 2009 insoweit bestandskräftig ist. Eine wie auch immer geartete "Saldierung" ist ausgeschlossen, weil unterschiedliche Quartale und somit unterschiedliche Streitgegenstände betroffen sind.

(2) Selbst wenn man die Ansicht verträte, die Berücksichtigung des arithmetischen Mittelwerts in der Entscheidung des BSG vom 28. Mai 2008 schließe die Anwendung anderer Mittelwerte nicht aus, wäre die Vorgehensweise der Beklagten rechtswidrig. Denn es mangelt insoweit an einer normativen Grundlage, da die erforderliche Änderung des in den Quartalen I/03 und II/03 geltenden Honorarverteilungsmaßstabs nicht erfolgte. Darüber hinaus verstößt die Anwendung eines gewichteten durchschnittlichen Punktwerts im Falle des Klägers gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 GG. Dem Senat ist aus den Verfahren L 7 KA 86/08 u.a. (vgl. Urteile vom 14. September 2011, juris) bekannt, dass die Beklagte die Punktwerte für probatorische Sitzungen bei anderen ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Leistungserbringerinnen auf den arithmetischen Mittelwert angehoben und diesen dort auch zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt hat. Ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung des Klägers ist weder nach dem Vorbringen der Beklagten noch anderweitig ersichtlich.

(3) Die Beklagte hat daher für das Quartal I/03 die Vergütung der probatorischen Sitzungen im Primärkassenbereich so anzuheben, dass für dieses Quartal über alle Kassenarten ein arithmetisches Mittel von 2,56 Cent erreicht wird, d.h. um 0,1486 Cent.

2. Eine höhere Vergütung der probatorischen Leistungen kann der Kläger auch nicht unter Berufung auf das Schreiben der Beklagten vom 20. April 2005 erlangen. Auf die in diesem Schreiben angekündigten Beträge durfte der Kläger nicht vertrauen. Insbesondere liegt in diesem Schreiben keine Zusicherung i.S.v. § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB X, d.h. eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen. Diesem Schreiben ist in keiner Weise der für eine Zusicherung erforderliche Verpflichtungswille der Beklagten zu entnehmen. Diese hat vielmehr ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich lediglich um eine Vorabinformation handele und das Schreiben weder einen Bescheid – d.h. einen Verwaltungsakt i.S.v. § 31 SGB X – noch eine Zusicherung (!) darstelle.

IV. Die streitgegenständlichen Bescheide vom 29. Juni 2005, 8. September 2005 und 19. September 2005 sind nicht zu beanstanden, soweit die Beklagte darin sachlich-rechnerische Berichtigungen vorgenommen hat. Dieses Rechtsinstitut gestattete der Beklagten auch die erstmalige Berücksichtigung einer Punktmengengrenze von 561.150 Punkten je Quartal für Leistungen der großen Psychotherapie (hierzu unter 1). Die sachlich-rechnerische Berichtigung durfte auch Quartale erfassen, bezüglich derer die erstmalige Honorarfestsetzung schon mehr als 4 Jahre zurück lag (hierzu unter 2).

1. Rechtsgrundlage der sachlich-rechnerischen Richtigstellung ist Abs. 2 Satz 1 der mit Wirkung zum 1. Januar 2004 eingeführten Vorschrift des § 106a SGB V. Danach stellt die KV die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten. Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen des Vertragsarztes zielt auf die Feststellung, ob die Leistungen rechtmäßig, also im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungsrechtlichen Vorschriften des Vertragsarztrechts – mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebots –, erbracht und abgerechnet worden sind. Die Befugnis zu Richtigstellungen besteht auch für bereits erlassene Honorarbescheide (nachgehende Richtigstellung). In wessen Verantwortungsbereich die sachlich-rechnerische Unrichtigkeit fällt, ist unerheblich; einzige tatbestandliche Voraussetzung ist die Rechtswidrigkeit des Honorarbescheides. Eine Beschränkung der sachlich-rechnerischen Richtigstellung auf fehlerhafte Gebührenansätze des Vertragsarztes besteht daher – entgegen der klägerischen Auffassung – nicht.

Im Umfang der vorgenommenen Korrekturen bedeutet die sachlich-rechnerische Richtigstellung eine teilweise Rücknahme des Honorarbescheids. Die genannten Bestimmungen stellen Sonderregelungen dar, die gemäß § 37 Satz 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) in ihrem Anwendungsbereich die Regelung des § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) verdrängen. Eine nach den Bestimmungen zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung rechtmäßige (Teil-)Rücknahme des Honorarbescheids mit Wirkung für die Vergangenheit löst nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung des Empfängers der Leistung aus (BSG, Urteil vom 28. August 2013 – B 6 KA 50/12 R –, juris, m.w.N.).

a. Als Rechtsgrundlage für sachlich-rechnerische Richtigstellungen kam bis zum 31. Dezember 2003 indes ausschließlich § 45 Abs. 2 Satz 1 BMV-Ä bzw. § 34 Abs. 4 Satz 2 Arzt-/Ersatzkassenvertrag (EKV-Ä) in Betracht. Auch diese Regelungen implizierten neben der Befugnis zur Änderung bereits bestandskräftiger Honorarbescheide die Berechtigung zur Rückforderung von Honorar (zuletzt: BSG, Urteil vom 11. März 2009 - B 6 KA 62/07 R -, juris, m.w.N.), welches bei der Vergütung fehlerhaft abgerechneter Gebührenziffern ausgezahlt wurde. Der Senat kann offen lassen, welche Vorschriften auf die hier zu überprüfende sachlich-rechnerische Richtigstellung bezüglich der streitgegenständlichen Quartale anzuwenden sind.

Soweit § 106a SGB V verfahrensrechtliche Regelungen enthält, ist er nach den Grund-sätzen des intertemporalen Verfahrensrechts mit dem Zeitpunkt seines In-Kraft-Tretens auch auf alle noch nicht abgeschlossenen Abrechnungsprüfungen anwendbar (vgl. BSG, Urteil vom 09. April 2008 - B 6 KA 34/07 R -, juris). Da jedoch § 106a Abs. 2 Satz 1, erster Halbsatz SGB V ohne Berücksichtigung der nach den § 106a Abs. 5 und 6 SGB V vorgesehenen untergesetzlichen Regelungen keine Änderung gegenüber dem bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Recht der sachlich-rechnerischen Richtigstellung enthält (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juni 2010 - B 6 KA 12/09 R -, juris), führt der Wechsel der Ermächtigungsgrundlage allein zu keiner geänderten Beurteilung der o.g. sachlich-rechnerischen Richtigstellung.

Die auf § 106a Abs. 6 SGB V beruhenden Richtlinien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Spitzenverbände der Krankenkassen zum Inhalt und zur Durchführung der Abrechnungsprüfungen der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Krankenkassen (DÄBl. 04, A-2555) traten nach ihrem § 22 Abs. 1 erst zum 01. Januar 2005 in Kraft. Diese Richtlinien waren für die streitgegenständlichen Bescheide ohne Bedeutung, da nach ihrem § 22 Abs. 4 Prüfungen der sachlich-rechnerischen Richtigkeit und darauf bezogene Plausibilitätsprüfungen durch die KVen für Zeiten bis zum In-Kraft-Treten der Verträge nach § 106a Abs. 5 SGB V nach den bis zu diesem Zeitpunkt vereinbarten oder beschlossenen Vorschriften erfolgen. Für den Bereich der Beklagten erfolgte eine solche Regelung erstmalig durch die "Vereinbarung über die Durchführung der Prüfung der Abrechnungen auf Rechtmäßigkeit und Plausibilität gemäß § 106a SGB V (Plausibilitätsvereinbarung)" vom 05. September 2007, welche nach ihrem § 21 Abs. 1 mit Wirkung zum 01. Januar 2007 in Kraft trat und für die Prüfung der ab dem Quartal III/06 abgerechneten Leistungen galt. Dass nach einer Protokollnotiz zu dieser Bestimmung die Beklagte erklärte, auch Prüfanträge der Krankenkassen entgegenzunehmen und zu bearbeiten, die die Quartale II/05 bis einschließlich II/06 betreffen, ist ohne Belang, da die hier streitgegenständlichen Quartal davon nicht erfasst werden (Senat, Urteil vom 23. März 2011 – L 7 KA 93/09 –, juris).

b. Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine nachträgliche sachlich-rechnerische Richtigstellung sind vorliegend erfüllt, weil die Beklagte in den ursprünglichen Honorarbescheiden für sämtliche streitbefangene Quartale die durch höherrangiges Recht vorgegebene Mengenbegrenzung von 561.150 Punkten versehentlich nicht angewandt hatte.

aa. Nach § 85 Abs. 4 Satz 4 SGB V in der ab 1. Januar 2000 geltenden Fassung muss der HVM der KV Regelungen zur Vergütung der Leistungen der Psychotherapeuten und der ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte treffen, die eine angemessene Höhe der Vergütung je Zeiteinheit gewährleisten. Den "Inhalt" der nach dieser Vorschrift zu treffenden Regelung bestimmt gemäß § 85 Abs. 4a Satz 1, letzter Halbsatz SGB V der Bewertungsausschuss. Dieser Vorgabe ist der Bewertungsausschuss mit seinem mit Wirkung zum 1. Januar 2000 gefassten Beschluss vom 16. Februar 2000 (DÄBl. 2000, 558). Unterziffer 2.9 in Teil II Ziffer 2 ("Festlegung der angemessenen Höhe der Vergütung mit Hilfe ein regionalen Mindestpunktwerts ") dieser Regelungen hat folgenden Inhalt:

"Dieser so festgelegte Mindestpunktwert gilt nur für die zeitgebundenen antrags- und genehmigungspflichtigen Leistungen des Abschnitts G IV. des EBM bis zu einer Höhe von insgesamt 561 150 Punkten je Quartal und Arzt für ausschließlich psychotherapeutisch tätige Vertragsärzte und -therapeuten."

Die dort getroffene Regelung ist für die einzelne KV verbindlich. Insoweit kommt Beschlüssen des Bewertungsausschusses nach § 85 Abs. 4a SGB V derselbe Vorrang gegenüber dem HVM einer KV zu wie dem auf der Grundlage des § 87 Abs. 1 SGB V erlassenen Bewertungsmaßstab (BSG, Urteil vom 28. Januar 2004 – B 6 KA 25/03 R –, juris).

bb. Diesen Vorrang akzeptierend sah der ab dem Quartal I/00 geltende HVM der Beklagten unter § 9 Ziff. 4 folgenden Leistungsbereich vor:

F1 Leistungen der ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte und Psychotherapeuten sowie der gemäß § 117 SGB V ermächtigten Ausbildungsinstitute i. S. § 6 PsychThG. Einbezogen sind alle psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichentherapeuten sowie diejenigen Ärzte, die im Jahresdurchschnitt 1999 mindestens 90 % ihrer Leistungen aus den Kapiteln G IV, G V sowie EBM-Nrn. 855 – 858 abgerechnet hatten.

F1.1 Leistungen, die laut Beschluss des Bewertungsausschusses gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB V zur Festlegung der angemessenen Höhe der Vergütung ausschließlich psychotherapeutisch tätiger Vertragsärzte und -therapeuten gemäß § 85 Abs. 4 SGB V (GKV V-GR 2000) mit einem Mindestpunktwert zu bewerten sind.

F1.2 Übrige Leistungen der ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte und Psychotherapeuten.

Die die Verweisung auf die Vorgaben des Bewertungsausschusses enthaltende Regelung unter F 1.1 blieb bis zum Quartal II/03 unverändert.

Für die Quartale III/03 bis IV/04 sah der HVM der Beklagten in seinen jeweiligen Fassungen auch für psychotherapeutisch tätige Leistungserbringer eine Vergütung auf der Grundlage eines IB vor, in die allerdings die "antrags- und genehmigungspflichtigen Leistungen (GO Nrn. 871-884) der ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Vertragsärzte und -therapeuten" nicht eingeschlossen waren (§ 9 Ziff. 1 Abs. 5 HVM). Die Vergütung der Leistungen der ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Vertragsärzte und Psychotherapeuten erfolgte vielmehr u.a. nach folgenden Maßgaben (§ 8b Ziffer 2 HVM):

Für die Vergütung der zeitgebundenen antrags- und genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen des EBM-Kapitels G IV (GO Nrn. 871 – 884), welche laut des Beschlusses des Bewertungsausschusses gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB V zur Festlegung der angemessenen Höhe der Vergütung ausschließlich psychotherapeutisch tätiger Vertragsärzte und Psychotherapeuten gemäß § 85 Abs. 4 SGB V mit einem Mindestpunktwert zu bewerten sind, steht das durchschnittliche Honorarvolumen des Jahres 2002 zur Verfügung, wobei vertraglich vereinbarte zweckgebundene Stützbeträge der Krankenkassen hierbei unberücksichtigt bleiben. Sollte der rechnerische Punktwert dieses Bereiches unter dem Mindestpunktwert liegen, so ist dieser Punktwert zu Lasten des fachärztlichen Verteilungsbetrages zu stützen. Dieses sich ggf. um die Stützung auf den Mindestpunktwert erhöhte Honorarvolumen wird vorab von dem fachärztlichen Verteilungsbetrag abgezogen.

Die Vergütung der übrigen Leistungen der ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Vertragsärzte und Psychotherapeuten unterliegt den Regelungen des § 9 (Individualbudget). Dazu wird das durchschnittliche Honorarvolumen für die übrigen Leistungen der ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Vertragsärzte und Psychotherapeuten, welches im Jahre 2002 zur Verfügung gestanden hat, bereitgestellt und aus dem fachärztlichen Verteilungsbetrag in Abzug gebracht.

Die HVMe der Beklagten legten – wie durch die Verweise auf die Beschlüsse des Bewertungsausschusses zum Ausdruck gebracht – somit dessen Vorgaben, d.h. auch die Mengenbegrenzung auf 561.150 Punkte je Quartal für Leistungen der großen Psychotherapie, zugrunde.

cc. Weil die ursprünglichen Quartalshonorarbescheide diese Mengenbegrenzung nicht berücksichtigt hatten, durfte die Beklagte dies im Wege sachlich-rechnerischer Richtigstellung nachträglich korrigieren.

2. Die Befugnis der Beklagten zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung des fehlerhaften Honorarbescheids war jedoch teilweise durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes eingeschränkt. Nicht zu beanstanden ist der nur das Quartal IV/04 betreffende Bescheid vom 29. Juni 2005. Die Bescheide der Beklagten vom 8. September 2005 waren rechtmäßig, obwohl seit Erlass der ursprünglichen Honorarbescheide für die Quartale I/00 bis I/01 mehr als 4 Jahre vergangen waren. Die Bescheide vom 19. September 2005 sind hingegen rechtswidrig.

Der Vertragsarzt kann nach der Rechtsprechung des BSG auf den Bestand eines vor einer endgültigen Prüfung auf Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit erteilten Honorarbescheides grundsätzlich nicht vertrauen. Die Auskehrung der Gesamtvergütungsanteile durch die KV im Wege der Honorarverteilung ist nämlich dadurch gekennzeichnet, dass diese quartalsmäßig auf die Honoraranforderungen ihrer Vertragsärzte hin Bescheide zu erlassen hat, ohne dass sie – aus rechtlichen und/oder tatsächlichen Gründen – die Rechtmäßigkeit der Honoraranforderungen hinsichtlich ihrer sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Leistungserbringung bereits umfassend überprüfen konnte. Die Berechtigung der KV zur Rücknahme rechtswidriger Honorarbescheide ist nicht auf die Berichtigung von Fehlern aus der Sphäre des Vertragsarztes beschränkt, sondern besteht umfassend, unabhängig davon, in wessen Verantwortungsbereich die allein maßgebliche sachlich-rechnerische Unrichtigkeit fällt.

Die umfassende Berichtigungsbefugnis der KV, die den Besonderheiten und Erfordernissen der Honorarverteilung Rechnung trägt, ist aber im Hinblick auf den gebotenen Vertrauensschutz der Vertragsärzte zu begrenzen. Das gilt sowohl für Unrichtigkeiten, die ihre Ursache in der Sphäre des Vertragsarztes finden, wie auch bei anderen Fehlern, etwa der Unwirksamkeit der generellen Grundlagen der Honorarverteilung. Insbesondere im letztgenannten Fall müssen die Interessen des einzelnen Arztes an der Kalkulierbarkeit seiner Einnahmen aus vertragsärztlicher Tätigkeit einerseits und die Angewiesenheit der KV auf die Weitergabe nachträglicher Änderungen der rechtlichen Grundlagen der Honorarverteilung an alle Vertragsärzte andererseits zu einem sachgerechten Ausgleich gebracht werden. Zur generellen Sicherstellung dieses Interessenausgleichs und damit zur Beurteilung der Frage, in welchen Konstellationen das Vertrauen des Vertragsarztes auf den Bestand eines rechtswidrigen, ihn begünstigenden Verwaltungsaktes schutzwürdig ist, wurden folgende Fallgruppen entwickelt, in denen die Befugnis zu sachlich-rechnerischen Richtigstellungen aus Gründen des Vertrauensschutzes begrenzt ist (BSG, Urteil vom 28. August 2013 – B 6 KA 50/12 R –, juris, m.w.N.):

a. Die nachträgliche Korrektur eines Honorarbescheids nach den Vorschriften über die sachlich-rechnerische Richtigstellung ist nicht mehr möglich, wenn die Frist von vier Jahren seit Erlass des betroffenen Honorarbescheids bereits abgelaufen ist. Eine Rücknahme des Honorarbescheides ist nach Ablauf der Frist nur noch unter Berücksichtigung der Vertrauensausschlusstatbestände des § 45 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 SGB X möglich (BSG a.a.O. m.w.N.). Diese Fallgruppe ist vorliegend teilweise einschlägig, da zwischen dem Erlass der ursprünglichen Honorarbescheide für die Quartale I/00 bis I/01 – der letzte dieser Bescheide erging am 30. August 2001, für eine Bekanntgabe außerhalb der 3-Tages-Frist nach § 37 Abs. 2 SGB X gibt es keine Anhaltspunkte – und der Bekanntgabe der die Abrechnungsnummer 7268032 betreffenden Bescheide vom 8. und 19. September 2005 mehr als 4 Jahre liegen.

aa. Eine Korrektur der Honorarbescheide für die Quartale I/00 bis I/01 nach den Beschränkungen von § 45 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 SGB X kommt nicht in Betracht. Zum einen ist nicht erkennbar, dass der Kläger Kenntnis von der fehlenden Mengenbegrenzung als dem die Rechtswidrigkeit begründenden Umstand hatte oder hätte haben müssen. Zum anderen ist die Jahresfrist gemäß § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X überschritten, da weder nach dem Vorbringen der Klägerin noch anderweitig erkennbar ist, dass die Beklagte erst nach dem 8. September 2004 Kenntnis von der unterlassenen Punktmengenbegrenzung hatte.

bb. Gleichwohl ist der die Abrechnungsnummer 7268032 und somit die Quartale I/00 bis I/01 betreffende Bescheid vom 8. September 2005 nicht rechtswidrig. Die sachlich-rechnerische Richtigstellung führte nämlich nicht zu einem Eingriff in einen bestandskräftigen Verwaltungsakt der Beklagten gegenüber dem Kläger, sondern erfolgte im Rahmen eines Zugunstenbescheids nach § 44 Abs. 2 SGB X. Dies hatte zur Folge, dass die sich aus der sachlich-rechnerischen Richtigstellung ergebende Überzahlung nicht zu einer Minderung des dem Kläger bis dahin bewilligten Quartalshonorars, sondern lediglich zu einer Verringerung des Nachvergütungsbetrags führte. Hierdurch werden Rechte des Klägers nicht verletzt.

(1) Darin liegt keine Umgehung der Vertrauensschutzregelungen von § 45 SGB X bzw. der o.g. Beschränkungen der einer KV zustehenden Befugnis zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung.

Allerdings wäre die Beklagte nicht berechtigt gewesen, am 8. September 2005 einen Bescheid zu erlassen, der einzig die o.g. sachlich-rechnerische Richtigstellung, d.h. die nachträgliche Anwendung der Mengenbegrenzung auf 561.150 Punkte je Quartal für Leistungen der großen Psychotherapie, sowie insbesondere die damit verbundene Honorarrückforderung zum Gegenstand hat. Dem stünden – wie bereits dargelegt – § 45 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 4 Satz 1 SGB X entgegen.

Der die Abrechnungsnummer 7268032 betreffende Bescheid vom 8. September 2005 beruht hingegen auf § 44 Abs. 2 SGB X. Auf ihn sind § 45 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 4 Satz 1 SGB X nicht (entsprechend) anwendbar. Dies beruht darauf, dass sowohl das Tatbestandsmerkmal der Rechtswidrigkeit (zur parallelen Vorschrift des § 48 VwVfG: Stelken/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetzt, 8.A., § 48 Rd. 51) als auch das durch diese Vorschriften geschützte Vertrauen des Leistungsempfängers sich nur auf den Verfügungssatz des Verwaltungsakts beziehen, nicht aber auf fehlerhafte Begründungselemente (vgl. BSG, Urteil vom 15. September 1988 – 9/4b RV 15/87 –, juris). Denn nur das Vertrauen "auf den Bestand des Verwaltungsaktes" (§ 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X) wird gesetzlich geschützt. An der Bestandskraft i.S. einer Bindungswirkung (§ 77 SGG) nimmt grundsätzlich nur der Verfügungssatz, d.h. die Regelung i.S.v. § 31 Satz 1 SGB X, teil, nicht hingegen die Begründung (BSG, Urteil vom 23. November 2005 – B 12 RA 15/04 R –, juris; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 10.A., § 77 Rd. 5b m.w.N.). Soweit das BSG für den Bereich des Vertragsarztrechts in einem Einzelfall Vertrauensschutz aufgrund der Begründung eines Verwaltungsaktes angenommen hat (Urteil vom 12. Dezember 2001 - B 6 KA 3/01 R -, juris), liegen die Besonderheiten des dortigen Falles hier nicht vor: in jenem Fall hatte die KV eine im Honorarbescheid vorgenommene sachlich-rechnerische Richtigstellung im Rahmen des Widerspruchsverfahren durch einen weiteren Bescheid ausdrücklich berichtigt. Aufgrund der Begründung dieses zweiten Bescheides billigte das BSG dem betroffenen Vertragsarzt Vertrauensschutz für die Zeit nach seinem Erlass (bis zum Ergehen anderslautender Rechtsprechung) zu. Im hiesigen Fall hat die Beklagte indes nicht ausdrücklich durch entsprechende Ausführungen in den jeweiligen Honorarbescheiden auf die Anwendung der Mengenbegrenzung verzichtet; Erläuterungen, auf die der Kläger hätte vertrauen können, fehlen gerade. Auf das Schweigen einer Behörde lässt sich typischerweise kein Vertrauen gründen (so ausdrücklich zum Einwand der Verwirkung: BSG, Urteil vom 28. April 1987 – 12 RK 14/85 –, BSG, Urteil vom 25. Januar 1972 – 9 RV 238/71 –, juris).

(2) Im Übrigen ist die Korrektur eines rechtswidrigen Verwaltungsakts außerhalb der Vertrauensschutzvorschriften des § 45 SGB X auch nach dem positiven Recht nicht generell ausgeschlossen. So darf bei Verwaltungsakten mit Dauerwirkung gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 SGB X dann, wenn ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 SGB X nicht zurückgenommen werden kann und eine Änderung nach § 48 Absatz 1 oder 2 SGB X zugunsten des Betroffenen eingetreten ist, die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Hierdurch wird einerseits der Vertrauens- und Bestandsschutz bezüglich des Verfügungssatzes – bei Geldleistungen also bezüglich eines bestimmten Zahlbetrages – gewahrt, andererseits wird vermieden, dass eingetretenes Unrecht weiter "wächst" (Steinwedel, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 48 SGB X, Rd. 59; Heße, in: Beck’scher Onlinekommentar zum Sozialrecht, § 48 Rd. 37). Solange eine Saldierung von Vor- und Nachteilen, insbesondere bei Geldleistungen, zu einer Begünstigung des Bescheidadressaten führt, wird sie ganz allgemein für zulässig erachtet (für das Ausbildungsförderungsrecht: BVerwGE 24, 264, 271; 21, 119; für das Steuerrecht vgl. § 177 Abs. 1 und 2 AO und hierzu BFHE 172, 298; ferner Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., Rd. 51, 143), solange derselbe Verfügungssatz bzw. dieselbe Regelung i.S.v. § 31 Satz 1 SGB X betroffen ist (anders daher für die Saldierung über mehrere Regelungen hinweg: BSG, Urteil vom 05. September 2007 – B 11b AS 15/06 R –, juris).

(3) Auch das Verbot der reformatio in peius (sog. Verböserung) ist nicht tangiert. Denn eine solche ist nur anzunehmen, wenn die Saldierung zu Lasten des Leistungsempfängers wirkt, ihm also nach dem die Saldierung vornehmenden Bescheid ein geringerer Leistungsbetrag verbliebe als zuvor. Dies ist beim Kläger nicht der Fall.

b. Weiterhin ist die Befugnis der KV zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung aus Vertrauensschutzgesichtspunkten eingeschränkt, soweit die KV ihre Befugnis zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung bereits "verbraucht" hat, indem sie die Honoraranforderung des Vertragsarztes in einem der ursprünglichen Honorarverteilung nachfolgenden Verfahren auf ihre sachlich-rechnerische Richtigkeit überprüft und vorbehaltlos bestätigt hat. In diesem Fall ist die jedem Honorarbescheid innewohnende spezifische Vorläufigkeit und damit die Anwendbarkeit der Berichtigungsvorschriften entfallen (BSG, Urteil vom 28. August 2013 – B 6 KA 50/12 R –, juris, m.w.N.).

aa. Eine solche Fallkonstellation ist hier nur im Hinblick auf die Bescheide vom 19. September 2005 gegeben. Darin nimmt die Beklagte eine erneute sachlich-rechnerische Richtigstellung bezüglich der ursprünglich unterlassenen Punktmengenbegrenzung vor, obwohl insoweit bereits durch die Bescheide vom 8. September 2005 eine entsprechende Korrektur erfolgt war und somit die den ursprünglichen Honorarbescheiden innewohnende spezifische Vorläufigkeit beseitigt war (vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.). Nach einer bereits durchgeführten sachlich-rechnerische Richtigstellung ist daher eine nochmalige Korrektur des Honorarbescheids wegen anfänglicher Fehler zu Lasten des Vertragsarztes nur unter den Voraussetzungen von § 45 SGB X zulässig (BSG, Urteil vom 26. Juni 2002 – B 6 KA 26/01 R –, juris, m.w.N.).

bb. Den demzufolge anzuwendenden Vertrauensschutzvorschriften gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 SGB X entsprechen die Bescheide vom 19. September 2005 nicht.

(1) Nach § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X wird der (ergänze im Hinblick auf § 45 Abs. 1 SGB X: anfänglich rechtswidrige begünstigende) Verwaltungsakt nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und – hier nicht einschlägig – Absatz 3 Satz 2 mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X kann sich der Begünstigte nicht auf Vertrauen berufen, soweit 1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, 2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder 3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(2) Ein Fall nach Nr. 1 oder 2 liegt ersichtlich nicht vor. Der Kläger muss sich auch nicht entgegen halten lassen, die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt zu haben.

(a) Maßgebend ist die persönliche Einsichtsfähigkeit des Begünstigten, also ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab. Die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, wer schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss. Das bemisst sich zunächst nach den Sorgfaltsanforderungen, die dem Begünstigten nach seiner Pflichtenstellung im Sozialrechtsverhältnis gestellt sind. Zwar besteht keine Rechtspflicht, einen Verwaltungsakt umfassend auf Richtigkeit zu überprüfen. Andererseits sind die Beteiligten im Sozialrechtsverhältnis verpflichtet, sich gegenseitig vor vermeidbarem, das Versicherungsverhältnis betreffenden Schaden zu bewahren. Dem entsprechend ist der Adressat eines Verwaltungsakts rechtlich gehalten, einen ihm günstigen Bewilligungsbescheid zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen. Von einem Kennenmüssen i.S.d. o.g. Vorschrift ist bei Fehlern auszugehen, die sich erstens aus dem begünstigenden Verwaltungsakt selbst oder anderen Umständen ergeben und zweitens für das Einsichtsvermögen des Betroffenen ohne weiteres erkennbar sind. Das ist anzunehmen bei solchen Fehlern, die unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Persönlichkeit des Betroffenen und seines Verhaltens augenfällig sind. Der Begründung des Verwaltungsakts nach ist ein Fehler augenfällig, wenn die Fehlerhaftigkeit dem Adressaten unter Berücksichtigung seiner individuellen Einsichts- und Urteilsfähigkeit ohne weitere Nachforschungen und mit ganz nahe liegenden Überlegungen einleuchten und auffallen muss. Ausschlaggebend für die nach diesen Kriterien zu beurteilende Erkennbarkeit eines Fehlers ist der individuelle Verständnishorizont des Begünstigten (die umfangreiche Rechtsprechung des BSG zusammenfassend: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8.A,. § 45 Rd. 54ff, m.w.N.).

(b) Diese allgemeinen Grundsätze bedürfen für den Bereich des Vertragsarztrechts einer Modifikation. Denn insoweit kann nicht außer Acht bleiben, dass sich Bescheide der KV an einen sachkundigen Personenkreis richten, der mit den Abrechnungsvoraussetzungen vertraut ist bzw. zu dessen Pflichten es gehört, über die Grundlagen der Abrechnung der vertragsärztlichen Leistungen Bescheid zu wissen. Das erlaubt es den KVen, auch hinsichtlich der Honorarberechnung entsprechende Kenntnisse, welche von ihr regelmäßig durch Rundschreiben oder anderweitige Veröffentlichungen unter allen Vertragsärzten verbreitet werden, vorauszusetzen und die Begründung ihrer Honorarbescheide hierauf einzustellen (BSG, Urteil vom 09. Dezember 2004 – B 6 KA 44/03 R –, juris, m.w.N.).

(c) An diesem Maßstab gemessen hätte der Kläger nicht erkennen müssen, dass die Beklagte die nachträgliche Punktmengenbegrenzung in den Bescheiden vom 8. September 2005 nur unvollständig, d.h. nicht für die Kassenbereiche der AOK und der Betriebskrankenkassen (BKK), durchgeführt hat. Hierfür hätte der Kläger die quartalsweise vorgenommenen Darstellungen der Beklagten zu den aus der Punktwerterhöhung (bis 561.150 Punkten) resultierenden "Gutschriften" einerseits und den aus der Punktwertverringerung "über 561.150,0 Punkten" sich ergebenden Abzügen andererseits vollständig auf inhaltliche Konsistenz überprüfen müssen. Nur dann hätte ihm auffallen können, dass die im Abschnitt "Übersicht der Ausgangsdaten" unter der Überschrift "Vergütungsaufteilung" aufgeführte, die Mengenbegrenzung auf 561.150 Punkte überschreitende Punktzahl (für das Quartal I/00: 595.950 Punkte) nicht mit der (von ihm zu berechnenden) Summe der unter der Überschrift "Übersicht der Berechnung über 561.150,0 Punkten zum rechnerischen Punktwert (F1)" genannten "Überschreitungs-Punkte" übereinstimmt. In diesem Zusammenhang wird die Nachvollziehbarkeit dieser Darstellung durch missverständliche Formulierungen der Beklagten nicht unerheblich erschwert. So werden unter der o.g. Überschrift "Vergütungsaufteilung" Punkte aufgeteilt, nicht aber – wie nach dem allgemeinen Sprachgebrauch zu erwarten – (ggf. in DM oder Euro auszuweisendes) Honorar. Ferner werden die aus der Punktmengenbegrenzung für den Kläger resultierenden finanziellen Nachteile – ebenso wie die Vorteile – als "Gutschrift" bezeichnet; lediglich an der Verwendung eines Minuszeichens vor dem jeweiligen Betrag ist für den Adressaten die Differenzierung zwischen finanziellen Vor- und Nachteilen erkennbar.

c. Darüber hinaus ist nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen Vertrauensschutz der Vertragsärzte zu beachten, wenn die KV es unterlassen hatte, bei der Erteilung des Honorarbescheids auf ihr bekannte Ungewissheiten hinsichtlich der Grundlagen der Honorarverteilung oder ihrer Auslegung oder auf ein noch nicht abschließend feststehendes Gesamtvergütungsvolumen hinzuweisen und durch einen Vorläufigkeitshinweis zu manifestieren. Der Vorläufigkeitshinweis muss sich dabei nicht ausdrücklich aus dem Honorarbescheid selbst ergeben, es genügt vielmehr, dass sich der Vorbehalt aufgrund bestehender Ungewissheiten ausreichend deutlich aus den Gesamtumständen ergibt. Hat die KV einen derartigen Hinweis in der notwendigen Form unterlassen, sind die Berichtigungsvorschriften zwar weiterhin anwendbar, wegen des durch das Verhalten der KV begründeten Vertrauensschutzes der Vertragsärzte ist für die Aufhebung eines Honorarbescheides aber nur Raum, wenn in entsprechender Anwendung des § 45 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 SGB X Vertrauensausschlusstatbestände gegeben sind (BSG, Urteil vom 28. August 2013 – B 6 KA 50/12 R –, juris, m.w.N.). Eine solche Fallkonstellation liegt hier gleichfalls nicht vor.

d. Schließlich ist die Richtigstellungsbefugnis der KV begrenzt, wenn die Besonderheiten der Honorierung vertragsärztlicher Leistungen, die in der Rechtsprechung für die Verdrängung der Regelung des § 45 SGB X durch die Vorschriften über die sachlich-rechnerische Richtigstellung angeführt worden sind, nicht konkret tangiert sind. Diese Fallgruppe erfasst die fehlerhafte Abrechnung im Einzelfall etwa infolge eines Rechenfehlers oder der versehentlichen Verwendung eines falschen Berechnungsfaktors. Auch in einem solchen Fall wird die Honorarberichtigung zwar nach den einschlägigen bundesmantelvertraglichen Regelungen durchgeführt, im Rahmen des Berichtigungsverfahrens sind indes die speziellen Vertrauensschutztatbestände des § 45 Abs. 2 i.V.m. Abs. 4 SGB X entsprechend heranzuziehen. Ein solcher Sachverhalt gibt keinen Anlass, von den allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen abzuweichen, wonach die Behörde vorbehaltlich der besonderen Tatbestände des § 45 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 4 SGB X das Risiko dafür trägt, dass sie einen für den Bürger günstigen Verwaltungsakt erlässt, der sich nachträglich als teilweise rechtswidrig erweist (BSG a.a.O. m.w.N.). Auch diese Fallgruppe ist im Falle des Klägers nicht einschlägig.

V. Die Beklagte durfte die nicht zeitgebundenen genehmigungsbedürftigen psychotherapeutischen Leistungen einer Mengenbegrenzung in Form eines IB unterwerfen und hierbei an die Umsätze des Klägers im Jahr 2002 anknüpfen.

1. Die grundsätzliche Entscheidung der Beklagten, die Vergütung auch dieser Leistungen durch ein IB zu begrenzen, hält sich im Rahmen des ihr für die Honorarverteilung gemäß § 85 Absatz 4 SGB V eingeräumten Entscheidungsspielraums. Die Leistungen der probatorischen Sitzungen unterscheiden sich nicht derartig von den Leistungen anderer Arztgruppen, dass sie nicht einem IB unterstellt werden dürften. Insbesondere können psychotherapeutische Leistungserbringer die Durchführung probatorischer Sitzungen in einem Umfang steuern, der die Einführung eines IB hierfür rechtfertigt. Denn die Leistungserbringer können probatorische Sitzungen in einem Umfang von fünf bis acht Sitzungen bei so vielen Patienten nach eigener Indikationsstellung durchführen und abrechnen, wie Patienten ihre Praxis aufsuchen (BSG, Urteil vom 29. August 2007 – B 6 KA 35/06 R –, juris). In diesem Maße kann die Vergütung probatorischer Sitzungen auch dem sog. Hamsterradeffekt unterliegen, also der Steigerung der Punktmengenanforderung der Fachgruppe, die das übermäßige Absinken des Punktwerts nach sich zieht, was erneut eine weitere Leistungsausdehnung bewirkt. Die Rechtfertigung für die Einführung von Individualbudgets – Kalkulationssicherheit für die betroffenen Ärzte, keine Auswirkungen auf das eigene Honorar durch Leistungssteigerungen von Kollegen – trifft auch auf diesen Leistungsbereich zu (so schon SG Berlin, Urteil vom 18. November 2009 – S 71 KA 592/06 –, juris).

2. Auch die Anknüpfung an die Umsätze des Jahres 2002 ist nicht zu beanstanden. Die klägerseitig vorgebrachten Einwände überzeugen nicht.

Zunächst hält sich auch die Entscheidung der Beklagten über den für die Bestimmung des IB maßgeblichen Referenzzeitraum im Rahmen des ihr durch § 85 Abs. 4 SGB V eingeräumten Entscheidungsspielraums. Dem Vortrag des Klägers ist in keiner Weise zu entnehmen, auf welchen anderen Zeitraum oder welche anderen Kriterien die Beklagte insoweit hätte abstellen müssen. Ausgehend von der o.g. Prämisse, wonach die Erbringung probatorischer Leistungen – wie die allermeisten anderen vertragsärztlichen Leistungen auch – mengenmäßig steuerbar sind, stellt die im Referenzzeitraum erbrachte Leistungsmenge bei typisierender Betrachtung ein solides Indiz für den Umfang dar, auf den ein Leistungserbringer seine vertragspsychotherapeutische Tätigkeit ausgerichtet hat.

Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass sich psychotherapeutische Leistungserbringer vor der Einführung des IB zum Quartal III/03 in derselben Situation wie alle anderen Arztgruppen befanden. Ihre Möglichkeiten, durch eine geänderte Gewichtung der von ihnen erbrachten Leistungen im Jahr 2002 indirekt Einfluss auf die Höhe des IB zu nehmen, waren dieselben. Eine Benachteiligung der Arztgruppe des Klägers ist daher nicht erkennbar.

VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreites.

Die Revision wird, soweit die Quartale I/00 bis I/01 Streitgegenstand sind, wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, weil der Senat die Frage, ob eine durch § 45 SGB X ausgeschlossene isolierte Korrektur eines Verwaltungsakts im Rahmen eines Zugunstenverfahrens zulässig ist, weder für das allgemeine Sozialverwaltungsverfahrensrecht noch für den Bereich der sachlich-rechnerischen Richtigstellung als geklärt ansieht.
Rechtskraft
Aus
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