Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 36 KR 742/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 148/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit steht, ob der Kläger Pflichtmitglied in der Landwirtschaftlichen Krankenversicherung der Beklagten ist.
Der 1955 geborene Kläger ist seit 1. Januar 1976 Miteigentümer eines landwirtschaftlichen Betriebes (aktuell 2,71 ha Grünland und 147,70 ha Forst). Mit Bescheid vom 12. Februar 1976 stellte deshalb die Rechtsvorgängerin der heutigen Beklagten, die Landwirtschaftliche Krankenkasse H (nachfolgend nur noch "die Beklagte"), das Bestehen der Krankenversicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG alt) ab dem 1. Januar 1976 fest.
Seit 1985 ist der Kläger in B als selbständiger Rechtsanwalt und später auch als Notar tätig. Ausweislich der Einkommenssteuerbescheide bzw. Auskünften des zuständigen Finanzamtes betrugen die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft 2005 0,00 EUR und 2006 15.280,00 EUR, die aus selbständiger Arbeit als Rechtsanwalt 2005 35.000,- EUR und 2006 55.067,00 EUR.
Mit Schreiben vom 26. April 2010 teilte die Beklagte dem Kläger mit, in regelmäßen Abständen prüfen zu müssen, ob außerhalb der Landwirtschaft eine hauptberuflich selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt werde. Für landwirtschaftliche Unternehmer, die außerhalb der Land- und Forstwirtschaft noch zusätzlich hauptberuflich selbständig erwerbstätig seien, bestehe nämlich keine Krankenversicherungspflicht als landwirtschaftlicher Unternehmer. Es werde gebeten, den beiliegenden Fragebogen auszufüllen und zurückzusenden. Nach einem Mahnschreiben teilte der Kläger der Beklagten mit, seit geschätzt 15 bis 20 Jahren würde diese die Krankenversicherungsbeiträge monatlich vom Konto der Rechtsanwaltssozietät einziehen. Bereits 1995 habe ihr bekannt sein müssen, dass der Kläger Rechtsanwalt sei und eine eigene Kanzlei in Gestalt einer Sozietät unterhalte. Hätte sie ihn damals darauf hingewiesen, dass aufgrund einer Gesetzesänderung eine Pflichtmitgliedschaft in der Landwirtschaftlichen Krankenkasse nicht mehr bestehe, hätte er sich zum damaligen Zeitpunkt im Alter von 40 Jahren zu anderen und erheblich niedrigeren Tarifen privat versichern können, als ihm dies heute im Alter von 55 Jahren möglich sei.
Nach vorangegangener formeller Anhörung mit Schreiben vom 4. August 2010 beendete die Beklagte mit Bescheid vom 22. September 2010 (abgesandt am 23. September 2010) die Mitgliedschaft als landwirtschaftlicher Unternehmer zum 31. August 2010. Der Kläger sei im Anschluss freiwillig krankenversichert, soweit er nicht seinen Austritt erkläre. Hiergegen erhob der Kläger am 26. Oktober 2010 Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. Februar 2011 zurückwies (Zustellung 28. Februar 2011). Als Mitinhaber eines land- bzw. forstwirtschaftlichen Unternehmens sei der Kläger nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 3 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG) versichert. Nach § 2 Abs. 4a KVLG bestehe jedoch für diejenigen Unternehmer, die außerhalb der Land- bzw. Forstwirtschaft noch zusätzlich hauptberuflich selbständig erwerbstätig seien, keine Krankenversicherungspflicht als landwirtschaftliche Unternehmer. Hauptberuflich sei eine Tätigkeit, wenn sie von der wirtschaftlichen Bedeutung und im zeitlichen Aufwand her die übrigen Erwerbstätigkeiten zusammen deutlich überstiege oder den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit darstelle. Beide Alternativen lägen vor. Eine rückwirkende Aufhebung sei nicht erfolgt. Der früher ergangene Bescheid werde vielmehr erst ab 1. September 2010 aufgehoben.
Hiergegen hat der Kläger am 28. März 2011 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Er hat sein vorgerichtliches Vorbringen wiederholt und ausgeführt, der Beendigung der Pflichtversicherung stehe der sozialrechtliche Herstellungsanspruch entgegen.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 20. März 2012 abgewiesen. Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig und beschwere den Kläger nicht. Die Voraussetzungen der Rechtsgrundlage des § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) seien erfüllt. Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen hätten, eine wesentliche Änderung eintrete, sei danach der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Hier habe die Versicherungspflicht des Klägers gemäß § 2 Abs. 4a KVLG mit Aufnahme der hauptberuflichen selbständigen Tätigkeit des Klägers als Rechtsanwalt geendet. Auf Vertrauensschutz könne sich dieser nicht berufen, da eine Aufhebung lediglich mit Wirkung für die Zukunft erfolgt sei. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch scheitere bereits am Fehlen einer Aufklärungspflichtverletzung. Die Beklagte habe nachvollziehbar dargelegt, dass ihr Anhaltspunkte für die hauptberufliche selbständige Tätigkeit des Klägers nicht deshalb habe aufdrängen müssen, weil dieser auf privatem Briefkopf unter seinem Namen im Jahr 1994 (nur) im Rahmen der Einzugsermächtigung ein Konto der Kanzlei angegeben habe. Darüber hinaus könne der Kläger die begehrte Rechtsfolge des Fortbestehens der Versicherungspflicht nicht aus einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch herleiten. Mit einem solchen könne nämlich nur die Herstellung eines Zustandes geltend gemacht werden, der dem Gesetz und seinen Zielen entspreche (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 28. September 2010 – B 1 KR 31/09 R). Auch eine rechtzeitige Aufklärung des Klägers über das Entfallen der Versicherungspflicht hätte also nicht zur Fortsetzung der Versicherungspflicht führen können. Der eventuelle Schaden, den der Kläger dadurch erlitten haben wolle, das er (nunmehr) deutlich höhere Krankenversicherungsbeiträge zahlen müsste, könne allenfalls als Amtshaftungsanspruch nach Artikel 34 Grundgesetz, § 839 Bürgerliches Gesetzbuch in Betracht kommen. Die hilfsweise erhobene Feststellungsklage auf Feststellung des Fortbestehens der Versicherungspflicht sei bereits unzulässig. Hätte die Anfechtungsklage Erfolg, würde der Bescheid vom 12. Februar 1976 wieder aufleben. Ein berechtigtes Interesse an einer darüber hinausgehende Feststellung der Versicherungspflicht bestehe deshalb nicht.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Zur Begründung hat er ausgeführt, der angefochtene Bescheid habe teilweise für die Vergangenheit rechtsgestaltende Wirkung, indem am 22. September das Ende der Versicherungspflicht bereits zum 31. August festgestellt werde. Falsch sei auch die Unterstellung des SG von Einnahmen aus Anwaltstätigkeit in Höhe von 55.000,00 EUR. Vielmehr habe der Kläger als Rechtsanwalt lediglich ein Einkommen von 36.000,00 EUR erzielt, die weitere Einnahme beruhe auf einer Tätigkeit als Testamentsvollstrecker. Auch müssten für den Bescheid die Einkommensverhältnisse des Jahres 2010 maßgeblich sein. Ferner seien die Akten der Beklagten bislang unvollständig vorgelegt worden. § 45 SGB X sei einschlägig, weil die Beklagte die Pflichtversicherung nochmals am 28. August 1990 ausweislich Blatt 52 des Verwaltungsvorganges festgestellt habe.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 20. März 2012 aufzuheben und den Rechtsstreit zur Entscheidung an das Sozialgericht Berlin zurückzuverweisen,
hilfsweise, den Bescheid vom 22. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 22. Februar 2011 aufzuheben,
höchst hilfsweise, unter Abänderung des Bescheides vom 22. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Februar 2011 festzustellen, dass der Kläger bei der Beklagten pflichtversichert ist.
und die vollständige Akten der Beklagten über das mit dem Kläger bestehende Versicherungsverhältnis beizuziehen und dem Kläger Akteneinsicht in diese Akten zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, dass es nicht auf die Art der selbständigen Tätigkeit ankomme, sondern auf die Einkünfte dieser Einkunftsart, die dann den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft zur Prüfung der Hauptberuflichkeit gegenüberzustellen seien. Seinen Melde- und Mitwirkungspflichten sei der Kläger nur bruchstückhaft und zögerlich nachgekommen. Im Anhörungsverfahren hätte der Kläger Angaben über den zeitlichen Umfang und die wirtschaftliche Bedeutung seiner Tätigkeiten machen können. Im Übrigen bestätige der zwischenzeitlich vorliegende Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2009 vom 4. August 2011, dass die Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit höher seien, als die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Entsprechendes gelte aufgrund des Einkommenssteuerbescheides für das Jahr 2011.
Auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze samt Unterlagen wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Berufung bleibt Erfolg versagt.
Die Möglichkeit zur Zurückverweisung nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG (in der ab 1. Januar 2012 geltenden Fassung) ist nicht eröffnet. Das erstinstanzliche Verfahren weist weder wesentliche Mängel auf, noch ist eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig.
Das SG hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die nach § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zur Vermeidung bloßer Wiederholungen verwiesen wird, abgewiesen.
Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen ist lediglich anzumerken:
Nach etwaigen weiteren Aktenbestandteilen der Beklagten war nicht ins Blaue hinein zu forschen. Es besteht kein Anhaltspunkt für die Vermutung des Klägers, die Beklagte könnte auch noch in der Vergangenheit oder in jüngerer Zeit durch Verwaltungsakt erneut eine Pflichtversicherung in der Krankenversicherung der Landwirte verfügt haben. Aus der Erstellung eines Mitunternehmer-Erfassungsbelegs am 28. August 1990 lässt sich ein solcher Verwaltungsakt nicht herleiten. Das vom Kläger weiter angeführte Schreiben vom 31. März 2005 informiert lediglich über eine Änderung der Beiträge. Soweit per Bescheid Änderungen in der Beitragsklasse erfolgt sind, lässt dies auch keinen Rückschluss auf eine Absicht zu, rechtsgestaltend (erneut) Versicherungspflicht festzustellen. Die Pflichtversicherung besteht von selbst, wenn die Voraussetzungen nach dem KVLG erfüllt sind. Ein Verwaltungsakt ist nicht Voraussetzung.
Dass die Voraussetzungen für den Ausschluss der Versicherungspflicht des § 2 Abs. 4a KVLG für einen Zeitpunkt zwischen 2006 bis heute wieder weggefallen sein könnte, weil der Kläger nicht mehr als hauptberuflich selbständig Tätiger nach dieser Vorschrift anzusehen sein könnte, trägt er selbst nicht vor. Von Amts wegen waren deshalb weder die Beklagte noch das Gericht gehalten, die genauen Einkommensverhältnisse zu ermitteln. Zutreffend verweist die Beklagte auf die Meldepflicht der landwirtschaftlichen Unternehmer nach § 27 Abs. 1 KVLG, wonach nicht nur die Aufnahme und die Aufgabe der Tätigkeit als landwirtschaftlicher Unternehmer zu melden ist, sondern "alle sonstigen die Versicherungspflicht und Beitragshöhe sowie die Mitgliedschaft berührende Tatbestände" innerhalb von zwei Wochen zu melden sind.
Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass der von ihm angefochtene Bescheid die Mitgliedschaft erst zum 1. Oktober 2010 hätte aufheben dürfen. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Eintritt einer wesentlichen Änderung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene wusste, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch ganz oder teilweise weggefallen ist. Hier wusste der Kläger allerspätestens aufgrund des förmlichen Anhörungsschreibens vom 4. August 2010, dass nunmehr die Pflichtversicherung als Landwirt weggefallen war.
Zum Hilfs-Hilfsantrag auf Feststellung kann auf den Gerichtsbescheid des SG verwiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Sache.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Im Streit steht, ob der Kläger Pflichtmitglied in der Landwirtschaftlichen Krankenversicherung der Beklagten ist.
Der 1955 geborene Kläger ist seit 1. Januar 1976 Miteigentümer eines landwirtschaftlichen Betriebes (aktuell 2,71 ha Grünland und 147,70 ha Forst). Mit Bescheid vom 12. Februar 1976 stellte deshalb die Rechtsvorgängerin der heutigen Beklagten, die Landwirtschaftliche Krankenkasse H (nachfolgend nur noch "die Beklagte"), das Bestehen der Krankenversicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG alt) ab dem 1. Januar 1976 fest.
Seit 1985 ist der Kläger in B als selbständiger Rechtsanwalt und später auch als Notar tätig. Ausweislich der Einkommenssteuerbescheide bzw. Auskünften des zuständigen Finanzamtes betrugen die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft 2005 0,00 EUR und 2006 15.280,00 EUR, die aus selbständiger Arbeit als Rechtsanwalt 2005 35.000,- EUR und 2006 55.067,00 EUR.
Mit Schreiben vom 26. April 2010 teilte die Beklagte dem Kläger mit, in regelmäßen Abständen prüfen zu müssen, ob außerhalb der Landwirtschaft eine hauptberuflich selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt werde. Für landwirtschaftliche Unternehmer, die außerhalb der Land- und Forstwirtschaft noch zusätzlich hauptberuflich selbständig erwerbstätig seien, bestehe nämlich keine Krankenversicherungspflicht als landwirtschaftlicher Unternehmer. Es werde gebeten, den beiliegenden Fragebogen auszufüllen und zurückzusenden. Nach einem Mahnschreiben teilte der Kläger der Beklagten mit, seit geschätzt 15 bis 20 Jahren würde diese die Krankenversicherungsbeiträge monatlich vom Konto der Rechtsanwaltssozietät einziehen. Bereits 1995 habe ihr bekannt sein müssen, dass der Kläger Rechtsanwalt sei und eine eigene Kanzlei in Gestalt einer Sozietät unterhalte. Hätte sie ihn damals darauf hingewiesen, dass aufgrund einer Gesetzesänderung eine Pflichtmitgliedschaft in der Landwirtschaftlichen Krankenkasse nicht mehr bestehe, hätte er sich zum damaligen Zeitpunkt im Alter von 40 Jahren zu anderen und erheblich niedrigeren Tarifen privat versichern können, als ihm dies heute im Alter von 55 Jahren möglich sei.
Nach vorangegangener formeller Anhörung mit Schreiben vom 4. August 2010 beendete die Beklagte mit Bescheid vom 22. September 2010 (abgesandt am 23. September 2010) die Mitgliedschaft als landwirtschaftlicher Unternehmer zum 31. August 2010. Der Kläger sei im Anschluss freiwillig krankenversichert, soweit er nicht seinen Austritt erkläre. Hiergegen erhob der Kläger am 26. Oktober 2010 Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. Februar 2011 zurückwies (Zustellung 28. Februar 2011). Als Mitinhaber eines land- bzw. forstwirtschaftlichen Unternehmens sei der Kläger nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 3 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG) versichert. Nach § 2 Abs. 4a KVLG bestehe jedoch für diejenigen Unternehmer, die außerhalb der Land- bzw. Forstwirtschaft noch zusätzlich hauptberuflich selbständig erwerbstätig seien, keine Krankenversicherungspflicht als landwirtschaftliche Unternehmer. Hauptberuflich sei eine Tätigkeit, wenn sie von der wirtschaftlichen Bedeutung und im zeitlichen Aufwand her die übrigen Erwerbstätigkeiten zusammen deutlich überstiege oder den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit darstelle. Beide Alternativen lägen vor. Eine rückwirkende Aufhebung sei nicht erfolgt. Der früher ergangene Bescheid werde vielmehr erst ab 1. September 2010 aufgehoben.
Hiergegen hat der Kläger am 28. März 2011 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Er hat sein vorgerichtliches Vorbringen wiederholt und ausgeführt, der Beendigung der Pflichtversicherung stehe der sozialrechtliche Herstellungsanspruch entgegen.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 20. März 2012 abgewiesen. Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig und beschwere den Kläger nicht. Die Voraussetzungen der Rechtsgrundlage des § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) seien erfüllt. Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen hätten, eine wesentliche Änderung eintrete, sei danach der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Hier habe die Versicherungspflicht des Klägers gemäß § 2 Abs. 4a KVLG mit Aufnahme der hauptberuflichen selbständigen Tätigkeit des Klägers als Rechtsanwalt geendet. Auf Vertrauensschutz könne sich dieser nicht berufen, da eine Aufhebung lediglich mit Wirkung für die Zukunft erfolgt sei. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch scheitere bereits am Fehlen einer Aufklärungspflichtverletzung. Die Beklagte habe nachvollziehbar dargelegt, dass ihr Anhaltspunkte für die hauptberufliche selbständige Tätigkeit des Klägers nicht deshalb habe aufdrängen müssen, weil dieser auf privatem Briefkopf unter seinem Namen im Jahr 1994 (nur) im Rahmen der Einzugsermächtigung ein Konto der Kanzlei angegeben habe. Darüber hinaus könne der Kläger die begehrte Rechtsfolge des Fortbestehens der Versicherungspflicht nicht aus einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch herleiten. Mit einem solchen könne nämlich nur die Herstellung eines Zustandes geltend gemacht werden, der dem Gesetz und seinen Zielen entspreche (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 28. September 2010 – B 1 KR 31/09 R). Auch eine rechtzeitige Aufklärung des Klägers über das Entfallen der Versicherungspflicht hätte also nicht zur Fortsetzung der Versicherungspflicht führen können. Der eventuelle Schaden, den der Kläger dadurch erlitten haben wolle, das er (nunmehr) deutlich höhere Krankenversicherungsbeiträge zahlen müsste, könne allenfalls als Amtshaftungsanspruch nach Artikel 34 Grundgesetz, § 839 Bürgerliches Gesetzbuch in Betracht kommen. Die hilfsweise erhobene Feststellungsklage auf Feststellung des Fortbestehens der Versicherungspflicht sei bereits unzulässig. Hätte die Anfechtungsklage Erfolg, würde der Bescheid vom 12. Februar 1976 wieder aufleben. Ein berechtigtes Interesse an einer darüber hinausgehende Feststellung der Versicherungspflicht bestehe deshalb nicht.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Zur Begründung hat er ausgeführt, der angefochtene Bescheid habe teilweise für die Vergangenheit rechtsgestaltende Wirkung, indem am 22. September das Ende der Versicherungspflicht bereits zum 31. August festgestellt werde. Falsch sei auch die Unterstellung des SG von Einnahmen aus Anwaltstätigkeit in Höhe von 55.000,00 EUR. Vielmehr habe der Kläger als Rechtsanwalt lediglich ein Einkommen von 36.000,00 EUR erzielt, die weitere Einnahme beruhe auf einer Tätigkeit als Testamentsvollstrecker. Auch müssten für den Bescheid die Einkommensverhältnisse des Jahres 2010 maßgeblich sein. Ferner seien die Akten der Beklagten bislang unvollständig vorgelegt worden. § 45 SGB X sei einschlägig, weil die Beklagte die Pflichtversicherung nochmals am 28. August 1990 ausweislich Blatt 52 des Verwaltungsvorganges festgestellt habe.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 20. März 2012 aufzuheben und den Rechtsstreit zur Entscheidung an das Sozialgericht Berlin zurückzuverweisen,
hilfsweise, den Bescheid vom 22. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 22. Februar 2011 aufzuheben,
höchst hilfsweise, unter Abänderung des Bescheides vom 22. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Februar 2011 festzustellen, dass der Kläger bei der Beklagten pflichtversichert ist.
und die vollständige Akten der Beklagten über das mit dem Kläger bestehende Versicherungsverhältnis beizuziehen und dem Kläger Akteneinsicht in diese Akten zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, dass es nicht auf die Art der selbständigen Tätigkeit ankomme, sondern auf die Einkünfte dieser Einkunftsart, die dann den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft zur Prüfung der Hauptberuflichkeit gegenüberzustellen seien. Seinen Melde- und Mitwirkungspflichten sei der Kläger nur bruchstückhaft und zögerlich nachgekommen. Im Anhörungsverfahren hätte der Kläger Angaben über den zeitlichen Umfang und die wirtschaftliche Bedeutung seiner Tätigkeiten machen können. Im Übrigen bestätige der zwischenzeitlich vorliegende Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2009 vom 4. August 2011, dass die Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit höher seien, als die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Entsprechendes gelte aufgrund des Einkommenssteuerbescheides für das Jahr 2011.
Auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze samt Unterlagen wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Berufung bleibt Erfolg versagt.
Die Möglichkeit zur Zurückverweisung nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG (in der ab 1. Januar 2012 geltenden Fassung) ist nicht eröffnet. Das erstinstanzliche Verfahren weist weder wesentliche Mängel auf, noch ist eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig.
Das SG hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die nach § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zur Vermeidung bloßer Wiederholungen verwiesen wird, abgewiesen.
Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen ist lediglich anzumerken:
Nach etwaigen weiteren Aktenbestandteilen der Beklagten war nicht ins Blaue hinein zu forschen. Es besteht kein Anhaltspunkt für die Vermutung des Klägers, die Beklagte könnte auch noch in der Vergangenheit oder in jüngerer Zeit durch Verwaltungsakt erneut eine Pflichtversicherung in der Krankenversicherung der Landwirte verfügt haben. Aus der Erstellung eines Mitunternehmer-Erfassungsbelegs am 28. August 1990 lässt sich ein solcher Verwaltungsakt nicht herleiten. Das vom Kläger weiter angeführte Schreiben vom 31. März 2005 informiert lediglich über eine Änderung der Beiträge. Soweit per Bescheid Änderungen in der Beitragsklasse erfolgt sind, lässt dies auch keinen Rückschluss auf eine Absicht zu, rechtsgestaltend (erneut) Versicherungspflicht festzustellen. Die Pflichtversicherung besteht von selbst, wenn die Voraussetzungen nach dem KVLG erfüllt sind. Ein Verwaltungsakt ist nicht Voraussetzung.
Dass die Voraussetzungen für den Ausschluss der Versicherungspflicht des § 2 Abs. 4a KVLG für einen Zeitpunkt zwischen 2006 bis heute wieder weggefallen sein könnte, weil der Kläger nicht mehr als hauptberuflich selbständig Tätiger nach dieser Vorschrift anzusehen sein könnte, trägt er selbst nicht vor. Von Amts wegen waren deshalb weder die Beklagte noch das Gericht gehalten, die genauen Einkommensverhältnisse zu ermitteln. Zutreffend verweist die Beklagte auf die Meldepflicht der landwirtschaftlichen Unternehmer nach § 27 Abs. 1 KVLG, wonach nicht nur die Aufnahme und die Aufgabe der Tätigkeit als landwirtschaftlicher Unternehmer zu melden ist, sondern "alle sonstigen die Versicherungspflicht und Beitragshöhe sowie die Mitgliedschaft berührende Tatbestände" innerhalb von zwei Wochen zu melden sind.
Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass der von ihm angefochtene Bescheid die Mitgliedschaft erst zum 1. Oktober 2010 hätte aufheben dürfen. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Eintritt einer wesentlichen Änderung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene wusste, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch ganz oder teilweise weggefallen ist. Hier wusste der Kläger allerspätestens aufgrund des förmlichen Anhörungsschreibens vom 4. August 2010, dass nunmehr die Pflichtversicherung als Landwirt weggefallen war.
Zum Hilfs-Hilfsantrag auf Feststellung kann auf den Gerichtsbescheid des SG verwiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Sache.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
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