L 11 KR 2798/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 23 KR 1767/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 2798/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 07.05.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt eine Änderung des Sozialrechts, damit er als (zukünftiger) Rentner gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung Leistungen in Anspruch nehmen kann.

Am 07.01.2011 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben, mit welcher er die Erstattung von Krankheitskosten im Ausland geltend macht. Er habe jahrzehntelang Beiträge bezahlt, trotzdem sei er als Rentner auf den Philippinen von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen. Es verstoße gegen das Grundgesetz, ihn im Alter von Leistungen auszuschließen.

Mit Beschluss vom 11.03.2011 hat das Sozialgericht Karlsruhe den Rechtsstreit an das SG Stuttgart (SG) als das aus seiner Sicht örtlich zuständige SG verwiesen, da es davon ausging, dass die AOK Baden-Württemberg Klagegegner sei.

Auf Nachfrage des Sozialgerichts Stuttgart um Präzisierung des Klagebegehrens hat der Kläger wie folgt ausgeführt:

"Die Klage richtet sich weniger gegen die ausführenden Organe die AOK oder Rentenversicherung, sondern gegen den Gesetzgeber Bundesregierung. Die dafür verantwortlich ist, dass Auslandsrentner keinen Anspruch auf Leistungen aus der Krankenversicherung haben. Ich gehe frühestens 2016 in Rente. Bis dahin sollte die Klage entschieden sein."

Das Sozialgericht hat darauf die Bundesrepublik Deutschland als Beklagten geführt.

Mit Gerichtsbescheid vom 07.05.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Es sei weder der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit noch ein sonstiger Rechtsweg zu einer deutschen Gerichtsbarkeit eröffnet. Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten sei gemäß § 51 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nur für Rechtsstreitigkeiten eröffnet. Eine Rechtsstreitigkeit liege nicht vor, soweit der Kläger direkt aus dem Verfassungsrecht oder aus sonstigen Rechtsquellen, die nach seiner Ansicht den Gesetzgeber binden, ein Recht auf neue gesetzliche Regelungen die Krankenversicherung von Auslandsrentnern herleite. Der einzelne Staatsbürger habe grundsätzlich kein Anspruch auf ein bestimmtes Handeln des parlamentarischen Gesetzgebers. Da dies gleichermaßen auch für die sonstigen eingerichteten Gerichtsbarkeiten Geltung beanspruche, sei auch ein anderer Rechtsweg nicht eröffnet, weshalb eine Rechtswegverweisung nicht in Betracht komme. Die Klage sei daher mangels Zuständigkeit abzuweisen gewesen.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 09.07.2013 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhoben. Das derzeitige Recht sei verfassungswidrig, da es im außereuropäischen Ausland lebenden Rentnern die gesetzliche Krankenversicherung verwehre. Insbesondere sei ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz und das Diskriminierungsverbot gegeben.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 07.05.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das SGB V dahingehend zu ändern, dass er als Rentner gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung Leistungen in Anspruch nehmen kann.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach den §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 SGG mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist statthaft und zulässig, jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen.

Zutreffend hat das SG das Klagebegehren des Klägers dahingehend ausgelegt, dass dieser ein Tätigwerden des Bundesgesetzgebers zur Gewährleistung eines Krankenversicherungsanspruchs für den Bezieher von deutschen Rentenleistungen, welche auf den Philippinen wohnhaft sind, begehrt. So hat der Kläger ausdrücklich in seinem Schreiben, welches am 21.07.2011 beim SG einging, mitgeteilt, dass sich seine Klage nicht gegen die Ausführungsorgane wie die AOK richte, sondern gegen den Gesetzgeber. Dieser sei dafür verantwortlich, dass Auslandsrentner keine Ansprüche aus der gesetzlichen Krankenversicherung hätten. Beklagte ist daher die Bundesrepublik Deutschland.

Dass sich die Klage nicht gegen die AOK richtet, ergibt sich darüber hinaus auch aus dem nachfolgenden Zusatz. So hat der Kläger mitgeteilt, dass er frühestens 2016 in Rente gehen und daher die Klage bis zu diesem Zeitpunkt entschieden sein soll. Der Kläger begehrt insoweit eine entsprechende gesetzliche Änderung bis 2016. Sein Begehren war daher nicht als Feststellungsklage gem § 55 SGG zur Konkretisierung seines zukünftigen Rechtsverhältnisses gegenüber der AOK Baden-Württemberg zu verstehen, bei der er letztmalig 1997 versichert war. Mangels negativer Verwaltungsentscheidung durch Verwaltungsakt gem § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) kommt auch eine Auslegung als Anfechtungs- und Leistungsklage gem § 54 SGG gegen eine ablehnende Entscheidung der AOK Baden-Württemberg nicht in Betracht. Daher ist auch im Berufungsverfahren davon auszugehen, dass der Kläger ein gesetzgeberisches Tätigwerden wünscht, damit er als Rentner in der Zukunft Ansprüche auf Leistungen aus der Krankenversicherung hat.

Für dieses Begehren ist freilich der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nicht eröffnet. Auch hierauf hat das SG zutreffend hingewiesen. Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist gemäß § 51 SGG nur für Rechtsstreitigkeiten eröffnet; die Gerichtsbarkeit darf nur entscheiden, wenn der Streit darum geführt wird, was derzeit Rechtens ist, nicht dagegen was künftig Recht werden soll (BSG vom 27.01.1993 - 4 RA 40/92, juris, Rdnr 29 nwN). Eine Rechtsstreitigkeit im Sinne des § 51 SGG liegt nicht vor, soweit der Kläger direkt aus dem Verfassungsrecht oder aus sonstigen Gerichtsquellen, die nach seiner Ansicht den Gesetzgeber binden ein Recht auf neue gesetzliche Regelungen über die Krankenversicherung von Auslandsrentnern herleitet. Denn der einzelne Staatsbürger hat grundsätzlich keinen Anspruch auf ein bestimmtes Handeln des parlamentarischen Gesetzgebers (BSG aaO). Es liegt außerhalb der funktionellen Kompetenz der Sozialgerichtsbarkeit, sich selbst in die Rolle einer normsetzenden Instanz zu begeben oder die Gesetzgebungsorgane zu verurteilen, bestimmte Gesetze zu beschließen (BSG aaO nwN). Insoweit handelt es sich bei dem Begehren des Klägers auf Erlass eines förmlichen Gesetzes um eine verfassungsrechtliche Streitigkeit (Kopp/Schenke 19. Auflage 2013, § 40 Rdnr 32 h, 33). Der Sozialrechtsweg ist in verfassungsrechtlichen Streitigkeiten jedoch nicht gegeben. § 51 SGG enthält zwar, anders als § 40 VwGO keinen dahingehenden Vorbehalt. § 51 SGG greift aber nur einen Teil von Rechtsstreitigkeiten aus § 40 VwGO heraus, so dass nichts anderes gilt (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 51 Rdnr 12).

Nachdem es sich damit vorliegend um eine verfassungsrechtliche Streitigkeit handelt, kommt gleichzeitig auch eine Verweisung an eine andere nach Bundes- oder Landesrecht eingerichtete Gerichtsbarkeit nicht in Betracht. Eine Verweisung an das Bundesverfassungsgericht sieht das Gesetz nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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