Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 3 KR 3789/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 2800/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 15.05.2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Aufnahme des Klägers in die freiwillige Krankenversicherung.
Der im Jahr 1950 geborene Kläger war vom 10.01.1972 bis zum 15.12.2002 bei der DAK Deutsche Angestellten Krankenkasse als Selbständiger freiwillig gesetzlich krankenversichert. Die Ehefrau des Klägers ist als Arbeitnehmerin bei der Beklagten gesetzlich kranken- und pflegeversichert. Nachdem auf Antrag der Ehefrau des Klägers vom 24.01.2003 zunächst die Tochter E. und der Sohn F. rückwirkend zum 15.12.2002 in die Familienversicherung aufgenommen wurden, beantragte die Ehefrau im Januar 2003 telefonisch die Aufnahme des Klägers in die Familienversicherung. Der Kläger teilte in einem Fragebogen am 31.01.2003 (Bl. 5 der Verwaltungsakte) mit, dass er zur Zeit kein Einkommen aus seiner selbständigen Tätigkeit erziele und er lediglich eine geringfügige selbständige Tätigkeit ausübe. Die Beklagte nahm den Kläger daraufhin ab dem 16.12.2002 in die Familienversicherung der Ehefrau.
Auf Nachfrage der Beklagten am 15.06.2004 bezüglich der Höhe des Einkommens aus der selbständigen Tätigkeit des Klägers, teilte die Ehefrau am 30.06.2004 mit, dass der Einkommensteuerbescheid über die Jahre 2003 bis 2004 noch nicht vorliege. Auf eine weitere Anfrage vom April 2007 teilten der Kläger und seine Ehefrau mit, dass der Einkommensteuerbescheid nicht vorliege und dass der Kläger kein regelmäßiges Einkommen über 400 EUR erziele (Fragebogen vom 10.09.2008 Bl. 15 der Verwaltungsakte sowie Fragebogen vom 16.10.2009 Bl. 17 der Verwaltungsakte). Am 07.12.2010 übersandte der Kläger schließlich den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2004, in dem zu versteuernde Einkünfte aus Gewerbebetrieb für den Kläger in Höhe von 6.279 EUR festgesetzt wurden.
Auf Anfrage der Beklagten teilte das Finanzamt U. am 16.12.2010 mit, dass der Kläger im Jahr 2002 zu versteuernde Einkünfte in Höhe von 15.455 EUR, im Jahr 2003 zu versteuernde Einkünfte in Höhe von 9.695 EUR und im Jahr 2004 zu versteuernde Einkünfte in Höhe von 6.279 EUR erzielt habe. Für das Jahr 2005 werde das zu versteuernde Einkommen auf 13.500 EUR, für die Jahre 2006 und 2007 jeweils auf 12.500 EUR und für das Jahr 2008 auf 11.000 EUR geschätzt. Das Jahr 2009 sei noch nicht veranlagt.
Mit Bescheid vom 18.01.2011 stornierte die Beklagte die Familienversicherung des Klägers rückwirkend zum 16.12.2002. Der Kläger habe seit Beginn der Familienversicherung regelmäßig Einkommen über den Einkommensgrenzen erzielt. Damit der Kläger auch weiterhin Versicherungsschutz habe, biete ihm die Beklagte eine freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung an, ein diesbezüglicher Antrag sei dem Schreiben beigefügt. Hierbei sei die Antragsfrist von drei Monaten nach dem Ende der Familienversicherung zu beachten.
Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 09.06.2011 zurückgewiesen. Die hiergegen zum Sozialgericht Ulm unter dem Aktenzeichen S 3 KR 2342/11 erhobene Klage wurde mit Urteil vom 15.05.2012 abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung (Aktenzeichen L 11 KR 2977/12) wurde mit Urteil vom 29.04.2014 zurückgewiesen.
Nach Aufhebung der Familienversicherung beantragte der Kläger am 31.03.2011 die Aufnahme in die freiwillige Versicherung. Mit Bescheid vom 29.04.2011 nahm die Beklagte den Kläger ab 16.12.2002 in die freiwillige Versicherung auf. Ab 01.01.2011 ergäben sich nachfolgende Beiträge: Krankenversicherungsbeitrag: 136,58 EUR Pflegeversicherungsbeitrag: 17,88 EUR Gesamtbetrag: 154,46 EUR
Für die Zeit vom 16.12.2002 bis 31.03.2011 seien Beiträge in Höhe von insgesamt 14.292,59 EUR zu bezahlen.
Mit Schreiben vom 04.05.2011, welches am 05.05.2011 bei der Beklagten einging, wandte sich der Kläger gegen die erhobenen Beiträge in Höhe von 14.292,59 EUR. Der Beitragserhebung würden die überzogenen Schätzungen des Finanzamtes zugrunde liegen. Im Übrigen sei es zu der rückwirkenden Beendigung der Familienversicherung nur gekommen, weil ihm telefonisch falsche Einkommensgrenzen durch die Beklagte mitgeteilt worden seien. Schließlich könne er die Nachzahlung aber auch nicht leisten.
Auf Nachfrage der Beklagten bei der Beigeladenen zum Grund des Kassenwechsels zum 16.12.2002 informierte diese darüber, dass die Mitgliedschaft wegen Beitragsrückständen nach § 191 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) gekündigt worden sei.
Die Beklagte hörte den Kläger daraufhin mit Schreiben vom 22.07.2011 zu einer Aufhebung der freiwilligen Versicherung und Rücknahme des ergangenen Bescheids nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) an.
Der Kläger wandte sich mit Schreiben vom 25.07.2011 gegen die geplante Aufhebung. Die Auseinandersetzung mit der Beigeladenen liege mehr als zehn Jahre zurück und sei mit einer Zahlung abgeschlossen worden.
Mit Bescheid vom 29.07.2011 hob die Beklagte den Bescheid vom 29.04.2011 vollständig auf. Der Kläger könne gem § 9 SGB V nicht bei ihr freiwillig versichert werden, da die damalige Versicherung nach § 191 S. 1 Nr. 3 SGB V beendet worden sei. Die weitere Mitgliedschaft könne ab dem 01.04.2007 nur bei der Beigeladenen erfolgen.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.10.2011 als unbegründet zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 16.11.2011 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Mit der Klage wird gerügt, dass der Kläger über die Sitzung des Widerspruchsausschusses nicht informiert worden sei. Darüber hinaus seien die maßgebliche Gesetze einschließlich der Prozessordnung verfassungswidrig.
Ein am 12.12.2011 gestellter Befangenheitsantrag gegen die Richterin Kraus wurde mit Beschluss vom 15.02.2012 des Landessozialgerichts Baden-Württemberg L 4 SF 5712/11 AB als unbegründet zurückgewiesen. Nach Aufruf der mündlichen Verhandlung vom 15.05.2012 hat der Kläger einen erneuten Befangenheitsantrag schriftlich beim SG abgegeben. Das SG hat den Befangenheitsantrag als offensichtlich unzulässig zurückgewiesen, da er identisch mit demjenigen sei, den der Kläger bereits am 13.12.2011 gestellt habe und über welchen das Landessozialgericht Baden-Württemberg bereits mit unanfechtbaren Beschluss vom 15.02.2012 entschieden habe.
Mit Urteil vom 15.05.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe nach zutreffender Überprüfung die Voraussetzungen für die Aufnahme in eine freiwillige Versicherung zu Unrecht angenommen. § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB V sei nicht einschlägig, da zuvor bei der Beigeladenen eine freiwillige Versicherung und damit keine Versicherungspflicht bestand, aus der er hätte ausscheiden können. Auch § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB V sei nicht gegeben, da der Kläger aufgrund der rückwirkenden Aufhebung bei der Beklagten zu keinem Zeitpunkt tatsächlich familienversichert gewesen sei.
Der Kläger hat am 24.06.2012 gegen das am 25.05.2012 zugestellte Urteil Berufung beim SG eingelegt und zur Begründung sinngemäß ausgeführt, dass die Vorsitzende Richterin am SG Ulm nicht die gesetzliche Richterin nach Artikel 101 Grundgesetz gewesen sei. So sei eine dem Gesetz entsprechende Entscheidung über den Befangenheitsantrag vom 15.05.2012 nicht ergangen. Auch habe die Richterin eine Bestellungs/Bestallungsurkunde nicht vorgelegt, so dass es fraglich sei, ob es tatsächlich eine Richterin Kraus am SG Ulm gebe, die Handlungen vornehmen dürfe. Es sei gegen konstituierende Grundsätze des Rechts verstoßen worden und eine vorsätzlich rechtswidrige Entscheidung getroffen worden.
Im Rahmen des Erörterungstermins vor dem Berichterstatter am 28.02.2014 hat die Beklagte den den Bescheid vom 29.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.10.2011 insoweit aufgehoben, als mit diesem eine Aufhebung des Bescheids vom 29.04.2011 ab 01.04.2011 erfolgt ist.
Der Kläger hat nach dem Erörterungstermin keinen Sachantrag mehr gestellt, sondern beantragt, das Verfahren ruhend zu stellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist mangels Rechtsschutzinteresse unzulässig.
Die Berufung des Klägers war zum Zeitpunkt ihrer Einlegung statthaft und zulässig; sie ist aber nachträglich unzulässig geworden, weil die ursprünglich vorhandene Beschwer des Klägers weggefallen ist. Auch in einem solchen Fall wird die Berufung unzulässig (Leitherer, aaO, Vor § 143 RdNr 10). Ein zusätzliches Rechtsschutzinteresse des Klägers für eine inhaltliche Entscheidung des Senats trotz Wegfalls der Beschwer ist nicht ersichtlich. Durch die teilweise Aufhebung des Bescheides vom 29.07.2011 und des Widerspruchsbescheides vom 17.10.2011 ist der Bescheid vom 29.04.2011 für die Zeit ab 01.04.2011 wieder wirksam geworden. Dadurch hat der Kläger sein Prozessziel - die Begründung einer freiwilligen Versicherung ab 01.04.2011 - erreicht.
Der Kläger hat weder vor dem SG noch vor dem LSG im Rahmen des Erörterungstermins oder der mündlichen Verhandlung einen konkreten Antrag gestellt, so dass sein Begehren anhand seiner Schriftsätze zu ermitteln ist. Ausgehend von seinem Widerspruch gegen den Bescheid vom 29.07.2011 wendet sich der Kläger gegen die Aufhebung der freiwilligen Versicherung, da er bei der Beklagten freiwillig versichert sein möchte. Dementsprechend hat sich der Kläger auch vehement gegen die Rücküberweisung seiner Beiträge ab 01.04.2011 zur Wehr gesetzt. Sein Begehren war damit zunächst auf die Aufhebung des Bescheids vom 29.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.10.2011 in der Form einer Anfechtungsklage gerichtet.
Einschränkend ist freilich zu berücksichtigen, dass der Kläger gegen den Bescheid vom 29.04.2011 ebenfalls Widerspruch durch sein Schreiben vom 04.05.2011 eingelegt hat. Mit diesem hat er sich gegen die rückwirkende freiwillige Versicherung und die hiermit in Zusammenhang stehenden Beiträge gewendet. Daraus ist zu schließen, dass der Kläger zwar für die Zukunft freiwillig versichert sein möchte, aber für die Vergangenheit keine Beiträge zahlen will. Damit aber stellt sich der Bescheid vom 29.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.10.2011 als Abhilfeentscheidung dar, soweit mit diesem der Bescheid vom 29.04.2011 für die Vergangenheit und damit für den Zeitraum vor dem 01.04.2011 aufgehoben wird.
Zwar kann auch daran gedacht werden, das Begehren des Kläger hinsichtlich der Vergangenheit dahingehend zu verstehen, dass eine freiwillige Krankenversicherung ohne Beiträge begehrt wird. Eine solcher Antrag würde sich jedoch als unzulässig darstellen, weshalb eine entsprechende Auslegung nicht in Betracht kommt. Mit dem Bescheid vom 29.04.2011 hat die Beklagte nicht nur über die Mitgliedschaft in der freiwilligen Krankenversicherung entschieden, sondern auch die entsprechenden Beiträge erhoben. Aufgrund der wechselseitigen Beziehungen zwischen freiwilliger Krankenversicherung und Beitragsbemessung, die hierdurch entstanden sind, können diese auch nur einheitlich überprüft werden (vgl. BSG 22.03.2001, B 12 P 3/00 R, juris). Kommt damit eine Aufspaltung des Bescheids vom 29.04.2011 hinsichtlich der Regelungsgegenstände "Mitgliedschaft in der freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung" und "Beitragserhebung" nicht in Betracht, so gilt dies auch für den Aufhebungsbescheid vom 29.07.2011 als actus contrarius. Da ein Auslegung des Begehrens des Klägers zur Unzulässigkeit nicht in Betracht kommt, war davon auszugehen, dass der Kläger mit einer Aufhebung der Beiträge für die Mitgliedschaft für die Vergangenheit einschließlich der Mitgliedschaft einverstanden ist, während er sich gegen die Aufhebung der freiwilligen Mitgliedschaft für die Zeit ab 01.04.2011 wendet.
Diesem Begehren hat die Beklagte mit der teilweise Aufhebung des Bescheides vom 29.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.10.2011 entsprochen, da hierdurch der Bescheid vom 29.04.2011 ab 01.04.2011 wieder wirksam wurde. Der Kläger hat hiermit sein Prozessziel erreicht. Der Rechtsstreit hat damit seine Erledigung gefunden.
Da der Kläger den Rechtsstreit gleichwohl nicht für erledigt erklärt hat, war die Klage als unzulässig abzuweisen. So ist dem Schreiben des Klägers vom 10.03.2011 nicht zu entnehmen, dass das Verfahren für erledigt erklärt wird. Vielmehr erklärte er, dass die Niederschrift mit der Erklärung der Beklagten zurückgewiesen werde. Des Weiteren erklärte er das Verfahren nur "solange für ruhend, bis die Rechtsstaatlichkeit und die Rechtssicherheit in diesem Land wieder hergestellt sind. Der Unterzeichner behält sich vor, ggf. andere Verfahren und Maßnahmen einzuleiten, die zur Aufklärung der Angelegenheit beitragen können." Eine prozessbeendigende Erklärung kann dieser Aussage nicht entnommen werden, da sich der Kläger weitere Maßnahmen vorbehalten und daher nur einen Schwebezustand wünscht.
Insoweit ist die Erklärung auch nicht als Klageänderung nach § 99 SGG auszulegen, wonach der Kläger eine Feststelllung gem § 131 Abs. 1 S. 3 SGG begehrt. Eine solche Änderung des Klageziels lässt sich dem Schreiben vom 10.03.2011 nicht entnehmen. Darüber hinaus ist auch kein Feststellungsinteresse ersichtlich.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Aufnahme des Klägers in die freiwillige Krankenversicherung.
Der im Jahr 1950 geborene Kläger war vom 10.01.1972 bis zum 15.12.2002 bei der DAK Deutsche Angestellten Krankenkasse als Selbständiger freiwillig gesetzlich krankenversichert. Die Ehefrau des Klägers ist als Arbeitnehmerin bei der Beklagten gesetzlich kranken- und pflegeversichert. Nachdem auf Antrag der Ehefrau des Klägers vom 24.01.2003 zunächst die Tochter E. und der Sohn F. rückwirkend zum 15.12.2002 in die Familienversicherung aufgenommen wurden, beantragte die Ehefrau im Januar 2003 telefonisch die Aufnahme des Klägers in die Familienversicherung. Der Kläger teilte in einem Fragebogen am 31.01.2003 (Bl. 5 der Verwaltungsakte) mit, dass er zur Zeit kein Einkommen aus seiner selbständigen Tätigkeit erziele und er lediglich eine geringfügige selbständige Tätigkeit ausübe. Die Beklagte nahm den Kläger daraufhin ab dem 16.12.2002 in die Familienversicherung der Ehefrau.
Auf Nachfrage der Beklagten am 15.06.2004 bezüglich der Höhe des Einkommens aus der selbständigen Tätigkeit des Klägers, teilte die Ehefrau am 30.06.2004 mit, dass der Einkommensteuerbescheid über die Jahre 2003 bis 2004 noch nicht vorliege. Auf eine weitere Anfrage vom April 2007 teilten der Kläger und seine Ehefrau mit, dass der Einkommensteuerbescheid nicht vorliege und dass der Kläger kein regelmäßiges Einkommen über 400 EUR erziele (Fragebogen vom 10.09.2008 Bl. 15 der Verwaltungsakte sowie Fragebogen vom 16.10.2009 Bl. 17 der Verwaltungsakte). Am 07.12.2010 übersandte der Kläger schließlich den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2004, in dem zu versteuernde Einkünfte aus Gewerbebetrieb für den Kläger in Höhe von 6.279 EUR festgesetzt wurden.
Auf Anfrage der Beklagten teilte das Finanzamt U. am 16.12.2010 mit, dass der Kläger im Jahr 2002 zu versteuernde Einkünfte in Höhe von 15.455 EUR, im Jahr 2003 zu versteuernde Einkünfte in Höhe von 9.695 EUR und im Jahr 2004 zu versteuernde Einkünfte in Höhe von 6.279 EUR erzielt habe. Für das Jahr 2005 werde das zu versteuernde Einkommen auf 13.500 EUR, für die Jahre 2006 und 2007 jeweils auf 12.500 EUR und für das Jahr 2008 auf 11.000 EUR geschätzt. Das Jahr 2009 sei noch nicht veranlagt.
Mit Bescheid vom 18.01.2011 stornierte die Beklagte die Familienversicherung des Klägers rückwirkend zum 16.12.2002. Der Kläger habe seit Beginn der Familienversicherung regelmäßig Einkommen über den Einkommensgrenzen erzielt. Damit der Kläger auch weiterhin Versicherungsschutz habe, biete ihm die Beklagte eine freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung an, ein diesbezüglicher Antrag sei dem Schreiben beigefügt. Hierbei sei die Antragsfrist von drei Monaten nach dem Ende der Familienversicherung zu beachten.
Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 09.06.2011 zurückgewiesen. Die hiergegen zum Sozialgericht Ulm unter dem Aktenzeichen S 3 KR 2342/11 erhobene Klage wurde mit Urteil vom 15.05.2012 abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung (Aktenzeichen L 11 KR 2977/12) wurde mit Urteil vom 29.04.2014 zurückgewiesen.
Nach Aufhebung der Familienversicherung beantragte der Kläger am 31.03.2011 die Aufnahme in die freiwillige Versicherung. Mit Bescheid vom 29.04.2011 nahm die Beklagte den Kläger ab 16.12.2002 in die freiwillige Versicherung auf. Ab 01.01.2011 ergäben sich nachfolgende Beiträge: Krankenversicherungsbeitrag: 136,58 EUR Pflegeversicherungsbeitrag: 17,88 EUR Gesamtbetrag: 154,46 EUR
Für die Zeit vom 16.12.2002 bis 31.03.2011 seien Beiträge in Höhe von insgesamt 14.292,59 EUR zu bezahlen.
Mit Schreiben vom 04.05.2011, welches am 05.05.2011 bei der Beklagten einging, wandte sich der Kläger gegen die erhobenen Beiträge in Höhe von 14.292,59 EUR. Der Beitragserhebung würden die überzogenen Schätzungen des Finanzamtes zugrunde liegen. Im Übrigen sei es zu der rückwirkenden Beendigung der Familienversicherung nur gekommen, weil ihm telefonisch falsche Einkommensgrenzen durch die Beklagte mitgeteilt worden seien. Schließlich könne er die Nachzahlung aber auch nicht leisten.
Auf Nachfrage der Beklagten bei der Beigeladenen zum Grund des Kassenwechsels zum 16.12.2002 informierte diese darüber, dass die Mitgliedschaft wegen Beitragsrückständen nach § 191 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) gekündigt worden sei.
Die Beklagte hörte den Kläger daraufhin mit Schreiben vom 22.07.2011 zu einer Aufhebung der freiwilligen Versicherung und Rücknahme des ergangenen Bescheids nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) an.
Der Kläger wandte sich mit Schreiben vom 25.07.2011 gegen die geplante Aufhebung. Die Auseinandersetzung mit der Beigeladenen liege mehr als zehn Jahre zurück und sei mit einer Zahlung abgeschlossen worden.
Mit Bescheid vom 29.07.2011 hob die Beklagte den Bescheid vom 29.04.2011 vollständig auf. Der Kläger könne gem § 9 SGB V nicht bei ihr freiwillig versichert werden, da die damalige Versicherung nach § 191 S. 1 Nr. 3 SGB V beendet worden sei. Die weitere Mitgliedschaft könne ab dem 01.04.2007 nur bei der Beigeladenen erfolgen.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.10.2011 als unbegründet zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 16.11.2011 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Mit der Klage wird gerügt, dass der Kläger über die Sitzung des Widerspruchsausschusses nicht informiert worden sei. Darüber hinaus seien die maßgebliche Gesetze einschließlich der Prozessordnung verfassungswidrig.
Ein am 12.12.2011 gestellter Befangenheitsantrag gegen die Richterin Kraus wurde mit Beschluss vom 15.02.2012 des Landessozialgerichts Baden-Württemberg L 4 SF 5712/11 AB als unbegründet zurückgewiesen. Nach Aufruf der mündlichen Verhandlung vom 15.05.2012 hat der Kläger einen erneuten Befangenheitsantrag schriftlich beim SG abgegeben. Das SG hat den Befangenheitsantrag als offensichtlich unzulässig zurückgewiesen, da er identisch mit demjenigen sei, den der Kläger bereits am 13.12.2011 gestellt habe und über welchen das Landessozialgericht Baden-Württemberg bereits mit unanfechtbaren Beschluss vom 15.02.2012 entschieden habe.
Mit Urteil vom 15.05.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe nach zutreffender Überprüfung die Voraussetzungen für die Aufnahme in eine freiwillige Versicherung zu Unrecht angenommen. § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB V sei nicht einschlägig, da zuvor bei der Beigeladenen eine freiwillige Versicherung und damit keine Versicherungspflicht bestand, aus der er hätte ausscheiden können. Auch § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB V sei nicht gegeben, da der Kläger aufgrund der rückwirkenden Aufhebung bei der Beklagten zu keinem Zeitpunkt tatsächlich familienversichert gewesen sei.
Der Kläger hat am 24.06.2012 gegen das am 25.05.2012 zugestellte Urteil Berufung beim SG eingelegt und zur Begründung sinngemäß ausgeführt, dass die Vorsitzende Richterin am SG Ulm nicht die gesetzliche Richterin nach Artikel 101 Grundgesetz gewesen sei. So sei eine dem Gesetz entsprechende Entscheidung über den Befangenheitsantrag vom 15.05.2012 nicht ergangen. Auch habe die Richterin eine Bestellungs/Bestallungsurkunde nicht vorgelegt, so dass es fraglich sei, ob es tatsächlich eine Richterin Kraus am SG Ulm gebe, die Handlungen vornehmen dürfe. Es sei gegen konstituierende Grundsätze des Rechts verstoßen worden und eine vorsätzlich rechtswidrige Entscheidung getroffen worden.
Im Rahmen des Erörterungstermins vor dem Berichterstatter am 28.02.2014 hat die Beklagte den den Bescheid vom 29.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.10.2011 insoweit aufgehoben, als mit diesem eine Aufhebung des Bescheids vom 29.04.2011 ab 01.04.2011 erfolgt ist.
Der Kläger hat nach dem Erörterungstermin keinen Sachantrag mehr gestellt, sondern beantragt, das Verfahren ruhend zu stellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist mangels Rechtsschutzinteresse unzulässig.
Die Berufung des Klägers war zum Zeitpunkt ihrer Einlegung statthaft und zulässig; sie ist aber nachträglich unzulässig geworden, weil die ursprünglich vorhandene Beschwer des Klägers weggefallen ist. Auch in einem solchen Fall wird die Berufung unzulässig (Leitherer, aaO, Vor § 143 RdNr 10). Ein zusätzliches Rechtsschutzinteresse des Klägers für eine inhaltliche Entscheidung des Senats trotz Wegfalls der Beschwer ist nicht ersichtlich. Durch die teilweise Aufhebung des Bescheides vom 29.07.2011 und des Widerspruchsbescheides vom 17.10.2011 ist der Bescheid vom 29.04.2011 für die Zeit ab 01.04.2011 wieder wirksam geworden. Dadurch hat der Kläger sein Prozessziel - die Begründung einer freiwilligen Versicherung ab 01.04.2011 - erreicht.
Der Kläger hat weder vor dem SG noch vor dem LSG im Rahmen des Erörterungstermins oder der mündlichen Verhandlung einen konkreten Antrag gestellt, so dass sein Begehren anhand seiner Schriftsätze zu ermitteln ist. Ausgehend von seinem Widerspruch gegen den Bescheid vom 29.07.2011 wendet sich der Kläger gegen die Aufhebung der freiwilligen Versicherung, da er bei der Beklagten freiwillig versichert sein möchte. Dementsprechend hat sich der Kläger auch vehement gegen die Rücküberweisung seiner Beiträge ab 01.04.2011 zur Wehr gesetzt. Sein Begehren war damit zunächst auf die Aufhebung des Bescheids vom 29.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.10.2011 in der Form einer Anfechtungsklage gerichtet.
Einschränkend ist freilich zu berücksichtigen, dass der Kläger gegen den Bescheid vom 29.04.2011 ebenfalls Widerspruch durch sein Schreiben vom 04.05.2011 eingelegt hat. Mit diesem hat er sich gegen die rückwirkende freiwillige Versicherung und die hiermit in Zusammenhang stehenden Beiträge gewendet. Daraus ist zu schließen, dass der Kläger zwar für die Zukunft freiwillig versichert sein möchte, aber für die Vergangenheit keine Beiträge zahlen will. Damit aber stellt sich der Bescheid vom 29.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.10.2011 als Abhilfeentscheidung dar, soweit mit diesem der Bescheid vom 29.04.2011 für die Vergangenheit und damit für den Zeitraum vor dem 01.04.2011 aufgehoben wird.
Zwar kann auch daran gedacht werden, das Begehren des Kläger hinsichtlich der Vergangenheit dahingehend zu verstehen, dass eine freiwillige Krankenversicherung ohne Beiträge begehrt wird. Eine solcher Antrag würde sich jedoch als unzulässig darstellen, weshalb eine entsprechende Auslegung nicht in Betracht kommt. Mit dem Bescheid vom 29.04.2011 hat die Beklagte nicht nur über die Mitgliedschaft in der freiwilligen Krankenversicherung entschieden, sondern auch die entsprechenden Beiträge erhoben. Aufgrund der wechselseitigen Beziehungen zwischen freiwilliger Krankenversicherung und Beitragsbemessung, die hierdurch entstanden sind, können diese auch nur einheitlich überprüft werden (vgl. BSG 22.03.2001, B 12 P 3/00 R, juris). Kommt damit eine Aufspaltung des Bescheids vom 29.04.2011 hinsichtlich der Regelungsgegenstände "Mitgliedschaft in der freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung" und "Beitragserhebung" nicht in Betracht, so gilt dies auch für den Aufhebungsbescheid vom 29.07.2011 als actus contrarius. Da ein Auslegung des Begehrens des Klägers zur Unzulässigkeit nicht in Betracht kommt, war davon auszugehen, dass der Kläger mit einer Aufhebung der Beiträge für die Mitgliedschaft für die Vergangenheit einschließlich der Mitgliedschaft einverstanden ist, während er sich gegen die Aufhebung der freiwilligen Mitgliedschaft für die Zeit ab 01.04.2011 wendet.
Diesem Begehren hat die Beklagte mit der teilweise Aufhebung des Bescheides vom 29.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.10.2011 entsprochen, da hierdurch der Bescheid vom 29.04.2011 ab 01.04.2011 wieder wirksam wurde. Der Kläger hat hiermit sein Prozessziel erreicht. Der Rechtsstreit hat damit seine Erledigung gefunden.
Da der Kläger den Rechtsstreit gleichwohl nicht für erledigt erklärt hat, war die Klage als unzulässig abzuweisen. So ist dem Schreiben des Klägers vom 10.03.2011 nicht zu entnehmen, dass das Verfahren für erledigt erklärt wird. Vielmehr erklärte er, dass die Niederschrift mit der Erklärung der Beklagten zurückgewiesen werde. Des Weiteren erklärte er das Verfahren nur "solange für ruhend, bis die Rechtsstaatlichkeit und die Rechtssicherheit in diesem Land wieder hergestellt sind. Der Unterzeichner behält sich vor, ggf. andere Verfahren und Maßnahmen einzuleiten, die zur Aufklärung der Angelegenheit beitragen können." Eine prozessbeendigende Erklärung kann dieser Aussage nicht entnommen werden, da sich der Kläger weitere Maßnahmen vorbehalten und daher nur einen Schwebezustand wünscht.
Insoweit ist die Erklärung auch nicht als Klageänderung nach § 99 SGG auszulegen, wonach der Kläger eine Feststelllung gem § 131 Abs. 1 S. 3 SGG begehrt. Eine solche Änderung des Klageziels lässt sich dem Schreiben vom 10.03.2011 nicht entnehmen. Darüber hinaus ist auch kein Feststellungsinteresse ersichtlich.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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