L 8 U 3743/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 3649/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 3743/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 05.08.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen eine Entscheidung über Zahlung von Verletztengeld.

Der 1956 geborene Kläger war in verschiedenen Beschäftigungsverhältnissen als Heizungslüftungsbauer und Rohrschlosser, als Bauarbeiter und zuletzt ab Dezember 1991 als Hausmeister tätig. Vom 15.07.2002 bis 10.01.2004 bestand durchgehende Arbeitsunfähigkeit und der Kläger erhielt nach Lohnfortzahlung von seiner Krankenkasse B.-G. Krankengeld vom 23.08.2002 bis 10.01.2004. Mit jeweils gesonderten Schreiben vom 13.08.2010 (Bl. 529-531 der BG-Akte) teilte die Krankenkasse dem Kläger mit, dass er in dem genannten Zeitraum ab 23.08.2002 Krankengeld in Höhe von 64,62 EUR bzw. 65,73 EUR (ab 01.07.2003) täglich abzüglich Beiträge zur Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (Auszahlungsbeträge 55,80 EUR, 55,67 EUR bzw. 56,62 EUR) erhalten habe. Mit Bescheid vom 17.10.2007 gewährte die deutsche Rentenversicherung, Baden-Württemberg, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.02.2005.

Die Beklagte nahm mit Bescheid vom 05.04.2011 in Ausführung eines vor dem Sozialgericht Freiburg (SG) im damaligen Verfahren (S 9 U 6025/07) geschlossenen Vergleichs vom 22.10.2009 entgegenstehende Ablehnungsbescheide zurück, stellte als Versicherungsfall ab 15.07.2002 eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung (BKV) fest und gewährte ab 11.01.2004 Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v.H. Wegen der Höhe der Rente ist vor dem Senat das vom Kläger betriebene Berufungsverfahren L 8 U 1614/12 anhängig, über das der Senat ebenfalls mit Urteil vom heutigen Tag entschieden hat.

Mit Schreiben vom 26.01.2012 (Bl. 882-885 der BG-Akte) gab die Krankenkasse dem Kläger über seinen Bevollmächtigten bekannt, ab 23.08.2002 bis 10.01.2004 im Auftrag der Beklagten Verletztengeld zu zahlen. Die Auszahlung erfolge unter Anrechnung bereits gezahlten Krankengeldes in den angeführten Zeiträumen. Der Gesamtbetrag aus der Differenz von Verletzten- und Krankengeld in Höhe von 1.131,49 EUR werde überwiesen.

Hiergegen legte der Klägerbevollmächtigte mit Schreiben vom 22.02.2012 Widerspruch ein, der nicht näher begründet wurde. Die Krankenkasse teilte dem Bevollmächtigten mit, dass im Rahmen der Verwaltungsvereinbarung mit den Unfallversicherungsträgern "Generalauftrag Verletztengeld" die Krankenkasse institutionell für Widersprüche gegen das im Auftrag gezahlte Verletztengeld nicht zuständig sei, weshalb der Widerspruch an die Beklagte weitergeleitet worden sei (Schreiben vom 06.03.2012). Die Beklagte forderte mit Schreiben vom 24.04.2012 den Kläger auf, seine Einwände gegen die Entscheidung zur Verletztengeldzahlung vorzutragen und gegebenenfalls Entgeltbescheinigungen, die das Jahr vor Eintritt des Versicherungsfalls betreffen, vorzulegen. Eine Widerspruchbegründung ging nicht ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 10.07.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Am 23.07.2012 erhob der Kläger vor dem SG Klage, an deren Begründung auf richterliche Anordnungen vom 06.08.2012 und 11.10.2012 erinnert worden war. Weder erfolgte eine Antragstellung noch eine Klagebegründung.

Mit Gerichtsbescheid vom 05.08.2013 wies das SG die Klage ab.

Der Kläger hat am 27.08.2013 vor dem Landessozialgericht Berufung eingelegt, in der bislang weder ein Antrag gestellt noch eine Begründung vorgelegt worden ist.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich auf die für zutreffend erachteten Entscheidungsgründe im angefochtenen Gerichtsbescheid.

Der Senat hat die Verwaltungsakten der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts beigezogen. Auf diese Unterlagen und auf die vor dem Senat angefallene Berufungsakte wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat hat trotz Ausbleibens des Kläger und seines Bevollmächtigten im Termin entscheiden können, denn in der den Beteiligten ordnungsgemäß zugegangenen Ladung zur mündlichen Verhandlung war auf diese Möglichkeit hingewiesen worden (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG). Das am 16.04.2014 eingegangene Fax aus dem Büro des Klägerbevollmächtigten hat dem Senat keinen Anlass gegeben, den Termin zu verlegen. Ein wirksamer Antrag auf Terminsverlegung ist nicht gestellt worden, denn die Schreiben vom 14.04. und 16.04.2014 sind nicht vom Klägerbevollmächtigten, sondern von seiner Kanzleikraft unterschrieben; jedenfalls ist nicht erkennbar, dass die Schreiben von einer nach § 73 Abs. 2 SGG vertretungsberechtigten Person unterschrieben worden sind. Auf das Erfordernis der Unterschrift ist der Bevollmächtigte mit gerichtlichem Schreiben vom 15.04.2014 - per Fax am gleichen Tag dem Bevollmächtigten noch vor dem behaupteten Urlaubsantritt zugegangen - mitgeteilt worden. Gleichwohl ist das klarstellende Schreiben vom 16.04.2014, dass es sich bei dem vorhergehenden Schreiben um einen Verlegungsantrag handelt, wiederum nicht mit der Unterschrift des Klägerbevollmächtigten oder einer erkennbar vertretungsberechtigten Person versehen worden. Dass am Termin festgehalten wird, war dem Bevollmächtigten mit Verfügung des Vorsitzenden vom 24.04.2014 per Fax erläutert worden.

Darüber hinaus wäre auch einem formgültig gestellten Verlegungsantrag nicht stattzugeben gewesen, denn die beantragte Terminsverlegung ist zur Überzeugung des Senats nur aus Gründen der Prozessverschleppung gestellt, was grundsätzlich keine Verlegung rechtfertigt. Vorliegend sind die Berufung des Klägers und sogar die Rechtsbehelfe im Widerspruchs- und im Klageverfahren nicht begründet worden, ebenso ist die Berufung in dem am gleichen Sitzungstag anberaumten Berufungsverfahren des Klägers (vgl. das Urteil des Senats in dem Verfahren L 8 U 3744/13 vom gleichen Tag) nicht begründet worden, was das eigentliche Interesse an einer Terminsverschiebung nahelegt. Einem Antrag auf Verlegung eines nach § 110 SGG anberaumten Termins zur mündlichen Verhandlung ist dann stattzugeben, wenn ein erheblicher Grund im Sinne der §§ 202 SGG, 227 Abs. 1 und 2 Zivilprozessordnung (ZPO) dargetan und glaubhaft gemacht ist (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Aufl. § 110 Rn. 4b). Einen erheblichen Hinderungsgrund für eine Terminsteilnahme hat der Klägerbevollmächtigte bereits nicht widerspruchsfrei und damit nicht schlüssig vorgetragen. Nach Zugang der Terminsbestimmung (nach Empfangsbekenntnis des Klägerbevollmächtigten am 06.03.2014, Bl. 17b der Senatsakte) hat der Klägerbevollmächtigte in den Schreiben vom 20.03.2014 und 02.04.2014 die Bekanntgabe des zuständigen Berichterstatters und der Besetzung der Richterbank am anberaumten Termin verlangt, ohne den angeblich bereits seit Herbst des letzten Jahres geplanten Urlaub als Hinderungsgrund geltend zu machen bzw. ohne Verlegung zu beantragen. Vielmehr ist die angeblich urlaubsbedingte Abwesenheit ab 16.04.2014 erstmals im späteren Schreiben vom 14.04.2014 erwähnt worden, wobei nicht ersichtlich ist, dass eine unaufschiebbare Urlaubsreise vorgelegen haben soll, zu der der Klägerbevollmächtigte sich auch nicht erst nach der Terminsladung entschlossen hatte. Eine Begründung für den erst jetzt erfolgten Vortrag einer Terminsverhinderung ist nicht gegeben worden. Die hierzu abgegebene "eidesstattliche Versicherung" im Sinne einer Bekräftigung der Glaubhaftigkeit des Vortrages ist wenig aussagekräftig, da weder eine "eidesstattliche Versicherung" noch das Schreiben vom 14.04.2014 selbst vom Klägerbevollmächtigten unterschrieben ist. Zudem sieht sich der Senat veranlasst darauf hinzuweisen, dass das Prozessverhalten des Klägerbevollmächtigten einem dem Senat schon häufig begegneten, von ihm praktizierten Muster entspricht, Verhandlungstermine hinauszuschieben, sei es durch mehrdeutigen Vortrag von Hinderungsgründen des Bevollmächtigten ohne ausdrücklichen Verlegungsantrag (vgl. zuletzt Urt. des Senats vom 28.02.2014 - L 8 U 1681/12 -, n. rechtskr., unveröffentlicht) oder durch kurzfristig vor dem anberaumten Termin gestellten Verlegungsantrag ohne hinreichende Begründung für die gewünschte Verlegung oder die späte Antragstellung (vgl. stellvertretend Urt. des Senats vom 27.01.2012 – L 8 SB 4292/10 – rechtskr., unveröffentlicht). Da kein wirksamer Verlegungsantrag gestellt ist, bedurfte es keiner Aufforderung nach § 227 Abs. 2 ZPO, den Hinderungsgrund glaubhaft zu machen. Eine solches Verlangen des Vorsitzenden wäre überdies auch nicht erfolgversprechend gewesen, denn der angebliche Reiseantritt unmittelbar nach der kurzfristig erfolgten Antragstellung hat keine verwertbare Reaktion erwarten lassen, zumal mit der richterlichen Verfügung vom 15.04.2014, die per Fax dem Bevollmächtigten noch vor dem behaupteten Reisantritt zugegangen ist, der Mangel des Verlegungsantrags hinreichend bezeichnet worden war. Nachteile, die sich aus dem knappen zeitlichen Rahmen bis zum anberaumten Termin ergeben haben, beruhen auf dem verspäteten Vorbringen des Klägerbevollmächtigten und sind vom Kläger zu vertreten.

Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig (§ 151 SGG), aber nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Die Abweisung der Klage ist zur Überzeugung des Senats bereits aus formalen Gründen gerechtfertigt, denn der vom Kläger mit Schreiben vom 22.02.2012 erhobene Widerspruch war unzulässig und ist mit angefochtenem Widerspruchsbescheid vom 10.07.2012 von der Beklagten im Ergebnis rechtlich zutreffend zurückgewiesen worden.

Die Gewährung von Verletztengeld durch die Krankenkasse ist ein Realakt, der ohne vorausgehenden Bewilligungsbescheid erfolgt. Die Schreiben der B.-G. vom 26.01.2012 sind sowohl nach der äußeren Form als auch inhaltlich lediglich die Information über die Zusammensetzung der nachträglich erfolgten Zahlung von Verletztengeld. Eine Regelung enthalten die Schreiben nicht. Ein Verwaltungsakt über die Gewährung von Verletztengeld ist nicht ergangen, vielmehr hat die Beklagte intern die Krankenkasse angewiesen Verletztengeld auszuzahlen. In Ermangelung eines anfechtbaren Verwaltungsakt war daher der erhobene Widerspruch unzulässig. Da der Widerspruch weder begründet noch ein konkretes Rechtsschutzziel in Form einer Antragstellung benannt worden ist oder sonst erkennbar war, war eine Umdeutung des Widerspruchs in einen Antrag auf Erlass eines anfechtbaren Bescheides nicht möglich. Die Zurückweisung des Widerspruchs im Widerspruchsbescheid vom 10.07.2012 und die Abweisung der Klage mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid war daher rechtmäßig.

Doch selbst wenn zu Gunsten des Klägers davon ausgegangen wird, dass jedenfalls mit dem Schreiben der Beklagten vom 06.03.2012 sich die Beklagte die Feststellungen der Krankenkasse in ihren Schreiben vom 26.01.2012 zu Zeitraum und Höhe des im Auftrag der Beklagten ausgezahlten Verletztengeldes zu eigen machte und diese als Bewilligungsbescheide gelten lässt, wäre ein Anspruch auf Abänderung dieser Bewilligungsbescheide auch materiell rechtlich unbegründet.

Das dem Kläger für den ab 15.07.2002 eingetretenen Versicherungsfall der Berufskrankheit Nr. 2108 gezahlte Verletztengeld ist in Bezug auf die Höhe, Leistungsbeginn und Dauer nicht rechtswidrig geleistet worden.

Verletztengeld wird erbracht, wenn der Versicherte infolge eines Versicherungsunfalls arbeitsunfähig ist und unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen hatte (§ 45 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch Gesetzliche Unfallversicherung SGB VII ). Es wird von dem Tag an gezahlt, ab dem die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt ist und endet u.a. mit dem letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit (§ 46 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 SGB VII). Die Höhe des Verletztengelds richtet sich grundsätzlich nach der Höhe des Einkommens des Versicherten vor dem Versicherungsfall. Versicherte, die Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt haben, erhalten Verletztengeld entsprechend § 47 Abs. 1 und 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) mit der Maßgabe, dass das Regelentgelt aus dem Gesamtbetrag des regelmäßigen Arbeitsentgelts und des Arbeitseinkommens zu berechnen und bis zu einem Betrag in Höhe des 360. Teils des Höchstjahresarbeitsverdienstes zu berücksichtigen ist (§ 47 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VII), das Verletztengeld 80 vom Hundert des Regelentgelts beträgt und das bei Anwendung des §§ 47 Abs. 1 und 2 SGB V berechnete Nettoarbeitsentgelt nicht übersteigt (§ 47 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB VII). Wurde Arbeitslosengeld, Unterhaltsgeld oder Kurzarbeitergeld bezogen, wird Verletztengeld in Höhe des Krankengeldes nach § 47b SGB V gezahlt, wurde nicht nur darlehensweise Arbeitslosengeld II oder nicht nur Leistungen für Erstausstattung für Bekleidung bei Schwangerschaft und Geburt nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bezogen, wird Verletztengeld in Höhe des Betrages des Arbeitslosengelds II gezahlt.

Nach diesen Maßstäben sind Rechtsfehler hinsichtlich der Auszahlung des dem Kläger nachträglich zum bereits geleisteten Krankengeld gewährten Verletztengeldes nicht ersichtlich. Die Höhe des Verletztengeldes richtete sich nach der Höhe des dem Krankengeld zu Grunde liegenden Arbeitsentgelts. Die Höhe des am regelmäßigen Arbeitsentgelt bemessenen Krankengeldes war dem Kläger bereits zuvor mit den Informationsschreiben der B.-G. vom 13.08.2010 mitgeteilt worden, hiergegen hatte der Kläger keine Einwendungen erhoben. Unberücksichtigt gebliebenes Arbeitseinkommen hat der Kläger nicht geltend gemacht. Beginn und Dauer der berufskrankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit, was der Kläger auch nicht ausdrücklich gerügt hat, sind den aktenkundigen Arztberichten wie auch den Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse (MDK) vom 10.10.2003 und 04.12.2003 zu entnehmen. Der Senat verweist daher nach eigener Prüfung auf die rechtlich zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid (§ 153 Abs. 2 SGG) und im angefochtenen Widerspruchsbescheid.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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