Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 3 R 1862/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 5310/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 14.11.2012 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Der Streitwert wird auf 3.284,71 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist im Streit, ob die Klägerin verpflichtet ist, Sozialversicherungsbeiträge und Umlagebeiträge einschließlich Säumniszuschläge (in Höhe von 1.338,61 EUR) für den Zeitraum vom 01.01.2001 bis 31.12.2001 in Höhe von insgesamt 3.284,71 EUR zu zahlen.
Die Klägerin ist eine GmbH, die zunächst unter der Bezeichnung "W. M. & L. GmbH" firmierte und durch den damaligen Geschäftsführer R. M. (R) vertreten wurde. R führte daneben weitere Firmen, wie etwa als Inhaber den Betrieb R. M., land- und forstwirtschaftlicher Betrieb. Seit 2012 firmiert die Klägerin unter der Bezeichnung "A. S. GmbH", vertreten durch den Alleingeschäftsführer S. B. M., den Sohn des R.
Gegenstand des Unternehmens der Klägerin, wie auch der weiteren Unternehmen des R, ist der An- und Verkauf von landwirtschaftlichen Produkten, An- und Verkauf sowie die Vermietung von landwirtschaftlichen Maschinen und Gebäuden und die Entwicklung von landtechnischen/landwirtschaftlichen Projekten. Der im Januar 2001 65 Jahre alt gewordene F.-P. F. (F) war bei der Klägerin im Prüfzeitraum als Arbeitnehmer beschäftigt und durchgehend als geringfügig Beschäftigter angemeldet, obwohl er jedenfalls ab März 2001 die Geringfügigkeitsgrenze laufend überschritt.
Am 26.07.2005 wurden wegen Unregelmäßigkeiten der sozialversicherungsrechtlichen Meldungen Ermittlungen des Hauptzollamts wegen des Verdachts des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt gegen R, betreffend auch die W. M. & L. GmbH, eingeleitet (Abschlussbericht vom 20.02.2007, Bl 33-72 SG-Akte). Die Ermittlungen konzentrierten sich auf die Jahre 2002 bis 2005. Durchsuchungsbeschlüsse wurden ua gegen die W. M. & L. GmbH am 26.07.2005 vollzogen (vgl. Bl. 38 SG-Akte).
Die Beklagte führte am 02.11.2006 eine Betriebsprüfung bei der Klägerin durch.
Nach Abschluss der Ermittlungen des Hauptzollamts K. gegen R wegen Verdachts des Betrugs nach § 263 Strafgesetzbuch (Az. 11 Js 7547/05) wurde von der Staatsanwaltschaft R. am 22.10.2007 Anklage zum Amtsgericht R. wegen des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt erhoben. Unter anderem wurde die Anklage darauf gestützt, dass F bei der Klägerin beschäftigt gewesen und sein Verdienst im Jahr 2001 nicht vollständig und im Zeitraum vom 01.10.2002 bis 31.03.2003 überhaupt nicht angemeldet worden sei. F habe jedenfalls ab März 2001 laufend die Geringfügigkeitsgrenze erheblich überschritten und habe allein von März bis Dezember 2001 netto 13.480 DM von der Klägerin ausbezahlt erhalten. Das Amtsgericht R. (Az. 6 Ls 11 Js 7547/05 - AK 209/07 verbunden mit 6 Ls 25 Js 5964/07 - AK 220/07, 6 Ls 11 Js 10017/08 - AK 91/09, 6 Ls 21 Js 4931/09 - AK 76/09) verurteilte R mit Urteil vom 29.06.2010 (Bl 85 Verwaltungsakte) wegen tateinheitlichen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 11 Fällen, des gewerbsmäßigen In-Verkehr-Bringens eines Lebensmittels, das für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet gewesen sei, in 3 Fällen und des vorsätzlichen In-Verkehr-Bringens eines Lebensmittels unter einer irreführenden Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung oder Werbung mit einer irreführenden Darstellung oder Aussage in 7 Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Hinsichtlich weiterer angeklagter Taten (ua bezüglich des F) wurde das Verfahren in der Hauptverhandlung gem § 154 Abs 2 Strafprozessordnung eingestellt. F verstarb 2005 in Polen.
Mit Anhörungsschreiben vom 01.10.2007 (Bl 29 Verwaltungsakte) gab die Beklagte der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme zur beabsichtigten Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen betreffend den F in Höhe von 1.946,10 EUR und Erhebung von Säumniszuschlägen in Höhe von 1.338,61 EUR. F habe mindestens ab März 2001 bis Dezember 2001 die Geringfügigkeitsgrenze laufend überschritten, obwohl er bis 31.12.2001 als geringfügig Beschäftigter gemeldet gewesen sei. Aufgrund der Überschreitung sei die Beschäftigung versicherungspflichtig und seien Beiträge zu allen Zweigen der Sozialversicherung zu zahlen. Die als entrichtet geltenden Pauschalbeiträge würden mit der Forderung verrechnet. Da F im Januar 2001 das 65. Lebensjahr vollendet habe, seien Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung nur noch durch den Arbeitgeber zu entrichten.
Die Klägerin äußerte sich nicht.
Mit Bescheid vom 20.11.2007 (Bl 3 Verwaltungsakte) forderte die Beklagte von der Klägerin Sozialversicherungsbeiträge, die Umlage nach dem Lohnfortzahlungsgesetz (LFZG) und Aufwendungsausgleichsgesetz sowie Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 3.284,71 EUR für den Prüfzeitraum vom 01.01.2001 bis 31.12.2001. Bis 31.12.2001 sei der Arbeitnehmer F unter der Betriebsnummer der Klägerin als geringfügig Beschäftigter angemeldet gewesen. Im Rahmen der Überprüfung durch die Zollbehörde sei festgestellt worden, dass F zumindest ab März 2001 die Geringfügigkeitsgrenze laufend in erheblichem Maße überschritten habe. Nach den vorgefundenen Auszahlungsunterlagen habe er allein für die Monate März bis Dezember 2001 netto 13.480,- DM ausbezahlt erhalten. Da der Beschäftigte im Januar 2001 das 65. Lebensjahr vollendet habe, seien Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung nur noch durch den Arbeitgeber zu entrichten. Die als entrichtet geltenden Pauschalbeiträge würden beanstandet und mit der Forderung verrechnet. Die Ansprüche auf Beiträge seien auch nicht verjährt. Die Klägerin habe von ihrer Beitragspflicht gewusst, da sie auch andere Arbeitnehmer beschäftigt und diese angemeldet habe. Im Einvernehmen mit F habe sie ihm einen höheren Nettolohn ausgezahlt, ihn jedoch nur als geringfügig Beschäftigten mit der Folge angemeldet, dass sie lediglich die geringeren Pauschalbeträge habe zahlen müssen. Es sei hier zumindest von bedingtem Vorsatz auszugehen. Aus diesem Grund seien auch Säumniszuschläge auf die Differenz der zu entrichtenden Beiträge und der entrichteten Pauschalbeiträge zu erheben.
Hiergegen erhob die Klägerin am 04.12.2007 Widerspruch. Mit Schreiben vom 27.12.2007 legitimierten sich unter Vorlage einer Vollmacht der Klägerin die Rechtsanwälte K. M. Z. (KMZ), vgl Bl 41 Verwaltungsakte.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 16.05.2011 zurückgewiesen (Bl 103 Verwaltungsakte). Die Ermittlungsergebnisse des Hauptzollamtes, an denen auch 2 Mitarbeiter des Betriebsprüfdienstes der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg beteiligt gewesen seien, seien eindeutig; ebenso diejenigen aus dem anschließenden Strafverfahren gegen R, der nach den Feststellungen der Staatsanwaltschaft auch bei der Klägerin derjenige gewesen sei, der die Anweisungen gegeben und die Verantwortung getragen habe. Dass im Urteil des Amtsgerichts R. vom 29.06.2010 ein Teil der Taten in der Hauptverhandlung eingestellt worden sei, sei für das sozialversicherungsrechtliche Verfahren nicht relevant.
Der Widerspruchsbescheid wurde am 16.05.2011 mit einfachem Brief auf dem Postweg abgesandt (Bl 107 Verwaltungsakte) und ging bei KMZ am 17.05.2011 ein (Eingangsstempel Bl 111 Verwaltungsakte). Mit Schreiben vom 20.05.2011 teilte KMZ mit, ihr Mandat sei beendet und übersandte den Widerspruchsbescheid an die Beklagte zurück. Mit Schreiben vom 25.05.2011 übersandte die Beklagte den Widerspruchsbescheid an die Klägerin.
Am 20.06.2011 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, ihr damaliger Geschäftsführer R sei davon ausgegangen, dass F korrekt bei der Sozialversicherung gemeldet gewesen sei und dass durch die Buchhaltung ordnungsgemäß Beiträge abgeführt worden seien. Wenn die Beklagte dies in den angefochtenen Bescheiden anders sehe, obliege es ihr, dies durch Vorlage der entsprechenden Unterlagen nachzuweisen. Jedenfalls wären etwaige Nachforderungsansprüche der Beklagten verjährt. Zum Zeitpunkt der Betriebsprüfung am 02.11.2006 sei die 4-jährige Verjährungsfrist nach § 25 Abs 1 Satz 1 SGB IV bereits abgelaufen gewesen. Die 30-jährige Verjährungsfrist nach § 25 Abs 1 Satz 2 SGB IV finde keine Anwendung, da die Klägerin nicht vorsätzlich gehandelt habe. Der damalige Geschäftsführer R der Klägerin könne sich eine etwaige fehlerhafte Einordnung des F als geringfügig Beschäftigter nur durch ein Versehen der Buchhaltung erklären. Er habe der Buchhalterin Frau W. (W) die Höhe der monatlich gezahlten Vergütungen übermittelt. Falls F zu Unrecht als geringfügig Beschäftigter gemeldet worden sei, habe insoweit eine Fahrlässigkeit der W, Mitarbeiterin der Firma A. in R., die für die Klägerin bis 31.12.2009 die Buchhaltung erledigt habe, vorgelegen. Eine weitere Aufklärung sei nach Ablauf von rund 10 Jahren nicht mehr möglich. Die Beweislast für das Vorliegen von (bedingtem) Vorsatz treffe den Sozialversicherungsträger. Für ein vorsätzliches Handeln seien jedoch keine Anhaltspunkte ersichtlich. Die strafrechtliche Verurteilung des R habe sich nicht auf den hier streitgegenständlichen Zeitraum 2001 bezogen, sondern erst auf einen Zeitraum ab Juli 2002. Bei F habe es sich nicht um einen Erntehelfer bzw eine Saisonarbeitskraft gehandelt, sondern um einen fest angestellten Arbeitnehmer, der gemeldet gewesen sei und für den Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden seien. Die korrekte rechtliche Einordnung des Beschäftigungsverhältnisses von F sei nicht einfach gewesen, weil er seinen Wohnsitz in Polen und außerdem schon das Rentenalter erreicht gehabt habe. F sei im Jahr 2005 in Polen an einer Krebserkrankung verstorben. R habe monatlich die Lohnzahlungen der Klägerin an die Firma A. gemeldet; Sachbearbeiterin sei die W gewesen. Die Meldung zur Sozialversicherung sei durch die Firma A. vorgenommen worden. Die AOK als zuständige Einzugsstelle habe damals eine Einzugsermächtigung für die Sozialversicherungsbeiträge gehabt. Die Abbuchungen der AOK seien durch die Firma A. veranlasst worden. R habe daher keine direkte eigene Kontrolle über die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge gehabt. Er habe sich auf die korrekte Handhabung und die korrekte sozialversicherungsrechtliche Einordnung durch die A. verlassen. Er habe dieser das tatsächlich ausgezahlte Geld in voller Höhe gemeldet und nicht etwa einen niedrigeren Betrag.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Vorliegend gelte die 30-jährige Verjährung des § 25 Abs 1 Satz 2 SGB IV. Es sei unerheblich, dass sich das Urteil des Amtsgericht R. nicht auf das Jahr 2001 bezogen habe. Der Verdienst von F sei im Jahr 2001 nicht vollständig und im Jahr 2002 und 2003 überhaupt nicht gemeldet worden. Die Verfahrenseinstellung gemäß § 154 Abs 2 StPO sei für das sozialversicherungsrechtliche Verfahren nicht relevant. F sei in den Jahren 2000 und 2001 als geringfügig Beschäftigter gemeldet worden, im Jahr 2001 mit einem Bruttolohn in Höhe von 2.030 DM. Wie die Ermittlungen durch das Hauptzollamt erbracht hätten, habe F jedoch weitere Nettolohnzahlungen erhalten, die nicht gemeldet worden seien. Soweit die Klägerin behaupte, es habe eine Fahrlässigkeit der Buchhalterin W vorgelegen, sei dies eine Schutzbehauptung. Wie sich aus dem vorgelegten Schreiben vom 13.09.2001 zum Hauptbetrieb des Klägers ergebe, seien bei der A.-Steuerberatungsgesellschaft mbH in R. keine Lohnunterlagen geführt worden. Nach Aussage des dortigen Sachbearbeiters seien diese durch den Betrieb selbst erstellt worden. Die A.-Steuerberatungsgesellschaft habe keinen Einblick in die tatsächlichen Verhältnisse gehabt, sondern sei auf die Angaben der Klägerin zur Höhe des Entgelts angewiesen gewesen. Nach dem Gesamtbild des Sachverhalts sei von Vorsatz auszugehen.
Das SG hat Beweis erhoben durch die Einholung einer schriftlichen Zeugenauskunft der W. Diese hat mit Schreiben vom 11.06.2012 (Bl 109 SG-Akte) mitgeteilt, sie sei bis zum 31.12.2002 als Steuerfachangestellte der Firma A. und danach als selbständige Bilanzbuchhalterin bis Januar 2010 direkt für R tätig gewesen. Ob sie Lohnunterlagen für F erhalten habe, könne sie nicht sagen. Sollte sie alle erforderlichen Angaben gehabt haben, dann seien die entsprechenden Meldungen auch gemacht worden. Es habe für jeden Monat ein Blatt gegeben, auf dem der Verdienst jedes einzelnen Arbeitnehmers genannt gewesen sei. Ein sogenanntes Stammdatenblatt habe nur in sehr seltenen Fällen vorgelegen. Sie habe keinerlei Unterlagen des R bei sich. Sie habe ausschließlich vor Ort gearbeitet und niemals irgendwelche Unterlagen mitgenommen. In ihrer Zeit als angestellte Steuerfachangestellte seien die Unterlagen in der Firma A. gewesen. R habe aber jeden Monat Kopien der Lohnbuchhaltung erhalten. Über die Höhe des Entgelts von F und die Höhe des tatsächlich ausgezahlten Arbeitsentgelts könne sie keine Angaben machen. Ob die Einzugsstelle die Beiträge bei der Klägerin abgebucht habe, wisse sie nicht. Alle Unterlagen habe R.
Mit Beschluss vom 13.01.2012 hat das SG die AOK Baden-Württemberg nebst der Pflegekasse und die Agentur für Arbeit N. zum Verfahren beigeladen.
In der mündlichen Verhandlung vom 14.11.2012 vor dem SG hat R Angaben zur Sache gemacht und die Klägerin hat Fotokopien aus den Ermittlungsakten des Hauptzollamts R. vorgelegt. Diese beinhalten die Monatsnettolohndarstellungen der Klägerin an Frau W. von der Firma A. für die Monate Dezember 2000 bis Dezember 2001.
Mit Urteil vom 14.11.2012 hat das SG der Klage stattgegeben und die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufgehoben. Die rechtlichen Voraussetzungen für die streitgegenständliche Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen und Umlagebeiträgen sowie für die Erhebung von Säumniszuschlägen lägen nicht vor, da die Beitragsforderung verjährt sei. Zwar sei die Klägerin ihrer Meldepflicht zur Abführung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge für den bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer F und auch den Aufzeichnungs- und Nachweispflichten des Arbeitgebers nicht nachgekommen. F sei in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig gewesen. Zwar seien die Voraussetzungen einer geringfügigen Beschäftigung nicht erfüllt gewesen. Für F habe Versicherungs- und Beitragspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherungszweigen bestanden. Aber die Forderung der Beklagten sei verjährt, da Ansprüche auf Beiträge innerhalb vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden seien, verjährten. Nur Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjährten in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden seien. Vorsatz liege nicht vor. Ein mindestens bedingter Vorsatz des damaligen Geschäftsführers R der Klägerin in Bezug auf die nicht ordnungsgemäße Meldung und Beitragsabführung für F sei nicht nachgewiesen. Unstreitig sei zwar, dass F aus seinem Beschäftigungsverhältnis bei der Klägerin für die Monate März bis Dezember 2001 Arbeitsentgelt in einer Höhe bezogen habe, die erheblich über der Entgeltgrenze für geringfügige Beschäftigungen gelegen habe und die Voraussetzungen für eine sog. Zeit-Geringfügigkeit nicht erfüllt gewesen seien. Nach den vorgelegten Monatsnettolohndarstellungen an W für den streitgegenständlichen Zeitraum habe R jedoch ein deutlich über der Geringfügigkeitsgrenze liegendes Arbeitsentgelt für F angegeben. Es lasse sich nicht mehr aufklären, aus welchen Gründen F als geringfügig Beschäftigter gemeldet worden sei. R habe auf eine ordnungsgemäße Tätigkeit von W vertrauen dürfen. Erst beim Vorliegen konkreter Verdachtsmomente hinsichtlich fehlerhafter Meldungen wäre eine Überprüfung der Tätigkeit von W erforderlich gewesen. Zwar verjährten Ansprüche auf Beiträge auch dann in 30 Jahren, wenn der Vorsatz zu ihrer Vorenthaltung bei Fälligkeit der Beiträge noch nicht vorlag, er aber noch vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist eingetreten sei. Auch insoweit mangele es jedoch an entsprechenden Hinweisen. Die am 22.10.2007 zum Amtsgericht R. erhobene Anklage und die anschließende Hauptverhandlung sei nach dem Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist erfolgt.
Gegen das ihr am 26.11.2012 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil des SG hat die Beklagte am 20.12.2012 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Die Klägerin habe bereits im Jahr 2005, innerhalb des Vier-Jahres-Zeitraums, durch die Einleitung des Ermittlungsverfahrens positive Kenntnis von der Versicherungspflicht des F erhalten, die entsprechenden Durchsuchungsbeschlüsse seien im Juli 2005 vollzogen worden. Daher greife vorliegend die 30jährige Verjährungsfrist. Im Übrigen sei es "landläufig" bekannt, dass bei Überschreiten der seinerzeit geltenden Geringfügigkeitsgrenzen von 630 DM bzw 325 EUR eine geringfügige Beschäftigung nicht mehr vorliege. Die Sozialversicherungspflichtigkeit von F habe sich aufdrängen müssen. Die Tatsache, dass der Verdienst des F im Zeitrauim vom 01.10.2002 bis 31.03.2003 überhaupt nicht gemeldet worden sei, lasse ebenfalls Rückschlüsse auf die subjektive Tatseite zu. In einem weiteren Verfahren vor dem SG habe die W als Zeugin ausgesagt, dass die A. für den landwirtschaftlichen Betrieb des R nicht die Meldungen zur Sozialversicherung vorgenommen habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 14.11.2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt auf die Ausführungen des SG Bezug und ihren bisherigen Sachvortrag Bezug. R habe keine eigene direkte Kontrolle über die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge gehabt und könne sich nicht erklären, weshalb die Meldungen und Beitragszahlungen fehlerhaft vorgenommen worden seien. Einen etwaigen Vorsatz der W müsse sich die Klägerin nicht zurechnen lassen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten beider Instanz und die weiteren beigezogenen Akten des SG und der Staatsanwaltschaft Rottweil Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft, zulässig und begründet.
Die Klage ist zulässig; die Klagefrist (§ 87 Abs 1 Satz 1 iVm § 64 Abs 3 SGG) ist gewahrt, auch wenn der Widerspruchsbescheid vom 16.05.2011 dem damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausweislich des Eingangsstempels am 17.05.2011 zugegangen ist. Bei Zustellung mittels einfachem Brief ist im Fall eines früheren Zugangs nicht der Zugangstag maßgebend, sondern die Frist beginnt am dritten Tag nach Aufgabe zur Post, vorliegend der 16.05.2011, zu laufen (Mutschler in Kasseler Kommentar zum SGB, § 37 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X, Rn 16; Kopp/Ramsauer VwVfG § 41 Rn 42 mwN), weshalb die Klageerhebung am 20.06.2011 rechtzeitig war.
Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Zu Unrecht hat das SG die Bescheide der Beklagten aufgehoben und der Klage stattgegeben.
Rechtsgrundlage für den Erlass des angefochtenen Beitragsbescheides ist § 28p Abs 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV erfüllen. Die Prüfung umfasst auch die Lohnunterlagen der Beschäftigten, für die Beiträge nicht gezahlt wurden. Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern; insoweit gelten § 28h Abs 2 SGB IV sowie § 93 iVm § 89 Abs 5 SGB X nicht. Für die Zahlung von Beiträgen von Versicherungspflichtigen aus Arbeitsentgelt zur gesetzlichen Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung gelten nach § 253 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) und § 174 Abs 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) die Vorschriften über den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§§ 28d bis 28n und 28r SGB IV). Diese Vorschriften gelten nach §§ 1 Abs 1 Satz 2 SGB IV, § 348 Abs 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) auch für die Arbeitsförderung.
Das Arbeitsentgelt unterliegt der Beitragsbemessung in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (§ 226 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB V, § 57 Abs 1 SGB XI, § 162 Nr 1 SGB VI, § 342 SGB III). Arbeitsentgelt sind alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden (§ 14 Abs 1 S 1 SGB IV). § 22 Abs 1 SGB IV bestimmt ergänzend, wann die Beitragsansprüche entstehen. Nach dem in § 22 Abs 1 Satz 1 SGB IV geregelten Grundsatz entstehen die Beitragsansprüche, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Nach der Ausnahmeregelung des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB IV entstehen die Beitragsansprüche bei einmalig gezahltem Arbeitsentgelt, sobald dieses ausgezahlt worden ist.
In der Sozialversicherung führt im Grundsatz jede abhängige Beschäftigung (§ 7 Abs 1 SGB IV), die gegen Entgelt ausgeübt wird, zur Versicherungspflicht und damit im Grundsatz auch zur Beitragspflicht (§ 25 Abs 1 SGB III, § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI, § 20 Abs 1 Nr. 1 SGB XI), es sei denn, es liegt ein Ausnahmetatbestand vor, der zur Versicherungsfreiheit des Beschäftigten führt, wie etwa eine geringfügige Beschäftigung. Nach § 8 Abs 1 Nr 1 SGB IV in der bis 31.12.2001 gültigen Fassung liegt eine geringfügige Beschäftigung vor, wenn diese regelmäßig weniger als fünfzehn Stunden in der Woche ausgeübt wird und das Arbeitsentgelt regelmäßig im Monat 630 Deutsche Mark nicht übersteigt. F war im Prüfzeitraum jedenfalls von März 2001 an wegen Überschreitens der Geringfügigkeitsgrenze in allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig. Dies ergibt sich schon aus den von der Klägerin vorgelegten Monatsnettolohndarstellungen (Bl 122/134 SG-Akte) und wird bestätigt durch die Ermittlungen des Hauptzollamts.
Entgegen der Auffassung des SG ist die Forderung der Beklagten aus den angefochtenen Bescheiden nicht verjährt. Anzuwenden ist hier die dreißigjährige Verjährungsfrist, weil zumindest bedingter Vorsatz bei der Klägerin gegeben ist.
Nach § 25 Abs 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge und Nebenleistungen in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Diese kurze Verjährungsfrist war zum Zeitpunkt der Festsetzung der hier streitigen Forderung abgelaufen.
Allerdings verjähren Beiträge und Nebenleistungen (ua Säumniszuschläge) in 30 Jahren (§ 25 Abs 1 Satz 2 SGB IV), wenn die Beiträge vorsätzlich vorenthalten worden sind (vgl BSG 08.04.1992, 10 RAr 5/91, BSGE 70, 261, 264, SozR 3-2400 § 25 Nr 4), wobei bedingter Vorsatz genügt. Direkter Vorsatz ist nicht erforderlich. Dies gilt entsprechend für die Umlagebeiträge nach §§ 14, 17 LFZG id bis 31.12.2005 geltenden Fassung.
Nach der Rechtsprechung des BSG, der der Senat folgt, reicht es aus, wenn der Arbeitgeber die Beiträge mit (nur) bedingtem Vorsatz vorenthalten hat, also die Beitragspflicht für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat (BSG 30.03.2000, B 12 KR 14/99 R, SozR 3-2400 § 25 Nr 7; 26.01.2005, B 12 KR 3/04 R; 17.04.2008, B 13 R 123/07 R, BSGE 100, 215, SozR 4-2400 § 25 Nr 2).
Ist eine natürliche Person Beitragsschuldner, wird im Regelfall die Feststellung ihrer Kenntnis von der Beitragsschuld und der Umstand, dass die Beiträge nicht (rechtzeitig) gezahlt wurden, genügen, um gleichermaßen feststellen zu können, dass der Beitragsschuldner die Beiträge (zumindest bedingt) vorsätzlich vorenthalten hat. Für die Annahme eines vorsätzlichen Vorenthaltens im Sinne des § 25 Abs 1 Satz 2 SGB IV ist bei einer Körperschaft oder juristischen Person (§ 13 Abs 1 GmbH-Gesetz) ausreichend, dass dieser die Kenntnis von der Beitragspflicht zugerechnet wird.
Die Rechtspflicht zur Beitragszahlung hat zur Folge, dass das Unterlassen der Zahlung einem aktiven Handeln gleichzustellen ist. Wenn feststeht, dass der Schuldner zu irgendeinem Zeitpunkt innerhalb der kurzen Verjährungsfrist Kenntnis von der Beitragspflicht hatte und die Zahlung nicht sichergestellt hat, obwohl er hierzu in der Lage war, indiziert dies den im Sinne des § 25 Abs 1 Satz 2 SGB IV erforderlichen Vorsatz (BSG 17.04.2008, B 13 R 123/07 R, BSGE 100, 215, SozR 4-2400 § 25 Nr 2). So lagen die Dinge vorliegend.
Zur Überzeugung des Senats liegt ein Organisationsverschulden bei der Klägerin vor, welches den bedingten Vorsatz indiziert. Die Klägerin hat nicht sichergestellt, dass die Meldung zur Sozialversicherung für F ordnungsgemäß erfolgt. Nach Einleitung des Ermittlungsverfahrens gegen den Geschäftsführer R durch das Hauptzollamt im Jahr 2005, noch innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist, hätte Anlass bestanden, die ordnungsgemäße Durchführung der Meldung zur Sozialversicherung auch für F zu prüfen. Auch die W. M. & L. GmbH war Gegenstand der laufenden Ermittlungen und der Durchsuchung am 26.07.2005. F ist auch Gegenstand des Abschlussberichts und der anschließenden Anklage gewesen.
Abzustellen ist entgegen der Auffassung des SG nicht auf die Ende 2007 erhobene Anklage, sondern (spätestens) auf den Beginn der Ermittlungen im Frühjahr 2005. R wusste zu diesem Zeitpunkt sicher, dass bei einem erheblichen Teil seiner Beschäftigten in den verschiedenen Firmen dringender Verdacht auf Unregelmäßigkeiten in Bezug auf die sozialversicherungsrechtliche Meldung bestanden hat. Auch die Firma W. M. & L. GmbH war von Anfang an von den Ermittlungen betroffen. Nach Einleitung des Ermittlungsverfahrens konnte R nicht mehr darauf vertrauen, dass er mit der Abgabe der Meldungen an die Buchhalterin W (Firma A.) alles Erforderliche getan hatte, um eine ordnungsgemäße Abführung der Beiträge sicherzustellen.
R und damit die Klägerin hätten hinsichtlich ihrer Beschäftigter/Arbeitnehmer, wie des F, zeitnah prüfen müssen, ob die Beiträge ordnungsgemäß eingezogen worden sind (vgl LSG Baden-Württemberg 21.01.2011, L 4 R 1950/10). Dies ist aber nach eigenem – insoweit glaubhaftem – Vorbringen der Klägerin nicht erfolgt, indem die von der Firma A. vorgenommen Meldungen und die von der Firma A. vorgenommenen Abbuchungen und an die Klägerin übersandten Kopien aus der Lohnbuchhaltung offensichtlich entweder gar nie geprüft oder billigend durch Wegsehen hingenommen worden sind. Die Klägerin hat nach Angaben der W jeden Monat von der Firma A. Kopien aus der Lohnbuchhaltung erhalten. Eine einfache Prüfung wäre daher möglich gewesen und hätte nach dem Frühjahr 2005 erfolgen müssen. Dieses Organisationsverschulden mindestens im Sinne eines bewussten Wegsehens des R indiziert den im Sinne des § 25 Abs 1 Satz 2 SGB IV erforderlichen Vorsatz (BSG 17.04.2008, B 13 R 123/07 R, BSGE 100, 215, SozR 4-2400 § 25 Nr 2). Es genügt nicht, angesichts der Sachlage des Frühjahrs 2005, dass seitens der Klägerin vorgetragen wird, man könne sich die Falschmeldung des F nicht erklären und man habe ja gar nichts gemacht, sondern die W habe gehandelt.
Die Kenntnis des R von der Beitragspflicht und die mindestens bedingt vorsätzliche falsche Meldung des F durch die mangelnde Organisation des R wird der Klägerin zugerechnet (vgl BSG 01.07.2010, B 13 R 67/09 R, SozR 4-2400 § 24 Nr 5).
Auch die Festsetzung der Säumniszuschläge ist zu Recht erfolgt.
Nach § 24 Abs. 2 SGB IV ist, wenn eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt wird, ein darauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Der unverschuldeten Unkenntnis von der Zahlungspflicht steht nach Auffassung des 13. Senats des BSG sowohl fahrlässiges wie auch vorsätzliches Verhalten im Sinne von § 276 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) entgegen (BSG 01.07.2010, B 13 R 67/09 R, SozR 4-2400 § 24 Nr 5). Der 12. Senat des BSG hat demgegenüber ausgeführt, für die Frage, ob unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht vorgelegen hat, sei in Ermangelung anderer Maßstäbe auf diejenigen zurückzugreifen, die das BSG für die Beurteilung des Vorsatzes im Sinne des § 25 Abs 1 Satz 2 SGB IV entwickelt hat (BSG 26.01.2005, B 12 KR 3/04 R, SozR 4-2400 § 14 Nr 7), so dass Fahrlässigkeit nicht ausreichen würde. Welcher Auffassung zu folgen ist, kann hier dahingestellt bleiben, da bei der Klägerin ohnehin jedenfalls bedingter Vorsatz vorgelegen hat, wie oben aufgezeigt wurde.
Die Berechnung der Nachforderung und der Säumniszuschläge ist zutreffend erfolgt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm §§ 1 Abs 2 Nr 3, 47 Abs 1 und 2, 52 Abs 3 Satz 1, 63 Abs 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Nr 1 und 2 SGG).
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Der Streitwert wird auf 3.284,71 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist im Streit, ob die Klägerin verpflichtet ist, Sozialversicherungsbeiträge und Umlagebeiträge einschließlich Säumniszuschläge (in Höhe von 1.338,61 EUR) für den Zeitraum vom 01.01.2001 bis 31.12.2001 in Höhe von insgesamt 3.284,71 EUR zu zahlen.
Die Klägerin ist eine GmbH, die zunächst unter der Bezeichnung "W. M. & L. GmbH" firmierte und durch den damaligen Geschäftsführer R. M. (R) vertreten wurde. R führte daneben weitere Firmen, wie etwa als Inhaber den Betrieb R. M., land- und forstwirtschaftlicher Betrieb. Seit 2012 firmiert die Klägerin unter der Bezeichnung "A. S. GmbH", vertreten durch den Alleingeschäftsführer S. B. M., den Sohn des R.
Gegenstand des Unternehmens der Klägerin, wie auch der weiteren Unternehmen des R, ist der An- und Verkauf von landwirtschaftlichen Produkten, An- und Verkauf sowie die Vermietung von landwirtschaftlichen Maschinen und Gebäuden und die Entwicklung von landtechnischen/landwirtschaftlichen Projekten. Der im Januar 2001 65 Jahre alt gewordene F.-P. F. (F) war bei der Klägerin im Prüfzeitraum als Arbeitnehmer beschäftigt und durchgehend als geringfügig Beschäftigter angemeldet, obwohl er jedenfalls ab März 2001 die Geringfügigkeitsgrenze laufend überschritt.
Am 26.07.2005 wurden wegen Unregelmäßigkeiten der sozialversicherungsrechtlichen Meldungen Ermittlungen des Hauptzollamts wegen des Verdachts des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt gegen R, betreffend auch die W. M. & L. GmbH, eingeleitet (Abschlussbericht vom 20.02.2007, Bl 33-72 SG-Akte). Die Ermittlungen konzentrierten sich auf die Jahre 2002 bis 2005. Durchsuchungsbeschlüsse wurden ua gegen die W. M. & L. GmbH am 26.07.2005 vollzogen (vgl. Bl. 38 SG-Akte).
Die Beklagte führte am 02.11.2006 eine Betriebsprüfung bei der Klägerin durch.
Nach Abschluss der Ermittlungen des Hauptzollamts K. gegen R wegen Verdachts des Betrugs nach § 263 Strafgesetzbuch (Az. 11 Js 7547/05) wurde von der Staatsanwaltschaft R. am 22.10.2007 Anklage zum Amtsgericht R. wegen des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt erhoben. Unter anderem wurde die Anklage darauf gestützt, dass F bei der Klägerin beschäftigt gewesen und sein Verdienst im Jahr 2001 nicht vollständig und im Zeitraum vom 01.10.2002 bis 31.03.2003 überhaupt nicht angemeldet worden sei. F habe jedenfalls ab März 2001 laufend die Geringfügigkeitsgrenze erheblich überschritten und habe allein von März bis Dezember 2001 netto 13.480 DM von der Klägerin ausbezahlt erhalten. Das Amtsgericht R. (Az. 6 Ls 11 Js 7547/05 - AK 209/07 verbunden mit 6 Ls 25 Js 5964/07 - AK 220/07, 6 Ls 11 Js 10017/08 - AK 91/09, 6 Ls 21 Js 4931/09 - AK 76/09) verurteilte R mit Urteil vom 29.06.2010 (Bl 85 Verwaltungsakte) wegen tateinheitlichen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 11 Fällen, des gewerbsmäßigen In-Verkehr-Bringens eines Lebensmittels, das für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet gewesen sei, in 3 Fällen und des vorsätzlichen In-Verkehr-Bringens eines Lebensmittels unter einer irreführenden Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung oder Werbung mit einer irreführenden Darstellung oder Aussage in 7 Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Hinsichtlich weiterer angeklagter Taten (ua bezüglich des F) wurde das Verfahren in der Hauptverhandlung gem § 154 Abs 2 Strafprozessordnung eingestellt. F verstarb 2005 in Polen.
Mit Anhörungsschreiben vom 01.10.2007 (Bl 29 Verwaltungsakte) gab die Beklagte der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme zur beabsichtigten Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen betreffend den F in Höhe von 1.946,10 EUR und Erhebung von Säumniszuschlägen in Höhe von 1.338,61 EUR. F habe mindestens ab März 2001 bis Dezember 2001 die Geringfügigkeitsgrenze laufend überschritten, obwohl er bis 31.12.2001 als geringfügig Beschäftigter gemeldet gewesen sei. Aufgrund der Überschreitung sei die Beschäftigung versicherungspflichtig und seien Beiträge zu allen Zweigen der Sozialversicherung zu zahlen. Die als entrichtet geltenden Pauschalbeiträge würden mit der Forderung verrechnet. Da F im Januar 2001 das 65. Lebensjahr vollendet habe, seien Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung nur noch durch den Arbeitgeber zu entrichten.
Die Klägerin äußerte sich nicht.
Mit Bescheid vom 20.11.2007 (Bl 3 Verwaltungsakte) forderte die Beklagte von der Klägerin Sozialversicherungsbeiträge, die Umlage nach dem Lohnfortzahlungsgesetz (LFZG) und Aufwendungsausgleichsgesetz sowie Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 3.284,71 EUR für den Prüfzeitraum vom 01.01.2001 bis 31.12.2001. Bis 31.12.2001 sei der Arbeitnehmer F unter der Betriebsnummer der Klägerin als geringfügig Beschäftigter angemeldet gewesen. Im Rahmen der Überprüfung durch die Zollbehörde sei festgestellt worden, dass F zumindest ab März 2001 die Geringfügigkeitsgrenze laufend in erheblichem Maße überschritten habe. Nach den vorgefundenen Auszahlungsunterlagen habe er allein für die Monate März bis Dezember 2001 netto 13.480,- DM ausbezahlt erhalten. Da der Beschäftigte im Januar 2001 das 65. Lebensjahr vollendet habe, seien Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung nur noch durch den Arbeitgeber zu entrichten. Die als entrichtet geltenden Pauschalbeiträge würden beanstandet und mit der Forderung verrechnet. Die Ansprüche auf Beiträge seien auch nicht verjährt. Die Klägerin habe von ihrer Beitragspflicht gewusst, da sie auch andere Arbeitnehmer beschäftigt und diese angemeldet habe. Im Einvernehmen mit F habe sie ihm einen höheren Nettolohn ausgezahlt, ihn jedoch nur als geringfügig Beschäftigten mit der Folge angemeldet, dass sie lediglich die geringeren Pauschalbeträge habe zahlen müssen. Es sei hier zumindest von bedingtem Vorsatz auszugehen. Aus diesem Grund seien auch Säumniszuschläge auf die Differenz der zu entrichtenden Beiträge und der entrichteten Pauschalbeiträge zu erheben.
Hiergegen erhob die Klägerin am 04.12.2007 Widerspruch. Mit Schreiben vom 27.12.2007 legitimierten sich unter Vorlage einer Vollmacht der Klägerin die Rechtsanwälte K. M. Z. (KMZ), vgl Bl 41 Verwaltungsakte.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 16.05.2011 zurückgewiesen (Bl 103 Verwaltungsakte). Die Ermittlungsergebnisse des Hauptzollamtes, an denen auch 2 Mitarbeiter des Betriebsprüfdienstes der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg beteiligt gewesen seien, seien eindeutig; ebenso diejenigen aus dem anschließenden Strafverfahren gegen R, der nach den Feststellungen der Staatsanwaltschaft auch bei der Klägerin derjenige gewesen sei, der die Anweisungen gegeben und die Verantwortung getragen habe. Dass im Urteil des Amtsgerichts R. vom 29.06.2010 ein Teil der Taten in der Hauptverhandlung eingestellt worden sei, sei für das sozialversicherungsrechtliche Verfahren nicht relevant.
Der Widerspruchsbescheid wurde am 16.05.2011 mit einfachem Brief auf dem Postweg abgesandt (Bl 107 Verwaltungsakte) und ging bei KMZ am 17.05.2011 ein (Eingangsstempel Bl 111 Verwaltungsakte). Mit Schreiben vom 20.05.2011 teilte KMZ mit, ihr Mandat sei beendet und übersandte den Widerspruchsbescheid an die Beklagte zurück. Mit Schreiben vom 25.05.2011 übersandte die Beklagte den Widerspruchsbescheid an die Klägerin.
Am 20.06.2011 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, ihr damaliger Geschäftsführer R sei davon ausgegangen, dass F korrekt bei der Sozialversicherung gemeldet gewesen sei und dass durch die Buchhaltung ordnungsgemäß Beiträge abgeführt worden seien. Wenn die Beklagte dies in den angefochtenen Bescheiden anders sehe, obliege es ihr, dies durch Vorlage der entsprechenden Unterlagen nachzuweisen. Jedenfalls wären etwaige Nachforderungsansprüche der Beklagten verjährt. Zum Zeitpunkt der Betriebsprüfung am 02.11.2006 sei die 4-jährige Verjährungsfrist nach § 25 Abs 1 Satz 1 SGB IV bereits abgelaufen gewesen. Die 30-jährige Verjährungsfrist nach § 25 Abs 1 Satz 2 SGB IV finde keine Anwendung, da die Klägerin nicht vorsätzlich gehandelt habe. Der damalige Geschäftsführer R der Klägerin könne sich eine etwaige fehlerhafte Einordnung des F als geringfügig Beschäftigter nur durch ein Versehen der Buchhaltung erklären. Er habe der Buchhalterin Frau W. (W) die Höhe der monatlich gezahlten Vergütungen übermittelt. Falls F zu Unrecht als geringfügig Beschäftigter gemeldet worden sei, habe insoweit eine Fahrlässigkeit der W, Mitarbeiterin der Firma A. in R., die für die Klägerin bis 31.12.2009 die Buchhaltung erledigt habe, vorgelegen. Eine weitere Aufklärung sei nach Ablauf von rund 10 Jahren nicht mehr möglich. Die Beweislast für das Vorliegen von (bedingtem) Vorsatz treffe den Sozialversicherungsträger. Für ein vorsätzliches Handeln seien jedoch keine Anhaltspunkte ersichtlich. Die strafrechtliche Verurteilung des R habe sich nicht auf den hier streitgegenständlichen Zeitraum 2001 bezogen, sondern erst auf einen Zeitraum ab Juli 2002. Bei F habe es sich nicht um einen Erntehelfer bzw eine Saisonarbeitskraft gehandelt, sondern um einen fest angestellten Arbeitnehmer, der gemeldet gewesen sei und für den Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden seien. Die korrekte rechtliche Einordnung des Beschäftigungsverhältnisses von F sei nicht einfach gewesen, weil er seinen Wohnsitz in Polen und außerdem schon das Rentenalter erreicht gehabt habe. F sei im Jahr 2005 in Polen an einer Krebserkrankung verstorben. R habe monatlich die Lohnzahlungen der Klägerin an die Firma A. gemeldet; Sachbearbeiterin sei die W gewesen. Die Meldung zur Sozialversicherung sei durch die Firma A. vorgenommen worden. Die AOK als zuständige Einzugsstelle habe damals eine Einzugsermächtigung für die Sozialversicherungsbeiträge gehabt. Die Abbuchungen der AOK seien durch die Firma A. veranlasst worden. R habe daher keine direkte eigene Kontrolle über die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge gehabt. Er habe sich auf die korrekte Handhabung und die korrekte sozialversicherungsrechtliche Einordnung durch die A. verlassen. Er habe dieser das tatsächlich ausgezahlte Geld in voller Höhe gemeldet und nicht etwa einen niedrigeren Betrag.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Vorliegend gelte die 30-jährige Verjährung des § 25 Abs 1 Satz 2 SGB IV. Es sei unerheblich, dass sich das Urteil des Amtsgericht R. nicht auf das Jahr 2001 bezogen habe. Der Verdienst von F sei im Jahr 2001 nicht vollständig und im Jahr 2002 und 2003 überhaupt nicht gemeldet worden. Die Verfahrenseinstellung gemäß § 154 Abs 2 StPO sei für das sozialversicherungsrechtliche Verfahren nicht relevant. F sei in den Jahren 2000 und 2001 als geringfügig Beschäftigter gemeldet worden, im Jahr 2001 mit einem Bruttolohn in Höhe von 2.030 DM. Wie die Ermittlungen durch das Hauptzollamt erbracht hätten, habe F jedoch weitere Nettolohnzahlungen erhalten, die nicht gemeldet worden seien. Soweit die Klägerin behaupte, es habe eine Fahrlässigkeit der Buchhalterin W vorgelegen, sei dies eine Schutzbehauptung. Wie sich aus dem vorgelegten Schreiben vom 13.09.2001 zum Hauptbetrieb des Klägers ergebe, seien bei der A.-Steuerberatungsgesellschaft mbH in R. keine Lohnunterlagen geführt worden. Nach Aussage des dortigen Sachbearbeiters seien diese durch den Betrieb selbst erstellt worden. Die A.-Steuerberatungsgesellschaft habe keinen Einblick in die tatsächlichen Verhältnisse gehabt, sondern sei auf die Angaben der Klägerin zur Höhe des Entgelts angewiesen gewesen. Nach dem Gesamtbild des Sachverhalts sei von Vorsatz auszugehen.
Das SG hat Beweis erhoben durch die Einholung einer schriftlichen Zeugenauskunft der W. Diese hat mit Schreiben vom 11.06.2012 (Bl 109 SG-Akte) mitgeteilt, sie sei bis zum 31.12.2002 als Steuerfachangestellte der Firma A. und danach als selbständige Bilanzbuchhalterin bis Januar 2010 direkt für R tätig gewesen. Ob sie Lohnunterlagen für F erhalten habe, könne sie nicht sagen. Sollte sie alle erforderlichen Angaben gehabt haben, dann seien die entsprechenden Meldungen auch gemacht worden. Es habe für jeden Monat ein Blatt gegeben, auf dem der Verdienst jedes einzelnen Arbeitnehmers genannt gewesen sei. Ein sogenanntes Stammdatenblatt habe nur in sehr seltenen Fällen vorgelegen. Sie habe keinerlei Unterlagen des R bei sich. Sie habe ausschließlich vor Ort gearbeitet und niemals irgendwelche Unterlagen mitgenommen. In ihrer Zeit als angestellte Steuerfachangestellte seien die Unterlagen in der Firma A. gewesen. R habe aber jeden Monat Kopien der Lohnbuchhaltung erhalten. Über die Höhe des Entgelts von F und die Höhe des tatsächlich ausgezahlten Arbeitsentgelts könne sie keine Angaben machen. Ob die Einzugsstelle die Beiträge bei der Klägerin abgebucht habe, wisse sie nicht. Alle Unterlagen habe R.
Mit Beschluss vom 13.01.2012 hat das SG die AOK Baden-Württemberg nebst der Pflegekasse und die Agentur für Arbeit N. zum Verfahren beigeladen.
In der mündlichen Verhandlung vom 14.11.2012 vor dem SG hat R Angaben zur Sache gemacht und die Klägerin hat Fotokopien aus den Ermittlungsakten des Hauptzollamts R. vorgelegt. Diese beinhalten die Monatsnettolohndarstellungen der Klägerin an Frau W. von der Firma A. für die Monate Dezember 2000 bis Dezember 2001.
Mit Urteil vom 14.11.2012 hat das SG der Klage stattgegeben und die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufgehoben. Die rechtlichen Voraussetzungen für die streitgegenständliche Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen und Umlagebeiträgen sowie für die Erhebung von Säumniszuschlägen lägen nicht vor, da die Beitragsforderung verjährt sei. Zwar sei die Klägerin ihrer Meldepflicht zur Abführung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge für den bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer F und auch den Aufzeichnungs- und Nachweispflichten des Arbeitgebers nicht nachgekommen. F sei in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig gewesen. Zwar seien die Voraussetzungen einer geringfügigen Beschäftigung nicht erfüllt gewesen. Für F habe Versicherungs- und Beitragspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherungszweigen bestanden. Aber die Forderung der Beklagten sei verjährt, da Ansprüche auf Beiträge innerhalb vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden seien, verjährten. Nur Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjährten in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden seien. Vorsatz liege nicht vor. Ein mindestens bedingter Vorsatz des damaligen Geschäftsführers R der Klägerin in Bezug auf die nicht ordnungsgemäße Meldung und Beitragsabführung für F sei nicht nachgewiesen. Unstreitig sei zwar, dass F aus seinem Beschäftigungsverhältnis bei der Klägerin für die Monate März bis Dezember 2001 Arbeitsentgelt in einer Höhe bezogen habe, die erheblich über der Entgeltgrenze für geringfügige Beschäftigungen gelegen habe und die Voraussetzungen für eine sog. Zeit-Geringfügigkeit nicht erfüllt gewesen seien. Nach den vorgelegten Monatsnettolohndarstellungen an W für den streitgegenständlichen Zeitraum habe R jedoch ein deutlich über der Geringfügigkeitsgrenze liegendes Arbeitsentgelt für F angegeben. Es lasse sich nicht mehr aufklären, aus welchen Gründen F als geringfügig Beschäftigter gemeldet worden sei. R habe auf eine ordnungsgemäße Tätigkeit von W vertrauen dürfen. Erst beim Vorliegen konkreter Verdachtsmomente hinsichtlich fehlerhafter Meldungen wäre eine Überprüfung der Tätigkeit von W erforderlich gewesen. Zwar verjährten Ansprüche auf Beiträge auch dann in 30 Jahren, wenn der Vorsatz zu ihrer Vorenthaltung bei Fälligkeit der Beiträge noch nicht vorlag, er aber noch vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist eingetreten sei. Auch insoweit mangele es jedoch an entsprechenden Hinweisen. Die am 22.10.2007 zum Amtsgericht R. erhobene Anklage und die anschließende Hauptverhandlung sei nach dem Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist erfolgt.
Gegen das ihr am 26.11.2012 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil des SG hat die Beklagte am 20.12.2012 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Die Klägerin habe bereits im Jahr 2005, innerhalb des Vier-Jahres-Zeitraums, durch die Einleitung des Ermittlungsverfahrens positive Kenntnis von der Versicherungspflicht des F erhalten, die entsprechenden Durchsuchungsbeschlüsse seien im Juli 2005 vollzogen worden. Daher greife vorliegend die 30jährige Verjährungsfrist. Im Übrigen sei es "landläufig" bekannt, dass bei Überschreiten der seinerzeit geltenden Geringfügigkeitsgrenzen von 630 DM bzw 325 EUR eine geringfügige Beschäftigung nicht mehr vorliege. Die Sozialversicherungspflichtigkeit von F habe sich aufdrängen müssen. Die Tatsache, dass der Verdienst des F im Zeitrauim vom 01.10.2002 bis 31.03.2003 überhaupt nicht gemeldet worden sei, lasse ebenfalls Rückschlüsse auf die subjektive Tatseite zu. In einem weiteren Verfahren vor dem SG habe die W als Zeugin ausgesagt, dass die A. für den landwirtschaftlichen Betrieb des R nicht die Meldungen zur Sozialversicherung vorgenommen habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 14.11.2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt auf die Ausführungen des SG Bezug und ihren bisherigen Sachvortrag Bezug. R habe keine eigene direkte Kontrolle über die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge gehabt und könne sich nicht erklären, weshalb die Meldungen und Beitragszahlungen fehlerhaft vorgenommen worden seien. Einen etwaigen Vorsatz der W müsse sich die Klägerin nicht zurechnen lassen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten beider Instanz und die weiteren beigezogenen Akten des SG und der Staatsanwaltschaft Rottweil Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft, zulässig und begründet.
Die Klage ist zulässig; die Klagefrist (§ 87 Abs 1 Satz 1 iVm § 64 Abs 3 SGG) ist gewahrt, auch wenn der Widerspruchsbescheid vom 16.05.2011 dem damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausweislich des Eingangsstempels am 17.05.2011 zugegangen ist. Bei Zustellung mittels einfachem Brief ist im Fall eines früheren Zugangs nicht der Zugangstag maßgebend, sondern die Frist beginnt am dritten Tag nach Aufgabe zur Post, vorliegend der 16.05.2011, zu laufen (Mutschler in Kasseler Kommentar zum SGB, § 37 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X, Rn 16; Kopp/Ramsauer VwVfG § 41 Rn 42 mwN), weshalb die Klageerhebung am 20.06.2011 rechtzeitig war.
Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Zu Unrecht hat das SG die Bescheide der Beklagten aufgehoben und der Klage stattgegeben.
Rechtsgrundlage für den Erlass des angefochtenen Beitragsbescheides ist § 28p Abs 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV erfüllen. Die Prüfung umfasst auch die Lohnunterlagen der Beschäftigten, für die Beiträge nicht gezahlt wurden. Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern; insoweit gelten § 28h Abs 2 SGB IV sowie § 93 iVm § 89 Abs 5 SGB X nicht. Für die Zahlung von Beiträgen von Versicherungspflichtigen aus Arbeitsentgelt zur gesetzlichen Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung gelten nach § 253 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) und § 174 Abs 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) die Vorschriften über den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§§ 28d bis 28n und 28r SGB IV). Diese Vorschriften gelten nach §§ 1 Abs 1 Satz 2 SGB IV, § 348 Abs 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) auch für die Arbeitsförderung.
Das Arbeitsentgelt unterliegt der Beitragsbemessung in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (§ 226 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB V, § 57 Abs 1 SGB XI, § 162 Nr 1 SGB VI, § 342 SGB III). Arbeitsentgelt sind alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden (§ 14 Abs 1 S 1 SGB IV). § 22 Abs 1 SGB IV bestimmt ergänzend, wann die Beitragsansprüche entstehen. Nach dem in § 22 Abs 1 Satz 1 SGB IV geregelten Grundsatz entstehen die Beitragsansprüche, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Nach der Ausnahmeregelung des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB IV entstehen die Beitragsansprüche bei einmalig gezahltem Arbeitsentgelt, sobald dieses ausgezahlt worden ist.
In der Sozialversicherung führt im Grundsatz jede abhängige Beschäftigung (§ 7 Abs 1 SGB IV), die gegen Entgelt ausgeübt wird, zur Versicherungspflicht und damit im Grundsatz auch zur Beitragspflicht (§ 25 Abs 1 SGB III, § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI, § 20 Abs 1 Nr. 1 SGB XI), es sei denn, es liegt ein Ausnahmetatbestand vor, der zur Versicherungsfreiheit des Beschäftigten führt, wie etwa eine geringfügige Beschäftigung. Nach § 8 Abs 1 Nr 1 SGB IV in der bis 31.12.2001 gültigen Fassung liegt eine geringfügige Beschäftigung vor, wenn diese regelmäßig weniger als fünfzehn Stunden in der Woche ausgeübt wird und das Arbeitsentgelt regelmäßig im Monat 630 Deutsche Mark nicht übersteigt. F war im Prüfzeitraum jedenfalls von März 2001 an wegen Überschreitens der Geringfügigkeitsgrenze in allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig. Dies ergibt sich schon aus den von der Klägerin vorgelegten Monatsnettolohndarstellungen (Bl 122/134 SG-Akte) und wird bestätigt durch die Ermittlungen des Hauptzollamts.
Entgegen der Auffassung des SG ist die Forderung der Beklagten aus den angefochtenen Bescheiden nicht verjährt. Anzuwenden ist hier die dreißigjährige Verjährungsfrist, weil zumindest bedingter Vorsatz bei der Klägerin gegeben ist.
Nach § 25 Abs 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge und Nebenleistungen in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Diese kurze Verjährungsfrist war zum Zeitpunkt der Festsetzung der hier streitigen Forderung abgelaufen.
Allerdings verjähren Beiträge und Nebenleistungen (ua Säumniszuschläge) in 30 Jahren (§ 25 Abs 1 Satz 2 SGB IV), wenn die Beiträge vorsätzlich vorenthalten worden sind (vgl BSG 08.04.1992, 10 RAr 5/91, BSGE 70, 261, 264, SozR 3-2400 § 25 Nr 4), wobei bedingter Vorsatz genügt. Direkter Vorsatz ist nicht erforderlich. Dies gilt entsprechend für die Umlagebeiträge nach §§ 14, 17 LFZG id bis 31.12.2005 geltenden Fassung.
Nach der Rechtsprechung des BSG, der der Senat folgt, reicht es aus, wenn der Arbeitgeber die Beiträge mit (nur) bedingtem Vorsatz vorenthalten hat, also die Beitragspflicht für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat (BSG 30.03.2000, B 12 KR 14/99 R, SozR 3-2400 § 25 Nr 7; 26.01.2005, B 12 KR 3/04 R; 17.04.2008, B 13 R 123/07 R, BSGE 100, 215, SozR 4-2400 § 25 Nr 2).
Ist eine natürliche Person Beitragsschuldner, wird im Regelfall die Feststellung ihrer Kenntnis von der Beitragsschuld und der Umstand, dass die Beiträge nicht (rechtzeitig) gezahlt wurden, genügen, um gleichermaßen feststellen zu können, dass der Beitragsschuldner die Beiträge (zumindest bedingt) vorsätzlich vorenthalten hat. Für die Annahme eines vorsätzlichen Vorenthaltens im Sinne des § 25 Abs 1 Satz 2 SGB IV ist bei einer Körperschaft oder juristischen Person (§ 13 Abs 1 GmbH-Gesetz) ausreichend, dass dieser die Kenntnis von der Beitragspflicht zugerechnet wird.
Die Rechtspflicht zur Beitragszahlung hat zur Folge, dass das Unterlassen der Zahlung einem aktiven Handeln gleichzustellen ist. Wenn feststeht, dass der Schuldner zu irgendeinem Zeitpunkt innerhalb der kurzen Verjährungsfrist Kenntnis von der Beitragspflicht hatte und die Zahlung nicht sichergestellt hat, obwohl er hierzu in der Lage war, indiziert dies den im Sinne des § 25 Abs 1 Satz 2 SGB IV erforderlichen Vorsatz (BSG 17.04.2008, B 13 R 123/07 R, BSGE 100, 215, SozR 4-2400 § 25 Nr 2). So lagen die Dinge vorliegend.
Zur Überzeugung des Senats liegt ein Organisationsverschulden bei der Klägerin vor, welches den bedingten Vorsatz indiziert. Die Klägerin hat nicht sichergestellt, dass die Meldung zur Sozialversicherung für F ordnungsgemäß erfolgt. Nach Einleitung des Ermittlungsverfahrens gegen den Geschäftsführer R durch das Hauptzollamt im Jahr 2005, noch innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist, hätte Anlass bestanden, die ordnungsgemäße Durchführung der Meldung zur Sozialversicherung auch für F zu prüfen. Auch die W. M. & L. GmbH war Gegenstand der laufenden Ermittlungen und der Durchsuchung am 26.07.2005. F ist auch Gegenstand des Abschlussberichts und der anschließenden Anklage gewesen.
Abzustellen ist entgegen der Auffassung des SG nicht auf die Ende 2007 erhobene Anklage, sondern (spätestens) auf den Beginn der Ermittlungen im Frühjahr 2005. R wusste zu diesem Zeitpunkt sicher, dass bei einem erheblichen Teil seiner Beschäftigten in den verschiedenen Firmen dringender Verdacht auf Unregelmäßigkeiten in Bezug auf die sozialversicherungsrechtliche Meldung bestanden hat. Auch die Firma W. M. & L. GmbH war von Anfang an von den Ermittlungen betroffen. Nach Einleitung des Ermittlungsverfahrens konnte R nicht mehr darauf vertrauen, dass er mit der Abgabe der Meldungen an die Buchhalterin W (Firma A.) alles Erforderliche getan hatte, um eine ordnungsgemäße Abführung der Beiträge sicherzustellen.
R und damit die Klägerin hätten hinsichtlich ihrer Beschäftigter/Arbeitnehmer, wie des F, zeitnah prüfen müssen, ob die Beiträge ordnungsgemäß eingezogen worden sind (vgl LSG Baden-Württemberg 21.01.2011, L 4 R 1950/10). Dies ist aber nach eigenem – insoweit glaubhaftem – Vorbringen der Klägerin nicht erfolgt, indem die von der Firma A. vorgenommen Meldungen und die von der Firma A. vorgenommenen Abbuchungen und an die Klägerin übersandten Kopien aus der Lohnbuchhaltung offensichtlich entweder gar nie geprüft oder billigend durch Wegsehen hingenommen worden sind. Die Klägerin hat nach Angaben der W jeden Monat von der Firma A. Kopien aus der Lohnbuchhaltung erhalten. Eine einfache Prüfung wäre daher möglich gewesen und hätte nach dem Frühjahr 2005 erfolgen müssen. Dieses Organisationsverschulden mindestens im Sinne eines bewussten Wegsehens des R indiziert den im Sinne des § 25 Abs 1 Satz 2 SGB IV erforderlichen Vorsatz (BSG 17.04.2008, B 13 R 123/07 R, BSGE 100, 215, SozR 4-2400 § 25 Nr 2). Es genügt nicht, angesichts der Sachlage des Frühjahrs 2005, dass seitens der Klägerin vorgetragen wird, man könne sich die Falschmeldung des F nicht erklären und man habe ja gar nichts gemacht, sondern die W habe gehandelt.
Die Kenntnis des R von der Beitragspflicht und die mindestens bedingt vorsätzliche falsche Meldung des F durch die mangelnde Organisation des R wird der Klägerin zugerechnet (vgl BSG 01.07.2010, B 13 R 67/09 R, SozR 4-2400 § 24 Nr 5).
Auch die Festsetzung der Säumniszuschläge ist zu Recht erfolgt.
Nach § 24 Abs. 2 SGB IV ist, wenn eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt wird, ein darauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Der unverschuldeten Unkenntnis von der Zahlungspflicht steht nach Auffassung des 13. Senats des BSG sowohl fahrlässiges wie auch vorsätzliches Verhalten im Sinne von § 276 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) entgegen (BSG 01.07.2010, B 13 R 67/09 R, SozR 4-2400 § 24 Nr 5). Der 12. Senat des BSG hat demgegenüber ausgeführt, für die Frage, ob unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht vorgelegen hat, sei in Ermangelung anderer Maßstäbe auf diejenigen zurückzugreifen, die das BSG für die Beurteilung des Vorsatzes im Sinne des § 25 Abs 1 Satz 2 SGB IV entwickelt hat (BSG 26.01.2005, B 12 KR 3/04 R, SozR 4-2400 § 14 Nr 7), so dass Fahrlässigkeit nicht ausreichen würde. Welcher Auffassung zu folgen ist, kann hier dahingestellt bleiben, da bei der Klägerin ohnehin jedenfalls bedingter Vorsatz vorgelegen hat, wie oben aufgezeigt wurde.
Die Berechnung der Nachforderung und der Säumniszuschläge ist zutreffend erfolgt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm §§ 1 Abs 2 Nr 3, 47 Abs 1 und 2, 52 Abs 3 Satz 1, 63 Abs 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Nr 1 und 2 SGG).
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