L 3 AS 4153/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 12 AS 749/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 4153/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 06. August 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Übernahme der Kosten für den Wiedererwerb einer Fahrerlaubnis streitig.

Der am 29.07.1971 geborene Kläger war zuletzt als Helfer im Bereich Feinmechanik, Werkzeugbau vom 11.09.2000 bis 31.05.2002 versicherungspflichtig beschäftigt. Vom 03.03.2005 bis 02.12.2005 absolvierte er eine Weiterbildungsmaßnahme beim Internationalen Bund in Bruchsal. Er bezieht laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Der Kläger wohnt in K. Ortsteil R., einer Gemeinde im ländlichen Umkreis der Stadt Bruchsal.

Mit Schreiben vom 18.07.2012 stellte er beim Beklagten den Antrag auf Kostenübernahme seines Führerscheins ("MPU und was dazu gehört"). Hierbei teilte er mit, er sei gerade dabei, seinen Führerschein zu machen. Bei einer Vorsprache am 18.07.2012 teilte der Kläger mit, er mache gerade die MPU (Medizinisch-Psychologische Untersuchung).

Am 30.11.2012 stellte der Kläger den schriftlichen Antrag auf Übernahme der Kosten für den Wiedererwerb der Fahrerlaubnis.

In einer internen Stellungnahme des Beklagten vom 06.12.2012 wird ausgeführt, der Kläger habe jahrelang im elterlichen Betrieb als (ungelernter) Feinmechaniker im Werkzeugbau mitgearbeitet, gesundheitliche Einschränkungen lägen bei ihm nicht vor. Ein Stellensuchlauf ergebe immer wieder Stellen z.B. in der Produktion oder als Helfer im Bereich Metallbau, welche nicht zwingend einen Führerschein voraussetzten. Die Verkehrsanbindung von Karlsdorf aus sei vernünftig.

Mit Bescheid vom 06.12.2012 lehnte der Beklagte den Antrag ab mit der Begründung, die Voraussetzungen für eine Förderung von Leistungen zum Erwerb einer Fahrerlaubnis nach § 33 Abs. 8 Nr. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 3 Kraftfahrzeug-Hilfeverordnung (KfzHV) lägen nicht vor. Für eine berufliche Integration sei ein Führerschein nicht zwingend erforderlich. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers, zu dessen Begründung vorgetragen wurde, wegen der schlechten Verkehrsverbindung von R. nach Bruchsal benötige er einen Führerschein, welchen er wegen Alkohol am Steuer vor Jahren verloren habe, um eine Arbeitsstelle erreichen zu können, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.01.2013 zurück.

Mit Bescheid vom 12.03.2013 ersetzte der Beklagte den Bescheid vom 06.12.2012 und lehnte wiederum den Antrag auf Übernahme der Kosten einer Fahrerlaubnis ab. Zur Begründung führte er aus, die Kostenübernahme für eine Fahrerlaubnis stelle eine Förderung aus dem Vermittlungsbudget nach § 44 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) dar. Zur Eingliederung in Arbeit könne das Jobcenter Leistungen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung nach dem Zweiten Abschnitt des dritten Kapitels des SGB III erbringen (§ 16 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II). Bei diesen Leistungen handele es sich sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach um Ermessensleistungen. Voraussetzung für eine Ermessensentscheidung sei jedoch zunächst das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der einschlägigen Normen (hier: § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II in Verbindung mit § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Der Kläger gehöre zwar zum berechtigten Personenkreis, eine Förderung könne jedoch nur erfolgen, wenn diese der Anbahnung oder Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung diene oder zur beruflichen Eingliederung notwendig sei. Notwendig sei die Maßnahme nur dann, wenn ohne die Leistung Vermittlungschancen in angemessener oder absehbarer Zeit nicht bestünden. Es gebe eine Vielzahl von Arbeitsstellen, die der Kläger mit dem öffentlichen Nahverkehr erreichen könne und die den Besitz einer Fahrerlaubnis nicht voraussetzten. Der Kläger habe auch keinen Nachweis über die Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses vorgelegt, für das eine Fahrerlaubnis zwingende Einstellungsvoraussetzung sei.

Bereits am 27.02.2013 hatte der Kläger Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, aufgrund der schlechten öffentlichen Verkehrsanbindungen seines Wohnorts sei er mit einer Fahrerlaubnis flexibler und damit deutlich leichter vermittelbar.

Mit Urteil vom 06.08.2013, auf das Bezug genommen wird, hat das SG die Klage abgewiesen.

Gegen das am 15.08.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am Montag, den 16.09.2013, Berufung eingelegt. Er trägt unter Bezugnahme auf den Vortrag im Klageverfahren vor, der Beklagte unterbreite ihm Vermittlungsvorschläge für Arbeitsstellen, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht erreichbar seien. Nach seiner Auffassung liege auch insoweit ein Ermessensmissbrauch vor, als einerseits der Beklagte Flexibilität von ihm verlange, ihm andererseits Arbeitsstellen angeboten würden, die nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar seien. Der Kläger hat hierzu einen Vermittlungsvorschlag vom 30.07.2013 für einen Arbeitsplatz in Bruchsal im Wechsel Frühschicht (5:30 Uhr bis 14:30 Uhr) und Spätschicht (14:30 Uhr bis 23:30 Uhr) vorgelegt. Er hat weiter einen Auszug der Busverbindungen zwischen Bruchsal und K. vorgelegt und hierzu vorgetragen, ausweislich der öffentlichen Busverbindungen könne er etliche Jobangebote gar nicht annehmen, weil die meisten Firmen in der Umgebung bereits um 5:30 Uhr Schichtbeginn hätten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 06. August 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 06. Dezember 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Januar 2013, diese in der Fassung des ersetzenden Bescheides vom 12. März 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für den Erwerb einer Fahrerlaubnis zu übernehmen, hilfsweise, den Antrag auf Übernahme der Kosten für den Erwerb einer Fahrerlaubnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hat unter Vorlage eines vollständigen Planes der Busverbindungen zwischen Bruchsal und K. vorgetragen, der vom Kläger übersandte Fahrplan sei unvollständig und lasse gerade den Teil, auf dem die frühen und späten Fahrgelegenheiten ausgewiesen seien, aus. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass der Einsatzort nur ca. drei Kilometer vom Wohnort des Klägers entfernt sei und alternativ auch mit dem Fahrrad erreicht werden könne. Beigefügt war eine Stellungnahme des persönlichen Ansprechpartners des Klägers vom 08.01.2014, auf die Bezug genommen wird.

Der Kläger hat hierzu vorgetragen, tatsächlich betrage der Weg von seiner Wohnung beispielsweise in die Vichystraße (Firma John Deere bzw. Deutsche Post) 5,6 km einfach. Mit Schriftsatz vom 09.04.2014 hat er vorgetragen, jedenfalls im Zeitpunkt der Einreichung der Klage sei der erste Bus von seinem Wohnort erst um 05:17 Uhr abgefahren. Zu berücksichtigen sei, dass auch Zeit benötigt werde, um von der Bushaltestelle in Bruchsal aus den Arbeitsplatz zu erreichen. Zudem sei offen, wie lange die jetzige Frühbusverbindung existiere.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Die Beteiligten sind hierzu gehört worden.

Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Maßgeblich ist der Bescheid vom 12.03.2013, welcher den Bescheid vom 06.12.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.01.2013 ersetzt hat und gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden ist. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für den Erwerb einer Fahrerlaubnis und auch keinen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 16 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II. Danach kann die Agentur für Arbeit Leistungen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung nach dem zweiten Abschnitt des dritten Kapitels des SGB III erbringen. Die Kostenübernahme für den Erwerb einer Fahrerlaubnis stellt danach eine Förderung aus dem Vermittlungsbudget nach § 44 SGB III dar. Nach § 44 Abs. 1 SGB III können Ausbildungsuchende, von Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitsuchende und Arbeitslose aus dem Vermittlungsbudget der Agentur für Arbeit bei der Anbahnung oder Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gefördert werden, wenn dies für die berufliche Eingliederung notwendig ist. Sie sollen insbesondere bei der Erreichung der in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Eingliederungsziele unterstützt werden. Die Förderung umfasst die Übernahme der angemessenen Kosten, soweit der Arbeitgeber gleichartige Leistungen nicht oder voraussichtlich nicht erbringen wird. Nach § 44 Abs. 3 SGB III entscheidet die Agentur für Arbeit über den Umfang der zu erbringenden Leistungen; sie kann Pauschalen festlegen.

Für die begehrte Förderung fehlt es bereits am Tatbestandsmerkmal der Notwendigkeit, so dass eine Ermessensentscheidung - die Gewährung von Leistungen nach § 44 Abs. 1 SGB III stehen im Ermessen der Behörde - nicht zu treffen war (BSG, Urteil v. 04.03.2009 - B 11 AL 50/07 R - juris Rn. 12; Urteil v. 27.01.2009 - B 7/7a AL 26/07 R - juris Rn. 12).

Der Kläger gehört als erwerbsfähiger Leistungsberechtigter (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II) zwar zum berechtigten Personenkreis.

Zu Recht hat der Beklagte und mit ihm das SG darauf abgestellt, dass für den Kläger der Besitz einer Fahrerlaubnis nicht zwingend erforderlich zur Aufnahme bzw. Suche einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit ist, der Kläger vielmehr auch von seinem Wohnsitz aus mit Hilfe des öffentlichen Nahverkehrs den Weg zu einem potentiellen Arbeitsplatz zurücklegen kann. Eine Notwendigkeit in dem Sinne, dass die begehrte Leistung die einzige Möglichkeit der Förderung der Arbeitsaufnahme darstellt, besteht nicht (vgl. hierzu BSG, Urteil v. 04.03.2009 - B 11 AL 50/07 R - juris Rn. 15).

Tätigkeiten in Normalschicht sind vom Wohnsitz des Klägers mit öffentlichen Verkehrsmitteln sowohl in Richtung Bruchsal als auch in Richtung Karlsruhe halbstündlich erreichbar. Allein schon deshalb hat der Beklagte die Gewährung der Förderung rechtmäßig abgelehnt.

Mit öffentlichen Verkehrsmitteln sind auch die dem Kläger unterbreiteten Arbeitsplätze als Lagerhelfer bzw. Helfer in der Lagerwirtschaft bei der Deutschen Post AG in Bruchsal erreichbar. Bei den Vermittlungsvorschlägen für die Firma Alpha Consult KG handelt es sich um Tätigkeiten in Wechselschicht, bei denen die Frühschicht um 5:30 Uhr beginnt und die Spätschicht um 22:30 Uhr endet. Der erste Bus vom Wohnsitz des Klägers hält Wochentags um 5:02 Uhr in Bruchsal Linkenheimer Weg, um 5:04 Uhr in Bruchsal SEW, um 5:05 Uhr in Bruchsal E.-Blickle-Straße, um 5:07 Uhr in Bruchsal/Brücke/JKG und um 5:10 Uhr am Bahnhof Bruchsal. Die Haltestelle Linkenheimer Weg ist die dem Industriegebiet Bruchsal nächstgelegene Haltestelle. Damit ist ein Arbeitsbeginn um 5:30 Uhr möglich. Der letzte Bus aus Bruchsal in Richtung Wohnsitz des Klägers fährt ab am Bahnhof Bruchsal um 23.48 Uhr, von Bruchsal/JKG um 23.50 Uhr von Bruchsal E.-Blicklestraße um 23.53 Uhr, von Bruchsal/SEW um 23.54 Uhr, von Bruchsal/Industriestraße/L 558 um 23.55 Uhr, von Bruchsal Linkenheimer Weg um 23.56 Uhr, von Bruchsal/Flugplatz um 23.57 Uhr und von Bruchsal Kendelweg um 23.58 Uhr. Damit kann auch bei Spätschicht der Heimweg mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt werden. Dahingestellt bleiben kann, ob die jetzt bestehende Frühbusverbindung bereits im Zeitpunkt des Vermittlungsvorschlags des Beklagten existiert hat. Denn bei einer allein in Betracht kommenden Ermessensentscheidung wären die jedenfalls jetzt vorhandenen Busverbindungen zu berücksichtigen.

Unbeachtlich ist, das sich der Kläger auf Stellen als Außendienstmitarbeiter beworben hat, zu deren Ausübung der Besitz eines Führerscheins erforderlich ist. Zum einen handelt es sich hierbei nicht um einen Vermittlungsvorschlag des Beklagten, der Kläger hat sich vielmehr eigeninitiativ beworben. Zum anderen hat der Beklagte zutreffend darauf abgestellt, dass es im zumutbaren Pendelbereich des Klägers eine Vielzahl von Stellen im Helferbereich gibt, die einen Führerschein nicht zwingend voraussetzen und dieser auch zum Erreichen der Arbeitsstätte nicht zwingend erforderlich ist.

Die Berufung des Klägers war deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved