L 7 AS 731/12

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 AS 969/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 731/12
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Kostenentscheidung zu einer Klage eines Erben gegen eine Erbenhaftung nach § 35 SGB II richtet sich nach § 197a SGG.
Ein Miterbe kann als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden. Miterben sind Gesamtschuldner nach § 2058 BGB, der Erbersatzanspruch ist eine Nachlassverbindlichkeit nach § 1967 Abs. 2 BGB.
Für eine Privilegierung nach § 35 Abs. 2 Nr. 1 SGB II wegen Pflege des Verstorbenen muss eine nicht nur vorübergehende Pflege erfolgt sein.
Bei der Frage, ob eine Inanspruchnahme gemäß § 35 Abs. 2 Nr. 2 SGB II eine besondere Härte bedeuten würde, iist auf die Sach und Rechtslage zur Zeit der letzten Behördenentscheidung abzustellen.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 4. September 2012 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Klage- und des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Die Klägerin wendet sich dagegen, dass sie vom Beklagten als Erbin ihres verstorbenen Ehemanns gemäß § 35 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) Leistungen ersetzen soll.

Die 1966 geborene Klägerin bezog ab 01.01.2005 zusammen mit ihrem Ehemann und zunächst mit den beiden gemeinsamen Kindern Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld vom Beklagten. Der 1965 geborene Ehemann bezog auch einen Zuschlag nach § 24 SGB II a.F. bis 19.09.2005 in Höhe von monatlich 380,- Euro, danach in Höhe von 190,- Euro.

Erwerbseinkommen der Klägerin für eine Teilzeittätigkeit und Kindergeld wurden auf den Leistungsanspruch angerechnet. Holz für die Heizung wurde gesondert bewilligt.

Die Familie bewohnte zusammen mit der Schwiegermutter der Klägerin ein Eigenheim. Das Haus von insgesamt 115 qm Wohnfläche auf 361 qm Grund stand im je hälftigen Miteigentum des Ehepaars. Die Familie wohnte im Erdgeschoss auf 71 qm, die Schwiegermutter auf 44 qm im Obergeschoss. Die Schwiegermutter habe ein Wohnrecht - dieses sei nicht notariell beurkundet oder schriftlich vereinbart. Das Haus wurde im Jahr 1987 für insgesamt 90.000,- DM erworben. Im Jahr 2005 wurde der Dachstuhl für einen Betrag von ca. 15.000,- Euro erneuert.

Der Ehemann verfügte über eine Kapitallebensversicherung mit einer Versicherungssumme von zunächst 26.600,- Euro.

Ab November 2005 bis März 2006 hatte der Ehemann eine Vollzeitbeschäftigung. Ab Dezember 2005 erfolgte kein Leistungsbezug mehr.

Im März 2006 wurde ein neuer Leistungsantrag gestellt. Der Ehemann bezog ab April 2006 Krankengeld. Als Vermögen wurden dabei unter anderem angegeben
- ein Sparbuch des Ehemanns über 1.726,- Euro,
- die Kapitallebensversicherung (Versicherungssumme nunmehr 27.887,- Euro),
- ein Bausparvertrag des Ehepaars über 1.742,- Euro und
- zwei Pkw (Pkw Subaru des Ehemanns mit Schätzwert von 6.900,- Euro).

Mit Bescheid vom 23.05.2006 wurden ab 01.06.2006 wieder Leistungen gewährt von monatlich rund 620,- Euro.

Am 26.05.2006 verstarb der Ehemann der Klägerin. Die Klägerin erhielt als Begünstigte die Lebensversicherung ausgezahlt.

Daraufhin wurde die Bewilligung mit Änderungsbescheid vom 14.06.2006 ab 01.06.2006 wegen Wegfall des Bedarfs des Ehemanns unter Anrechung des Erwerbseinkommens der Klägerin auf monatlich 143,31 Euro herabgesetzt. Die Klägerin wurde zugleich aufgefordert mitzuteilen, ob sie die Lebensversicherung erhalten habe und welche Rente sie beziehe. Die Klägerin verweigerte diese Auskünfte und zahlte 143,31 Euro zurück.

Nach Ermittlungen des Beklagten erhielt die Klägerin eine Witwenrente von monatlich netto 1.188,70 Euro, ab 01.09.2006 von monatlich 653,78 Euro. Daraufhin wurde mit Bescheid vom 19.07.2006 die Bewilligung aufgehoben und mit weiterem Bescheid vom 19.07.2006 der Leistungsantrag vom März 2006 wegen Einkommen abgelehnt

Die Klägerin bezog seitdem keine Leistungen nach SGB II oder SGB XII.

Nach dem vom Amtsgericht übermittelten Nachlassverzeichnis umfasste der Nachlass des Ehemanns ein Bankguthaben von 3.559,59 Euro, sonstige Gegenstände 6.000,- Euro und den hälftigen Anteil am Hausgrundstück mit 78.537,- Euro. Abzüglich Beerdigungskosten von 3.539,16 Euro ergab sich ein Reinnachlass von 88.619,- Euro.

Laut Erbschein wurde der Verstorbene zur Hälfte von der Klägerin und zu je einem Viertel von seinen beiden Kindern beerbt.

Der Beklagte berechnete die dem Ehemann ausgezahlten Leistungen ohne den Zuschlag nach § 24 SGB II a.F. und hörte die Klägerin zur Erbenhaftung über 2.011,66 Euro an. Hierzu äußerte sich die Bevollmächtigte der Klägerin.

Mit Bescheid vom 03.09.2008 forderte der Beklagte Kostenersatz in Höhe von 2.011,66 Euro von der Klägerin als Erbin ihres Ehegatten. Der Nachlass habe 86.919,- Euro betragen. Ausschlussgründe nach § 35 Abs. 2 SGB II (Nachlasswert unter 15.500,- Euro bei nicht nur vorübergehender Pflege im Haushalt oder besonderer Härte) lägen nicht vor. Der Zuschlag wurde nicht zurückgefordert.

Die Bevollmächtigte der Klägerin erhob Widerspruch. Der Wert des Hauses sei viel geringer. Ohne Erbe - sprich Haus - würde die Klägerin sozialhilfebedürftig werden. Es handle sich um eine besondere Härte. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 26.11.2008 zurückgewiesen.

Die Bevollmächtigte der Klägerin erhob am 01.12.2008 Klage zum Sozialgericht Regensburg. Das Haus werde weiterhin von der Klägerin bewohnt. Schon nach den Richtlinien der Beklagten sei das Haus beim Nachlasswert nicht zu berücksichtigen. Der Wert des Hauses sei viel geringer gewesen wegen dem Baujahr 1930, dem Wohnrecht der Schwiegermutter und einem Reparaturstau. Außerdem seien die Kosten der Beerdigung, der Voraus nach § 1932 BGB und der Dreißigste nach § 1969 BGB abzuziehen. Ohne Erbe würde die Klägerin sozialhilfebedürftig werden. Die Klägerin habe keine "vollwertige eigene" Altersvorsorge aufbauen können. Es handle sich um eine besondere Härte.

Mit Urteil vom 04.09.2012 wies das Sozialgericht die Klage ab. Die Voraussetzungen des Ersatzanspruches nach § 35 SGB II seien gegeben. Die Klägerin sei gesetzliche Erbin geworden. Sie hafte als Gesamtschuldnerin und könne sich nicht darauf berufen, nur zur Hälfte Erbin geworden zu sein. Der Beklagte habe dem Ehemann von 01.01.2005 bis 30.11.2005 mit 5.044,99 Euro rechtmäßige Leistungen von über 1.700,- Euro erbracht. Der Wert des Nachlasses habe über der Forderung des Beklagten gelegen. Dazu habe gehört: Der hälftige Anteil von zwei Bausparverträgen von 938,38 Euro, der hälftige Anteil von zwei Konten bei der Sparkasse von 1.847,14 Euro und der hälftige Anteil an den beiden Kraftfahrzeugen von 3.000,- Euro.

Unstrittig seien die Beerdigungskosten von 3.539,16 Euro abzuziehen. Nicht abzuziehen sei Schonvermögen nach § 12 SGB II. Das habe mit der Erbenhaftung nichts zu tun. § 35 SGB II habe eigene Schongrenzen. Auch der hälftige Wert des Grundstücks sei zu berücksichtigen. Dieser liege zweifelsohne über 2.011,66 Euro.

Es liege keine besondere Härte vor. Das weitere Bewohnen eines Eigenheims in Miteigentum, das zuvor Schonvermögen gewesen sei, sei sogar der typische Fall des § 35 SGB II, vgl. Urteil des BayLSG vom 23.02.2012, L 8 SO 113/09. Außerdem sei der Ersatzbetrag sehr gering. Die Klägerin habe laufende Einnahmen aus der Witwenrente. Das Haus sei auch kein Schonvermögen - die Klägerin sei überhaupt nicht im Leistungsbezug.

Die Bevollmächtigte der Klägerin hat am 04.10.2012 Berufung eingelegt. Vom Ersatzbetrag von 2.011,66 Euro seien 1.700,- Euro abzuziehen. Das genannte Urteil des BayLSG sei so zu verstehen, dass es darauf ankomme, ob der Vermögensgegenstand vor dem Erbfall Schonvermögen gewesen sei. Die Richtlinie des Beklagten, wonach das gemeinsame Haus nicht zu einem Erbersatzanspruch führe, habe zu einer Selbstbindung der Verwaltung geführt.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 04.09.2012 sowie den Bescheid vom 03.09.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.11.2008 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf die Akten des Beklagten, die Akte des Sozialgerichts und die Akte des Berufungsgerichts verwiesen.



Entscheidungsgründe:


Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Voraussetzungen des Anspruchs des Beklagten auf Erbenersatz nach § 35 SGB II liegen vor, der strittige Bescheid verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

§ 35 Abs. 1 SGB II lautete in der von 2005 bis 31.03.2011 geltenden Fassung: "Der Erbe eines Empfängers von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist zum Ersatz der Leistungen verpflichtet, soweit diese innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Erbfall erbracht worden sind und 1.700,- Euro übersteigen. Die Ersatzpflicht ist auf den Nachlasswert im Zeitpunkt des Erbfalles begrenzt."
Nach § 35 Abs. 2 SGB II ist der Ersatzanspruch nicht geltend zu machen,
"1. soweit der Wert des Nachlasses unter 15.500,- Euro liegt, wenn der Erbe der Partner des Leistungsempfängers war oder mit diesem verwandt war und nicht nur vorübergehend bis zum Tode des Leistungsempfängers mit diesem in häuslicher Gemeinschaft gelebt und ihn gepflegt hat,
2. soweit die Inanspruchnahme des Erben nach der Besonderheit des Einzelfalles eine besondere Härte bedeuten würde."

1. An den Verstorbenen wurden rechtmäßige Leistungen in Höhe von 5.152,99 Euro erbracht.

Der Ehemann hat von Januar bis November 2005 vom Beklagten erhalten 2.011,66 Euro an laufendem Arbeitslosengeld II und 3.033,33 Euro an Zuschlag nach § 24 SGB II a.F. Hinzu kommt kopfanteilig ein Viertel der bewilligten Heizkosten von 432,- Euro, mithin 108,- Euro. Zusammen sind das 5.152,99 Euro.

Auch der Zuschlag ist eine Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts und gemäß § 35 SGB II zu ersetzen (Knickrehm und Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 24 Rn. 4, § 35 Rn. 11).

Als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal kommt hinzu, dass die Leistungen rechtmäßig erbracht wurden (Urteil des BSG vom 23.03.2010, L 8 SO 2/09 R, dort Rn 16; Link in Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 35 Rn. 20)

Das ist hier der Fall. Die Leistungen wurden zu Recht erbracht. Der Ehemann war insbesondere hilfebedürftig, weil das Haus mit 115 qm Wohnfläche Schonvermögen des Ehepaars war, da es im Jahr 2005 von fünf Familienmitgliedern bewohnt wurde.

2. Von den 5.152,99 Euro ist ein Freibetrag von 1.700,- Euro abzuziehen. Es verbleiben 3.452,99 Euro an zu ersetzenden Leistungen. Mit 2.011,66 Euro hat der Beklagte einen deutlich zu geringen Betrag geltend gemacht.

3. Die Klägerin wurde laut Erbschein zur Hälfte Miterbin neben ihren beiden Kindern.

Das BSG (a.a.O., Rn. 14) hat offen gelassen, ob ein Miterbe als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden kann, weil im dortigen Fall zwei Miterben nur anteilig in Anspruch genommen wurden. Wenn die Klägerin nur entsprechend ihrem hälftigen Erbteil in Anspruch genommen werden könnte, wären das nur 1.726,40 Euro (die Hälfte von 3.452,99 Euro).

Die Literatur (Link in Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 35 Rn. 10 mit weiteren Nachweisen) und das BayLSG (Urteil vom 23.02.2012, L 8 SO 113/09, Rn. 45) bejahen zu Recht die Inanspruchnahme eines Miterbens als Gesamtschuldner. Miterben sind Gesamtschuldner (§ 2058 BGB) und der Erbersatzanspruch nach § 35 SGB II ist eine Nachlassverbindlichkeit nach § 1967 Abs. 2 BGB.

In der Literatur (Link a.a.O., Rn. 10) wird eine Einschränkung befürwortet: Wenn ein Miterbe sich auf einen Haftungsausschluss nach § 35 Abs. 2 SGB II berufen kann, könnten die übrigen Erben nur zum verbleibenden Erbteil in Anspruch genommen werden. Sonst würde der erbeninterne Ausgleich zwischen den Gesamtschuldnern das Privileg nach § 35 SGB II unterlaufen. Allerdings tragen nach § 426 Abs. 1 Satz 2 BGB die Gesamtschuldner das Ausfallrisiko für die ausfallenden Gesamtschuldner und bleiben dem Schuldner voll verpflichtet. Wenn der Erbteil des in Anspruch genommenen Miterben für den Ersatz nach § 35 SGB II ohnehin ausreicht, gibt es keinen Grund für dessen mittelbare Privilegierung. Er haftet dann ohne sich auf den Haftungsausschluss des Miterben berufen zu können (so zu Recht Link a.a.O.).

Im vorliegenden Fall spricht nichts gegen eine vollständige Inanspruchnahme der Klägerin:

Der Erbteil der Klägerin (Viertel des gesamten Grundstücks, Hälfte der Sparguthaben und Bausparguthaben des Ehemanns, Hälfte der beiden Autos) liegt weit über 2.011,66 Euro.

Es spricht auch nichts dafür, dass die 1987 und 1989 geborenen Kinder nach § 35 Abs. 2 SGB II privilegiert wären. Der Sohn war schon selbst erwerbstätig, die Tochter absolvierte eine Ausbildung zur Hauswirtschafterin. Die Kinder haben je auch ein Viertel des Barvermögens des Verstorbenen und ein Achtel des Hausgrundstücks geerbt. Sie haften anteilig mit nur je 863,25 Euro.

4. Der Nachlasswert bestimmt gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB II a.F. den Haftungsumfang. Er richtet sich nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Das Aktivvermögen ist um die Nachlassverbindlichkeiten zu bereinigen.

Das Aktivvermögen bestand laut Nachlassverzeichnis aus einem Bankguthaben von 3.559,59 Euro, sonstigen Gegenständen (Kunst, Schmuck, Kfz, etc.) mit einem Wert von ca. 6.000,- Euro, dem hälftiger Wert des Hauses mit 4.061,- Euro und dem hälftigen Anteil des Grundstücks mit 78.537,- Euro. Das Haus machte also nur einen kleinen Bruchteil des Wertes des Hausgrundstücks aus.

Es ist kein Grund ersichtlich, einen geringeren Wert für den Nachlass anzusetzen als das Nachlassgericht. Der weit überwiegende Wertanteil bezieht sich auf den reinen Grundstückswert. Die Renovierung mit einem neuen Dach für 15.000,- Euro im Jahr 2005 wurde offenbar fälschlich beim Haus nicht Wert erhöhend berücksichtigt. Der angebliche Reparaturstau ist angesichts des geringen Wertansatzes nicht relevant.

Eine Wertminderung der Grundstückshälfte wegen einem Wohnrecht der Schwiegermutter ist nicht erkennbar. Es gibt keinen schriftlichen oder gar notariellen Vertrag zu einem Wohnrecht. Das nicht nachgewiesene persönliche Versprechen, dass die Schwiegermutter im Obergeschoss des Hauses wohnen dürfe, würde i. Ü. das Hausgrundstück nicht wesentlich entwerten.

Die Frage, ob ein Grundstück zu berücksichtigen ist, obwohl es zuvor Schonvermögen war, ist nicht für dessen Wert, sondern allenfalls für eine besondere Härte relevant.

Die Beerdigungskosten als Abzugsposten waren 3.539,16 Euro. Dies ergibt einen Reinnachlass von 88.619,- Euro.

Der Dreißigste nach § 1969 BGB ist bedeutungslos. Er beläuft sich auf 30 Tage Unterhalt für Familienangehörige, die vom Erblasser Unterhalt bezogen haben. Verpflichtet ist der Erbe. Damit fällt hier Schuldner und Gläubiger des Anspruchs zusammen. Im Übrigen wäre der Anspruch in Natura zu gewähren. Weil das Haus weiter genutzt wurde und der Sohn eigenes bedarfsdeckendes Einkommen hatte, ginge es nur um sonstigen Bedarf von Klägerin und Tochter von wenigen hundert Euro.

Das Grundstück bzw. dessen Wert sind im Übrigen nicht einmal entscheidungsrelevant. Bankguthaben und sonstige Werte des Verstorbenen ergeben 9.559,59 Euro, abzüglich 3.539,16 Euro Beerdigungskosten bleiben 6.020,43 Euro. Davon die Hälfte sind 3.010,21 Euro, also noch weit mehr als die 2.011,66 Euro.

Ein Abzug von 1.700,- Euro ist nur von den gewährten Leistungen vorzunehmen, nicht vom Nachlass.

5. Eine Privilegierung nach § 35 Abs. 2 Nr. 1 SGB II besteht nicht, weil der Erbteil der Klägerin über 15.500,- Euro liegt. Außerdem hat die Klägerin den Kläger nicht längerfristig gepflegt. Die nicht nur vorübergehende Pflege ist eine weitere selbständige Voraussetzung (Luik a.a.O., § 35 Rn. 31). Der Ehemann bezog erst ab 01.04.2006 Krankengeld und verstarb am 26.05.2006.

6. Es liegt auch keine besondere Härte nach § 35 Abs. 2 Nr. 2 SGB II vor.

Die Inanspruchnahme des Erben in Höhe von 2.011,66 Euro müsste nach den Besonderheiten des Einzelfalls eine besondere Härte sein. Maßgeblich ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, da es sich um eine reine Anfechtungsklage handelt. (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., § 54 Rn. 33). Es handelt sich nicht um eine Ermessensentscheidung. Richtlinien des Beklagten sind nicht relevant.

Eine besondere Härte ist schon deswegen ausgeschlossen, weil die Klägerin neben dem Erbe aus der Lebensversicherung über 27.000,- Euro erhielt.

Ein Härtefall ist unabhängig davon ausgeschlossen, weil die Klägerin die Forderung bereits mit dem ererbten Bankguthaben weitestgehend abdecken konnte.

Die Alterssicherung der Klägerin ist ausreichend. Sie stand seit 2006 nicht mehr im Leistungsbezug. Außerdem wird die Alterssicherung durch die Zahlung von 2.011,66 Euro nicht fühlbar beeinträchtigt. Daneben verfügte die Klägerin über die Auszahlung der Kapitallebensversicherung und drei Viertel eines schuldenfreien Hauses.

7. Die Frist von drei Jahren nach dem Tod des Ehegatten (26.05.2006) gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 SGB II ist mit Bescheid vom 03.09.2008 ohne Weiteres eingehalten. Die gegenüber den Kindern unterlassene Geltendmachung ändert für die Klägerin nichts.

8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Klägerin wird als Erbin nach § 35 SGB II in Anspruch genommen. Sie ist am Prozess nicht gemäß § 183 Satz 1 SGG als Leistungsempfängerin oder als Sonderrechtsnachfolgerin gemäß § 56 SGB I beteiligt.

Der Kostentenor des Sozialgerichts wurde klarstellend berichtigt.

9. Die Revision wurde nicht zugelassen, weil keine Gründe nach § 160 Abs. 2 SGG ersichtlich sind.
Rechtskraft
Aus
Saved