L 18 AS 826/14 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 51 AS 219/14 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 826/14 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 3. März 2014 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet. Ein Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers, sich im Rahmen eines Verfahrens auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gegen das eine Maßnahme zur beruflichen Eingliederung schwerbehinderter Menschen für die Zeit vom 3. Februar 2014 bis 2. Mai 2014 verlautbarende "Angebot" vom 14. Januar 2014 zu wehren, besteht nicht. Dabei kann dahinstehen, ob vorläufiger Rechtsschutz auf der Grundlage von § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG vorliegend schon mangels einer Verwaltungsaktqualität des Angebotes vom 14. Januar 2014 ausscheidet (vgl zum Angebot einer Trainingsmaßnahme BSG, Urteil vom 19. Januar 2005 – B 11a/11 AL 39/04 R = SozR 4-1300 § 63 Nr 2 mwN).

Dem Antragsteller ist es zuzumuten, einen möglichen Absenkungs- bzw. Sanktionsbescheid nach §§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 31a Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) abzuwarten, gegen den er dann ggf nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG iVm § 39 Abs. 1 Nr. 1 erste Alternative SGB II einstweiligen gerichtlichen Rechtschutz erhalten kann. Die Wahrnehmung der Maßnahme zur beruflichen Eingliederung schwerbehinderter Menschen stellt keine mit den Mitteln der Verwaltungsvollstreckung erzwingbare Pflicht, sondern eine reine Obliegenheit des Antragstellers als Leistungsberechtigtem dar (vgl auch § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB II). Der Antragsgegner kann daher den Antragsteller ebenso wenig verpflichten, an einer Eingliederungsmaßnahme tatsächlich teilzunehmen, wie er ihn verpflichten kann, eine Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder ein Angebot einer Trainingsmaßnahme anzunehmen (vgl dazu BSG aaO; BSG, Beschluss vom 21. Oktober 2003 - B 7 AL 82/03 R – juris). Deshalb kann der Antragsgegner dem Antragsteller die Maßnahme nur anbieten. Wenn der Antragsteller dieses Angebot nicht annimmt, muss der Antragsgegner später ggf in einem gesonderten Verwaltungsverfahren prüfen, ob er aufgrund einer möglichen Obliegenheitsverletzung Sanktionen über §§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 31a SGB II verhängt. Dies bedeutet gleichzeitig, dass sich ein Leistungsberechtigter grundsätzlich gerichtlich nicht bereits gegen das Angebot ("Zuweisung") einer Eingliederungsmaßnahme oder Arbeitsangelegenheit wehren kann, sondern erst einen ggf darauf aufbauenden Absenkungs- oder Sanktionsbescheid abwarten muss, bevor er gerichtlichen (Eil-) Rechtsschutz wirksam einfordern kann.

Nach diesen Grundsätzen fehlt dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen das Angebot vom 14. Januar 2014 bereits das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Tatsächlich hat sich der Antragsteller erkennbar bereits gegen das bloße Angebot gewandt, an einer Eingliederungsmaßnahme teilzunehmen. Dieses bloße Angebot kann den Antragsteller aber nicht im Rechtssinne belasten. Auch wenn hier ein Antrag nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG iVm § 39 Abs. 1 Nr. 1 letzte Alternative SGB II statthaft wäre, hätte dieser Antrag indes keinen Erfolg. Er hätte auf der Grundlage einer Abwägungsentscheidung beurteilt werden müssen (vgl Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 86b Rn 12e ff). Abzuwägen wären das private Interesse des Antragstellers vom Vollzug des Verwaltungsaktes bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens verschont zu bleiben, mit dem öffentlichen Interesse an der Vollziehung der behördlichen Entscheidung. Im Rahmen dieser Interessenabwägung käme zwar den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache eine große Bedeutung zu. Maßgebend wäre allerdings auch hier, dass für einen vorbeugenden Rechtsschutz ein qualifiziertes Rechtsschutzinteresse zumindest glaubhaft (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG iVm §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung) gemacht werden muss. Dieses hat ua zur Voraussetzung, dass der Betroffene nicht auf nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden kann (vgl Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer aaO, Rn 17 vor § 51 und § 54 Rn 42a).

Daran fehlt es auch hier: Der Antragsteller wendet sich gegen den "Vollzug" der Pflichten aus dem "Angebot" vom 14. Januar 2014. Er will im Ergebnis nur wissen, ob er den dort aufgeführten Obliegenheiten Folge leisten muss oder bei Missachtung der Pflichten Sanktionen nach §§ 31 ff SGB II riskiert. Weil die Sanktionen in dem strittigen Bescheid nicht festgelegt, sondern in der Rechtsfolgenbelehrung allenfalls in Aussicht gestellt sind, begehrt der Antragsteller hier letztlich lediglich vorbeugenden Rechtsschutz. Der Antragsteller hat nicht einmal im Ansatz geltend gemacht, einstweiligen Rechtsschutz zu begehren, um eine gegenwärtige Notlage zu vermeiden. Eine derartige Situation besteht nach Aktenlage auch nicht. Der Antragsteller kann den Pflichten nachkommen oder, sofern er - wie hier - den Pflichten nicht nachkommen will oder kann, Rechtsschutz gegen die dann grundsätzlich möglichen Sanktionen suchen. Einstweiliger Rechtsschutz hat regelmäßig nicht die Aufgabe, vorab Rechtsfragen zu beantworten, die mit einer gegenwärtigen Notlage nichts zu tun haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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