Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 513/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 1859/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21.03.2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Befristung der Rente wegen Erwerbsminderung bis zum 30.04.2011.
Der am 25.11.1983 geborene Kläger war zuletzt von 2006 bis 2008 als Staplerfahrer und Produktionshelfer versicherungspflichtig beschäftigt. Aufgrund eines Unfalls, bei dem er ein Polytrauma erlitt, war er ab dem 21.08.2008 arbeitsunfähig krank. Die Berufsgenossenschaft anerkannte das Ereignis nicht als Arbeitsunfall. Die hiergegen eingelegten Rechtsmittel waren erfolglos (Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe (SG) vom 25.02.2010, S 4 U 2233/09; Urteil des Landessozialgerichts (LSG) vom 17.11.2011, L 10 U 1421/10).
Am 08.03.2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Der Ärztliche Dienst der Beklagten wertete die Entlassungsberichte stationärer Krankenhausbehandlungen und Rehabilitationsmaßnahmen aus und hielt Rücksprache mit der neurologischen Klinik in A., in der sich der Kläger zuletzt vom 08.02.2010 bis 11.03.2010 zur Rehabilitation befand. Im Entlassungsbericht werden diagnostisch neurokognitive Defizite im Bereich des Arbeitsgedächtnisses sowie des verbalen und nonverbalen Langzeitgedächtnisses, anhaltende psychophysische Belastbarkeitsminderung, Spannungskopfschmerzen, Z.n. Commotio cerebri im Rahmen des Polytraumas vom 21.08.2008, Z.n. Polytrauma vom 21.08.2008 mit Leberruptur, Thoraxtrauma beidseits mit Rippenserienfraktur beidseits, Z.n. Lungenkontusion mit Hämatopneumothorax beidseits genannt. Im Leistungsbild werden eine deutliche körperliche und konzentrative Belastbarkeitsminderung und neurokognitive Defizite im Bereich des Langzeitgedächtnisses hervorgehoben und wird von einem quantitativen Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von drei bis unter sechs Stunden ausgegangen. Dieser Einschätzung schloss sich der Ärztliche Dienst an; eine Besserung sei nicht unwahrscheinlich (Stellungnahme vom 07.04.2010). Leistungen zur Teilhabe etwa in Form von Trainingsmaßnahmen in einer Werkstatt für Behinderte seien zu befürworten; eine erneute Leistungsbeurteilung solle im April 2011 erfolgen (Stellungnahme vom 19.04.2010).
Mit Bescheid vom 23.04.2010 gewährte die Beklagte dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 01.03.2009 bis 30.04.2011 in Höhe von monatlich 683,95 EUR. Zur Begründung der Befristung wurde angegeben, der Rentenanspruch sei zeitlich begrenzt, weil die volle Erwerbsminderung auch auf den Verhältnissen des Arbeitsmarktes beruhe.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 05.05.2010 ohne nähere Begründung Widerspruch ein. Im Widerspruchsverfahren übersandte der Prozessbevollmächtigte des Klägers "zur weiteren Bearbeitung" einen Gesprächsvermerk, wonach der Kläger im Jahr 2002 Sozialhilfe bezogen habe. In der Folge führte er darüber hinaus aus, da eine Rente der Berufsgenossenschaft nicht gezahlt werde, sei nunmehr der Nachzahlungsbetrag freizugeben.
Am 08.12.2010 beantragte der Kläger die Weitergewährung der Erwerbsminderungsrente. Die Beklagte zog daraufhin Befundberichte bei. Nach einer Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes der Beklagten wurde der Antrag mit Bescheid vom 05.01.2011 mit der Begründung abgelehnt, eine rentenberechtigende Leistungsminderung bestehe nicht mehr.
Hiergegen legte der Kläger am 17.01.2011 Widerspruch ein. Die Beklagte zog weitere Befundberichte bei und ließ den Kläger nervenfachärztlich begutachten. Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. E. gelangte in ihrem Gutachten vom 11.10.2011 zum Ergebnis, beim Kläger bestünden eine psycho-physische Belastbarkeitsminderung bei Z.n.Commotio cerebri im Rahmen eines Polytraumas am 21.08.2008, eine Neurasthenie, ein Z.n. Polytrauma mit Leberruptur, Thoraxtrauma beidseits mit Rippenserienfraktur beidseits sowie Sternum- und Claviculafraktur links, ein Hämatopneumothorax beidseits und ein retroperetonales Hämatom. Der Kläger könne leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Arbeitshaltung – ohne schweres Heben, Tragen und Bewegen von Lasten, Zwangshaltungen, Tätigkeiten mit erhöhter Unfallgefahr, Ersteigen von Leitern und Gerüsten sowie besondere Anforderung an das Konzentrationsvermögen – sechs Stunden und mehr arbeitstäglich verrichten. Bei der Untersuchung seien die Sensibilitätsangaben bei fraglicher Kooperation nicht verwertbar gewesen. Die beklagten belastungsabhängigen thorakalen und abdominalen Schmerzen sowie die belastungsabhängige Lumbago bedürften keiner analgetischen Therapie und führten im Freizeitverhalten auch nicht zu Einschränkungen, jedoch zu einer Einschränkung des Hebens von Gewichten bei beruflicher Tätigkeit. Nach kritischer Konsistenzprüfung der beklagten Vergesslichkeit, Müdigkeit und Defiziten des Kurzzeitgedächtnisses habe sich eine interne Inkonsistenz ergeben. Während der ca. dreistündigen Untersuchung mit Anamneseerhebung, psychometrischer Testung, neurologischer, neurophysiologischer und körperlicher Untersuchung habe sich kein Hinweis auf eine psycho-physische Erschöpfung gezeigt. Auch die Verlaufsbeobachtungen der einzelnen Blöcke der spezifischen d2-R-Testergebnisse hätten keine Interpretation einer Erschöpfung im Sinne einer Ermüdungserscheinung zugelassen. Insgesamt bestehe eine Diskrepanz zwischen den vorgetragenen Beschwerden und den fassbaren Befunden. Hinsichtlich des Ausmaßes der psychophysischen Belastbarkeitsminderung liege eine Verdeutlichungstendenz vor.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.01.2012 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 05.01.2011 zurück. Unter Berücksichtigung aller Gesundheitsstörungen und den sich daraus ergebenden funktionellen Einschränkungen bei der Ausübung von Erwerbstätigkeiten seien nach Auffassung des Ärztlichen Dienstes keine Auswirkungen ersichtlich, die das Leistungsvermögen des Klägers für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zeitlich einschränkten.
Mit Widerspruchsbescheid ebenfalls vom 18.01.2012 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 23.04.2010 zurück. Aus dem Akteninhalt ergebe sich, dass die Nachzahlung bereits abgerechnet worden sei. Ein Nachzahlungsbetrag stehe daher nicht mehr zur Verfügung.
Am 07.02.2012 erhob der Kläger gegen beide Widerspruchsbescheide beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage.
Im Verfahren S 5 R 512/12 gegen den Bescheid vom 05.01.2011 hat das SG die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Dr. S., Allgemeinmediziner, hat am 25.04.2012 ausgesagt, seit Oktober 2010 habe ihn der Kläger nur noch am 20.12.2010 aufgesucht und über die bekannten multiplen Schmerzen, die ihm nach seinen Angaben Arbeiten unmöglich machten, geklagt. Eine weitere Behandlung habe nicht stattgefunden. Dr. J., Allgemeinmedizinerin, hat am 15.05.2012 ausgesagt, seit Oktober 2010 habe sich der Kläger nur einmal am 02.08.2011 vorgestellt mit der Bitte, anhand der von ihm vorgelegten Unterlagen ein Attest zu erstellen. Hierzu hat sie ihren Befundbericht vom 22.08.2011 vorgelegt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 26. Juni 2012 hat der Kläger, der eine weitere Klagebegründung nicht abgegeben hat, die Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens, hilfsweise nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beantragt. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 26.06.2012 abgewiesen. Die - näher dargelegten - Voraussetzungen für die Weitergewährung der begehrten Rente seien nicht erfüllt, da der Kläger wieder in der Lage sei, körperlich leichte Arbeiten mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Dies ergebe sich aus dem Gutachten von Dr. E ... Auch aus den Aussagen der gehörten Zeugen ergäben sich keine weitergehenden Einschränkungen. Angesichts dessen seien weitere Ermittlungen nicht angezeigt. Der Antrag, ein Gutachten nach § 109 SGG einzuholen, werde wegen Verspätung abgelehnt. Hiergegen hat der Kläger am 05.07.2012 Berufung eingelegt (L 13 R 3085/12) und im Rahmen der Begründung einen erneuten Antrag nach § 109 SGG gestellt. Das LSG forderte den Kläger unter Fristsetzung bis 30.11.2012 (verlängert bis 15.12.2012) auf, den Kostenvorschuss einzubezahlen und eine Kostenverpflichtungserklärung vorzulegen. Nach fruchtlosem Verstreichen der Frist und Anhörung hat das LSG die Berufung am 22.02.2013 durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG zurückgewiesen.
Im Verfahren S 5 R 513/12 hat der Kläger geltend gemacht, die Voraussetzungen für die Gewährung der Rente wegen Erwerbsminderung lägen über den 30.04.2011 hinaus vor. Er sei aufgrund seiner körperlichen Beeinträchtigungen nicht in der Lage, am Erwerbsleben teilzunehmen. Es sei ein Sachverständigengutachten einzuholen. Auf Nachfrage des Gerichts hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers klargestellt, dass sich der Kläger nur gegen die Befristung der Rente wende, nicht auch gegen die Höhe der Rentenzahlung.
Mit Beschluss vom 29.06.2012 hat das SG das Verfahren im Hinblick auf das Verfahren S 5 R 512/12 zum Ruhen gebracht. Am 23.10.2012 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers das Verfahren wieder angerufen.
Mit Gerichtsbescheid vom 21.03.2013 (dem Prozessbevollmächtigen des Klägers am 26.03.2013 zugestellt) hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Befristung der Rente bis zum 30.04.2011 sei rechtlich nicht zu beanstanden. Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit würden auf Zeit geleistet. Die Befristung erfolge für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn. Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage bestehe, würden unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich sei, das die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden könne (§ 102 Abs. 2 Satz 1, 2 und 5 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI)). "Unwahrscheinlich" sei die Behebung der Erwerbsminderung nur dann, wenn der Versicherte alle Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft habe und im Hinblick auf den bisherigen Verlauf keine Möglichkeit einer Besserung mehr bestehe. Maßgeblich für die Prognose seien grundsätzlich die Verhältnisse im Zeitpunkt der Erteilung des Rentenbescheids (unter Verweis auf BSGE 96, 147 und Schmidt in jurisPK-SGB VI § 102 Rn. 7). Schließe sich indes ein Vorverfahren an, sei auf die Verhältnisse bei Erlass des Widerspruchsbescheids abzustellen (unter Verweis auf Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 54 Rn. 34a). Im vorliegenden Fall sei bei Erlass des Widerspruchsbescheids vom 18.01.2012 die Behebung der vollen Erwerbsminderung zum 01.05.2011 nicht unwahrscheinlich gewesen. Vielmehr habe festgestanden, dass der Kläger ab dem 01.05.2011 nicht mehr erwerbsgemindert gewesen sei. Der Antrag auf Weiterbewilligung sei mit Bescheid vom 05.01.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.01.2012 abgelehnt worden. Wegen der Einzelheiten werde auf das Urteil in der Sache S 5 R 512/12 und den Beschluss des LSG vom 22.02.2013 (L 13 R 3085/12) verwiesen.
Hiergegen hat der Kläger am 26.04.2013 beim LSG Berufung eingelegt und zur Begründung vortragen lassen, aus der Leidensgeschichte der Klägers resultiere auch eine erhebliche psychische Komponente. Sowohl die frühkindliche Schädigung des Klägers mit Dauercharakter als auch die Überlagerung der körperlichen und geistigen Minderleistungsfähigkeit durch die psychische Komponente, das Trauma und die daraus sich ergebenden psychischen dauerhaften Leistungseinschränkungen seien bislang noch nicht berücksichtigt worden. Auch aus diesem Grund sei der geltend gemachte Anspruch berechtigt. Es sei davon auszugehen, dass die Befristung der Rente zu Unrecht erfolgt sei. Mit Schriftsatz vom 28.11.2013 hat der Kläger ergänzend vortragen lassen, wegen zwischenzeitlich erneut und zusätzlich aufgetretener Atembeschwerden finde eine Untersuchung bei Dr. B. (Internist) statt.
Der Kläger beantragt (sachdienlich ausgelegt),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21.03.2013 und den Bescheid der Beklagten vom 23.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.01.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm über den 30.04.2011 hinaus Erwerbsminderungsrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung hat die Beklagte u.a. auf die rechtskräftige Entscheidung des LSG im Verfahren L 13 R 3085/12 verwiesen.
Das LSG hat mit Schreiben an die Beteiligten vom 12.02.2014 darauf hingewiesen, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg haben dürfte und angefragt, ob Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 153 Abs. 1, § 124 Abs. 2 SGG besteht. Mit Schriftsatz vom 02.04.2014 hat der Prozessbevollmächtigte beantragt, Dr. B. als sachverständigen Zeugen zu befragen, hilfsweise als Sachverständigen nach § 109 SGG zu beauftragen. Das LSG hat daraufhin nochmals angefragt, ob Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung besteht. Der Prozessbevollmächtigte hat daraufhin sein Einverständnis mit Schriftsatz vom 08.04.2014 erklärt. Die Beklagte hatte bereits mit Schriftsatz vom 20.02.2014 mitgeteilt, dass sie mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden ist.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte sowie statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 23.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.01.2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Befristung der gewährten Erwerbsminderungsrente ist nicht zu beanstanden.
Streitgegenständlich ist der Bescheid der Beklagten vom 23.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.01.2012, mit dem die Beklagte eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.03.2009 bis 30.04.2011 gewährte. Dieser Verwaltungsakt enthält u.a. die gesondert anfechtbare Verfügung, dass die Rente befristet gewährt wird. Meistbegünstigend ist der Vortrag des Klägers im Widerspruchsverfahren dahingehend auszulegen, dass er eine umfassende Prüfung des Bescheides begehrte. Im Klageverfahren beschränkte er dann sein Begehren auf die Überprüfung der Befristung. Vorliegend ist damit allein über die Rechtmäßigkeit der Befristung der Erwerbsminderungsrente zu entscheiden. Der Bescheid vom 05.01.2011, mit dem die Beklagte über den Weitergewährungsantrag entschieden hat, ist dagegen nicht Gegenstand des Verfahrens, da insoweit gesondert Klage erhoben wurde und über die Rechtmäßigkeit dieses Bescheides bereits rechtskräftig entschieden worden ist.
Gemäß § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI werden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Zeit geleistet. Die Befristung erfolgt für längstens drei Jahre (§ 102 Abs. 2 S. 2 SGB VI). Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, werden unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Erwerbsminderung behoben werden kann; hiervon ist nach einer Gesamtdauer der Befristung von neun Jahren auszugehen (§ 102 Abs. 2 S. 5 SGB VI).
Unter Anwendung dieser Rechtsgrundlage scheidet eine unbefristete Erwerbsminderungsrente vorliegend schon deshalb aus, weil ein Anspruch nicht unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage bestand. Der Ärztliche Dienst der Beklagten hatte in Übereinstimmung mit den Ärzten der neurologischen Klinik in Allensbach ein Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden täglich angenommen. Damit lag lediglich eine teilweise Erwerbsminderung vor (§ 43 Abs. 1 S. 2 SGB VI). Nach der vom BSG entwickelten Rechtsprechung zur "konkreten Betrachtungsweise" ist von einem verschlossenen Teilzeitarbeitsmarkt auszugehen, wenn der Versicherte nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich arbeiten kann und arbeitslos ist bzw. keine Tätigkeit ausübt (BSGE 43, 75 f). In einem solchen Fall ist dann – wie vorliegend – wegen verschlossenen Arbeitsmarkts eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren. Anhaltspunkte dafür, dass das Leistungsvermögen entgegen des Ärztlichen Dienstes bei unter drei Stunden lag, liegen nicht vor. Gegen die Art der zugesprochenen Rente wendet sich der Kläger auch nicht.
Aber auch bei Annahme eines Anspruchs auf Erwerbsminderungsrente unabhängig von der Arbeitsmarktlage, ist die Befristung der gewährten Rente vorliegend nicht zu beanstanden. "Unwahrscheinlich" i.S.v. § 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI ist dahingehend zu verstehen, dass schwerwiegende medizinische Gründe gegen eine – rentenrechtlich relevante – Besserungsaussicht sprechen müssen, so dass ein Dauerzustand vorliegt. Von solchen Gründen kann jedoch erst dann ausgegangen werden, wenn alle Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind und auch hiernach ein aufgehobenes Leistungsvermögen besteht. Unwahrscheinlichkeit i.S.v. § 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI ist dann anzunehmen, wenn aus ärztlicher Sicht bei Betrachtung des bisherigen Verlaufs nach medizinischen Erkenntnissen – auch unter Berücksichtigung noch vorhandener therapeutischer Möglichkeiten – eine Besserung nicht anzunehmen ist, durch welche sich eine rentenrechtlich relevante Steigerung der Leistungsfähigkeit des Versicherten ergeben würde. Rein vom Wortsinn kann es allerdings nicht darauf ankommen, ob eine solche Besserung "auszuschließen" ist. Erheblich ist allein, dass alle therapeutischen Möglichkeiten in Betracht gezogen werden müssen, um ein qualitatives oder quantitatives Leistungshindernis zu beheben (im Ganzen: BSG Urt. v. 29.03.2006 – B 13 RJ 31/05 R, BSGE 96, 147 m.w.N.). Bei der Beurteilung der Prognoseentscheidung maßgeblich ist der Zeitpunkt der Bescheiderteilung; nach diesem Zeitpunkt eingetretene Umstände wie insbesondere eine spätere Behebung der Erwerbsminderung darf von den Gerichten nicht berücksichtigen werden (BSG Urt. v. 17.02.1982 – 1 RJ 102/80, BSGE 53, 100).
Unter Anlegung dieser Maßstäbe war im Zeitpunkt der Bescheiderteilung prognostisch nicht davon auszugehen, dass die Erwerbsminderung dauerhaft vorliegen würde. Den zur Rentengewährung führenden kognitiven Beeinträchtigungen lag ein Unfallgeschehen zugrunde. Bis zu diesem Zeitpunkt nahm der Kläger am Arbeitsleben teil. Der Ärztliche Dienst sah in nachvollziehbarer Weise Besserungsaussichten und empfahl Trainingsmaßnahmen in einer Werkstatt für Behinderte. Die Leistungsbeurteilung sollte nach der Einschätzung des Ärztlichen Dienstes im April 2011 überprüft werden. Dementsprechend befristete die Beklagte die gewährte Rente bis Ende April 2011. Auch im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids am 18.01.2012 ergab sich kein, von der ursprünglichen Prognose abweichendes Leistungsbild. Es stand vielmehr fest, dass der Kläger ab dem 01.05.2011 nicht mehr erwerbsgemindert war. Die Beklagte hatte den Weitergewährungsantrag mit Bescheid vom 05.01.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.01.2012 abgelehnt. Dieser Bescheid ist mittlerweile bestandskräftig. Weitere Ermittlungen von Amts wegen waren daher nicht erforderlich.
Dem im Schriftsatz vom 02.04.2014 hilfsweise gestellten Antrag auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG war nicht zu entsprechen. Zum einen ist der jetzige Gesundheitszustand des Klägers, der Gegenstand dieses Gutachtens sein sollte, nicht beweiserheblich. Für die Frage der Rechtmäßigkeit der Befristung kommt es allein auf den Zeitpunkt der Bescheiderteilung an. Zum anderen hat der Kläger an seinem Antrag nicht bis zuletzt festgehalten. Er hat sich vielmehr mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt, obwohl aufgrund der Anfrage erkennbar war, dass das Gericht seinem vordringlichen Anliegen, weitere Ermittlungen von Amts wegen einzuleiten, nicht entsprach.
Die Berufung des Klägers konnte deshalb keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Befristung der Rente wegen Erwerbsminderung bis zum 30.04.2011.
Der am 25.11.1983 geborene Kläger war zuletzt von 2006 bis 2008 als Staplerfahrer und Produktionshelfer versicherungspflichtig beschäftigt. Aufgrund eines Unfalls, bei dem er ein Polytrauma erlitt, war er ab dem 21.08.2008 arbeitsunfähig krank. Die Berufsgenossenschaft anerkannte das Ereignis nicht als Arbeitsunfall. Die hiergegen eingelegten Rechtsmittel waren erfolglos (Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe (SG) vom 25.02.2010, S 4 U 2233/09; Urteil des Landessozialgerichts (LSG) vom 17.11.2011, L 10 U 1421/10).
Am 08.03.2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Der Ärztliche Dienst der Beklagten wertete die Entlassungsberichte stationärer Krankenhausbehandlungen und Rehabilitationsmaßnahmen aus und hielt Rücksprache mit der neurologischen Klinik in A., in der sich der Kläger zuletzt vom 08.02.2010 bis 11.03.2010 zur Rehabilitation befand. Im Entlassungsbericht werden diagnostisch neurokognitive Defizite im Bereich des Arbeitsgedächtnisses sowie des verbalen und nonverbalen Langzeitgedächtnisses, anhaltende psychophysische Belastbarkeitsminderung, Spannungskopfschmerzen, Z.n. Commotio cerebri im Rahmen des Polytraumas vom 21.08.2008, Z.n. Polytrauma vom 21.08.2008 mit Leberruptur, Thoraxtrauma beidseits mit Rippenserienfraktur beidseits, Z.n. Lungenkontusion mit Hämatopneumothorax beidseits genannt. Im Leistungsbild werden eine deutliche körperliche und konzentrative Belastbarkeitsminderung und neurokognitive Defizite im Bereich des Langzeitgedächtnisses hervorgehoben und wird von einem quantitativen Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von drei bis unter sechs Stunden ausgegangen. Dieser Einschätzung schloss sich der Ärztliche Dienst an; eine Besserung sei nicht unwahrscheinlich (Stellungnahme vom 07.04.2010). Leistungen zur Teilhabe etwa in Form von Trainingsmaßnahmen in einer Werkstatt für Behinderte seien zu befürworten; eine erneute Leistungsbeurteilung solle im April 2011 erfolgen (Stellungnahme vom 19.04.2010).
Mit Bescheid vom 23.04.2010 gewährte die Beklagte dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 01.03.2009 bis 30.04.2011 in Höhe von monatlich 683,95 EUR. Zur Begründung der Befristung wurde angegeben, der Rentenanspruch sei zeitlich begrenzt, weil die volle Erwerbsminderung auch auf den Verhältnissen des Arbeitsmarktes beruhe.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 05.05.2010 ohne nähere Begründung Widerspruch ein. Im Widerspruchsverfahren übersandte der Prozessbevollmächtigte des Klägers "zur weiteren Bearbeitung" einen Gesprächsvermerk, wonach der Kläger im Jahr 2002 Sozialhilfe bezogen habe. In der Folge führte er darüber hinaus aus, da eine Rente der Berufsgenossenschaft nicht gezahlt werde, sei nunmehr der Nachzahlungsbetrag freizugeben.
Am 08.12.2010 beantragte der Kläger die Weitergewährung der Erwerbsminderungsrente. Die Beklagte zog daraufhin Befundberichte bei. Nach einer Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes der Beklagten wurde der Antrag mit Bescheid vom 05.01.2011 mit der Begründung abgelehnt, eine rentenberechtigende Leistungsminderung bestehe nicht mehr.
Hiergegen legte der Kläger am 17.01.2011 Widerspruch ein. Die Beklagte zog weitere Befundberichte bei und ließ den Kläger nervenfachärztlich begutachten. Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. E. gelangte in ihrem Gutachten vom 11.10.2011 zum Ergebnis, beim Kläger bestünden eine psycho-physische Belastbarkeitsminderung bei Z.n.Commotio cerebri im Rahmen eines Polytraumas am 21.08.2008, eine Neurasthenie, ein Z.n. Polytrauma mit Leberruptur, Thoraxtrauma beidseits mit Rippenserienfraktur beidseits sowie Sternum- und Claviculafraktur links, ein Hämatopneumothorax beidseits und ein retroperetonales Hämatom. Der Kläger könne leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Arbeitshaltung – ohne schweres Heben, Tragen und Bewegen von Lasten, Zwangshaltungen, Tätigkeiten mit erhöhter Unfallgefahr, Ersteigen von Leitern und Gerüsten sowie besondere Anforderung an das Konzentrationsvermögen – sechs Stunden und mehr arbeitstäglich verrichten. Bei der Untersuchung seien die Sensibilitätsangaben bei fraglicher Kooperation nicht verwertbar gewesen. Die beklagten belastungsabhängigen thorakalen und abdominalen Schmerzen sowie die belastungsabhängige Lumbago bedürften keiner analgetischen Therapie und führten im Freizeitverhalten auch nicht zu Einschränkungen, jedoch zu einer Einschränkung des Hebens von Gewichten bei beruflicher Tätigkeit. Nach kritischer Konsistenzprüfung der beklagten Vergesslichkeit, Müdigkeit und Defiziten des Kurzzeitgedächtnisses habe sich eine interne Inkonsistenz ergeben. Während der ca. dreistündigen Untersuchung mit Anamneseerhebung, psychometrischer Testung, neurologischer, neurophysiologischer und körperlicher Untersuchung habe sich kein Hinweis auf eine psycho-physische Erschöpfung gezeigt. Auch die Verlaufsbeobachtungen der einzelnen Blöcke der spezifischen d2-R-Testergebnisse hätten keine Interpretation einer Erschöpfung im Sinne einer Ermüdungserscheinung zugelassen. Insgesamt bestehe eine Diskrepanz zwischen den vorgetragenen Beschwerden und den fassbaren Befunden. Hinsichtlich des Ausmaßes der psychophysischen Belastbarkeitsminderung liege eine Verdeutlichungstendenz vor.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.01.2012 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 05.01.2011 zurück. Unter Berücksichtigung aller Gesundheitsstörungen und den sich daraus ergebenden funktionellen Einschränkungen bei der Ausübung von Erwerbstätigkeiten seien nach Auffassung des Ärztlichen Dienstes keine Auswirkungen ersichtlich, die das Leistungsvermögen des Klägers für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zeitlich einschränkten.
Mit Widerspruchsbescheid ebenfalls vom 18.01.2012 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 23.04.2010 zurück. Aus dem Akteninhalt ergebe sich, dass die Nachzahlung bereits abgerechnet worden sei. Ein Nachzahlungsbetrag stehe daher nicht mehr zur Verfügung.
Am 07.02.2012 erhob der Kläger gegen beide Widerspruchsbescheide beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage.
Im Verfahren S 5 R 512/12 gegen den Bescheid vom 05.01.2011 hat das SG die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Dr. S., Allgemeinmediziner, hat am 25.04.2012 ausgesagt, seit Oktober 2010 habe ihn der Kläger nur noch am 20.12.2010 aufgesucht und über die bekannten multiplen Schmerzen, die ihm nach seinen Angaben Arbeiten unmöglich machten, geklagt. Eine weitere Behandlung habe nicht stattgefunden. Dr. J., Allgemeinmedizinerin, hat am 15.05.2012 ausgesagt, seit Oktober 2010 habe sich der Kläger nur einmal am 02.08.2011 vorgestellt mit der Bitte, anhand der von ihm vorgelegten Unterlagen ein Attest zu erstellen. Hierzu hat sie ihren Befundbericht vom 22.08.2011 vorgelegt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 26. Juni 2012 hat der Kläger, der eine weitere Klagebegründung nicht abgegeben hat, die Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens, hilfsweise nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beantragt. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 26.06.2012 abgewiesen. Die - näher dargelegten - Voraussetzungen für die Weitergewährung der begehrten Rente seien nicht erfüllt, da der Kläger wieder in der Lage sei, körperlich leichte Arbeiten mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Dies ergebe sich aus dem Gutachten von Dr. E ... Auch aus den Aussagen der gehörten Zeugen ergäben sich keine weitergehenden Einschränkungen. Angesichts dessen seien weitere Ermittlungen nicht angezeigt. Der Antrag, ein Gutachten nach § 109 SGG einzuholen, werde wegen Verspätung abgelehnt. Hiergegen hat der Kläger am 05.07.2012 Berufung eingelegt (L 13 R 3085/12) und im Rahmen der Begründung einen erneuten Antrag nach § 109 SGG gestellt. Das LSG forderte den Kläger unter Fristsetzung bis 30.11.2012 (verlängert bis 15.12.2012) auf, den Kostenvorschuss einzubezahlen und eine Kostenverpflichtungserklärung vorzulegen. Nach fruchtlosem Verstreichen der Frist und Anhörung hat das LSG die Berufung am 22.02.2013 durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG zurückgewiesen.
Im Verfahren S 5 R 513/12 hat der Kläger geltend gemacht, die Voraussetzungen für die Gewährung der Rente wegen Erwerbsminderung lägen über den 30.04.2011 hinaus vor. Er sei aufgrund seiner körperlichen Beeinträchtigungen nicht in der Lage, am Erwerbsleben teilzunehmen. Es sei ein Sachverständigengutachten einzuholen. Auf Nachfrage des Gerichts hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers klargestellt, dass sich der Kläger nur gegen die Befristung der Rente wende, nicht auch gegen die Höhe der Rentenzahlung.
Mit Beschluss vom 29.06.2012 hat das SG das Verfahren im Hinblick auf das Verfahren S 5 R 512/12 zum Ruhen gebracht. Am 23.10.2012 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers das Verfahren wieder angerufen.
Mit Gerichtsbescheid vom 21.03.2013 (dem Prozessbevollmächtigen des Klägers am 26.03.2013 zugestellt) hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Befristung der Rente bis zum 30.04.2011 sei rechtlich nicht zu beanstanden. Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit würden auf Zeit geleistet. Die Befristung erfolge für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn. Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage bestehe, würden unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich sei, das die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden könne (§ 102 Abs. 2 Satz 1, 2 und 5 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI)). "Unwahrscheinlich" sei die Behebung der Erwerbsminderung nur dann, wenn der Versicherte alle Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft habe und im Hinblick auf den bisherigen Verlauf keine Möglichkeit einer Besserung mehr bestehe. Maßgeblich für die Prognose seien grundsätzlich die Verhältnisse im Zeitpunkt der Erteilung des Rentenbescheids (unter Verweis auf BSGE 96, 147 und Schmidt in jurisPK-SGB VI § 102 Rn. 7). Schließe sich indes ein Vorverfahren an, sei auf die Verhältnisse bei Erlass des Widerspruchsbescheids abzustellen (unter Verweis auf Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 54 Rn. 34a). Im vorliegenden Fall sei bei Erlass des Widerspruchsbescheids vom 18.01.2012 die Behebung der vollen Erwerbsminderung zum 01.05.2011 nicht unwahrscheinlich gewesen. Vielmehr habe festgestanden, dass der Kläger ab dem 01.05.2011 nicht mehr erwerbsgemindert gewesen sei. Der Antrag auf Weiterbewilligung sei mit Bescheid vom 05.01.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.01.2012 abgelehnt worden. Wegen der Einzelheiten werde auf das Urteil in der Sache S 5 R 512/12 und den Beschluss des LSG vom 22.02.2013 (L 13 R 3085/12) verwiesen.
Hiergegen hat der Kläger am 26.04.2013 beim LSG Berufung eingelegt und zur Begründung vortragen lassen, aus der Leidensgeschichte der Klägers resultiere auch eine erhebliche psychische Komponente. Sowohl die frühkindliche Schädigung des Klägers mit Dauercharakter als auch die Überlagerung der körperlichen und geistigen Minderleistungsfähigkeit durch die psychische Komponente, das Trauma und die daraus sich ergebenden psychischen dauerhaften Leistungseinschränkungen seien bislang noch nicht berücksichtigt worden. Auch aus diesem Grund sei der geltend gemachte Anspruch berechtigt. Es sei davon auszugehen, dass die Befristung der Rente zu Unrecht erfolgt sei. Mit Schriftsatz vom 28.11.2013 hat der Kläger ergänzend vortragen lassen, wegen zwischenzeitlich erneut und zusätzlich aufgetretener Atembeschwerden finde eine Untersuchung bei Dr. B. (Internist) statt.
Der Kläger beantragt (sachdienlich ausgelegt),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21.03.2013 und den Bescheid der Beklagten vom 23.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.01.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm über den 30.04.2011 hinaus Erwerbsminderungsrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung hat die Beklagte u.a. auf die rechtskräftige Entscheidung des LSG im Verfahren L 13 R 3085/12 verwiesen.
Das LSG hat mit Schreiben an die Beteiligten vom 12.02.2014 darauf hingewiesen, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg haben dürfte und angefragt, ob Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 153 Abs. 1, § 124 Abs. 2 SGG besteht. Mit Schriftsatz vom 02.04.2014 hat der Prozessbevollmächtigte beantragt, Dr. B. als sachverständigen Zeugen zu befragen, hilfsweise als Sachverständigen nach § 109 SGG zu beauftragen. Das LSG hat daraufhin nochmals angefragt, ob Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung besteht. Der Prozessbevollmächtigte hat daraufhin sein Einverständnis mit Schriftsatz vom 08.04.2014 erklärt. Die Beklagte hatte bereits mit Schriftsatz vom 20.02.2014 mitgeteilt, dass sie mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden ist.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte sowie statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 23.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.01.2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Befristung der gewährten Erwerbsminderungsrente ist nicht zu beanstanden.
Streitgegenständlich ist der Bescheid der Beklagten vom 23.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.01.2012, mit dem die Beklagte eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.03.2009 bis 30.04.2011 gewährte. Dieser Verwaltungsakt enthält u.a. die gesondert anfechtbare Verfügung, dass die Rente befristet gewährt wird. Meistbegünstigend ist der Vortrag des Klägers im Widerspruchsverfahren dahingehend auszulegen, dass er eine umfassende Prüfung des Bescheides begehrte. Im Klageverfahren beschränkte er dann sein Begehren auf die Überprüfung der Befristung. Vorliegend ist damit allein über die Rechtmäßigkeit der Befristung der Erwerbsminderungsrente zu entscheiden. Der Bescheid vom 05.01.2011, mit dem die Beklagte über den Weitergewährungsantrag entschieden hat, ist dagegen nicht Gegenstand des Verfahrens, da insoweit gesondert Klage erhoben wurde und über die Rechtmäßigkeit dieses Bescheides bereits rechtskräftig entschieden worden ist.
Gemäß § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI werden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Zeit geleistet. Die Befristung erfolgt für längstens drei Jahre (§ 102 Abs. 2 S. 2 SGB VI). Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, werden unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Erwerbsminderung behoben werden kann; hiervon ist nach einer Gesamtdauer der Befristung von neun Jahren auszugehen (§ 102 Abs. 2 S. 5 SGB VI).
Unter Anwendung dieser Rechtsgrundlage scheidet eine unbefristete Erwerbsminderungsrente vorliegend schon deshalb aus, weil ein Anspruch nicht unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage bestand. Der Ärztliche Dienst der Beklagten hatte in Übereinstimmung mit den Ärzten der neurologischen Klinik in Allensbach ein Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden täglich angenommen. Damit lag lediglich eine teilweise Erwerbsminderung vor (§ 43 Abs. 1 S. 2 SGB VI). Nach der vom BSG entwickelten Rechtsprechung zur "konkreten Betrachtungsweise" ist von einem verschlossenen Teilzeitarbeitsmarkt auszugehen, wenn der Versicherte nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich arbeiten kann und arbeitslos ist bzw. keine Tätigkeit ausübt (BSGE 43, 75 f). In einem solchen Fall ist dann – wie vorliegend – wegen verschlossenen Arbeitsmarkts eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren. Anhaltspunkte dafür, dass das Leistungsvermögen entgegen des Ärztlichen Dienstes bei unter drei Stunden lag, liegen nicht vor. Gegen die Art der zugesprochenen Rente wendet sich der Kläger auch nicht.
Aber auch bei Annahme eines Anspruchs auf Erwerbsminderungsrente unabhängig von der Arbeitsmarktlage, ist die Befristung der gewährten Rente vorliegend nicht zu beanstanden. "Unwahrscheinlich" i.S.v. § 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI ist dahingehend zu verstehen, dass schwerwiegende medizinische Gründe gegen eine – rentenrechtlich relevante – Besserungsaussicht sprechen müssen, so dass ein Dauerzustand vorliegt. Von solchen Gründen kann jedoch erst dann ausgegangen werden, wenn alle Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind und auch hiernach ein aufgehobenes Leistungsvermögen besteht. Unwahrscheinlichkeit i.S.v. § 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI ist dann anzunehmen, wenn aus ärztlicher Sicht bei Betrachtung des bisherigen Verlaufs nach medizinischen Erkenntnissen – auch unter Berücksichtigung noch vorhandener therapeutischer Möglichkeiten – eine Besserung nicht anzunehmen ist, durch welche sich eine rentenrechtlich relevante Steigerung der Leistungsfähigkeit des Versicherten ergeben würde. Rein vom Wortsinn kann es allerdings nicht darauf ankommen, ob eine solche Besserung "auszuschließen" ist. Erheblich ist allein, dass alle therapeutischen Möglichkeiten in Betracht gezogen werden müssen, um ein qualitatives oder quantitatives Leistungshindernis zu beheben (im Ganzen: BSG Urt. v. 29.03.2006 – B 13 RJ 31/05 R, BSGE 96, 147 m.w.N.). Bei der Beurteilung der Prognoseentscheidung maßgeblich ist der Zeitpunkt der Bescheiderteilung; nach diesem Zeitpunkt eingetretene Umstände wie insbesondere eine spätere Behebung der Erwerbsminderung darf von den Gerichten nicht berücksichtigen werden (BSG Urt. v. 17.02.1982 – 1 RJ 102/80, BSGE 53, 100).
Unter Anlegung dieser Maßstäbe war im Zeitpunkt der Bescheiderteilung prognostisch nicht davon auszugehen, dass die Erwerbsminderung dauerhaft vorliegen würde. Den zur Rentengewährung führenden kognitiven Beeinträchtigungen lag ein Unfallgeschehen zugrunde. Bis zu diesem Zeitpunkt nahm der Kläger am Arbeitsleben teil. Der Ärztliche Dienst sah in nachvollziehbarer Weise Besserungsaussichten und empfahl Trainingsmaßnahmen in einer Werkstatt für Behinderte. Die Leistungsbeurteilung sollte nach der Einschätzung des Ärztlichen Dienstes im April 2011 überprüft werden. Dementsprechend befristete die Beklagte die gewährte Rente bis Ende April 2011. Auch im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids am 18.01.2012 ergab sich kein, von der ursprünglichen Prognose abweichendes Leistungsbild. Es stand vielmehr fest, dass der Kläger ab dem 01.05.2011 nicht mehr erwerbsgemindert war. Die Beklagte hatte den Weitergewährungsantrag mit Bescheid vom 05.01.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.01.2012 abgelehnt. Dieser Bescheid ist mittlerweile bestandskräftig. Weitere Ermittlungen von Amts wegen waren daher nicht erforderlich.
Dem im Schriftsatz vom 02.04.2014 hilfsweise gestellten Antrag auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG war nicht zu entsprechen. Zum einen ist der jetzige Gesundheitszustand des Klägers, der Gegenstand dieses Gutachtens sein sollte, nicht beweiserheblich. Für die Frage der Rechtmäßigkeit der Befristung kommt es allein auf den Zeitpunkt der Bescheiderteilung an. Zum anderen hat der Kläger an seinem Antrag nicht bis zuletzt festgehalten. Er hat sich vielmehr mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt, obwohl aufgrund der Anfrage erkennbar war, dass das Gericht seinem vordringlichen Anliegen, weitere Ermittlungen von Amts wegen einzuleiten, nicht entsprach.
Die Berufung des Klägers konnte deshalb keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
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