L 5 R 2907/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 2286/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 2907/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 05.06.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen früheren Beginn der großen Witwenrente.

Die 1967 geborene Klägerin ist Witwe des am 02.01.1911 geborenen und am 10.01.2003 verstorbenen Herrn W. W., mit dem sie am 13.09.2001 die Ehe geschlossen hatte.

Die Klägerin beantragte am 18.02.2003 bei der Beklagten die Hinterbliebenenrente. Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 09.04.2003 die kleine Witwenrente nach § 46 Abs. 1 SGB VI ab dem 01.02.2003 in Höhe von 415,87 EUR monatlich. In dem Bewilligungsbescheid war ausgeführt, ein Anspruch auf große Witwenrente bestehe nicht, weil "Sie - das 45. Lebensjahr nicht vollendet haben, - nicht erwerbsgemindert sind, - zwar vor dem 2. Januar 1961 geboren, aber nicht berufsunfähig sind und es deswegen auf das Vorliegen von Berufsunfähigkeit nicht ankommt - nicht seit dem 31. Dezember 2000 ununterbrochen berufs- oder erwerbsunfähig sind, - kein Kind erziehen, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, - nicht für ein Kind sorgen, das wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung nicht selbst für seinen Unterhalt aufkommen kann."

Am 10.05.2005 brachte die Klägerin die Tochter M. zur Welt, am 03.02.2010 die Tochter L ...

Mit Schreiben vom 22.02.2010 wandte sich die Beklagte an die Klägerin und teilte ihr mit, es liege eine maschinelle Geburtsmitteilung vor. Sie übersandte der Klägerin einen Vordruck zur Beantragung der großen Hinterbliebenenrente, den die Klägerin ausgefüllt am 11.03.2010 zurücksandte. Ihr wurde daraufhin mit Bescheid vom 13.09.2010 ab dem 01.03.2010 die große Witwenrente in Höhe von 1027,07 EUR netto bewilligt.

Am 11.11.2010 wandte sich die Klägerin telefonisch an die Beklagte und wies darauf hin, dass sie bereits vor fünf Jahren ein Kind geboren habe und ihr danach schon früher die große Witwenrente zugestanden habe. Die Beklagte hätte schon früher reagieren müssen, da man als Bürger heute ein gläserner Mensch sei.

Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 10.01.2011 die große Witwenrente ab dem 01.11.2009 mit einem Zahlbetrag in Höhe von 1.023,65 EUR monatlich.

Mit Schreiben vom 28.02.2011, eingegangen bei der Beklagten am 11.03.2011, legte die Klägerin bei der Beklagten Widerspruch ein. Die Beklagte habe sie nach der Geburtsmeldung ihrer am 10.05.2005 geborenen Tochter nicht darüber informiert, dass ein Anspruch auf die große Witwenrente bestehen könnte. Im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs sei ihr die große Witwenrente bereits ab 2005 zu zahlen.

Die Beklagte legte den verspäteten Widerspruch als Überprüfungsantrag gem. § 44 SGB X aus, den sie mit Bescheid vom 28.04.2011 ablehnte. Die Klägerin sei bereits mit Bescheid vom 09.04.2003 darauf hingewiesen worden, dass ein Anspruch auf große Witwenrente nicht bestehe, da sie u.a. keine Kinder erziehe, welche das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten. Ihr habe daher bewusst sein müssen, dass ab der Geburt eines Kindes ggf. ein Anspruch auf große Witwenrente bestehen könne. Sie hätte daher die Beklagte im Mai 2005 über die Geburt ihrer Tochter informieren und einen Antrag auf große Witwenrente stellen müssen. Die maschinelle Übermittlung der Geburt eines Kindes zum Konto, aus dem die Witwenrente gezahlt werde, sei zu dieser Zeit noch nicht erfolgt, so dass die Beklagte keine Kenntnis von der Geburt im Jahr 2005 gehabt habe. Es liege damit nicht im Verantwortungsbereich der Beklagten , dass der Antrag auf große Witwenrente verspätet gestellt worden sei.

Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid am 10.05.2011 - anwaltlich vertreten - Widerspruch ein. Ausweislich der Verwaltungsakte sei die Geburt der ersten Tochter mittels maschinellem Infoschreiben vom 04.07.2005 der Beklagten mitgeteilt worden. Die Beklagte habe daher seit 2005 Kenntnis von der Geburt der Tochter M. gehabt. Dabei sei unschädlich, dass nicht die Klägerin, sondern die Gemeinde diese Mitteilung gemacht habe. Entscheidend sei vielmehr die Kenntnis der Beklagten. Die Beklagte habe die Informationspflicht getroffen, die Klägerin zu weiteren Angaben aufzufordern. Ausweislich der Auflistung in den Verwaltungsdaten sei die Angabe der Beklagten, eine maschinelle Übermittlung zum Konto der Witwenrente sei nicht erfolgt, unrichtig.

Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 04.11.2011 mit, dass der Nachweis über die Geburtsmeldung vom 04.07.2005 aus dem Versicherungskonto der Klägerin stamme. Dieses Versicherungskonto sei jedoch nicht zwingend mit dem Versicherungskonto des verstorbenen Ehemannes gekoppelt, ein automatischer Datenabgleich sei gesetzlich nicht vorgesehen. Gemäß § 99 Abs. 2 SGB VI werde eine Hinterbliebenenrente längstens 12 Monate vor dem Monat der Antragstellung geleistet. Als Antragsdatum sei der 11.11.2010 zugrunde gelegt worden.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10.04.2012 zurück. Die Renten an Hinterbliebene würden vom Beginn des Kalendermonats an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt seien. Sie würden längstens für zwölf Kalendermonate vor dem Monat geleistet, in dem die Rente beantragt werde. Da die Klägerin am 11.11.2010 mitgeteilt habe, dass sie ein weiteres, im Jahr 2005 geborenes Kind erziehe, könne die Rente frühestens am 01.11.2009 beginnen. Die Beklagte sei ihren gesetzlichen Hinweispflichten mit dem Hinweis im Bescheid vom 09.04.2003 nachgekommen. Die Anspruchsvoraussetzungen für die große Witwenrente seien der Klägerin danach bekannt gewesen.

Am 07.05.2012 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Freiburg, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgte. Zur Klagebegründung wiederholte sie im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren und führte ergänzend aus, da die Beklagte ihr mit Bescheid vom 10.01.2011 rückwirkend ab 01.11.2009 die große Witwenrente bewilligt habe, lasse dies den Schluss zu, dass sehr wohl ein Datenabgleich zwischen dem Versicherungskonto der Klägerin und dem der Hinterbliebenenversorgung erfolgt sei. Die Beklagte müsse sich daher so behandeln lassen, als sei die Mitteilung über die Geburt im Jahr 2005 zum Versicherungskonto der Hinterbliebenenversicherung erfolgt.

Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 05.06.2013 ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die große Witwenrente ab Mai 2005. Die Voraussetzungen für eine Rücknahmeentscheidung nach § 44 Abs. 1 SGB X seien nicht gegeben, da der von der Klägerin beanstandete Bescheid vom 28.04.2011 rechtmäßig gewesen sei. Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI habe zwar eine Witwe, die nicht wieder geheiratet habe, nach dem Tode des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente auch dann, wenn sie ein eigenes Kind erziehe, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet habe. Diese Voraussetzungen erfülle die Klägerin für die streitige Zeit. Sie habe den entsprechenden Antrag indes erst am 11.11.2010 gestellt. Gemäß § 99 Abs. 2 Satz 3 SGB VI werde eine Hinterbliebenenrente aber nicht für mehr als zwölf Kalendermonate vor dem Monat, in dem die Rente beantragt worden ist, geleistet. Für die Zeit vor November 2009 sei ein Leistungsanspruch der Klägerin deshalb nicht gegeben. Die Klägerin könne auch nicht im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt werden kann, als hätte sie den Antrag rechtzeitig gestellt. Die Beklagte habe im Zusammenhang mit der Beantragung und Gewährung der kleinen Witwenrente im Jahr 2003 keine Beratungspflicht im Sinne des § 14 SGB I verletzt. Sie habe im Antragsvordruck zum "Antrag auf Hinterbliebenenrente aus der Angestelltenversicherung" erfragt, ob die Klägerin die große Witwenrente beantrage, weil sie ein minderjähriges Kind erziehe oder für ein behindertes Kind sorge. Die Klägerin habe dies - seinerzeit zutreffend - verneint und in dem entsprechenden Feld kein Kreuz gemacht. Die Beklagte habe die Klägerin mit dieser Frage im Zusammenhang mit der Rentenantragstellung ausreichend darauf aufmerksam gemacht, dass im Falle der Erziehung eines minderjährigen Kindes die große Witwenrente in Betracht komme.

Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch resultiere auch nicht aus einer späteren Fehl- oder Nichtinformation der Klägerin. Nach der in § 115 Abs. 6 Satz 1 SGB VI normierten Hinweispflicht hätten die Träger der Rentenversicherung die Berechtigten in geeigneten Fällen darauf hinzuweisen, dass sie eine Leistung erhalten können, wenn sie diese beantragen. Unter "Berechtigte" seien grundsätzlich alle in der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherten und deren Hinterbliebene zu fassen. Mit der gesetzlichen Hinweispflicht habe der Gesetzgeber die Aufklärungs-, Beratungs- und Auskunftspflicht gemäß §§ 13 bis 15 SGB I für einen Teilbereich des Sozialrechts konkretisiert. Die Beschränkung auf "geeignete Fälle" habe dabei ihren Grund darin, dass die Informationspflicht wegen der unzureichenden Unterlagen nicht generell erfüllbar sei (vgl. amtliche Begründung, BT-Drucks. 11/5530 S 78 zu § 116 Abs. 6 und S 108 zu Art 1 § 11, zit. bei BSG Urt. v. 07.07.1998 - B 5 RJ 18/98 R m.w.N.). Mithin komme die Nachholung einer versäumten Antragstellung über § 115 Abs. 6 Satz 1 SGB VI nur in Betracht, wenn die Adressaten derartiger Hinweise - anders als bei § 13 SGB I - bestimmbar seien und die Regelung den Schutz Einzelner bezwecke. Der Gesetzgeber sei von typischen Sachverhalten ausgegangen, in denen eine Hinweispflicht bestehen solle. Sowohl bei der Regelaltersrente als auch bei der Hinterbliebenenrente verfüge der Versicherungsträger in der Regel über alle Daten, die erforderlich seien, um das Vorliegen der Rentenanspruchsvoraussetzungen festzustellen. Bei der Hinterbliebenenrente erfahre der Rentenversicherungsträger in der Regel von den Hinterbliebenen oder von der Krankenkasse vom Ableben des Versicherten. Anders sei dies im Fall der Anspruchsberechtigung auf große Hinterbliebenenrente wegen der Erziehung eines eigenen Kindes, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet habe. Hier liege kein typischer Sachverhalt vor, bei dem eine Hinweispflicht bestehe. Diese Daten seien dem Rentenversicherungsträger regelmäßig nicht bekannt. Ein "geeigneter Fall" iS des § 115 Abs. 6 Satz 1 SGB VI liege mithin im Fall der Klägerin nicht vor. Bei der großen Witwenrente handele es sich um eine Leistung, die von Versicherten nur in bestimmten Situationen und nicht im Regelfall von allen Versicherten in Anspruch genommen werde. Bei den Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung einer großen Witwenrente nach § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI handele es sich nicht um einen solchen typischen Sachverhalt (so bereits zutreffend BSG, a.a.O.; aus neuerer Zeit Fichte, in: Hauck/Haines, SGB VI-Kommentar, Lieferung 3/2010, § 115 Rdnr. 18).

Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 20.06.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17.07.2013 Berufung einlegen lassen. Sie lässt ausführen, das Sozialgericht verkenne, dass die Gründe für das Unterbleiben der Antragstellung im Jahr 2005 einzig und allein bei der Beklagten liegen würden. Diese sei ihrer Beratungspflicht nach § 14 SGB I nicht nachgekommen. Die Frage im Antragsvordruck der Hinterbliebenenrente, ob die Klägerin ein minderjähriges Kind erziehe, reiche dafür nicht aus und ersetze insbesondere nicht den Hinweis darauf, dass ein Anspruch auf große Witwenrente gegeben sei, wenn die Klägerin in späterer Zeit ein Kind, naturgemäß von einem anderen Partner, bekomme. Infolge der fehlenden Beratung durch die Beklagte sei der Klägerin dies nicht bekannt gewesen. Gerade in einer solch untypischen Lebenssituation könne sich die Beklagte nicht auf ihre allgemeinen Hinweise berufen. Hier sei vielmehr ein besonders hoher Maßstab an die Beratung und die Informationspflicht der Beklagten zu stellen. Wenn die Beklagte schon ihrer Beratungspflicht nicht nachgekommen sei, wäre sie jedenfalls zum Datenabgleich zwischen den Versicherungskonten verpflichtet gewesen. Tatsächlich habe sie diesen aber erst im Jahr 2010 vorgenommen, so dass ab diesem Zeitpunkt die große Witwenrente habe gezahlt werden können. Ergänzend weist die Klägerin darauf hin, dass sie jedenfalls im Antrag auf große Witwenrente im Jahr 2010 mitgeteilt habe, dass sie bereits seit 2005 Mutterschaftsgeld beziehe. Daher habe die Beklagte zumindest zu diesem Zeitpunkt Anlass gehabt, die Klägerin auf den daraus resultierenden Anspruch auf große Witwenrente hinzuweisen. Da dies unterblieben sei, habe sie den Antrag erst im November 2010 gestellt, so dass ihr neun Monate verloren gegangen seien.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 05.06.2013 und den Bescheid der Beklagten vom 28.04.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.04.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 10.01.2011 abzuändern und ihr die große Witwenrente ab Mai 2005 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und sieht keine Anhaltspunkte für eine Verletzung ihrer Aufklärungs- und Beratungspflicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch sonst zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Abänderung des Bescheides der Beklagten vom 10.01.2011. Die Beklagte hat die Bewilligung einer großen Witwenrente schon ab dem Monat Mai 2005 zu Recht abgelehnt und die große Witwenrente erst ab November 2009 bewilligt. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf einen früheren Zahlungsbeginn. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch soweit er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen wurde, der sich als unrichtig erweist, und deshalb Soziallleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Der Überprüfungsbescheid der Beklagten vom 28.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.04.2012 ist rechtmäßig, denn die Beklagte hat bei Erlass des Bewilligungsbescheides vom 10.01.2011 das Recht richtig angewandt und ist von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Die Ablehnung der großen Witwenrente für die Zeit vom 01.05.2005 bis zum 31.10.2009 ist zu Recht erfolgt.

Ein Anspruch auf große Witwenrente besteht gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI dann, wenn eine Witwe, die nicht wieder geheiratet hat, nach dem Tode des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten erzieht, welches das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Die Zahlung der Witwenrente ist antragsabhängig und beginnt gemäß § 99 Abs. 2 Satz 3 SGB VI nicht früher als zwölf Kalendermonate vor dem Monat, in dem die Rente beantragt worden ist. Die Klägerin hat den Antrag auf große Witwenrente bezogen auf die Geburt ihres ersten Kindes M., geb. 10.05.2005, am 11.11.2010 gestellt, so dass ihr die große Witwenrente ab dem 01.11.2009 zu zahlen war.

Ein früherer Zahlungsbeginn ergibt sich auch nicht aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Das Sozialgericht hat in seinem Urteil im Anschluss an das Urteil des BSG vom 07.07.1998 (B 5 RJ 18/98 R, in Juris) zutreffend dargelegt, unter welchen Voraussetzungen die Verletzung einer Beratungspflicht durch die Beklagte zu einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch führen kann, und dass diese Voraussetzungen hier nicht vorliegen, da die Hinweispflicht aus § 115 Abs. 6 SGB VI über die Möglichkeit der Beantragung einer Leistung die Beklagte nicht dazu verpflichtet hat, die Klägerin als Bezieherin einer kleinen Witwenrente gesondert auf die Möglichkeit der Beantragung einer großen Witwenrente im Fall der Geburt eines Kindes hinzuweisen. Der Senat teilt die Auffassung des Sozialgerichts und nimmt auf die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

Im Hinblick auf das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren ist ergänzend noch Folgendes auszuführen:

Entgegen der Auffassung der Klägerin war die Beklagte nicht dazu verpflichtet, die Klägerin bei Bewilligung der kleinen Witwenrente im Jahr 2003 ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass ihr bei der Geburt eines Kindes in der Folgezeit ein Anspruch auf große Witwenrente zustehen könnte. Das BSG hat in seinem Urteil vom 07.07.1998 (a.a.O.) ausdrücklich festgestellt, dass es sich bei den Anspruchsvoraussetzungen einer großen Witwenrente nach § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI nicht um einen typischen Sachverhalt handelt, bei dem der Rentenversicherungsträger alle erforderlichen Daten für einen Anspruch kennt. Aufgrund dessen hat das BSG in dem im Jahr 1998 entschiedenen Fall eine Verpflichtung des Rentenversicherungsträgers zur generellen Nachfrage bei den Bezieherinnen kleiner Witwenrenten, ob sie zwischenzeitlich weitere Kinder geboren hätten, verneint. Die Geburt eines Kindes, die den Anspruch auf große Witwenrente begründen kann, stellt ein zum Zeitpunkt der Bewilligung einer kleinen Witwenrente ungewisses Ereignis dar, bei dem es sich aufdrängt, dass die Beklagte nur durch Mitteilung der Berechtigten hiervon Kenntnis erlangen kann. Die Klägerin konnte sowohl aus der Frage im Antragsvordruck der Hinterbliebenenrente nach einem eigenen Kind unter 18 Jahren als auch aus der Begründung des Bewilligungsbescheides vom 09.04.2003, in dem dargelegt war, dass die - im Einzelnen aufgeführten - Voraussetzungen für die Gewährung einer großen Witwenrente nicht erfüllt waren, mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, dass bei Geburt eines Kindes ein Anspruch auf eine große Witwenrente in Betracht kommt. Dass sie ungeachtet dessen davon keine Kenntnis hatte, begründet keine Hinweispflicht der Beklagten und damit auch keinen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Die Beklagte hatte insbesondere keinen konkreten Anlass, die Klägerin auf die Möglichkeit der Beantragung der großen Witwenrente hinzuweisen, anders als etwa in dem vom Sozialgericht Freiburg mit Urteil vom 04.11.2009 (S 19 R 4538/08, in Juris) entschiedenen Fall, in dem die Klägerin nach dem Tod des Versicherten Ehemannes ein Halbwaisenrente für ihre Tochter beantragt hatte und bei dieser Gelegenheit auf die Beantragung auch der Witwenrente hätte hingewiesen werden können und müssen. Einen entsprechenden konkreten Anlass, auf die Möglichkeit zur Beantragung der großen Witwenrente schon ab der Geburt der ersten Tochter als einer klar zu Tage tretenden Gestaltungsmöglichkeit hinzuweisen, hatte sich im vorliegenden Fall zu keinem Zeitpunkt geboten.

Insbesondere bestand auch keine Verpflichtung der Beklagten zu regelmäßigem Datenabgleich zwischen dem Rentenkonto der Klägerin, in dem die Geburt im Jahr 2005 erfasst worden war, und dem Versichertenkonto des verstorbenen Ehemannes. Eine derartige - vorsorgliche - Ermittlungspflicht bestand nach den Ausführungen des BSG im Urteil vom 07.07.1998 (a.a.O.) gerade nicht. Ein Datenabgleich zwischen den Versicherungskonten ist auch erst im Rahmen des Überprüfungsverfahrens durch die Beklagte vorgenommen worden, weshalb sich die Auflistung aus dem Versichertenkonto der Klägerin in der Versichertenakte für die Hinterbliebenenrente befindet (S. 174 der Vw-Akte). Daraus kann deshalb nicht der Schluss gezogen werden, dass eine maschinelle Übermittlung der Geburt im Jahr 2005 auch zum Konto der Hinterbliebenenrente erfolgt ist, wie die Klägerin im Widerspruchsverfahren hat geltend machen lassen.

Wenn die Klägerin im Berufungsverfahren nunmehr auch darauf abstellt, sie habe die Beklagte im Antrag vom 11.03.2010, den sie nach der Geburt der zweiten Tochter gestellt hatte, auf einen Bezug von Mutterschaftsgeld im Jahr 2005 hingewiesen, so dass die Beklagte jedenfalls dies zum Anlass für weitere Nachfragen hätte nehmen müssen, so kann der Senat auch darin keine Verletzung der Hinweis- und Beratungspflicht der Beklagten, die zu einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch und einer Zahlung der großen Witwenrente zumindest ab März 2009 führen könnte, erkennen. Die Angaben zum Bezug vom Mutterschaftsgeld im Jahr 2005 sind in dem entsprechenden Antragsvordruck schon nicht so klar und eindeutig, als dass die Beklagte daraus auf die Geburt eines weiteren Kindes hätte schließen müssen. Denn es sind zu der entsprechenden Frage nach dem Bezug von Mutterschaftsgeld sowohl die Antwort "nein" als auch die Antwort "ja" angekreuzt und lediglich die Jahreszahl 2005 hinzugefügt, allerdings überschrieben mit einem Fragezeichen; neben dem Antwortkreuz in der Rubrik "nein" ist ebenfalls ein Fragezeichen angebracht. Aufgrund einer derartig unklaren Angabe hatte die Beklagte keine Veranlassung zu weiteren Ermittlungen hinsichtlich einer möglichen früheren Geburt eines weiteren Kindes. Vielmehr hätte es sich hier für die Klägerin geradezu aufgedrängt, die Aufforderung der Beklagten, aufgrund der Geburt des zweiten Kindes einen Antrag auf große Witwenrente zu stellen, zum Anlass zu nehmen, auf die Geburt ihres ersten Kindes ausdrücklich hinzuweisen und auch insoweit das Bestehen eines Anspruchs auf große Witwenrente klären zu lassen. Aus welchem Grund sie die Beklagte erst im November 2010 über die Geburt ihrer ersten Tochter informiert hat, ist nicht nachvollziehbar. Genau den dann erfolgten Hinweis, dass sie bereits im Jahr 2005 ein Kind geboren hatte, hätte sie bereits mit dem Antrag vom 11.03.2010 geben können. Ein Versäumnis der Beklagten vermag der Senat deshalb auch nicht im Zusammenhang mit der Bearbeitung dieses Antrags zu sehen. Ein Zahlungsanspruch kommt deshalb auch nicht für die Zeit ab März 2009 in Betracht.

Die Berufung der Klägerin konnte nach alledem keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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