L 5 R 5372/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 3104/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 5372/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 30.10.2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung wegen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze zu viel gezahlter Erwerbsminderungsrente in Höhe von 1.303,60 EUR (Monate Juli, November und Dezember 2010).

Der 1967 geborene Kläger hat die Berufe des Mechanikers und (im Wege einer Umschulung) des Industriekaufmanns erlernt (Prüfungszeugnis der IHK Mittlerer Neckar vom 13.02.1989; Abschlusszeugnis des Berufsbildungswerks S. vom 30.09.1998) und sodann den Beruf des Industriekaufmanns bei der Firma U. (zunächst vollschichtig) ausgeübt; dort ist er nach wie vor beschäftigt (ab 01.01.2010 im Umfang von 25 Wochenstunden).

Im Jahr 2008 beantragte der Kläger Rente wegen Erwerbsminderung, worauf die Beklagte das Gutachten der Neurologin und Psychiaterin Dr. M. vom 04.11.2008 erhob (V.a. somatoforme Schmerzstörung, als Industriekaufmann vollschichtige Leistungsfähigkeit; zuvor stationäre Rehabilitationsbehandlung in der Psychosomatischen Fachklinik G.: als Industriekaufmann mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen (Entlassungsbericht vom 30.07.2008 mit den Diagnosen posttraumatische Belastungsstörung - nach Verkehrsunfall -, leichte depressive Episode, andauernde Persönlichkeitsveränderung durch die posttraumatische Belastungsstörung, chronifiziertes thorakales Schmerzsyndrom nach Unfall, episodische trigeminoautonome Kopfschmerzen)). Mit Bescheid vom 18.11.2008 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Auf den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers zog die Beklagte Arztunterlagen bei und erhob die beratungsärztliche Stellungnahme der Nervenärztin und Sozialmedizinerin Dr. M. vom 29.04.2009; diese erachtete den Kläger für (nur) 3 bis unter 6 Stunden täglich leistungsfähig.

Mit Bescheid vom 26.06.2009 bewilligte die Beklagte dem Kläger (bei Umdeutung seines Reha-Antrags vom 27.03.2008 als Rentenantrag) Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.06.2008 bis 30.09.2010 (monatlicher Zahlbetrag 503,60 EUR). Dem Bescheid war als Anlage eine Darstellung der Hinzuverdienstgrenzen beigefügt. Diese enthält (u.a.) folgende Hinweise:

Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung kann nur geleistet werden, wenn sich das erzielte Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung (Bruttoverdienst) im Rahmen der gesetzlich vorgegebenen Hinzuverdienstmöglichkeiten hält.

Ob eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in voller Höhe oder in Höhe der Hälfte geleistet wird, ist abhängig davon, welche Hinzuverdienstgrenze eingehalten wird. Die Hinzuverdienstgrenzen für die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung werden auf dieser Anlage dargestellt.

Die monatliche Hinzuverdienstgrenze beträgt für die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung - in voller Höhe 2.520,96 EUR (Beschäftigung alte Bundesländer) - in Höhe der Hälfte 3.068,99 EUR (Beschäftigung alte Bundesländer) Die maßgebende Hinzuverdienstgrenze darf zweimal im Laufe eines jeden Kalenderjahres um einen Betrag bis zur Höhe der für einen Monat geltenden Hinzuverdienstgrenze überschritten werden. Ein solches Überschreiten ist jedoch nur dann zulässig, wenn im Vergleich zum Vormonat ein höherer Hinzuverdienst erzielt und hierdurch die bisherige monatliche Hinzuverdienstgrenze überschritten wird.

Wird Hinzuverdienst bereits im Monat des Rentenbeginns erzielt oder tritt nach Rentenbeginn erstmalig oder nach Unterbrechung erneut Hinzuverdienst hinzu, besteht die Möglichkeit des Überschreitens bis zum Doppelten der Hinzuverdienstgrenze im ersten Monat nur, wenn die monatliche Hinzuverdienstgrenze durch Besonderheiten (z.B. Weihnachtsgeld oder Mehrarbeit) überschritten wird.

Sollten Sie zu den Hinzuverdienstgrenzen und zu dem für Sie zulässigen Hinzuverdienst Auskünfte und Erläuterungen wünschen, empfehlen wir Ihnen, sich an eine der Auskunfts- und Beratungsstellen der Deutschen Rentenversicherung oder an den für Sie zuständigen Rentenversicherungsträger zu wenden.

Der Kläger wurde in dem Rentenbescheid außerdem darauf hingewiesen, dass er unverzüglich mitteilen muss, wenn er eine Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit aufnimmt oder ausübt. Die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung könne dann wegfallen. Außerdem müsse er unverzüglich mitteilen, wenn das Einkommen über der Hinzuverdienstgrenze liege. Der Bescheid werde ganz oder teilweise aufgehoben, sobald Tatsachen bekannt würden, die den Rentenanspruch oder die Rentenhöhe beeinflussten. Das sei auch rückwirkend möglich. Zuviel gezahlte Beträge müssten zurückgezahlt werden. Größere Überzahlungen könnten vermieden werden, wenn die Mitteilungspflichten rechtzeitig erfüllt würden.

Mit Rentenbescheid vom 24.02.2010 wurde die Rente bis 31.03.2012 bewilligt. Der monatliche Zahlbetrag wurde ab 01.03.2010 auf 521,44 EUR festgesetzt. Auch diesem Bescheid war als Anlage eine Darstellung der Hinzuverdienstgrenzen mit den vorstehend dargestellten Hinweisen beigefügt. Die Hinzuverdienstgrenze betrage für die Rente in voller Höhe (bei Beschäftigung in den alten Bundesländern) 2.520,96 EUR, für die Rente in Höhe der Hälfte 3.068,99 EUR.

Auf (telefonischen) Antrag des Klägers übersandte ihm die Beklagte mit Schreiben vom 18.04.2011 (nochmals) eine Darstellung der für ihn maßgeblichen Hinzuverdienstgrenzen. Diese enthält die den Rentenbescheiden beigefügten Hinweise zum Hinzuverdienst. Die für den Kläger einschlägigen Hinzuverdienstgrenzen betrügen ab 01.01.2010, 01.07.2010 und 01.01.2011 für die Rente in voller Höhe bzw. für die Rente in Höhe der Hälfte jeweils 2.520,96 EUR bzw. 3.068,99 EUR.

Unter dem 04./05.05.2011 teilte die Firma U. der Beklagten mit, der Kläger stehe bei ihr in einem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis als Sachbearbeiter mit einer Arbeitszeit von 4,80 Stunden an 5 Tagen in der Woche. Das monatliche Arbeitsentgelt des Klägers wurde wie folgt angegeben:

Zeitraum Brutto/EUR Netto/EUR Januar 2010 2.478,35 1.619,46 Februar 2010 2.478,35 1.619,46 März 2010 2.478,35 1.619,46 April 2010 2.480,28 1.620,49 Mai 2010 2.594,57 1.680,02 Juni 2010 3.960,58 2.897,35 Juli 2010 3.177,03 1.983,27 August 2010 2.480,28 1.620,49 September 2010 2.480,28 1.620,49 Oktober 2010 2.501,81 1.631,87 November 2010 3.991,50 2.400,38 Dezember 2010 2.616,10 1.693,32 Januar 2011 2.509,66 1.623,49 Februar 2011 2.501,81 1.627,21 März 2011 2.501,81 1.627,21 April 2011 2.465,96 1.608,32

Mit Bescheid vom 17.05.2011 berechnete die Beklagte die Rente des Klägers ab 01.01.2010 neu. Der monatliche Zahlbetrag wurde ab 01.07.2011 auf 524,87 EUR festgesetzt. Dem Kläger wurde außerdem aufgegeben, in der Zeit von 01.01.2010 bis 30.06.2011 zuviel gezahlte Rente in Höhe von 1.303.60 EUR zurückzuzahlen. Im Hinblick auf den erzielten Hinzuverdienst stehe dem Kläger Rente wie folgt zu:

Zeitraum Rentenhöhe Januar bis Juni 2010 volle Rente Juli 2010 keine Rente August bis Oktober 2010 volle Rente November 2010 keine Rente Dezember 2010 halbe Rente Januar 2011 bis Juli 2011 volle Rente

Die Hinzuverdienstgrenze für die Rente in voller Höhe (2.520,96) werde seit Januar 2010 erstmals in den Monaten Mai und Juni 2010 mit Hinzuverdiensten von 2.594,57 EUR bzw. 3.960,58 EUR überschritten. Die Rente stehe aber (auch) für diese Monate noch in voller Höhe zu, weil die Hinzuverdienstgrenze im Laufe eines Kalenderjahres zweimal um einen Betrag bis zur Höhe der für einen Monat maßgebenden Hinzuverdienstgrenze überschritten werden dürfe; das sei in den genannten Monaten nicht der Fall (doppelte Hinzuverdienstgrenze 5.041,92 EUR). Da die Hinzuverdienstgrenze (auch für die Rente in Höhe der Hälfte von 3.068,99 EUR) aber auch im Juli und im November 2010 mit einem Hinzuverdienst von 3.177,03 EUR bzw. von 3.991,50 EUR überschritten werde, sei die Rente für diese Monate nicht zu zahlen. Mit dem Hinzuverdienst des Monats Dezember 2010 von 2.616,10 EUR werde die Hinzuverdienstgrenze für die Rente in voller Höhe, nicht jedoch diejenige für die Rente in Höhe der Hälfte überschritten, so dass die Rente hälftig zu zahlen sei. Für die Zeit von Januar bis Juni 2011 bleibe es bei der Rente in voller Höhe. Insgesamt ergebe sich eine Überzahlung für Juli, November und Dezember 2010 von 1.303,60 EUR (521,44 EUR + 521,44 EUR + 260,72 EUR).

Der Rentenbescheid vom 24.02.2010 werde hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung ab dem 01.07.2010 gem. § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) aufgehoben. Der überzahlte Betrag (von 1.303.60 EUR) sei zu erstatten. Man habe die bekannten Umstände, die der Aufhebung des Rentenbescheids entgegenstehen könnten, berücksichtigt. Diese seien nicht geeignet, von der Aufhebung des Rentenbescheids für die Zukunft abzusehen, da in Fällen einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse die Aufhebung des Rentenbescheids für die Zukunft zwingend vorgeschrieben sei. Soweit es um die Aufhebung des Rentenbescheids für die Vergangenheit gehe, seien die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X erfüllt; ab 01.07.2010 habe der Kläger Einkommen erzielt, das sich auf die Höhe der Rente auswirke.

Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs trug der Kläger vor, die Rückforderung der Überzahlung stelle für ihn eine besondere Härte dar, da er (u.a.) Gerichtskosten, Miete und Raten für ein Kfz zahlen müsse. Die zuständige Personalsachbearbeiterin seines Arbeitgebers habe telefonische Rücksprache bei der Beklagten gehalten und die dabei erteilte Auskunft so verstanden, dass er 14 x 2.520,96 EUR (35.293,44 EUR) brutto im Jahr ohne Rentenkürzung verdienen dürfte. Sein Bruttojahresverdienst habe nur 33.717,48 EUR betragen. Hätte die Personalsachbearbeiterin die Rechtslage zutreffend eingeschätzt, hätte man die geringfügigen Überschreitungen der Hinzuverdienstgrenze im Mai, Juli und Dezember 2010 (73,61 EUR, 656,07 EUR und 95,14 EUR Nachzahlungen/Tarif- bzw. Prämiennachzahlungen) vermieden. Man hätte ihm die (teils geringen) Nachzahlungen zusammen mit dem Urlaubs- oder Weihnachtsgeld auszahlen können. Er sei bereit den Überschreitungsbetrag von insgesamt 824,81 EUR (in Raten) zurückzuzahlen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17.08.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend aus, der Kläger sei in den Rentenbescheiden auf die maßgeblichen Regelungen zum Hinzuverdienst bzw. die einschlägigen Hinzuverdienstgrenzen und darauf hingewiesen worden, dass bei Überschreitung der Hinzuverdienstgrenzen entstehende Überzahlungen zurückgefordert würden. Auf Vertrauensschutz könne er sich daher nicht berufen. Sie treffe an der Entstehung der Überzahlung kein Mitverschulden. Von der Rückforderung des Überzahlungsbetrags werde auch im Interesse der Versichertengemeinschaft nicht nach Ermessen (ganz oder teilweise) abgesehen.

Am 16.09.2011 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Ulm. Er trug vor, er habe ab Januar 2010 in Teilzeit gearbeitet, um sein Beschäftigungsverhältnis aufrecht zu erhalten. Nach Erhalt des Rentenbescheids habe sich die Personalsachbearbeiterin seines Arbeitgebers bei der Beklagten wegen der Hinzuverdienstgrenzen erkundigt. Sie habe danach die Entgeltabrechnung vorgenommen. Ihr sei die eingetretene Überschreitung der Hinzuverdienstgrenzen nicht bewusst gewesen. Etwaige Missverständnisse dürften nicht zu seinen Lasten gehen.

Mit Urteil vom 30.10.2012 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es unter Bezugnahme auf die Begründung des Widerspruchsbescheids (§ 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz, SGG) aus, der Kläger sei in den Rentenbescheiden auf die maßgeblichen Hinzuverdienstgrenzen hingewiesen worden. Etwaige Missverständnisse der Personalsachbearbeiterin des Arbeitgebers des Klägers seien für die Rückforderung der Überzahlung unbeachtlich.

Auf das ihm am 16.11.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14.12.2012 Berufung eingelegt. Er wiederholt und bekräftigt sein bisheriges Vorbringen. Die Beklagte müsse für eine Falschberatung haften. Er habe alle Unterlagen in der Personalabteilung seines Arbeitgebers abgegeben. Die Beklagte müsse ihre Forderungen an seinen Arbeitgeber richten. Die Rückforderung treffe ihn besonders hart.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 30.10.2012 und den Rentenbescheid der Beklagten vom 17.05.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.08.2011 insoweit aufzuheben, als darin der Rentenbescheid vom 24.02.2010 teilweise aufgehoben und ihm aufgegeben wurde, für die Zeit vom 01.01.2010 bis 30.06.2011 zuviel gezahlte Rente in Höhe von 1.303,60 EUR zurückzuzahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Unbeachtlich sei, dass die Überzahlung durch zum Teil geringfügige Nachzahlungen des Arbeitgebers des Klägers (wie nachträglich erzieltes Einkommen durch Bonus- oder Tarifnachzahlungen) entstanden sei. Der Kläger sei durch Hinweise im Rentenbescheid über die Hinzuverdienstgrenzen und die Folgen ihrer Überschreitung unterrichtet worden. Man sei zwar bereit, Ratenzahlung einzuräumen, bestehe aber auf der Rückzahlung des vollen Überzahlungsbetrags (von 1.303,60 EUR).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist gem. §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne Zulassung durch das Sozialgericht statthaft; der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) ist bei einem streitigen Erstattungsbetrag von 1.303,60 EUR überschritten. Die Berufung ist auch sonst gem. § 151 SGG zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden den Rentenbescheid vom 24.02.2010 rechtsfehlerfrei teilweise aufgehoben und dem Kläger zu Recht die Erstattung in der Zeit vom 01.07.2010 bis 31.12.2010 zu viel gezahlter Rente i. H. v. 1.303,60 EUR aufgegeben.

I. Rechtsgrundlage der im Rentenbescheid vom 17.05.2011 (Widerspruchsbescheid vom 17.08.2011) verfügten (Teil-)Aufhebung des Rentenbescheids vom 24.02.2010 bzw. des Erstattungsverlangens ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB X i. V. m. § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Die Voraussetzungen dieser Vorschriften sind erfüllt. Die Beklagte hat insbesondere die Bestimmung des § 96a SGB VI (i. V. m. § 100 Abs. 1 SGB VI) über das Zusammentreffen von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Hinzuverdienst rechtsfehlerfrei angewendet.

1.) § 48 SGB X regelt die Aufhebung von Verwaltungsakten, die nicht schon bei ihrem Erlass (Wirksamwerden gem. § 39 Abs. 1 SGB X) rechtswidrig waren, sondern erst danach rechtswidrig geworden sind.

Gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung - wie ein Bescheid über die Bewilligung von (Erwerbsminderungs-)Rente - für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Er soll gem. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse, also rückwirkend, aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt hierbei in den Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum aufgrund der besonderen Teile des SGB anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraums (§ 48 Abs. 1 Satz 3 SGB X).

Ergänzend bestimmt § 100 Abs. 1 Satz 2 SGB VI, dass im Falle des § 96a SGB VI - also beim Zusammentreffen einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit mit Hinzuverdienst - die Regelung in § 100 Abs. 1 Satz 1 SGB VI zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens einer Änderung der Rentenhöhe anzuwenden ist. Danach wird bei einer für die Rentenhöhe bedeutsamen Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse die Rente in neuer Höhe von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Änderung wirksam ist. Bezogen auf die Anrechnung von Hinzuverdienst bedeutet dies gem. § 96a Abs. 1 Satz 2 SGB VI i. V. m. § 48 Abs. 1 Satz 3 SGB X, dass bei einem Überschreiten der monatlichen Hinzuverdienstgrenzen im Laufe eines Kalendermonats die Rente bereits von Beginn des betreffenden Monats an in angepasster Höhe zu leisten ist. Denn § 96a Abs. 1 Satz 2 SGB VI stellt auf das Arbeitsentgelt "im Monat" ab, um für diesen Monat des Zusammentreffens mit der Rente das Überschreiten der maßgeblichen Hinzuverdienstgrenze festzustellen. Unerheblich ist insoweit, zu welchem Zeitpunkt im Monat (am Anfang, in der Mitte oder am Ende) das Arbeitsentgelt als "rentenschädlicher" Hinzuverdienst erzielt wird. Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt gemäß § 48 Abs. 1 Satz 3 SGB X stets der Beginn des Anrechnungszeitraums und hier somit der Monatsbeginn (BSG, Urt. v. 10.07.2012, - B 13 R 81/11 R -, juris Rdnr. 21 f.).

Das Wort "soll" in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X bedeutet, dass der Leistungsträger in der Regel den Verwaltungsakt rückwirkend aufheben muss, er jedoch in atypischen Fällen nach seinem Ermessen hiervon abweichen kann. Die Frage, ob ein atypischer Fall vorliegt, ist nicht im Rahmen der Ermessensausübung zu klären, sondern im Rechtsstreit von den Gerichten zu entscheiden (BSG, Urt. v. 14.11.2013, - B 9 V 5/12 R -, juris Rdnr. 63).

Ist der Verwaltungsakt gem. § 48 SGB X aufgehoben worden, sind bereits erbrachte Leistungen gem. § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu erstatten.

2.) Das Zusammentreffen von Erwerbsminderungsrenten und Hinzuverdienst ist in § 96a SGB VI geregelt; anzuwenden ist die jeweils im streitigen (Erstattungs-)Zeitraum geltende Gesetzesfassung. Die Verfassungsmäßigkeit der Hinzuverdienstregelung ist in der Rechtsprechung geklärt (BVerfG, Beschl. v. 14.6.2007, - 1 BvR 154/05 -; auch BSG, Urt. v. 9.12.2010, - B 13 R 10/10 R - m.w.N.; LSG-Berlin-Brandenburg, Urt. v. 28.4.2011, - L 4 R 1119/09 -).

Gem. § 96a Abs. 1 Satz 1 SGB VI wird eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nur geleistet, wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten wird, wobei gem. § 199 Abs. 1 SGB VI jeweils auf den Monatsbeginn abzustellen ist. Das Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze betrifft nicht unmittelbar den Rentenanspruch, sondern hat Auswirkungen allein auf die Rentenhöhe (BSG, Urt. v. 9.12.2010, - B 13 R 10/10 R -). Die Hinzuverdienstgrenze wird nicht überschritten, wenn das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit oder vergleichbares Einkommen im Monat die in § 96a Abs. 2 SGB VI genannten Beträge nicht übersteigt, wobei ein zweimaliges Überschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der Hinzuverdienstgrenze nach § 96a Abs. 2 SGB V im Laufe eines jeden Kalenderjahres außer Betracht bleibt (§ 96a Abs. 1 Satz 2 SGB VI).

Für das gem. § 96a Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 SGB VI privilegierte Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze gilt das so genannte Vormonatsprinzip. Danach ist Ausgangspunkt für die Prüfung, in welcher Höhe die Rente trotz eines Hinzuverdienstes zu zahlen ist, grundsätzlich die zum Zeitpunkt des Rentenbeginns bzw. des ersten Monats des Zusammentreffens von Rente mit zu berücksichtigendem Hinzuverdienst eingehaltene (einfache) Hinzuverdienstgrenze. Die insoweit maßgebliche Hinzuverdienstgrenze darf im Laufe eines jeden Kalenderjahres rentenunschädlich in zwei Kalendermonaten bis zur Höhe des Betrags, welcher der Hinzuverdienstgrenze entspricht, überschritten werden. Ob ein solches privilegiertes Überschreiten vorliegt, ist ausschließlich chronologisch ("linear") zu ermitteln, denn nach § 100 Abs. 1 SGB VI i. V. m. § 48 Abs. 1 SGB X ist die Rente in neuer Höhe zu leisten, sobald sich aus tatsächlichen (oder rechtlichen) Gründen die Voraussetzungen für die Höhe der Rente ändern. Die Prüfung, ob ein privilegiertes Überschreiten vorliegt, richtet sich grundsätzlich nach der im Vormonat eingehaltenen Hinzuverdienstgrenze. Denn ein "Überschreiten" i. S. des § 96 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 SGB VI setzt bei chronologischer Betrachtungsweise voraus, dass sich der Hinzuverdienst über die im jeweiligen Vormonat eingehaltene Hinzuverdienstgrenze hinaus erhöht. Wird die Hinzuverdienstgrenze des Vormonats eingehalten, ist die (bisherige) Rente vom Rentenversicherungsträger ohne Weiteres in der dieser Hinzuverdienstgrenze zugeordneten Höhe (weiter) zu leisten. Ändert sich der Verdienst und wird hierdurch die im Vormonat noch eingehaltene Hinzuverdienstgrenze überschritten, ist weiter zu prüfen, ob das Überschreiten rentenunschädlich ist. Dies setzt voraus, dass der Hinzuverdienst innerhalb des Doppelten dieser Hinzuverdienstgrenze liegt; ein solches Überschreiten ist im Laufe eines Kalenderjahres in zwei Kalendermonaten zulässig. Aus welchen Gründen und durch welche Art von Einkünften die Hinzuverdienstgrenze überschritten wird, ist unbeachtlich (so BSG, Urt. v. 9.12.2010, - B 13 R 10/10 R -).

Gem. § 96a Abs. 1a Nr. 2 SGB VI wird eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung abhängig vom erzielten Hinzuverdienst in voller Höhe oder in Höhe der Hälfte geleistet. Die Hinzuverdienstgrenze betrug in der hier maßgeblichen Zeit (Januar 2010 bis Juni 2011) bei einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in voller Höhe das 0,23fache und in Höhe der Hälfte das 0,28fache der monatlichen Bezugsgröße, vervielfältigt mit der Summe der Entgeltpunkte (§ 66 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 SGB VI) der letzten drei Kalenderjahre vor Eintritt der teilweisen Erwerbsminderung, mindestens jedoch mit 1,5 Entgeltpunkten. Maßgeblich war danach für die Rente in voller Höhe eine Hinzuverdienstgrenze (Beschäftigung in den alten Bundesländern) von 2.520,96 EUR und für die Rente in Höhe der Hälfte eine Hinzuverdienstgrenze von 3.068,99 EUR. Die dem zugrunde liegende Berechnung der Beklagten ist nicht bestritten; Berechnungsfehler sind auch nicht ersichtlich.

Was unter Arbeitsentgelt bzw. Arbeitseinkommen i. S. d § 96a SGB VI zu verstehen ist, ist in §§ 14, 15 SGB IV geregelt; diese Vorschriften gelten auch für die gesetzliche Rentenversicherung (§ 1 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sind Arbeitsentgelt alle laufenden Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie gleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Für § 14 SGB IV gilt das Bruttolohnprinzip (dazu näher etwa Senatsurteil vom 28.09.2011, - L 5 R 3888/10 -).

II. Davon ausgehend sind die angefochtenen Bescheide rechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat die im streitigen Zeitraum (Juli 2010 bis Dezember 2010) geltende Hinzuverdienstregelung in § 96a SGB VI (i. V. m. § 100 Abs. 1 SGB VI) zutreffend angewendet. Sie hat die seinerzeit einschlägige Hinzuverdienstgrenze von 2.520,96 EUR (Rente in voller Höhe) bzw. 3.068,99 EUR (Rente in Höhe der Hälfte) herangezogen und hinsichtlich der Höhe des Zuverdienstes zu Recht das dem Kläger jeweils zugeflossene Bruttoarbeitsentgelt angesetzt. Davon ausgehend hat sie zu Recht festgestellt, dass dem Kläger für die Monate Juli und November 2010 keine Rente und für den Monat Dezember 2010 die halbe Rente zustand; hierfür sei im einzelnen auf die Darstellung der Berechnung im Rentenbescheid vom 17.05.2011 bzw. im Widerspruchsbescheid vom 17.08.2011 Bezug genommen (§§ 153 Abs. 1, 136 Abs. 3 SGG).

Die Beklagte hat auch die Regelung des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X hinsichtlich des dem Kläger nach Ergehen des Rentenbescheids vom 24.02.2010 zugeflossenen Hinzuverdienstes rechtsfehlerfrei angewendet. Das Vorbringen des Klägers im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren ändert daran nichts. Etwaige Fehlvorstellungen in der Personalabteilung des Arbeitgebers des Klägers hinsichtlich der Anwendung der Hinzuverdienstregelung in § 96a SGB VI sind für die Entstehung und Rückforderung der Rentenüberzahlung nicht von Belang. Hierfür sind allein die Gesetzesvorschriften in §§ 48 ff. SGB X bzw. § 96a SGB VI maßgeblich, die die Beklagte, wie dargelegt, rechtsfehlerfrei angewendet hat. Ein atypischer Fall liegt nicht vor. Das Vorbringen des Klägers zu seinen Vermögensverhältnissen und (anderweitigen) Zahlungsverpflichtungen genügt hierfür nicht. Härten bei Vollziehung der Rückforderung wären ggf. im Hinblick auf eine (Raten-)Stundung oder einen Erlass nach Maßgabe des § 76 SGB IV zu prüfen, was allerdings nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist. Hierüber wäre zunächst ein entsprechendes Verwaltungsverfahren durchzuführen. Es ist auch weder ersichtlich noch geltend gemacht, dass dem Kläger ohne die zurückgeforderte Rentenzahlung andere Sozialleistungen zugestanden hätten. Für ein Verschulden der Beklagten an der Überzahlung ist ebenfalls nichts ersichtlich. Die Beklagte hat den Kläger über die Rechtslage und die Anwendung der maßgeblichen Hinzuverdienstgrenzen in den den Rentenbescheiden beigefügten Hinweisen bzw. in der dem Kläger auf telefonische Nachfrage mit Schreiben vom 18.04.2011 übersandten Erläuterung eingehend und zutreffend informiert; für eine Falschberatung gibt es keine Anhaltspunkte (vgl. hierzu von Wulffen/Schütze, SGB X § 48 Rdnr. 21).

Die Beklagte hat schließlich auch die einschlägigen Verfahrensbestimmungen beachtet, insbesondere die einjährige Rücknahmefrist (§§ 48 Abs. 4 Satz 1, 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X) gewahrt. Allerdings hätte der Kläger (ungeachtet der hier nicht einschlägigen Ausnahmevorschrift in § 24 Abs. 2 Nr. 5 SGB X: keine Anhörung bei Anpassung einkommensabhängiger Leistungen an geänderte Verhältnisse) angehört werden müssen (vgl. etwa von Wulffen/Schütze, SGB X § 24 Rdnr. 34); das Unterbleiben der Anhörung ist aber gem. § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X unbeachtlich, da der Kläger Gelegenheit hatte, seine Einwendungen gegen die Teilaufhebung des Rentenbescheids vom 24.02.2010 und die Rückforderung der Überzahlung im Widerspruchsverfahren geltend zu machen.

III. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weswegen die Berufung des Klägers erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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