S 26 AL 468/12

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Chemnitz (FSS)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
26
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 26 AL 468/12
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Solange bezüglich des erlernten Erstberufs noch kein Gebrauch von Eingliederungsmaßnahmen
wie insbesondere von Leistungen zur Weiterbildung gemacht wurde, kann die Feststellung, dass die Eingliederung in den Arbeitsmarkt in diesem Erstberuf gescheitert und somit die Notwendigkeit
für die Finanzierung einer Zweitausbildung mit der Berufsausbildungsbeihilfe gegeben ist, nicht getroffen werden.

Zur Frage der Förderfähigkeit einer Zweitausbildung mit der Berufsausbildungsbeihilfe.
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Bewilligung von Berufsausbildungsbeihilfe für eine Zweitausbildung zur Rechtsanwalts- und Notariatsfachangestellten.

Die am xx.xx.1990 geborene Klägerin erwarb nach einer zweijährigen Ausbildung an der Berufsfachschule für Wirtschaft in P., einer staatlich anerkannten Ersatzschule, am 11.7.2008 die Berechtigung, die Berufsbezeichnung Wirtschaftsassistentin, Fachrichtung Fremdsprachen (Englisch, Französisch, Spanisch), zu führen. In Zuge dieser Ausbildung absolvierte die Klägerin auch ein Praktikum in einer Rechtsanwaltskanzlei.

Nach ihrer Ausbildung wechselten Zeiten der Beschäftigung der Klägerin als Bürokraft, Mitarbeiterin in einem Callcenter und Verkäuferin (im Umfang von bis zu 30 Wochenstunden) mit Zeiten der Arbeitslosigkeit ab. Insoweit wird auf die Übersicht zum Lebenslauf der Klägerin in der Behördenakte der Beklagten sowie die Erläuterungen, die die Klägerin hierzu in der mündlichen Verhandlung am 15.5.2014 gegeben hat, Bezug genommen.

Nach dem Ende ihrer ersten Beschäftigung als Bürokraft bei der A. nahm die Klägerin am 3.11.2008 einen Termin bei Ihrem Arbeitsvermittler wahr. Darüber wurde der folgende Bearbeitungsvermerk gefertigt:

"( ) p.V. befristetes Beschäftigungsverhältnis wurde nicht verlängert; ar-beitslos-Meld. aufgenommen – Kundin verzichtet auf ALGI Antragstellung – ist NLE; ALGII wird nicht gestellt; Kundin zuletzt in der A. als Sachbearbei-ter/Bürokraft; MOBI-Antrag liegt für befri. BV vor – HW gegeben, dass MOBI abgelehnt, da nur 2-monatiges nicht nachhaltiges BV; HW gegeben, dass sie bei nä. AAN Rücksprache mit AV halten soll, bevor Leistungen zur AAN beantragt werden; BewA geprüft und wieder voll veröff.; Kundin sucht weiter bevorzugt regional – besitzt aber keine gesetzl. reg. Bind.gründe; SOB durchgeführt und festgestellt, dass bw zielstreb. AM-Suche im Beruf und berufsnah erforderlich sind; fehl BE kann dann mit TM/EGZ behoben werden; Altberufe wie VK-Hilfe wurden aus BewA ge-löscht – soll Kundin in Eigenregie durchführen, wenn gewünscht; somit Kd.gr. abgebrochen und neu: Kd.gr. 2a festgelegt; derzeit Fordern vor För-dern; Kundin würde evtl. im September 09 auch eine Zweit-BA als Rechts-anwaltsfachang. beginnen, sofern dann noch Arbeitslos.keit vorliegt – kon-kreter AG bereits vorhanden; HW auf Zuständ. BB bei Fragen/Förderleist. für Zweit-BA gegeben; EV überarbeitet; IV angepasst; Folgeantrag BK zu-schicken lassen; SteA-Suchl.reg.neg. – erste sukzessive Ausweit. auf bw AM durch Kundin selbst durchzuführen; bw Verfügb. bei VVs muss aber kdseitig gegeben sein – Kundin belehrt; WV nä Kontakt gelegt;

Am 1.8.2011 nahm sie eine weitere Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten in der Kanzlei ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten auf.

Am 20.7.2011 beantragte die Klägerin die Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe für diese Ausbildung. Im Rahmen einer persönlichen Vorsprache am 27.7.2011 bei ihrem Arbeitsvermittler wurde der Klägerin mündlich dargelegt, dass Berufsausbildungsbeihilfe für diese Zweitausbildung nicht gewährt werden könne. Auf den hierüber gefertigten Beratungsvermerk vom 27.7.2012, der der Behördenakte beiliegt, wird ebenfalls Bezug genommen.

Der von der Klägerin am 8.2.2012 ausgefüllte Antragsvordruck für die Berufsausbildungsbeihilfe ging am 10.2.2012 bei der Beklagten ein.

In einem Bearbeitungsvermerk vom 17.2.2012, der der Behördenakte der Beklagten beiliegt, wurde Folgendes niedergelegt:

"( ) Betreff Vorlage BAB-Akte zum BAB Bezug bei Zweitausbildung gemäß § 60 Abs. 2 SGB III Text Hierzu wurde bereits von zust. AV eine Entscheidung (s. Vermerk vom 27.7.2011) getroffen und diese der Jugendl. mitgeteilt, nochmalige Prüfung ergab: ) Zweitausbildung nicht förderfähig, damit abgeschlossener Erstausbildung als Fremdsprachensekretärin eine dauerhafte Eingliederung in den Ar-beitsmarkt möglich ist ) Vorrang der Vermittlung, Jugendliche erhielt währ. der Betreuung VV für erlernten Beruf, weiterhin liegen z.B. sachsenweit eine Vielzahl von Stellen vor (überregionale Vermittlung zumutbar)( )."

Mit Bescheid vom 21.2.2012 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus: Die Klägerin verfüge bereits über eine abgeschlossene Berufsausbildung. Die Förderung einer Zweitausbildung komme lediglich in Ausnahmefällen in Frage. Vorrangig sei die Vermittlung im erlernten Beruf. Daher sei hier zu prüfen gewesen, ob eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt z.B. auch durch überregionale Vermittlung bzw. mit Hilfe vermittlungsunterstützender, integrationsorientierter und weiter qualifizierender Förderinstrumente der aktiven Arbeitsförderung wie insbesondere durch Weiterbildungsmaßnahmen erreicht werden könne. Die getroffene Prognoseentscheidung habe im Falle der Klägerin dazu geführt, dass eine berufliche Integration der Klägerin auf der Grundlage ihrer Erstausbildung hätte erreicht werden können. Hierüber sei die Klägerin im Beratungsgespräch vom 27.7.2011 informiert worden. Die Entscheidung sei nach pflichtgemäßem Ermessen getroffen worden.

Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 22.3.2012 Widerspruch ein, den sie mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 18.5.2012 begründete. Unter Darlegung im Einzelnen lässt die Klägerin im Wesentlichen vortragen, dass trotz intensiver Bemühungen ihrerseits eine berufliche Eingliederung auf Grundlage ihres erlernten Berufs in der Vergangenheit nicht gelungen und auch in der Zukunft nicht zu erwarten sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 5.6.2012 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Ergänzend zu den Gründen des Ausgangsbescheides hieß es unter anderem: Die von der Klägerin bereits absolvierte Ausbildung sei grundsätzlich am Arbeitsmarkt verwertbar. Im Beruf/Berufsfeld kaufmännische Assistentin/Wirtschaftsassistentin – Fremdsprachen seien ausreichend Stellenangebote (über 200 Stellen bundesweit) am Arbeitsmarkt vorhanden. Auch die Prognose der Arbeitsmarktchancen lasse erkennen, dass sowohl bundesweit als auch lokal (Umkreis von 30 km) ein Arbeitskräftebedarf im Beruf der kaufmännischen Assistentin/Wirtschaftsassistentin – Fremdsprachen – bestehe. Ein stärkerer Kräftebedarf sei in den Bundesländern Sachsen und Hessen zu verzeichnen. Der Berufsabschluss sei ohne weiteres oder anderweitige Einschränkungen am Arbeitsmarkt verfügbar. Die Klägerin habe Bera-tungsgespräche zu den Integrationschancen im erlernten Beruf wahrgenommen, habe aber bereits nach dem Abschluss ihrer Erstausbildung den Wunsch nach einer Zweitausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten geäußert, die sie inzwischen auch aufgenommen habe. Letztlich sei davon auszugehen, dass mit Fordern und Fördern und unter Einsatz arbeitsmarktpolitischer Instrumente nach dem SGB III und unter Berücksichtigung des Arbeitsmarktes, bundesweiter Stellensuche, umfassender Verfügbarkeit (inklusive Umzug) für den ersten Arbeitsmarkt sowie der Hinzuziehung der Möglichkeit der Eingliederung in verwandte Berufe eine Integration hätte erfolgreich verlaufen können.

Mit der am 5.7.2012 zum Sozialgericht Chemnitz erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf ihre schriftliche Klagebegründung sowie die zu deren Ergänzung vorgelegten Schreiben Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt in sachdienlicher Fassung,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 21.2.2012 in Gestalt des Wi-derspruchsbescheides vom 5.6.2012 zu verurteilen, der Klägerin Berufsausbildungsbeihilfe nach näherer Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren,

hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu verbescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und legte zu ihrer schriftlichen Klageerwiderung, auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, einen Ausdruck eines Stellensuchlaufs zum Beruf der Klägerin vom 8.10.2012 vor. Der Ausdruck, auf den ebenfalls wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, enthält eine Übersicht von 110 Stellenangeboten.

Am 15.5.2014 hat die mündliche Verhandlung vor der 26. Kammer des Sozialgerichts Chemnitz stattgefunden. Auf die hierüber gefertigte Niederschrift wird wegen der näheren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand Bezug genommen. Ergänzend zu den Auskünften, die die Klägerin hinsichtlich ihrer Erwerbsbiographie gegeben hat, hat sie mitgeteilt, sich derzeit in Elternzeit zu befinden. Nach Abschluss der Elternzeit solle die Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachgehilfin fortgeführt werden.

Im Übrigen wird wegen der näheren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand auf den Inhalt der Gerichts- sowie der beigezogenen Behördenakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der sich daran anschließenden Kammerberatung waren.

Entscheidungsgründe:

Die Klage musste erfolgslos bleiben.

Die Klage ist zwar zulässig. Insbesondere ist das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage nicht deshalb entfallen, weil die Klägerin auf Nachfrage zum Stand der Ausbildung in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt hat, sich derzeit in Elternzeit zu befinden und dabei auch einen konkreten Zeitpunkt für die Fortsetzung der Ausbildung nicht genannt hat. Denn jedenfalls für die Zeit nach Beginn der Ausbildung bis zum Ende des gesetzlichen Mutterschutzes bestünde bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe.

Die Klage ist jedoch unbegründet.

Zu Recht hat die Beklagte die Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe für die Klägerin abgelehnt, weil die Voraussetzungen zur Förderung einer Zweitausbildung gemäß § 60 Abs. 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – SGB III – in der bis zum 31.3.2012 geltenden Fassung (im Folgenden: a.F.), die hier nach § 422 Abs. 1 Nr. 3 SGB III weiter anwendbar ist, nicht vorliegen. Es handelt sich hier um einen Ausnahmetatbestand, der zum Schutz vor den finanziellen Risiken einer zu großzügigen Förderung von Zweitausbildungen sowie auch aus Gründen der Eigenverantwortung des jungen Menschen für seine Ausbildung, einen engen Anwendungsbereich hat. Bis zum 30.8.2008 war die Förderung einer zweiten Ausbildung noch kategorisch ausgeschlossen (vgl. BSG, Urteil vom 29.10.200 8 – B 11 AL 34/07).

Zunächst hat die Klägerin mit ihrem Abschluss als Wirtschaftsassistentin, Fachrichtung Fremdsprachen (Englisch, Französisch, Spanisch), einen Abschluss in einem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf mit einer zweijährigen Ausbildungsdauer erworben. Dieser Abschluss erfüllt die Anforderungen an eine Erstausbildung im Sinne des § 60 Abs. 2 SGB II a.F. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.

Eine zweite Ausbildung kann nach der genannten Rechtsvorschrift gefördert werden, wenn zu erwarten ist, dass eine berufliche Eingliederung dauerhaft auf andere Weise nicht erreicht werden kann und durch die zweite Ausbildung die berufliche Eingliederung erreicht wird. Bei der Förderung der Zweitausbildung handelt es sich um eine Ermessensleistung, wobei zunächst eine Prognose treffen ist, dass eine berufliche Eingliederung dauerhaft nur im Wege der Förderung einer zweiten Ausbildung erreicht werden kann (vgl. SächsLSG, Urteil vom 11.10.2012 – L 3 AL 63/11 – mwN; Beschluss vom 16.5.2011 – L 3 AL 20/11 B ER). Erst wenn eine solche Prognose getroffen wurde, ist für die Beklagte der Ermessensspielraum eröffnet. Bei der Prognoseentscheidung ist der Vorrang der Vermittlung gemäß § 4 SGB III zu beachten. Eine Zweitausbildung kann demnach nur gefördert werden, wenn eine Eingliederung überregional nicht möglich ist und das Integrationsziel auch durch andere Leistungen der aktiven Arbeitsförderung, insbesondere durch Förderung der beruflichen Weiterbildung, nicht erreicht werden kann (vgl. SächsLSG aaO).

Vorliegend hat die Beklagte unter Heranziehung der bundesweiten Stellenlage die Prognose getroffen, dass die Klägerin mit ihrer Erstausbildung, ggf. mit Hilfe einschlägiger Ein-gliederungsleistungen wie insbesondere Weiterbildungsmaßnahmen, in den Arbeitsmarkt hätte integriert werden können. Diese Prognose ist nicht zu beanstanden und wird durch die im Laufe des Klageverfahrens zum Stand 8.10.2012 vorgelegte Liste von 110 Stellenangeboten, die für die Klägerin in Frage kamen, bestätigt. Der Beklagten steht bei dieser Prognose aufgrund der ihr zur Verfügung stehenden speziellen Erkenntnismittel in sachlicher und personeller Hinsicht sowie des reichhaltigen Erfahrungswissens aus ihrer nahezu monopolistischen Vermittlungstätigkeit ein Einschätzungsspielraum bzw. eine gewisse Einschätzungsprärogative zu (vgl. Gerichtsbescheid der Kammer vom 19.11.2011 – 26 AL 433/09). Den Rahmen des ihr zustehenden Einschätzungsspielraums hat die Beklagte hier nicht verlassen. Die vorgelegten Stellenangebote kamen für die Klägerin in Frage. Anhand der im Abschlusszeugnis der Klägerin aufgeführten Ausbildungsfächer sowie der absolvierten Betriebspraktika lässt sich nachvollziehen, dass der Berufsabschluss der Klägerin auf eine große Verwendungsbreite für Assistenz- oder Sachbearbeiter-Tätigkeiten im betriebswirtschaftlichen Bereich abzielt. Entsprechend groß ist das Spektrum der für die Klägerin in Betracht kommenden Berufe und Tätigkeiten. Fehlt es danach an einer positiven Prognose hinsichtlich einer nur durch die begonnene Zweitausbildung zu erreichenden Integration in den Arbeitsmarkt, kommt schon aus diesem Grund die Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe nicht in Frage. Ein Ermessen war der Beklagten damit nicht eröff-net. Im Weiteren wird auf die zutreffenden Gründe sowohl des Ausgangs- als auch des Widerspruchsbescheides Bezug genommen (§ 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Zur Ergänzung und Klarstellung ist auszuführen, dass die Bemühungen der Klägerin um eine Stelle in ihrem erlernten Beruf hier nicht in Abrede gestellt werden sollen. Auch geht es nicht darum, die persönliche Entscheidung für die Zweitausbildung in Frage zu stellen. Der Berufsabschluss einer Rechtsanwaltsfachangestellten nach einer dreijährigen Ausbildung dürfte grundsätzlich bessere berufliche Perspektiven bieten als der bisherige Berufsabschluss nach einer nur zweijährigen Ausbildung. Angemerkt sei aber auch, dass sich hier wie dort die Einstellungsaussichten nach vielfältigen weiteren Kriterien wie etwa der Qualität des Abschlusses, Flexibilität, möglichen Zusatzqualifikationen, der Persönlichkeit des Bewerbers und dabei insbesondere auch der Fähigkeit, sich in Bewerbungsgesprächen positiv darzustellen, richten. Auch in vermeintlich stark nachgefragten Berufen sind gerade von Bewerbern, die keine Spitzenleistungen aufweisen können, eine Vielzahl von Bewerbungen und ein "langer Atem" nötig, um zum Erfolg zu gelangen. Angemerkt sei in diesem Zusammenhang, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in seinen Schreiben keine klare Aussage hinsichtlich der Einstellung der Klägerin nach dem Abschluss ihrer Ausbildung gemacht hat. Die Erklärung im Schreiben vom 14.11.2012, dass "diese Absicht nach derzeitigem Stand" bestehe, kann nicht als Einstellungszusage für den Fall eines erfolgreichen Abschlusses gewertet werden.

Vorliegend genügt es nicht, dass sich die beruflichen Eingliederungschancen durch die Zweitausbildung überhaupt verbessern. Die mögliche Förderung einer Zweitausbildung bezweckt nicht die bloße Steigerung von Vermittlungschancen oder die Verbesserung von Verdienst- und Aufstiegsaussichten. Vielmehr geht es darum, die Konsequenz aus einer trotz intensiver und vielfältiger Bemühungen gescheiterten Integration in den Arbeitsmarkt im erlernten Beruf zu ziehen. Und diese Konsequenz kann hier mangels der möglichen Feststellung einer zum Zeitpunkt der Aufnahme der Zweitausbildung bereits abschließend gescheiterten Integration der Klägerin in den Arbeitsmarkt nicht gezogen werden.

Dabei ist zunächst festzuhalten, dass die Bemühungen der Klägerin um einen Arbeitsplatz im Spektrum ihres Ausbildungsberufs nicht gänzlich erfolglos geblieben sind. So war die Klägerin als Bürosachbearbeiterin bei der A. und als Callcenter-Mitarbeiterin bei einer der größten Telefongesellschaften im Bundesgebiet beschäftigt. Zwar handelte es sich hierbei nur um befristete Beschäftigungen in eher anspruchslosen Tätigkeiten und die Klägerin war den Unternehmen nur als Mitarbeiterin eines Zeitarbeitsunternehmens zugewiesen. Indes ist dies eher der allgemeinen Arbeitsmarktstruktur für Berufsanfänger mit durchschnittlichem Abschlusszeugnis als der spezifischen Qualifikation der Klägerin – Stichwort: "Generation Praktikum" – geschuldet. Ähnliche Berufseinstiege sind eher typisch für die gegebene Arbeitsmarktstruktur und betreffen auch höher qualifizierte Absolventen in dem Berufszweig der Klägerin wie etwa Bürokauffrauen-/männer. Selbst ein Hochschulabschluss bietet keine Gewähr dafür, zunächst minderqualifizierte befristete Sachbearbeiter-Tätigkeiten in öffentlichen Verwaltungen oder in der Privatwirtschaft annehmen müssen, um so überhaupt einen Berufseinstieg zu erlangen. Derartige Tätigkeiten bieten aber immer die Chance, wie man landläufig sagt, "einen Fuß in die Tür" zu setzen, um sich nach und nach für besser qualifizierte und bezahlte sowie unbefristete Tätigkeiten zu empfehlen. Man mag die gegenwärtige Arbeitsmarktstruktur (mit Recht) beklagen. Sie betrifft aber den Großteil der Berufsanfänger gleichermaßen und kann daher nicht als Argumentationshilfe für eine gescheiterte Arbeitsmarkteingliederung der Klägerin herangezogen werden.

Die Klägerin wurde des Weiteren durchaus zu Bewerbungsgesprächen eingeladen. Soweit sie hier wegen fehlender Zusatzqualifikationen etwa im Rechnungswesen Absagen erhielt, hätte sie dies zum Anlass nehmen können, entsprechende Weiterbildungen in Angriff zu nehmen. Dies ist jedoch unterblieben. Mit einem konkreten Ansinnen ist die Klägerin jedenfalls nicht an die Beklagte herangetreten. Soweit der Klägerin eine fehlende Berufserfahrung entgegen gehalten wurde, enthält diesbezüglich schon der Vermerk vom 3.11.2008 den Hinweis auf die Möglichkeit von Lohnzuschüssen (Eingliederungszuschüssen) an potenzielle Arbeitgeber, mit denen ein spezieller Anreiz zur Einstellung der Klägerin trotz fehlender Berufserfahrung hätte gesetzt werden können. Letztlich wurde aber auch von dieser Eingliederungsleistung kein Gebrauch gemacht. Es kann aber schwerlich die Feststellung einer gescheiterten Eingliederung in den Arbeitsmarkt getroffen werden, wenn bislang tatsächlich von keinem einzigen Förderinstrument zur Verbesserung der Eingliederungschancen Gebrauch gemacht wurde. Dabei ist es auch ohne Belang, wer dafür letztlich verantwortlich zu machen ist. Der Klägerin hätten hier Mittel und Wege zur Verfügung gestanden, derartige Förderungen einzufordern und ggf. einzuklagen.

Die Klägerin hat sich zudem nicht in nennenswertem Umfang bundesweit auf Stellensuche begeben. Die vorgelegten Absagen beziehen sich auf Bewerbungen im regionalen Raum. Zu Recht hat die Beklagte hier angeführt, dass bei der Klägerin keine persönlichen Einschränkungen in Bezug auf eine bundesweite Stellensuche bestanden. Auch diesbezüglich waren die Bemühungen der Klägerin um eine Integration in den Arbeitsmarkt in ihrem Erstberuf nicht ausge-schöpft.

Zu berücksichtigen sind hier insgesamt auch die zeitlichen Abläufe seit der Beendigung der Aus-bildung sowie das jugendliche Alter der Klägerin. Zwischen dem Ausbildungsende der zu diesem Zeitpunkt gerade einmal 18 Jahre alten Klägerin und der Aufnahme der Zweitausbildung lagen drei Jahre. Diese waren gekennzeichnet durch verschiedene befristete Tätigkeiten im Bereich des erlernten Berufs sowie Teilzeittätigkeiten als Verkäuferin, die durchaus zur Hoffnung auf eine dauerhafte Integration Anlass gaben. Dazu gab es den laut Vermerk vom 3.11.2008 bereits früh geäußerten Wunsch nach der zweiten Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten. Ausweislich des Bearbeitungsvermerks vom 3.11.2008 hatte die Klägerin auch kein Arbeitslosengeld I oder II beantragt. Mit den befristeten Beschäftigungen, aber auch mit der Nebenbeschäftigung, war naturgemäß jedes Mal für die Klägerin als auch für die Arbeitsverwaltung die Hoffnung verbunden, dass dies der Einstieg in eine dauerhafte Beschäftigung sein könnte. Während ihrer Arbeitslosigkeit bestanden teilweise, wie etwa aus dem Vermerk vom 3.11.2008 hervor geht, frühzeitig Aussichten auf eine Folgebeschäftigung oder auf eine Vertiefung der Nebenbeschäftigung als Verkäuferin. Bei dieser Sachlage ist der Vorwurf der Klägerin, die Vermittlungsbemühungen der Beklagten seien mangelhaft gewesen oder sie hätte die Notwendigkeit insbesondere von Weiterbildungsmaßnahmen erkennen und der Klägerin insoweit konkrete Vorschläge unterbreiten müssen, so nicht nachvollziehbar. Die Klägerin selbst hat, wie bereits ausgeführt wurde, konkrete Weiterbildungsvorschläge nicht an die Beklagte heran getragen. Es ist auch sonst nichts erkennbar, wonach die Klägerin ein stärkeres Engagement der Beklagten bei der Arbeitsvermittlung eingefordert oder ein mangelndes Engagement beklagt oder auch nur thematisiert hätte. Einer konzeptionellen Herangehensweise durch die Arbeitsvermittlung wurde dann letztlich durch die Aufnahme einer Zweitausbildung der Boden entzogen.

In der Gesamtschau kann daher nur der Schluss gezogen werden, dass die Eingliederungs-möglichkeiten in Bezug auf ihren erlernten Beruf noch nicht ausgeschöpft waren. Der Vorrang der Vermittlung in ihren Erstberuf vor der Aufnahme einer aus Mitteln der Versichertengemeinschaft finanzierten Zweitausbildung bestand daher nach wie vor.

Nach alledem war die Klage abzuweisen. Die Klägerin trägt als unterlegene Streitpartei die Kosten des Verfahrens (§ 193 SGG).
Rechtskraft
Aus
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