L 3 U 237/12

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 67 U 228/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 237/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. Oktober 2012 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt als Sonderrechtsnachfolgerin des am 16. Juli 2010 verstorbenen M W (Versicherter) die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BK 1317) und einer sogenannten "Wie-Berufskrankheit" ("Wie-BK") nach § 9 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sowie die Gewährung einer Rente.

Der 1947 geborene Versicherte arbeitete nach viermonatiger Tätigkeit als Desinfektor bei der Landeslehranstalt B von Juni 1973 bis März 1984 beim Bezirksamt Z, zunächst als Desinfektor und Schädlingsbekämpfer, dann als Gesundheitsaufseher in der Überwachung amtstierärztlicher Maßnahmen der Lebensmittel- und Veterinäraufsicht, u. a. bei der Tierseuchenbekämpfung, der Durchführung von Lebensmittelbetriebskontrollen und der Entnahme und Weiterleitung von Lebensmittelproben. Anschließend war der Versicherte arbeitslos. Arbeitsunfähigkeitszeiten (AU-Zeiten) aus dem damaligen Zeitraum sind u. a. wegen Lendenwirbelsäulen(LWS)-Beschwerden dokumentiert, nicht aber wegen Kopfschmerzen, einem Leberschaden oder einem Erschöpfungszustand. Von 1989 bis September 1997 arbeitete der Versicherte als Prokurist und Objektleiter bei der von der Klägerin geführten H H Service GmbH B ebenfalls im Bereich der Desinfektion, Schädlingsbekämpfung, Gesundheitsaufsicht, Hygienetechnik. Recherchen der Beklagten ergaben, dass beim Versicherten eine folgenlos ausgeheilte Hepatitis als Folge einer BK ab dem 22. Februar 1973 anerkannt und eine Verletztenrente (VR) nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) i. H. v. zuletzt 20 v. H. bis zum 31. August 1973 gewährt worden sei. Ärztliche Behandlungen nach 1973 seien nicht dokumentiert. Ein Leberschaden habe nicht festgestellt werden können. Bereits anlässlich einer Begutachtung durch Dr. S im Jahr 1975 hätten sich normgerechte Werte ergeben, die durch ein Gerichtsgutachten des Dr. S nochmals 1979 bestätigt worden seien. Nachdem der Versicherte im Februar 1996 einen Hörsturz mit nachfolgendem Tinnitus und Schwindel erlitten hatte, gab er gegenüber seiner Hausärztin Dr. R ab dem 05. Juni 1997 akute Konzentrations-/Schlafstörungen, außerdem Migräneanfälle und Taubheitsgefühle an Nase und Fingern an und war in der Folgezeit mit der Diagnose eines schweren psychovegetativen Erschöpfungszustandes arbeitsunfähig. Die Hausärztin äußerte den Verdacht einer Neuropathie nach langjähriger Exposition von Schädlingsbekämpfungsmitteln und Chemikalien. Der Neurologe und Psychiater Dr. M erkannte nach einer Untersuchung aber keine neurologischen Ausfälle, insbesondere keine Hinweise auf eine Neuropathie und sah eine BK als nicht gesichert an. Der Versicherte mache eine Multiple Chemical Sensitivity (MCS) mit multiplen Beschwerden nach Exposition chemischer Substanzen, wie z. B. Lösungs-, Desinfektions- und Schädlingsbekämpfungsmitteln geltend.

Die Beklagte ermittelte in der Folgezeit bei den Arbeitgebern des Versicherten. Nach Mitteilung des Bezirksamtes Zehlendorf (Schreiben vom 23. April 1998) war der Versicherte vom 01. Januar 1976 bis zum 31. März 1984 im Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsamt tätig und mit Überwachungsaufgaben, Durchführung von Lebensmittelbetriebskontrollen, Entnahme von Lebensmittelproben sowie Aufgaben der Planung und Begutachtung von Um- und Neubauvorhaben betraut. Während seiner Tätigkeit bei der H GmbH sollte der Versicherte vom 01. Januar 1989 bis zum 01. September 1997 als Desinfektor, Schädlingsbekämpfer, Gesundheitsaufseher, Hygienetechniker mit Dienstleistungen aller Art betraut gewesen und mit Desinfektionsmitteln Schädlingsbekämpfungsmitteln, Giften, Reinigern, Säuren, Gasen, Lösungsmitteln, Ozon, Peroxiden und Chlor in Kontakt gekommen sein. Messungen auf Formalaldehyd seit 1993 hätten aber keine auffälligen Konzentrationen ergeben. In einem ersten Untersuchungsbefund nach Aktenlage teilte der Facharzt für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin Dr. G mit, der Versicherte habe in einem Gespräch am 18. November 1998 angegeben, etwa seit dem 35. bis 40. Lebensjahr unter Kopfschmerzen zu leiden, 1984 bereits an einem Erschöpfungssyndrom und Depressionen erkrankt und längere Zeit arbeitsunfähig gewesen zu sein. Von 1972 bis 1984 sei er einer Exposition von Schädlingsbekämpfungsmitteln mit einem Zeitanteil von mehr als 30 % der Arbeitszeit belastet gewesen, danach ab 1990 weniger. Die früheren Schädlingsbekämpfungsarbeiten seien stets ohne Atemschutz ausgeführt worden. Dr. G hielt es für unwahrscheinlich, dass sich erst nach mehrjähriger geringerer Belastung ab 1990 eine expositionsbedingte Erkrankung aus 1972 bis 1984 ergeben könnte. Nach Expositionsende sei es typisch, dass eine solche Erkrankung durch chemische Einflussfaktoren nicht fortschreite. Nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen kam es beim Versicherten im Laufe des Jahres 1998 und in der Folgezeit neben anhaltend starken Kopfschmerzen zu häufigen fieberhaften Infekten und Herzkreislaufproblemen. In einem Gutachten für den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) vom 28. September 2000 wurde ein chronisches Erschöpfungssyndrom, eine Neurasthenie mit Leistungsinsuffizienz sowie Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen diagnostiziert. Am 02. Oktober 1997 hatte die Krankenkasse des Versicherten wegen Erschöpfungssyndroms und Neuropathie nach beruflicher Exposition gegenüber Chemikalien und Schädlingsbekämpfungsmitteln den Verdacht einer BK geäußert, woraufhin die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) bei behandelnden Ärzten und Arbeitgebern ermittelte. Die für die Tätigkeit des Versicherten beim Bezirksamt Zals Unfallversicherungsträger zuständige Beklagte bestätigte gegenüber der B (Schreiben vom 16. Juni 1999), dass der Versicherte von 1973 bis 1984 erheblichen schädigenden Einflüssen von Lösungsmitteln, Desinfektionsmitteln und Schädlingsbekämpfungsmitteln ausgesetzt gewesen sei, jedoch könne nicht beurteilt werden, inwieweit diese Chemikalien die vom Versicherten vorgetragenen Erkrankungen ausgelöst hätten. Demgegenüber führte die Präventionsabteilung der B(Schreiben vom 05. und 12. Juli 1999) nach Ermittlungen ihres Technischen Aufsichtsdienstes (TAD-Bericht vom 10. Februar 1999) und Rücksprache mit dem Gefahrstoffreferat aus, dass für die Tätigkeit bei der H GmbH keine Expositionen vorgelegen hätten, die die Beschwerden des Versicherten hätten verursachen können. Die Beklagte übernahm daraufhin die weitere Bearbeitung des Verfahrens und beauftragte den Neurologen Prof. Dr. E mit der Erstellung eines medizinischen Gutachtens. In seinem Gutachten vom 27. Oktober 2000 führte Prof. Dr. E(Dr. T) nach ausführlicher Darstellung der Krankengeschichte, der aktenkundigen sowie der selbst erhobenen Befunde aus, dass die durchgeführten Untersuchungen (elektrophysiologische Untersuchungen vom 06. November 2000, Kernspintomographie vom 22. Juli 1997, neuropsychologisches Gutachten vom 07. November 2000) keinen Befund einer toxinbedingten Schädigung des peripheren oder zentralen Nervensystems und keinen Hinweis auf eine funktional relevante neuropathische Erkrankung oder eine Enzephalopathie ergeben hätten, auch wenn eine erhebliche Exposition gegenüber Lösungsmitteln, Desinfektionsmitteln, Schädlingsbekämpfungsmitteln in den Jahren 1972 bis 1984 plausibel erscheine. Dagegen werde die Gefährdung im Rahmen der zweiten Tätigkeit in den Jahren 1989 bis 1997 sowohl vom Versicherten selbst als auch von den Gutachtern der BGW als nicht wesentlich eingestuft. Eine Exposition gegenüber organischen Lösungsmitteln begründe nach wissenschaftlichen Erkenntnissen erst nach durchschnittlich 20 bis 30 Jahren ein signifikant erhöhtes neuropsychiatrisches Erkrankungsrisiko, wogegen beim Versicherten eine relevante Exposition maximal für 12 Jahre vorgelegen habe. Unabhängig hiervon spreche der zeitliche Verlauf der Erkrankung gegen eine berufliche Verursachung durch die Exposition gegenüber neurotoxisch wirkenden Stoffen von 1972 bis 1984. Ausgehend von einer leichtgradigen Erkrankung hätte sich diese innerhalb von Wochen und Monaten, längstens aber innerhalb von zwei Jahren vollständig zurückbilden müssen, und zwar selbst unter Annahme einer zweitgradigen neurotoxischen Schädigung, bei der sowohl deutliche Besserung wie auch gelegentlich bleibende Gesundheitsstörungen beschrieben seien. Ein Fortbestehen des Beschwerdebildes nach mehr als zwei Jahren bzw. ein weiteres Fortschreiten über Jahre nach Expositionsende spreche klar gegen einen Zusammenhang. Der vom Versicherten erwähnte Begriff des MCS werde vermehrt genutzt, um heterogene somatische Symptome ohne eine diagnostizierbare organische Erkrankung zu beschreiben, wobei angenommen werde, dass die Symptome jeweils durch die Exposition mit Umweltchemikalien in niedriger Dosierung getriggert würden. Die meisten Patienten, bei denen eine MCS diagnostiziert worden sei, leide an asthmatischen Beschwerden, die beim Versicherten nicht vorlägen. Es gebe nur eine geringe Zahl an Studien zur MCS und in keiner finde sich eine Bestätigung, dass die MCS chemisch-toxisch verursacht werde könne. Vielmehr fänden sich Anhaltspunkte dafür, dass die MCS als undifferenzierte Verlegenheitsdiagnose gebraucht werde. In einem neuropsychologischen Zusatzgutachten vom 08. November 2000 führte die Dipl.-Psych. K aus, dass der Versicherte über überdurchschnittliche intellektuelle Fähigkeiten verfüge, jedoch habe er beim kurzfristigen Behalten und Weiterverarbeiten von Informationen eine seinem sonstigen Leistungsniveau nicht entsprechende dramatische Minderleistung gezeigt, wobei dies mit keinem der derzeit diskutierten Arbeitsgedächtnismodelle kompatibel sei. Auch bei der grenzwertigen Lernfähigkeit ergäben sich Hinweise auf eine eher motivbedingte Ursache. Naheliegend sei eine beginnende neurodegenerative Erkrankung. Unter Einbeziehung dieses Zusatzgutachtens kam Prof. Dr. E im Gutachten vom 27. Oktober 2000 zu dem Ergebnis, dass beim Versicherten keine Polyneuropathie und keine objektiven Anhalte für das Vorliegen einer BK 1302/1303 und 1310 bestünden. Nach Einholung einer Stellungnahme des Landesgewerbearztes vom 12. Februar 2001 lehnte die Beklagte es unter Bezugnahme auf die Gutachten mit Bescheid vom 02. April 2001 ab, den vom Versicherten beklagten chronischen Erschöpfungszustand mit Leistungsinsuffizienz als BK 1302, 1303 und/oder 1310 anzuerkennen. Den hiergegen eingelegten Widerspruch, mit dem der Versicherte die unzureichende Berücksichtigung nachgewiesener psychologischer Defizite, die Annahme einer Expositionszeit von nur 12 Jahren, die ungenaue und teils unzutreffende Begrifflichkeit der Beklagten und die fehlende Berücksichtigung von sein Begehren stützenden medizinwissenschaftlichen Stellungnahmen rügte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. November 2001 als unbegründet zurück und bezog sich i. W. auf die arbeitstechnischen Stellungnahmen der BGW und der eingeholten medizinischen Gutachten. Das Sozialgericht (SG) Berlin wies die auf Anerkennung einer BK 1302, 1303 und 1310 erhobene Klage (S 67 U 848/01) mit Urteil vom 27. August 2006 wegen des fehlenden Nachweises einer Neuropathie/Polyneuropathie oder einer Enzephalopathie und wegen des langen zeitlichen Abstandes zwischen dem Ende der beruflichen toxischen Exposition im Jahr 1984 im Vergleich zur erstmaligen Behandlung einschlägiger Beschwerden im Jahr 1997 ab. Das Gericht folgte hierbei nicht dem auf Antrag des Versicherten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholten Gutachten von Dr. rer. nat. K, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Institut für Toxikologie und Pharmakologie für Naturwissenschaftler, vom 05. August 2005. Dr. K hatte zu den gesundheitlich negativen Wirkungen der vom Versicherten 1972/73 bis 1984 verwendeten Arbeitsstoffe ausgeführt, dass eine Verursachung des chronischen Erschöpfungszustandes mit einem neurasthenischen Syndrom durch hohe langanhaltende Belastungen gegenüber Pyrethroide, Formalaldehyd, Lösungsmitteln und Phosphorsäureestern möglich sei. Schadstoffrückstände seien wegen der Jahre zurückliegenden letzten Exposition beim Versicherten nicht mehr festzustellen. Dass die körperliche Untersuchung und der neurophysiologische Test keine erheblichen Auffälligkeiten ergeben hätten und eine neuropathische bzw. enzephalopathische Erkrankung nicht nachweisbar gewesen sei, schließe die tatsächliche Existenz der Gesundheitsstörungen des Versicherten und ihre toxische Verursachung nicht aus. Allein die Expositionshöhe sei für die Wahrscheinlichkeit der Erkrankung maßgebend. Bei hohen Expositionen könnten auch geringere Zeiträume als die von der Beklagten angenommenen 20 bis 30 Expositionsjahre, etwa bereits Zeiträume von über 10 Jahren, bereits gesundheitsschädigend wirken, wobei allerdings der Grad der Wahrscheinlichkeit nicht konkret bestimmt werden könne. Dr. K bejahte unter Annahme der beruflichen Faktoren als wesentliche Ursache der Erkrankung des Versicherten die Voraussetzungen einer BK 1302 bei gleichzeitiger Ablehnung der Tatbestände der BK 1303 und 1310. Die MdE müsse von einem Neurologen festgelegt werden. Im hiergegen gerichteten Berufungsverfahren vor dem LSG Berlin-Brandenburg (L 31 U 351/08) berief sich der Versicherte auf ein auf seinen Antrag nach § 109 SGG für das Rentenverfahren (SG Berlin - S 16 RA 1702/01 -) erstattetes Gutachten des Nervenarztes Dr. B vom 21. September 2006 einschließlich eines psychologischen Zusatzgutachtens des Dipl.-Psych. K vom 14. September 2006. Dr. B gelangte hierin zur Diagnose einer Halbseitenlähmung links nach Schlaganfall, einer Polyneuropathie, einer vielfachen chemischen Überempfindlichkeit (MCS), einer Hörminderung und schweren Störungen der intellektuellen Funktion in der Psychometrie nach langjähriger Arbeit mit Putzmitteln, Lösungsmitteln und Pestiziden. Der Dipl.-Psych. K führte in seinem testpsychologischen Zusatzgutachten vom 14. September 2006 aus, dass die bei den verschiedenen Testungen festgestellte Leistungsminderung des Versicherten aufgrund seiner Vorgeschichte durchaus einer toxischen Enzephalopathie vom Schweregrad Typ II B entspreche. Was die MCS-Symptomatik betreffe, sei der Streit über die Anerkennung einer entsprechenden Erkrankung seitens der medizinischen Lehre noch nicht abgeschlossen. Mittlerweile bestehe jedoch Übereinstimmung dahingehend, dass die entsprechende Symptomatik zu deutlichen Beeinträchtigungen im Alltag führe, was sich u. a. in expositionsbedingten Leistungsschwankungen widerspiegle. Durch die Überempfindlichkeitsreaktionen bei Kontakt mit volatilen Chemikalien im Niedrigdosisbereich (MCS) sei der Versicherte in Leistungsfähigkeit und Lebensqualität im Alltag deutlich eingeschränkt. Der vom LSG mit der Erstellung eines neurologischen Gutachtens nach § 109 SGG beauftragte Prof. Dr. K veranlasste die Einholung von Zusatzgutachten auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet von dem Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Neurochirurgie Dr. M vom 02. Juni 2010 sowie von dem Neurochirurgen Prof. Dr. U/Dipl.-Psych., Psychotherapeutin Dr. V vom 04. März 2010. In diesem Gutachten kam der Neurologe Dr. M zur Feststellung von chronischen Kopfschmerzen, einer seit Jahren erhöhten Geruchsunempfindlichkeit, Alkoholunverträglichkeit, Polyneuropathie, toxischen Enzephalopathie Schweregrad I bis II A sowie eines degenerativen HWS- und LWS-Syndroms. Die Überempfindlichkeit gegen Gerüche und Alkohol sei typisch für eine toxische Schadstoffbelastung. Nach den NLG- und EMG-Befunden gebe es typische und im Vergleich zu den vorhergehenden Gutachten fortschreitende Zeichen der Polyneuropathie und Enzephalopathie. Die Polyneuropathie habe nach Auftreten ab 1997 schleichend begonnen, der exakte Beginn sei nicht definierbar. Hauptursache sei die Exposition gegenüber Lösungsmitteln beim Gesundheitsamt Berlin gewesen. Einer 20 jährigen Exposition bedürfe es nicht, auch spreche ein Fortbestehen und ein Voranschreiten der Erkrankungen nach dem Ende der Exposition nicht gegen eine Verursachung durch toxische Belastungen. Die Dipl.-Psych. V führte in ihrem neuropsychologischen Zusatzgutachten aus, dass aufgrund der festgestellten Defizite eine Störung der links-frontalen Hirnfunktionen festzustellen sei. Die kognitiven Einbußen könnten auch Symptome einer depressiven Grunderkrankung sein. Eine Depressionsdiagnose habe sie jedoch nicht dokumentiert. Das Fehlen einer Substanzschädigung im MRT-Befund des Gehirns könne die sich aus den Ergebnissen der testpsychologischen Untersuchung ergebenden Feststellung einer Störung der linksfrontalen Hirnfunktion nicht entkräften. Der Hauptgutachter Prof. Dr. K übernahm die Diagnosen aus dem Gutachten von Dr. M. Unter Zugrundelegung der Angaben des Versicherten und der Klägerin nahm er den Beginn der Erkrankung Mitte der 70er Jahre mit einem schleichenden Beginn, teilweise zunächst noch reversiblen Symptomen und einer Hauptmanifestation ab 1997 an. Aufgrund der Angaben des Versicherten zu seiner Tätigkeit bei der HSB sei von einem Expositionsende erst 1997 auszugehen und nicht schon 1984. Dass eine Polyneuropathie und eine hirnorganische Enzephalopathie jetzt eindeutig nachzuweisen seien, bedeute nicht, dass diese erst jetzt entstanden seien. Die Erkrankungen hätten sich während der Expositionszeit entwickelt und "subklinisch" vorgelegen. Auch habe Dr. K im Jahr 2000 bereits überdeutlich Minderleistungen festgestellt. Die toxische Enzephalopathie sei mit den testpsychologischen Befunden seit 2000 durchgehend und eindeutig dokumentiert. Dass eine toxische Enzephalopathie nach dem Expositionsende andauere oder sich verschlimmere, sei möglich. Die Polyneuropathie sei klinisch zwar erstmals jetzt nachgewiesen worden, erste Anzeichen hätten sich bereits 1997 gezeigt. Die Wirkungsmechanismen der verwendeten Pestizide und Lösungsmittel seien geeignet, eine Polyneuropathie und Enzephalopathie zu verursachen. Eine Zuordnung bestimmter Symptome/Erkrankungen auf einzelne Substanzgruppen i. S. der BK‘en 1302, 1303, 1310 sei nicht möglich, zurückzugreifen sei auf den spezielleren Tatbestand der BK Nr. 1317. Neben der Polyneuropathie und Enzephalopathie diagnostizierte Prof. Dr. K wegen der vom Versicherten angegebenen Geruchsüberempfindlichkeit auch eine MCS, sah hierin aber kein neues eigenständiges Krankheitsbild. Die durch die Polyneuropathie und Enzephalopathie bedingte MdE bewerteten Prof. Dr. K und Dr. M mit 50 v. H.

Die vom LSG beigeladene BGW widersprach der Annahme einer fortgesetzten relevanten Exposition bei der Firma HSB i. S. der BK-Nr. 1317 unter Vorlage einer ausführlichen Stellungnahme ihrer Präventionsabteilung vom 19. Januar 2011.

Mit Urteil vom 24. Februar 2011 wies das LSG die Berufung gegen das Urteil des SG Berlin vom 27. August 2006 zurück. Nach den gutachterlichen Feststellungen von Prof. Dr. E (Dr. M/T) im Gutachten vom 27. Oktober 2000 und des Dr. rer. nat. K in dessen Gutachten vom 05. August 2005 fehle es bereits am Vollbeweis einer neuropathischen oder enzephalopathischen Erkrankung, die durch die im Rahmen der für die zu prüfenden BK‘en einschlägigen Noxen verursacht sein könnte. Nach den zutreffenden Ausführungen des SG Berlin habe die Diagnose eines Erschöpfungssyndroms mit Leistungsinsuffizienz zwar mehrfach zur Äußerung des Verdachtes einer Neuropathie bzw. Polyneuropathie und einer Enzephalopathie geführt, jedoch habe diese Diagnose weder durch den Neurologen/Psychiater Dr. M noch durch die weiterführenden neurologischen und neuropsychologischen Untersuchungen zum Gutachten von Prof. Dr. E (Dr. T) vom 27. Oktober 2000 und dem neuropsychologischen Gutachten des Dipl.-Psych. K vom 08. November 2000 erhärtet werden können. Letzterer habe begründete Zweifel geäußert, ob die vom Kläger testpsychologisch demonstrierte massive Reduktion seines Leistungsniveaus seinem tatsächlichen Leistungsvermögen entspreche oder ob die entsprechenden Testergebnisse motivational bedingt gewesen seien. Der Eindruck des Klägers in der mündlichen Verhandlung habe diese Zweifel bestätigt. Er habe sich auch über die Länge der Verhandlung von beinahe zwei Stunden mit intensiver Erörterung des streitigen Sachverhalts und der sich stellenden Fragen zwar emotional aufbrausend, aber durchaus sehr konzentriert, aufmerksam und in seiner geistigen Leistungsfähigkeit insgesamt ohne erkennbare Einschränkung äußerst vital gezeigt. Soweit der vom Kläger benannte Gutachter Dr. K in seinem Gutachten vom 05. August 2005 die Auffassung vertreten habe, dass der fehlende Nachweis einer Enzephalopathie oder einer Polyneuropathie die Annahme der BK nicht hindere, weil dies die tatsächliche Existenz der vom Kläger angegebenen Gesundheitsstörungen nicht ausschließe und allein die Höhe der Exposition für die Wahrscheinlichkeit der Erkrankung maßgeblich sei, sei dies rechtsirrig. Grundvoraussetzung für die Anerkennung einer BK sei immer der Nachweis eines nach dem jeweiligen Tatbestand anerkennungsfähigen Krankheitsbildes mit entsprechender Diagnose. Allein aus dem Vorhandensein einer gefährdenden Exposition könne nicht darauf geschlossen werden, dass eine entsprechende BK vorliege. Auch eine wahrscheinliche Erkrankung genüge nicht, erforderlich zur Anerkennung einer BK sei vielmehr der Vollbeweis der Erkrankung. Dass vom Kläger eingereichte nervenärztliche Gutachten von Dr. B vom 21. September 2006 sei ebenso wenig geeignet, den Nachweis einer Polyneuropathie oder einer Enzephalopathie zu führen. Neurophysiologische Untersuchungen zur Objektivierung einer Schädigung des zentralen und/oder peripheren Nervensystems seien ebenso wenig durchgeführt worden wie radiologische Untersuchungen. Der Gutachter formuliere im Wesentlichen unbelegte Behauptungen und Glaubenssätze mit dem Ziel, dem Kläger zu einem wie auch immer definierten Recht zu verhelfen. Unabhängig hiervon wäre der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen der nachgewiesenen gefährdenden Exposition 1973 bis 1984 und dem streitgegenständlichen Erschöpfungssyndrom mit Leistungsinsuffizienz unter Berücksichtigung des erstmaligen Auftretens viele Jahre nach dem Ende der relevanten Exposition im Jahr 1984, nämlich erst in der zweiten Hälfte der 90er Jahre, nicht hinreichend wahrscheinlich. Der erforderliche zeitliche Zusammenhang lasse sich auch nicht unter Hinweis auf die berufliche Tätigkeit des Versicherten bei der Firma HSB ab Januar 1989 begründen, denn der Versicherte selbst habe die vorherige Tätigkeit beim Bezirksamt Zehlendorf als diejenige angegeben, bei der er massiven Gesundheitsgefährdungen durch verschiedene Schadstoffe ausgesetzt gewesen sei, während die Belastung bei der HSB durch die Einhaltung arbeitsmedizinischer Schutz- und Vorsorgemaßnahmen deutlich geringer gewesen sei. Dem entsprächen die Ermittlungsergebnisse der Präventionsabteilung der BGW, wonach es nach den Berichten ihres TAD vom 10. Februar 1999 sowie des Gefahrstoffreferats vom 05. Juli 1999 unter Berücksichtigung vom Versicherten vorgebrachter Einwände und unter ausführlicher Auseinandersetzung mit den verschiedenen fraglichen Arbeitsstoffen und ihrer Handhabung ausgeschlossen sei, dass der Versicherte bei der HSB gefährdenden, die zulässigen Grenzwerte überschreitenden Expositionen ausgesetzt gewesen sei. Soweit der Versicherte generell auf die Möglichkeit von Gesundheitsschäden durch die kumulierende Wirkung von Belastungen im Niedrigdosisbereich i. S. einer MCS verweise, sei dies als bloß pauschale Vermutung und abstrakte Möglichkeit völlig ungeeignet als Grundlage für die Anerkennung einer BK. Auch nach dem Gutachten nach § 109 SGG durch Dr. K vom 05. August 2005 ergebe sich keine Grundlage für die Anerkennung einer BK 1302, 1303 und/oder 1310. Dr. Kruse selbst verneine die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK 1303 und 1310. Auch die Anerkennung einer BK 1302 sei nicht möglich. Bleibende neurotoxische Schäden nach Beendigung der Exposition bzw. lang anhaltende irreversible Gesundheitsschäden nach chronischer Exposition mit den bekannten Noxen seien nicht belegt. Dr. K gebe sich bei der Darstellung der möglichen gesundheitlichen Auswirkungen der Expositionen mit allgemeinen Möglichkeiten zufrieden, um die Voraussetzungen einer BK 1302 zu bejahen.

Während des laufenden Berufungsverfahrens entschied die Beklagte mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 12. August 2008, dass die vom Versicherten beklagten multiplen Beschwerden auch nicht als BK 1317 oder als eine MCS im Sinne einer "Wie-BK" nach § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen seien. Eine Polyneuropathie oder Enzephalopathie als infrage kommende Erkrankungen seien nicht nachgewiesen.

Den Widerspruch des Versicherten wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26. März 2009 als unbegründet zurück. Bei dem MCS-Syndrom handele es sich um einen Komplex verschiedener somatischer Symptome ohne diagnostizierbare organische Erkrankung, zu deren Entstehung und Pathogenese es zahlreiche Hypothesen, aber keine gesicherten Erkenntnisse gebe. Es gebe bisher auch keine allgemein anerkannten Methoden und Parameter der Diagnostik. Es fehle schon am Erfordernis einer klar definierten Diagnose. Auch gebe es keinen wissenschaftlichen Konsens, dass und welche bestimmten Berufsstoffe generell bestimmbare Beschwerden der MCS hervorrufen würden oder zu in diesem Sinne besonders gefährdeten Berufsgruppen/beruflichen Tätigkeiten.

Mit der vorliegenden, vom Versicherten beim SG Berlin erhobenen und nach dessen Tod von der Klägerin als Rechtsnachfolgerin fortgeführten Klage hat diese die Anerkennung einer Polyneuropathie und Enzephalopathie des Versicherten als BK 1317 und eines MCS-Syndroms wie eine BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII begehrt und sich zur Begründung auf die Gutachten von Dr. K, Dr. B und Prof. Dr. K einschließlich der Zusatzgutachten bezogen.

Das SG Berlin hat die Klage mit Urteil vom 26. Oktober 2012 abgewiesen, da nicht feststellbar sei, dass die vom Versicherten beklagten gesundheitlichen Beeinträchtigungen als eine BK 1317 oder wie eine BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen seien. Der Anerkennung einer BK 1317 stehe bereits entgegen, dass nicht im Vollbeweis feststehe, dass der Versicherte unter einer Polyneuropathie oder Enzephalopathie gelitten habe. Dies sei vom SG Berlin (S 67 U848/01) bereits im Urteil vom 27. Oktober 2006 zu den BK-Tatbeständen 1302,1303, 1310 ausführlich dargelegt und begründet worden, und zwar auch in Auseinandersetzung mit den von der Klägerin in Bezug genommenen Gutachten nach § 109 SGG von Dr. K vom 05. August 2005 und von Dr. B vom 21. September 2006 einschließlich eines psychologischen Zusatzgutachtens von Diplom-Psychologen K vom 14. September 2006 ebenfalls nach § 109 SGG in dem Rechtsstreit S 16 RA1702/01. Soweit sich die Klägerin nunmehr auf das zusätzlich im Berufungsverfahren vom LSG (L 31 U 351/08) nach § 109 SGG erstellte Gutachten von Prof. Dr. K vom 22. Juni 2010 und die von diesem beauftragten Zusatzgutachten von Dr. M vom 02. Juni 2010 und Diplom-Psychologen V vom 04. März 2010 berufe, habe bereits das LSG in seinem Urteil vom 24. Februar 2011 ausführlich und zutreffend dargelegt, warum das Gutachten von Prof. Dr. K und die von ihm eingeholten Zusatzgutachten ebensowenig überzeugend eine Erkrankung des Versicherten an einer Polyneuropathie oder Enzephalopathie begründen könnten wie die schon erstinstanzlich vorliegenden Gutachten von Dr. Kund Dr. B Seit Abschluss des Berufungsverfahrens hätten sich keine neuen Erkenntnisse ergeben, so dass auf die ausführlichen und zutreffenden diesbezüglichen Ausführungen des SG im Urteil vom 27. Oktober 2006 (S 67 U8 148/01) und des LSG im Urteil vom 24. Februar 2011 (L 31 Uhr 351/08) verwiesen werde. Aber auch wenn eine Polyneuropathie und/oder Enzephalopathie des Versicherten gesichert wäre, bestünden erhebliche Zweifel an einer Verursachung durch berufliche Expositionen, denn Befunde, die im Zusammenhang mit einer Polyneuropathie oder Enzephalopathie stehen könnten, seien erstmals im Jahr 1997 erhoben worden, wogegen die beruflichen Belastungen durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische bei der Tätigkeit für das Gesundheitsamt Zehlendorf bereits im Jahr 1984 geendet hätten. Zwar spreche nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen ein progredienter Verlauf insbesondere einer Enzephalopathie nach dem Ende der beruflichen Expositionsphasen nicht zwingend gegen die Annahme eines Ursachenzusammenhanges (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 - B2U5/05R -; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, Kap. 5.8.2, Seite 241). Im Streitfall gehe es jedoch nicht nur um die Progredienz einer nach dem Ende von Expositionen im Sinne der BK 1317 schon bestehenden Erkrankung, sondern die Polyneuropathie und Enzephalopathie, unterstellt, sie hätten vorgelegen, seien erst viele Jahre nach dem Ende der letzten Tätigkeit mit Belastungen in relevantem Ausmaß durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische aufgetreten. Ein solcher Verlauf ohne jeden zeitlichen Bezug zwischen Exposition und Erkrankung spreche unter Berücksichtigung der kurzen biologischen Halbwertzeiten neurotisch wirkender organischer Lösungsmittel gegen eine berufliche Verursachung (Schönberger/Mertens/Valentin, a. a. O.). Soweit in den Gutachten von Dr. B, Dr. K und Prof. Dr. K ausgeführt werde, der Versicherte habe bereits lange vor 1997 an einer entsprechenden Erkrankung gelitten, beruhe diese Einschätzung auf einer unkritischen Übernahme unbelegter anamnestischer Angaben des Versicherten. Die These einer "klinisch" bereits vorhandenen Erkrankung ohne klinische Manifestation bei gleichzeitigem Fehlen jeglicher einschlägiger pathologischer und sonstiger Laborbefunde aus der Zeit vor 1997, entziehe sich einer kritischen Überprüfung. Die Gutachter hätten vielmehr trotz Fehlens einschlägiger Befunde allein aufgrund einer als gefährdend beurteilten Exposition auf das Vorhandensein einer Erkrankung geschlossen. Dies könne nicht Grundlage der Anerkennung einer BK sein, wie auch bereits das SG Berlin (S 67 U848/01, Urteil vom 27. Oktober 2006) und das LSG Berlin-Brandenburg (L 31 U351/08, Urteil vom 24. Februar 2011) dargelegt und auch Stellung genommen worden sei zu unbelegt bleibenden, im Widerspruch zu Angaben des Versicherten in anderen Verfahren stehenden Behauptungen, der Versicherte sei auch während seiner Tätigkeit bei der Firma HSB GmbH noch in relevantem Ausmaß Belastungen durch neurotisch wirkende organische Lösungsmittel ausgesetzt gewesen. Es sei auch keine Wie-BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen. Bei dem insoweit geltend gemachten MCS-Syndrom handele es sich nicht um eine in ihrer Diagnostik klar definierte Erkrankung. Vielmehr sei die "multiple chemical sensitivity" nur eine Beschreibung für wiederkehrende multiple Symptome in mehreren Organsystemen, die durch chemische Stoffe in Konzentration weit unterhalb bekannter Wirkschwellen ausgelöst würden, ohne dass es eine allgemein akzeptierte Definition der maßgeblichen klinischen Kriterien gebe (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., Kap. 5.1.19, Seite 160). Die Entstehung des so genannten MCS-Syndroms sei auch weitgehend ungeklärt, diskutiert werde es als arbeits- oder umweltbedingte Störung, aber auch als primär psychisch bedingte (psychosomatische) Störung, ohne dass es bislang gelungen sei, Kausalitätsbeziehungen zu objektivieren. Eine Geeignetheit bestimmter Einwirkungen (und nicht nur jede Form und Art von Einwirkungen chemischer Substanzen und eine sich daraus im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung ergebende signifikant erhöhte Erkrankungsgefahr besonders betroffener Berufe bzw. Berufstätiger) lasse sich für das MCS-Syndrom nicht begründen (Schönberger u. a., a. a. O.). Es gebe auch keine neueren validen wissenschaftlichen Erkenntnisse, aufgrund derer vom Verordnungsgeber eine Aufnahme des MCS-Syndroms in die Liste der anerkennungsfähigen BK‘en ernsthaft diskutiert werde (SG Karlsruhe, Gerichtsbescheid vom 14. Februar 2011 – SO 3945/10 -, unter Bezugnahme auf eine Auskunft des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom Januar 2011).

Gegen das Urteil des SG Berlin vom 26. Oktober 2012 richtet sich die vor dem LSG Berlin-Brandenburg eingelegte Berufung, zu deren Begründung sich die Klägerin weiterhin auf die Gutachten von Prof. Dr. K, Dr. B und Dr. K wonach beim Versicherten mindestens seit 1997 eine Polyneuropathie und eine Enzephalopathie als BK im Sinne des §§ 9 Abs. 1 SGB VII vorgelegen hätten. Das erstinstanzliche Gericht verkenne auch, dass es sich bei dem MCS-Syndrom nicht um eine Phantomkrankheit, sondern um eine Krankheit, die einer BK gleichzustellen sei, handele. Nach dem Gutachten von Prof. Dr. K, Dr. B und Dr. K und den Zusatzgutachten von Diplom-Psychologen K und Dr. M habe sich ein stimmiges Bild einer toxischen Enzephalopathie mindestens im Schweregrad vom Typ 2A sowie eine hirnorganische Enzephalopathie unter Ausschluss von Simulation und Aggravation ergeben. Ferner habe Dr. M eine deutliche fortschreitende Polyneuropathie beim Versicherten festgestellt und ausgeführt, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit diese durch Lösungsmittel im Umgang mit seiner früheren beruflichen Tätigkeit verursacht worden sei. Auf einen genauen Zeitpunkt habe sich der Gutachter nicht festgelegt, aber darauf hingewiesen, dass ein schleichender Beginn mit Hauptmanifestation ab 1997 wahrscheinlich sei. Weiterhin führe Dr. M aus, dass die Erkrankung hauptsächlich auf Exposition gegenüber Lösungsmitteln und zwar auf die berufliche Tätigkeit des Versicherten beim Gesundheitsamt Berlin als Desinfektor und Schädlingsbekämpfer zurückzuführen sei und dass andere außerberufliche Faktoren ausgeschlossen würden.

Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte mit Bescheid vom 04. März 2013 einen weiteren Antrag der Klägerin vom 20. Juli 2012 auf Entschädigungsleistungen, insbesondere Rentenzahlungen, aus Anlass der ‚Lebererkrankung‘ ihres verstorbenen Ehemannes abgelehnt, da die Erkrankung nicht als Versicherungsfall anzuerkennen sei.

Die Klägerin hat klageerweiternd entgegen dem zum Gegenstand des Verfahrens gewordenen Bescheid der Beklagten vom 04. März 2013 die Gewährung einer Rente auf der Grundlage einer MdE von mindestens 20 v. H. begehrt. Die durch die Polyneuropathie und Enzephalopathie bedingte MdE sei mit 50 v. H. zu bewerten. Der Versicherte sei nicht mehr in der Lage gewesen, eine ihm seiner Ausbildung entsprechende und seiner primären Intelligenz entsprechende berufliche Tätigkeit auszuüben. Der Neurologe Dr. M habe mit entsprechenden Literaturhinweisen ausgeführt, dass toxisch bedingten Neuropathien und Enzephalopathien ausgelöst durch Kontakte mit Lösungsmitteln oft verzögert entstünden. Eine Exposition von 20 Jahren sei hierfür nicht erforderlich, erste Symptome träten schon bei leichten schleichenden Belastungen nach fünf Jahren auf. Auch lasse sich ein Rückgang der Beschwerdesymptomatik nach Beendigung der Exposition nicht beweisen und eine Progredienz der Neuropathie und Enzephalopathie schließe eine Verursachung durch toxische Belastungen nicht aus. Prof. Dr. K habe darauf hingewiesen, dass für die Berufsgruppe des Versicherten ein erhebliches Gesundheitsrisiko bestanden habe und dass die eingesetzten Arbeitsstoffe (Pestizide, Lösungsmittel etc.) grundsätzlich geeignet seien, das Krankheitsbild der Polyneuropathie und Enzephalopathie und weitere Symptome zu verursachen. Dies ergebe sich aus den wissenschaftlich anerkannten toxischen Mechanismen der Wirkstoffe. Auch die beim Versicherten aufgetretenen MCS-Symptome ergäben sich konsequent aus neuen wissenschaftlichen Befunden, wonach Phyretroide und Organophosphate die mitrochondriale Atmungskette inhibieren könnten. Prof. Dr. K nehme den Beginn der Erkrankung bereits in der Arbeitsperiode 1972-1984 beim Gesundheitsamt Berlin an, wobei sich die Erkrankung ab 1997 manifestiert habe. Die festgestellten Erkrankungen fielen unter die BK 1317 nach Exposition gegenüber Pestiziden und Lösungsmittel während der Zeit beim Gesundheitsamt Berlin und der Zeit bei der Firma HSP bis 1997. Außerberufliche Faktoren seien nicht erkennbar. Prof. Dr. K bewerte die durch Polyneuropathie und Enzephalopathie bedingte MdE aus fachneurologischer Sicht mit 50 v. H ... Dem Klageerweiterungsantrag gemäß § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG sei zu entsprechen, jedenfalls sei bei Annahme einer Klageänderung auch diese sachdienlich.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 2013 hat die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 04. März 2013 als unbegründet zurückgewiesen, da eine Unfallrente immer das Vorliegen eines Versicherungsfalles voraussetze, beim Versicherten aber, wie bereits ausgeführt, keine BK oder Quasi-BK festzustellen sei. Soweit sich die Begründung des Bescheides vom 04. März 2013 auf eine Lebererkrankung beziehe, handele es sich um einen offensichtlichen Schreibfehler, denn gemeint sei, dass Leistungen aus Anlass der als BK 1317 bzw. Quasi-BK geltend gemachten Erkrankung abgelehnt werde.

Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt, das Urteil des SG Berlin vom 26. Oktober 2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. August 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. März 2009 aufzuheben und die beim Versicherten mindestens seit 1997 bestehende Polyneuropathie und Enzephalopathie als BK nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV festzustellen, ferner, festzustellen, dass außerdem ein MCS-Syndrom wie eine BK nach §§ 9 Abs. 2 SGB VII vorliege, des Weiteren die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 04. März 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27 Juni 2013 zu verurteilen, ihr eine Rente auf der Grundlage einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 v. H. zu gewähren.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält sie für unbegründet, da das SG Berlin im Urteil vom 26. Januar 2012 zu Recht ausgeführt habe, dass ein Versicherungsfall nicht vorliege.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin im schriftlichen Verfahren für einverstanden erklärt (Schreiben vom 15. Oktober und 06. November 2013).

Das Gericht hat mit Beschluss vom 28. Januar 2014 die BGW zum Verfahren gemäß § 75 Abs. 2 SGG beigeladen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, der ebenfalls beigezogenen Streitakten S 67 U 848/01, S 67 RA 1702/01 verwiesen und inhaltlich Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berichterstatterin kann, weil die vorliegende Streitsache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist, in Ausübung des insofern eröffneten richterlichen Ermessens anstelle des Senats im schriftlichen Verfahren ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§§ 155 Abs. 3 und 4, 153 Abs. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 SGG).

Die form- und fristgemäße Berufung der Klägerin als Ehegattin und Sonderrechtsnachfolgerin des Herrn M W (Versicherter - § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I)), hat keinen Erfolg. Das SG Berlin hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 12. August 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. März 2009 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Anerkennung einer mindestens seit 1997 beim Versicherten bestehenden Polyneuropathie und Enzephalopathie als BK 1317 (zu I.) noch auf die Feststellung, dass beim Versicherten außerdem ein MCS-Syndrom wie eine BK nach §§ 9 Abs. 2 SGB VII vorgelegen hat (zu II.). Sie hat auch keinen Anspruch auf Verurteilung der Beklagten, ihr wegen der Folgen der genannten BK/Wie-BK eine Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v. H. zu gewähren (zu III.).

Als Versicherungsfall gilt nach § 7 Abs. 1 SGB VII auch eine BK. BKen sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII erleidet. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann BKen auf bestimmte Gefährdungsbereiche beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten versehen. Gemäß diesen Vorgaben lassen sich bei einer Listen-BK im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten: Die Verrichtung einer versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen o. ä. auf den Körper geführt (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 27. Juni 2006, B 2 U 20/04 R, in juris, Rn. 15). Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden (BSG, Urteil vom 09. Mai 2006, B 2 U 1/05 R, in juris, Rn. 17 f.).

Von der BK 1317 werden Polyneuropathie oder Enzephalopathien durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische erfasst. Nach dem Tatbestand der BK 1317 muss der Versicherte aufgrund einer versicherten Tätigkeit gegenüber organischen Lösungsmitteln oder deren Gemischen exponiert gewesen sein. Durch die spezifischen, der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden besonderen Einwirkungen muss eine Polyneuropathie oder Enzephalopathie entstanden sein und noch bestehen. Zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen muss ein sachlicher Zusammenhang und zwischen diesen Einwirkungen und der Erkrankung muss ein (wesentlicher) Ursachenzusammenhang bestehen.

I. Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben konnte das Gericht nicht im Sinne des erforderlichen Vollbeweises feststellen, dass der Versicherte unter einer Erkrankung, die den Tatbestand der BK 1317 erfüllen würde, nämlich eine Polyneuropathie oder eine Enzephalopathie, gelitten hat. Bereits in vorangegangenen erstinstanzlichen und zweitinstanzlichen Verfahren haben sich das SG Berlin (S 67 U 848/01-, Urteil vom 27. August 2006) und das LSG Berlin-Brandenburg (L 31 U 351/08 -, rechtskräftiges Berufungsurteil vom 24. Februar 2011) ausführlich und gründlich im Rahmen der BK-Tatbestände 1302,1303,1310, die ebenfalls das vollbeweislich gesicherte Vorliegen einer neuropatischen oder enzephalopathischen Erkrankung erfordern, auseinandergesetzt. In diesem Zusammenhang wurden auch sämtliche, von der Klägerin insbesondere auch in diesem Berufungsverfahren nochmals in Bezug genommenen Gutachten von Dr. K vom 5. August 2005, Dr. B vom 21. September 2006 einschließlich des psychologischen Zusatzgutachtens des Dipl.-Psych. K vom 14. September 2006 ausführlich gewürdigt. Es wird insoweit auf die Darstellung im Tatbestand dieses Urteils verwiesen.

Auch im vorliegenden Verfahren geht es streitentscheidend darum, ob bei dem Versicherten eine Polyneuropathie oder eine Enzephalopathie als im Sinne des Vollbeweises gesichert festgestellt werden kann. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass sich das erstinstanzliche Gericht in seinem Urteil vom 26. Oktober 2012 auch im Rahmen der Prüfung des Vorliegens der BK 1317 zur Begründung u. a. auch auf die in den vorbezeichneten Verfahren gewonnenen medizinischen Erkenntnisse bezieht und sich diese nach eigener Überprüfung zu eigen macht. Das SG hat in Würdigung der vorliegenden medizinischen Unterlagen und eingeholten medizinischen Gutachten zutreffend festgestellt, dass nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (Vollbeweis) feststehe, dass der Versicherte unter einer Polyneuropathie oder Enzephalopathie gelitten habe, wie dies vom Tatbestand der BK 1317 gefordert werde, und dass die von den Gutachtern Dr. K Dr. B und Professor Dr. K vertretene entgegenstehende Annahme einer derartiger Erkrankung des Versicherten vor 1997 mangels einschlägiger pathologischer und sonstiger Befunde (z.B. Laborbefunde) aus der Zeit vor 1997 nicht belegt sei; die Gutachter vielmehr allein aufgrund einer als gefährdend beurteilten Exposition auf das Vorhandensein einer derartigen Erkrankung geschlossen hätten.

Das Gericht verweist daher zunächst auf die ausführlichen, alle medizinischen Aspekte würdigenden Entscheidungsgründe des SG Berlin im Urteil vom 26. Oktober 2012, denen es sich nach eigener Überprüfung anschließt (§ 153 Abs. 2 SGG). Entgegen der Auffassung der Klägerin ergeben die auf Antrag des Versicherten bzw. der Klägerin nach § 109 SGG in den verschiedenen Gerichtsverfahren eingeholten Gutachten des Nervenarztes Dr. B (vom 21. September 2006) und des Dr. rer. nat. K (vom 05. August 2005) nebst Zusatzgutachten von Dipl.-Psych. K (vom 14. September 2006), ferner des Neurologen Prof. Dr. (vom 22. Juni 2010) und des Neurologen und Psychiaters Dr. M (vom 02. Juni 2010) auch in ihrer Gesamtschau kein sicheres und stimmiges Bild einer toxischen Enzephalopathie sowie einer hirnorganische Enzephalopathie.

So hat Dr. rer. nat. K zwar ausgeführt, dass eine Verursachung des beim Versicherten vorliegenden chronischen Erschöpfungszustandes mit einem neurasthenischen Syndrom durch die von ihm bis 1984 verwendeten Arbeitsstoffe möglich sei, hat sich jedoch nicht auf eine überwiegende Wahrscheinlichkeit festlegen wollen. Vielmehr schließt der Sachverständige von einer Expositionshöhe auf die Wahrscheinlichkeit einer dadurch hervorgerufenen Erkrankung, wobei er einräumt, dass der Grad der Wahrscheinlichkeit nicht konkret bestimmt werden könne, er aber gleichwohl die beruflichen Faktoren als wesentliche Ursache einer Erkrankung i. S. der BK 1.3.2002 annimmt. Das neurologische Gutachten von Dr. B vermag das Begehren der Klägerin schon deshalb nicht zu stützen, weil es im Rentenverfahren vor dem SG Berlin (S 16 RA 1702/01) mit anderer Fragestellung eingeholt worden ist, der Gutachter selbst darauf hinweist, dass - anders als im Recht der Unfallversicherung - nicht die Frage der Verursachung der festgestellten Schäden (u. a. eine Polyneuropathie sowie ein MCS-Syndrom) im Vordergrund stehe, sondern die Restleistungsfähigkeit des Versicherten. Vor allem aber ist das Gutachten in seiner Aussagekraft eingeschränkt, weil es weder eine verwertbare Anamnese noch eine schlüssige Begründung des Ergebnisses enthält, sondern sich weitgehend auf subjektive Berichte und testpsychologische Untersuchungen stützt. Es kann insoweit auf die zutreffenden Ausführungen im Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 28. April 2011 (L 17 R7 140/07) Bezug genommen werden. Soweit sich die Klägerin schließlich auf das auf Antrag des Versicherten nach § 109 SGG eingeholte Gutachten des Neurologen Prof. Dr. nebst von diesem eingeholte Zusatzgutachten des Neurologen, Psychiaters und Neurochirurgen Dr. M beruft, vermag auch vermögen auch diese Gutachten nicht zu überzeugen. Hierzu hat bereits das LSG Berlin-Brandenburg im Urteil vom 24. Februar 2011 (L 31 U351/08) überzeugend darauf hingewiesen, dass die dort gestellte Diagnose einer Polyneuropathie oder Enzephalopathie im Widerspruch zu dem zeitnah zum vorgetragenen Beginn der Krankheitserscheinungen in 1997 eingeholten Gutachten von Professor Dr. E (Dr. M/T) stehe und des Weiteren jegliche Auseinandersetzung mit den Feststellungen zur Exposition schädlicher Stoffe durch den Präventionsdienst der BGW fehle.

Im vorliegenden Verfahren hat sich das SG Berlin im angefochtenen Urteil vom 26. Oktober 2012 auch ausführlich mit Fragen einer Verursachung der geltend gemachten Erkrankungen durch berufliche Expositionen gegenüber organischen Lösungsmitteln und oder deren Gemischen auseinandergesetzt und nachvollziehbar dargelegt, dass Befunde, die überhaupt in Zusammenhang mit einer Polyneuropathie oder Enzephalopathie stehen könnten, erstmals im Jahr 1997 erhoben worden seien, die beruflichen Belastungen bei der Tätigkeit für das Gesundheitsamt Zehlendorf aber bereits im Jahr 1984 geendet hätten. Das SG hat in diesem Zusammenhang auch der Weiterentwicklung der medizinischen Erkenntnisse zum Verlauf einer Enzephalopathie nach dem Ende beruflicher Expositionszeiten unter Würdigung des einschlägigen medizinischen Schrifttums (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., 8. Auflage 2010, 5.8.2., Seite 241) auseinandergesetzt und nachvollziehbar dargelegt, dass auch nach neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht hinreichend wahrscheinlich sei, dass die betreffenden Erkrankungen erst viele Jahre nach dem Ende der letzten belastenden Tätigkeit auftreten sollten. Eine jahrelange Latenzzeit zwischen der beruflichen Exposition und dem Auftreten der Erkrankung lässt denn auch nach der zitierten unfallmedizinischen Literatur einen ursächlichen Zusammenhang unwahrscheinlich erscheinen. Grundsätzlich besteht ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der krankmachenden Exposition und dem Krankheitsbeginn, d. h. die Krankheit entwickelt sich während oder kurz nach der Exposition. Ein längeres Intervall zwischen letzter Exposition und Krankheitsbeginn ist toxikologisch nicht plausibel, was auch auf die kurzen biologischen Halbwertszeiten der neurotoxischen Lösungsmittel zurückzuführen ist (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., 5.8.2. S. 241; BK-Report 2/2007, BK 1317, Nr. 3.4 S. 129; Mehrtens/Brandenburg, a. a. O., M 1317 Randnr. 2). Zwar kann eine toxische Polyneurophatie nach Expositionsende zeitlich begrenzt über wenige Monate eine Verschlechterung der Symptomatik zeigen. Langfristig kommt es jedoch nicht zu einer weiteren Verschlechterung, sondern grundsätzlich zu einer weitestgehenden Rückbildung der klinischen und neurologischen Symptomatik (vgl. das Merkblatt zur BK 1317, a. a. O., unter III. Krankheitsbild und Diagnose). Mit dieser Einschätzung steht das Gericht auch im Einklang mit der Rechtsprechung des BSG, welches zur Beurteilung der Zusammenhangsfrage ebenfalls auf das vorzitierte Merkblatt BArbBl. 2005 H.3 S. 49 abstellt (vgl. Urteil des BSG vom 27. Juni 2006 – B 2 U 45/05 R -, in juris, Rdnr. 18).

II. Zutreffend hat das erstinstanzliche Gericht unter Bezugnahme auf die Ausführungen der Beklagten im Bescheid vom 12. August 2008 und im Widerspruchsbescheid vom 26. März 2009 auch die Feststellung der MCS-Erkrankung des Versicherten als eine "Wie-BK" abgelehnt. Nach § 9 Abs. 2 SGB VII haben die Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der BKV bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung in der BKV erfüllt sind. Erforderlich hierzu wäre, dass der Versicherte zu einer bestimmten Berufsgruppe gehörte, die durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt gewesen ist (Einwirkungshäufigkeit) und die nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft geeignet wäre, eine MCS-Erkrankung hervorzurufen (generelle Geeignetheit). Das Tatbestandsmerkmal der "gruppenspezifischen Risikoerhöhung" wäre dann als erfüllt anzusehen, wenn hinreichende Feststellungen in Form medizinischer Erkenntnisse dafür getroffen wären, dass die betreffende Personengruppe durch ihre Arbeit Einwirkungen ausgesetzt wäre, mit denen die übrige Bevölkerung nicht in diesem Maß in Kontakt käme Ob eine Krankheit innerhalb einer bestimmten Personengruppe im Rahmen der versicherten Tätigkeit häufiger auftritt als bei der übrigen Bevölkerung, erfordert regelmäßig den Nachweis einer Fülle gleichartiger Gesundheitsbeeinträchtigungen und eine langfristige zeitliche Überwachung derartiger Krankheitsbilder, um hieraus Schlüsse ziehen zu können, dass die Ursache der Erkrankung in einem schädigenden Arbeitsleben liegt (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 08. Oktober 2004 - L 1 U 2104/03 – m.w.N., in juris). "Neu" im Sinne des § 9 Abs. 2 SGB VII sind medizinische Erkenntnisse, wenn sie sich nach der letzten diesbezüglichen Prüfung durch den Verordnungsgeber bzw. den ihn beratenden Ärztlichen Sachverständigenbeirat entwickelt oder im Sinne eines generellen Kausalzusammenhangs verdichtet haben (vgl. Nehls in Hauck/Noftz, SGB VII, § 9 Rn. 38f und Brandenburg in juris-PK SGB VII, 1. Aufl. 2009, § 9 Rn. 100). Die Auffassung einzelner Wissenschaftler begründet indes noch keine "neuen Erkenntnisse" (vgl. Schmitt, SGB VII, 4. Aufl. 2009, § 9, Rn. 21; vgl. BT-Drucks. 13/2204, S. 78).

Bei dem MCS-Syndrom handelt es sich nicht um eine in ihrer Diagnose klar definierte Erkrankung. Nach einschlägiger medizinischer Lehre (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., 5.1.19., Seite 160) beschreibt das MCS-Syndrom letztlich eine Fülle von wiederkehrenden vielfältigen Symptomen in mehreren Organsystemen, die durch chemische Stoffe in Konzentration weit unterhalb bekannter Wirkschwellen ausgelöst würden, ohne dass es eine allgemein akzeptierte Definition der maßgeblichen klinischen Kriterien gebe (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 262. Aufl. Stichwort "Sensibilität, multiple chemische"). Erstere werden durch wahrnehmbare Expositionen gegenüber einer Vielzahl unterschiedlicher, chemisch nicht verwandter Stoffe ausgelöst (z.B. Chemikalien aus Holz, Fußböden, Lacken, Farben, Papier, Reinigungsmitteln, Lösungsmitteln, Kosmetika, Duftstoffen, Metallen, Treibstoffen), deren Konzentrationen weit unterhalb bekannter toxischer Wirkungsquellen liegen. Sowohl die Zahl der reaktionsauslösenden Substanzen als auch die Vielfalt der erlebten Symptome tendiere im Krankheitsverlauf zur Zunahme (vgl. Hausteiner in ASU 2008, 278; Koch in MedSach 2007, 61). Kausalitätsbeziehungen zwischen einer MCS und berufsbedingten Einwirkungen bei bestimmten Berufsgruppen könnten bislang jedoch mangels messbarer und reproduzierbarer gesundheitlicher Effekte nicht objektiviert werden. Vor diesem Hintergrund kann ein kaum eingrenzbares Krankheitsbild wie die MCS als mögliche Folge einer fast beliebig ausweitbaren (Schad-)Stoffexposition wegen der besonderen Bedingungen des BK-Rechts derzeit nicht für eine Aufnahme in die BKV anerkannt werden. Denn insbesondere die "generelle Eignung" der unterschiedlichsten Stoffkombinationen für die Verursachung von in unterschiedlichen Ausprägungen und Formen auftretenden Krankheitsbildern ist bei derartigen Fallgestaltungen nicht zu belegen. Auch hat sich der Ärztliche Sachverständigenbeirat "Berufskrankheiten" beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales bislang nicht mit dieser Problematik befasst. Da die Entstehung des MCS-Syndroms somit bislang wissenschaftlich nicht gesichert ist, ist es auch nicht möglich, diesem Krankheitsbild, bei dem ein erheblicher psychischer Einfluss vermutet wird, mit der erforderlichen Gewissheit einen bestimmenden Einfluss durch eine berufliche Exposition von bestimmten Substanzen zuzuschreiben (vgl. zu alledem Bayerisches LSG, Urteile vom 18. Oktober 2007 - L 3 U 267/03 -, vom 12. Januar 2005 - L 2 U 66/03; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13. Februar 2004 - L 4 U 43/03, LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 05. Februar 2003 - L 10 U 338/02 - und vom 21. Juni 2013 - L 1 U 3109/11 -, SG Karlsruhe, Gerichtsbescheid vom 14. Februar 2011, S 1 U 3954/10, unter Bezugnahme auf eine Auskunft des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom Januar 2011, alle in juris; ferner Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 160).

III. Da es nach alledem an einem zu entschädigenden Versicherungsfall fehlt, kommt auch eine Verurteilung der Beklagten, der Klägerin wegen der Folgen der BK 1317/"Wie-BK" nach § 9 Abs. 2 SGB VII eine Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v. H. zu gewähren, nicht in Betracht, wobei dahinstehen kann, ob dieser Klageantrag im Sinne einer Klageerweiterung gemäß § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG oder im Sinne einer Einbeziehung des Bescheids vom 04. März 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 2013 gemäß § 96 Abs. 1 SGG als Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens zu würdigen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs. 2 SGG vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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