Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
10
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 10 AY 147/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die rückwirkende Gewährung von Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) im Sinne des § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) für die Zeit von Januar 2006 bis August 2008. Der Kläger ist irakischer Staatsangehöriger und erhielt von der Beklagten seit Juni 2002 Leistungen nach § 3 AsylbLG. Die Bewilligung der laufenden Leistungen erfolgte mit Bescheid vom 10.06.2002. Am 16.03.2007 wurden die laufenden Leistungen eingestellt, da der Kläger unbekannten Aufenthaltes war. Mit Bescheid vom 06.09.2007 wurde die Bewilligung der laufenden Leistungen nach § 3 AsylbLG wieder aufgenommen. In der Zwischenzeit hatte sich der Kläger von März bis September 2007 in Schweden aufgehalten. Weitere Leistungsbewilligungen erfolgten mit Bescheiden vom 17.09.2007, 28.04.2008, 29.04.2008, 01.07.2008 und 11.08.2008. Mit Wirkung vom 26.06.2008 wurde die Feststellung getroffen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich des Herkunftslandes des Klägers vorliegen und er erhielt einen Reiseausweis für Flüchtlinge mit einem Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 AufenthG. Mit Bescheid vom 09.09.2008 wurden die laufenden Leistungen nach dem AsylbLG wegen Wegfalls der Leistungsberechtigung nach dem AsylbLG zum 01.09.2008 eingestellt. Im September 2008 ist der Kläger nach C verzogen und erhält von dort Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Am 01.02.2010 stellte der Kläger einen Antrag auf Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG rückwirkend zum 01.01.2006 gemäß § 44 Abs. 1, 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Die Beklagte zog eine Stellungnahme der zuständigen Ausländerbehörde bei, wonach der Kläger wegen fehlender Mitwirkung bei der Passbeschaffung, Nichterscheinen bei Terminen der Ausländerbehörde sowie durch Untertauchen rechtsmissbräuchlich seine Ausreise verzögert habe. Mit Bescheid vom 17.11.2010 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf rückwirkende Leistungen nach § 2 AsylbLG ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Voraussetzungen des § 2 AsylbLG seien nicht gegeben, da der Kläger wegen fehlender Mitwirkung bei der Passbeschaffung, Nichterscheinen bei Terminen der Ausländerbehörde sowie längerfristigen Untertauchens aus Gründen, die er selbst zu vertreten habe, seine Ausreise verzögere. Der Widerspruch gegen diesen Bescheid wurde mit Widerspruchsbescheid vom 02.11.2011 zurückgewiesen. Die Voraussetzungen des § 2 AsylbLG seien nicht erfüllt, da der Kläger die Dauer seines Aufenthaltes rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst habe. Er habe zum einen durch die Verwendung von Alias-Namen über seine Identität getäuscht und habe es unterlassen, bei der Passbeschaffung mitzuwirken und der Ausländerbehörde einen Pass oder Dokumente vorzulegen, welche seine Identität belegen könnten. Dagegen richtet sich die am 05.12.2011 erhobene Klage, mit der der Kläger rückwirkend ab dem 01.01.2006 Analogleistungen nach § 2 AsylbLG begehrt. Der Kläger ist der Ansicht, er habe die Dauer seines Aufenthaltes bereits deswegen nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst, weil kein von ihm zu vertretendes Ausreisehindernis vorgelegen habe. Seitens der Bundesrepublik Deutschland seien im fraglichen Zeitraum keine Abschiebungen in den Irak vorgenommen worden. Es sei lediglich eine freiwillige Ausreise möglich gewesen, was jedoch für die Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Verlängerung der Aufenthaltsdauer nicht genüge. Zur Frage der durchgehend vorliegenden Bedürftigkeit des Klägers wird vorgetragen, er habe nach dem Bezug von Leistungen nach dem AsylbLG Leistungen nach dem SGB II durch das Jobcenter Bielefeld bezogen. Während des Aufenthaltes in Schweden von März bis September 2007 habe er dort Sozialleistungen erhalten.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 17.11.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.11.2011 zu verurteilen, ihm unter Abänderung der Bescheide vom 10.06.2002, 06.09.2007, 17.09.2007, 28.04.2008, 29.04.2008, 01.07.2008 und 11.08.2008 für die Zeit vom 01.01.2006 bis zum 31.08.2008 Leistungen nach § 2 AsylbLG zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dem Kläger stünden keine Analogleistungen nach § 2 AsylbLG zu, da er die Dauer seines Aufenthaltes missbräuchlich verlängert habe. Der Kläger habe durch fehlende Mitwirkung bei der Passbeschaffung und Feststellung seiner Identität und Herkunft, Nichterscheinen bei Terminen der Ausländerbehörde sowie durch Untertauchen rechtsmissbräuchlich und schuldhaft gehandelt. Im Übrigen sei für die nachträgliche Leistungserbringung im Sinne des § 44 SGB X Voraussetzung, dass bei dem Kläger Bedürftigkeit im Sinne des AsylbLG oder des SGB II oder SGB XII ununterbrochen fortbestehe. Der Kläger habe sich aber vom 16.03.2007 bis 06.09.2007 nicht im Leistungsbezug befunden, so dass von einer ununterbrochenen Bedürftigkeit nicht auszugehen sei. Die Beteiligten haben sich schriftsätzlich mit einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Ausländerakten, der Gerichtsakten S 6 AY 89/11 und S 6 AY 162/10, der Akten des Jobcenter Bielefeld sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, deren Inhalt zur Entscheidungsfindung beigetragen hat.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, da sich die Beteiligten in den Schriftsätzen vom 20.12.2013 und 22.01.2014 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt haben.
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid vom 17.11.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.11.2011 nicht beschwert im Sinne des § 54 Absatz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn dieser Bescheid ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme der Leistungsbewilligungsbescheide für die Zeit vom 01.01.2006 bis 31.08.2008 gemäß § 44 SGB X und nachträgliche Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG.
Nach § 44 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.
§ 44 SGB X findet gemäß § 9 Abs. 3 AsylbLG auch auf die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz Anwendung (vgl. auch Urteil des BSG von 17.06.2008, Az.: B 8 AY 5/07 R).
Ob die Leistungsbewilligungsbescheide für die Zeit vom 01.01.2006 bis 31.08.2008 aus dem Grunde rechtswidrig sind, weil dem Kläger ein Anspruch auf Leistungen nach § 2 AsylbLG anstatt der nach § 3 AsylbLG gewährten Leistungen zugestanden hat, kann hier dahinstehen. Ein Anspruch auf Nachzahlung von Leistungen nach § 44 Abs. 4 SGB X kommt jedenfalls nicht in Betracht, da der Kläger nicht durchgehend im Leistungsbezug nach dem AsylbLG, dem SGB II oder SGB XII gestanden hat.
Das Bundessozialgericht (Urteil vom 20.12.2012, Az.: B 7 AY 4/11 R) hat unter Fortführung der Rechtsprechung für das Sozialhilferecht ausgeführt, es genüge für einen Anspruch auf rückwirkende Erbringung von Leistungen nach § 44 SGB X auch nach dem AsylbLG nicht, dass bei Erlass der bestandskräftigen Verwaltungsakte Leistungen zu Unrecht vorenthalten worden seien. Unter Berücksichtigung des § 44 Abs. 4 SGB X müsse vielmehr den Besonderheiten des jeweiligen Leistungsrechts Rechnung getragen und berücksichtigt werden, dass die Leistungen nach dem AsylbLG ebenso wie die Sozialhilfe nur der Behebung einer gegenwärtigen Notlage dienten (BSG SozR 4-1300 § 44 Nr 22 RdNr 13) und deshalb für zurückliegende Zeiten nur dann zu erbringen seien, wenn die Leistungen ihren Zweck noch erfüllen könnten (vgl. hierzu auch BSGE 101, 49 ff RdNr 49 = SozR 4-3520 § 2 Nr 2). Da dies nur der Fall ist, wenn die Bedürftigkeit fortbesteht, also nicht temporär oder auf Dauer entfallen ist, scheidet eine Nachzahlung im Verfahren nach § 44 SGB X bei Wegfall der Bedürftigkeit grundsätzlich aus (BSG SozR 4-1300 § 44 Nr 22 RdNr 20; BSGE 104, 213 ff RdNr 21 = SozR 4-1300 § 44 Nr 20). Bei zu erbringenden Monatsleistungen genügt ein Entfallen für einen Monat. An einer fortbestehenden, gegenwärtigen Notlage fehlt es aber nicht nur dann, wenn der (ursprünglich) dem Leistungsregime des AsylbLG unterfallende Ausländer durch Erzielung eines entsprechenden Einkommens oder durch den Erwerb von Vermögen nicht mehr bedürftig ist. Von einem Wegfall der Bedürftigkeit ist vielmehr nach der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 22.10.2012, Az.: L 20 AY 70/12 B) auch dann auszugehen, wenn der Asylbewerber das Bundesgebiet verlassen hat; denn Zweck der Leistungen nach dem AsylbLG ist es, Asylbewerbern während der Dauer ihrer Leistungsberechtigung ein Leben unter menschenwürdigen Bedingungen im Bundesgebiet sicherzustellen. Bedürftigkeit im Sinne des AsylbLG und damit eine aktuelle Notlage kann daher nur vorliegen, solange der Antragsteller dem Leistungsregime des AsylbLG tat- sächlich noch unterfällt. Dies wiederum setzt aber gemäß § 1 Abs. 1 AsylbLG zwingend voraus, dass er sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhält. Vorliegend hat sich der Kläger in der Zeit vom 16.03.2007 bis zum 05.09.2007 im Ausland, nämlich in Schweden, aufgehalten. In dieser Zeit ist vom Wegfall seiner Bedürftigkeit auszugehen, da er das Bundesgebiet verlassen hat. Ob der Kläger während des Aufenthalts im Ausland in der Lage war, seinen Lebensunterhalt alleine zu bestreiten, ist nicht entscheidungserheblich. Ausreichend für einen Wegfall der fortbestehenden Bedürftigkeit, der nach der Rechtsprechung des BSG einen Anspruch auf nachträgliche Leistungsgewährung nach § 44 Abs. 1, 4 SGB X ausschließt, ist bereits, dass sich der Kläger über mehrere Monate nicht im Bundesgebiet aufgehalten hat und damit nicht dem Leistungsregime des AsylbLG unterfallen ist. Eine aktuelle, nach dem AsylbLG zu beachtende Notlage, lag für diesen Zeitraum nicht vor. Da der Anspruch des Klägers auf nachträgliche Leistungsgewährung nach § 44 Abs. 1, 4 SGB X aufgrund des zwischenzeitlichen Wegfalls der Bedürftigkeit nicht besteht, kann hier dahinstehen, ob er in der Zeit vom 01.01.2006 bis 31.08.2008 die Dauer seines Aufenthaltes im Sinne des § 2 Abs. 1 AsylbLG rechtmissbräuchlich selbst beeinflusst hat. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die rückwirkende Gewährung von Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) im Sinne des § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) für die Zeit von Januar 2006 bis August 2008. Der Kläger ist irakischer Staatsangehöriger und erhielt von der Beklagten seit Juni 2002 Leistungen nach § 3 AsylbLG. Die Bewilligung der laufenden Leistungen erfolgte mit Bescheid vom 10.06.2002. Am 16.03.2007 wurden die laufenden Leistungen eingestellt, da der Kläger unbekannten Aufenthaltes war. Mit Bescheid vom 06.09.2007 wurde die Bewilligung der laufenden Leistungen nach § 3 AsylbLG wieder aufgenommen. In der Zwischenzeit hatte sich der Kläger von März bis September 2007 in Schweden aufgehalten. Weitere Leistungsbewilligungen erfolgten mit Bescheiden vom 17.09.2007, 28.04.2008, 29.04.2008, 01.07.2008 und 11.08.2008. Mit Wirkung vom 26.06.2008 wurde die Feststellung getroffen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich des Herkunftslandes des Klägers vorliegen und er erhielt einen Reiseausweis für Flüchtlinge mit einem Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 AufenthG. Mit Bescheid vom 09.09.2008 wurden die laufenden Leistungen nach dem AsylbLG wegen Wegfalls der Leistungsberechtigung nach dem AsylbLG zum 01.09.2008 eingestellt. Im September 2008 ist der Kläger nach C verzogen und erhält von dort Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Am 01.02.2010 stellte der Kläger einen Antrag auf Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG rückwirkend zum 01.01.2006 gemäß § 44 Abs. 1, 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Die Beklagte zog eine Stellungnahme der zuständigen Ausländerbehörde bei, wonach der Kläger wegen fehlender Mitwirkung bei der Passbeschaffung, Nichterscheinen bei Terminen der Ausländerbehörde sowie durch Untertauchen rechtsmissbräuchlich seine Ausreise verzögert habe. Mit Bescheid vom 17.11.2010 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf rückwirkende Leistungen nach § 2 AsylbLG ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Voraussetzungen des § 2 AsylbLG seien nicht gegeben, da der Kläger wegen fehlender Mitwirkung bei der Passbeschaffung, Nichterscheinen bei Terminen der Ausländerbehörde sowie längerfristigen Untertauchens aus Gründen, die er selbst zu vertreten habe, seine Ausreise verzögere. Der Widerspruch gegen diesen Bescheid wurde mit Widerspruchsbescheid vom 02.11.2011 zurückgewiesen. Die Voraussetzungen des § 2 AsylbLG seien nicht erfüllt, da der Kläger die Dauer seines Aufenthaltes rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst habe. Er habe zum einen durch die Verwendung von Alias-Namen über seine Identität getäuscht und habe es unterlassen, bei der Passbeschaffung mitzuwirken und der Ausländerbehörde einen Pass oder Dokumente vorzulegen, welche seine Identität belegen könnten. Dagegen richtet sich die am 05.12.2011 erhobene Klage, mit der der Kläger rückwirkend ab dem 01.01.2006 Analogleistungen nach § 2 AsylbLG begehrt. Der Kläger ist der Ansicht, er habe die Dauer seines Aufenthaltes bereits deswegen nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst, weil kein von ihm zu vertretendes Ausreisehindernis vorgelegen habe. Seitens der Bundesrepublik Deutschland seien im fraglichen Zeitraum keine Abschiebungen in den Irak vorgenommen worden. Es sei lediglich eine freiwillige Ausreise möglich gewesen, was jedoch für die Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Verlängerung der Aufenthaltsdauer nicht genüge. Zur Frage der durchgehend vorliegenden Bedürftigkeit des Klägers wird vorgetragen, er habe nach dem Bezug von Leistungen nach dem AsylbLG Leistungen nach dem SGB II durch das Jobcenter Bielefeld bezogen. Während des Aufenthaltes in Schweden von März bis September 2007 habe er dort Sozialleistungen erhalten.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 17.11.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.11.2011 zu verurteilen, ihm unter Abänderung der Bescheide vom 10.06.2002, 06.09.2007, 17.09.2007, 28.04.2008, 29.04.2008, 01.07.2008 und 11.08.2008 für die Zeit vom 01.01.2006 bis zum 31.08.2008 Leistungen nach § 2 AsylbLG zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dem Kläger stünden keine Analogleistungen nach § 2 AsylbLG zu, da er die Dauer seines Aufenthaltes missbräuchlich verlängert habe. Der Kläger habe durch fehlende Mitwirkung bei der Passbeschaffung und Feststellung seiner Identität und Herkunft, Nichterscheinen bei Terminen der Ausländerbehörde sowie durch Untertauchen rechtsmissbräuchlich und schuldhaft gehandelt. Im Übrigen sei für die nachträgliche Leistungserbringung im Sinne des § 44 SGB X Voraussetzung, dass bei dem Kläger Bedürftigkeit im Sinne des AsylbLG oder des SGB II oder SGB XII ununterbrochen fortbestehe. Der Kläger habe sich aber vom 16.03.2007 bis 06.09.2007 nicht im Leistungsbezug befunden, so dass von einer ununterbrochenen Bedürftigkeit nicht auszugehen sei. Die Beteiligten haben sich schriftsätzlich mit einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Ausländerakten, der Gerichtsakten S 6 AY 89/11 und S 6 AY 162/10, der Akten des Jobcenter Bielefeld sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, deren Inhalt zur Entscheidungsfindung beigetragen hat.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, da sich die Beteiligten in den Schriftsätzen vom 20.12.2013 und 22.01.2014 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt haben.
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid vom 17.11.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.11.2011 nicht beschwert im Sinne des § 54 Absatz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn dieser Bescheid ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme der Leistungsbewilligungsbescheide für die Zeit vom 01.01.2006 bis 31.08.2008 gemäß § 44 SGB X und nachträgliche Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG.
Nach § 44 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.
§ 44 SGB X findet gemäß § 9 Abs. 3 AsylbLG auch auf die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz Anwendung (vgl. auch Urteil des BSG von 17.06.2008, Az.: B 8 AY 5/07 R).
Ob die Leistungsbewilligungsbescheide für die Zeit vom 01.01.2006 bis 31.08.2008 aus dem Grunde rechtswidrig sind, weil dem Kläger ein Anspruch auf Leistungen nach § 2 AsylbLG anstatt der nach § 3 AsylbLG gewährten Leistungen zugestanden hat, kann hier dahinstehen. Ein Anspruch auf Nachzahlung von Leistungen nach § 44 Abs. 4 SGB X kommt jedenfalls nicht in Betracht, da der Kläger nicht durchgehend im Leistungsbezug nach dem AsylbLG, dem SGB II oder SGB XII gestanden hat.
Das Bundessozialgericht (Urteil vom 20.12.2012, Az.: B 7 AY 4/11 R) hat unter Fortführung der Rechtsprechung für das Sozialhilferecht ausgeführt, es genüge für einen Anspruch auf rückwirkende Erbringung von Leistungen nach § 44 SGB X auch nach dem AsylbLG nicht, dass bei Erlass der bestandskräftigen Verwaltungsakte Leistungen zu Unrecht vorenthalten worden seien. Unter Berücksichtigung des § 44 Abs. 4 SGB X müsse vielmehr den Besonderheiten des jeweiligen Leistungsrechts Rechnung getragen und berücksichtigt werden, dass die Leistungen nach dem AsylbLG ebenso wie die Sozialhilfe nur der Behebung einer gegenwärtigen Notlage dienten (BSG SozR 4-1300 § 44 Nr 22 RdNr 13) und deshalb für zurückliegende Zeiten nur dann zu erbringen seien, wenn die Leistungen ihren Zweck noch erfüllen könnten (vgl. hierzu auch BSGE 101, 49 ff RdNr 49 = SozR 4-3520 § 2 Nr 2). Da dies nur der Fall ist, wenn die Bedürftigkeit fortbesteht, also nicht temporär oder auf Dauer entfallen ist, scheidet eine Nachzahlung im Verfahren nach § 44 SGB X bei Wegfall der Bedürftigkeit grundsätzlich aus (BSG SozR 4-1300 § 44 Nr 22 RdNr 20; BSGE 104, 213 ff RdNr 21 = SozR 4-1300 § 44 Nr 20). Bei zu erbringenden Monatsleistungen genügt ein Entfallen für einen Monat. An einer fortbestehenden, gegenwärtigen Notlage fehlt es aber nicht nur dann, wenn der (ursprünglich) dem Leistungsregime des AsylbLG unterfallende Ausländer durch Erzielung eines entsprechenden Einkommens oder durch den Erwerb von Vermögen nicht mehr bedürftig ist. Von einem Wegfall der Bedürftigkeit ist vielmehr nach der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 22.10.2012, Az.: L 20 AY 70/12 B) auch dann auszugehen, wenn der Asylbewerber das Bundesgebiet verlassen hat; denn Zweck der Leistungen nach dem AsylbLG ist es, Asylbewerbern während der Dauer ihrer Leistungsberechtigung ein Leben unter menschenwürdigen Bedingungen im Bundesgebiet sicherzustellen. Bedürftigkeit im Sinne des AsylbLG und damit eine aktuelle Notlage kann daher nur vorliegen, solange der Antragsteller dem Leistungsregime des AsylbLG tat- sächlich noch unterfällt. Dies wiederum setzt aber gemäß § 1 Abs. 1 AsylbLG zwingend voraus, dass er sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhält. Vorliegend hat sich der Kläger in der Zeit vom 16.03.2007 bis zum 05.09.2007 im Ausland, nämlich in Schweden, aufgehalten. In dieser Zeit ist vom Wegfall seiner Bedürftigkeit auszugehen, da er das Bundesgebiet verlassen hat. Ob der Kläger während des Aufenthalts im Ausland in der Lage war, seinen Lebensunterhalt alleine zu bestreiten, ist nicht entscheidungserheblich. Ausreichend für einen Wegfall der fortbestehenden Bedürftigkeit, der nach der Rechtsprechung des BSG einen Anspruch auf nachträgliche Leistungsgewährung nach § 44 Abs. 1, 4 SGB X ausschließt, ist bereits, dass sich der Kläger über mehrere Monate nicht im Bundesgebiet aufgehalten hat und damit nicht dem Leistungsregime des AsylbLG unterfallen ist. Eine aktuelle, nach dem AsylbLG zu beachtende Notlage, lag für diesen Zeitraum nicht vor. Da der Anspruch des Klägers auf nachträgliche Leistungsgewährung nach § 44 Abs. 1, 4 SGB X aufgrund des zwischenzeitlichen Wegfalls der Bedürftigkeit nicht besteht, kann hier dahinstehen, ob er in der Zeit vom 01.01.2006 bis 31.08.2008 die Dauer seines Aufenthaltes im Sinne des § 2 Abs. 1 AsylbLG rechtmissbräuchlich selbst beeinflusst hat. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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