Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KR 210/14 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 1097/14 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 05.02.2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt die Gewährung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes.
Der 1956 geborene Antragsteller bezieht Rente wegen voller Erwerbsminderung sowie Sozialhilfe; er ist bei der Antragsgegnerin freiwillig versichert.
Vom 22.01.2010 bis 16.02.2010 absolvierte der Antragsteller (auf Kosten der Krankenkasse) eine stationäre Rehabilitationsbehandlung im S., B. W ... Am 17.02.2013 erlitt er einen Unfall. Deswegen wurde der Antragsteller vom 17.02.2013 bis 25.02.2013 im Kreiskrankenhaus S. stationär behandelt. Im Entlassungsbericht vom 28.02.2013 sind die Diagnosen Commotio cerebri mit hirnorganischem Psychosyndrom, Prellung des oberen Sprunggelenks rechts und Prellung sternal festgehalten; der Antragsteller werde bei gebesserten Beschwerden und leicht reduziertem Allgemeinzustand in sein häusliches Umfeld entlassen.
Nachdem der Allgemeinarzt Dr. H. (behandelnder Arzt des Antragstellers) unter dem 27.05.2013 die Einleitung von Leistungen zur Rehabilitation beantragt hatte, beantragte der Antragsteller seinerseits am 18.06.2013 die Gewährung einer stationären Kur. Er gab an, aufgrund des Unfalls vom 17.02.2013 leide er (u.a.) an Schwindel, Koordinations- und Schlafstörungen, einer posttraumatischen Belastungsstörung, Muskelzucken, Depressionen, täglichen Schmerzen und Hörsturzbeschwerden. Er sei völlig antriebslos, habe latente Suizidgedanken und sei in der Mobilität eingeschränkt; er nutze häufig Krücken. Neben Schmerzmitteln nehme er zur Linderung seiner Beschwerden Thai-Massagen (40 EUR/Stunde) in Anspruch. Mit der Rehabilitationsmaßnahme solle ein lebenswertes und schmerzfreies Leben erreicht werden.
Unter dem 04.07.2013 verordnete Dr. H. dem Antragsteller eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme. Der Antragsteller habe fast dauernd Kopfschmerzen seit der Commotio im Februar 2013 sowie Schwindel, Koordinationsstörungen und anderweitige Schmerzen; außerdem lägen ein HWS-Syndrom sowie eine posttraumatische Belastungsstörung vor. Schwierigkeiten bestünden bei der Kommunikation, der Mobilität, der Selbstversorgung und der interpersonellen Aktivität. Im häuslichen Leben sei personelle Hilfe nötig. Bedeutende Lebensbereiche (wie Arbeit und Beschäftigung) seien nicht durchführbar. Es habe ein mäßiger sozialer Rückzug stattgefunden. Der Antragsteller fühle sich wegen Konflikten mit der Justiz ungerecht behandelt und sei dadurch schwer belastet. Er nehme nur gelegentlich Schmerzmittel (ASS) und nutze manchmal einen ihm verordneten Stützstock. Heilmittel seien in den letzten zwölf Monaten nicht verordnet worden, aber aussichtsreich. Eine Psychotherapie werde durchgeführt. Der Antragsteller sei rehabilitationsfähig. Mit der Rehabilitationsmaßnahme sollten eine Schmerzreduktion sowie eine Verbesserung der Gehsicherheit und der Koordination erreicht werden. Die Rehabilitationsmaßnahme sei vor Ablauf der gesetzlichen Wartefrist zur Beschwerdeverbesserung erforderlich.
Die Antragsgegnerin befragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung B. (MDK). Dieser führte in der Stellungnahme vom 31.07.2013 aus, die beantragte Maßnahme könne nicht befürwortet werden, da Möglichkeiten der ambulanten Behandlung bzw. Maßnahmen am Wohnort ausreichend seien. Bislang sei eine ambulante Therapie nicht erfolgt. Im Hinblick auf die psychischen Probleme des Antragstellers werde eine psychiatrische bzw. psychotherapeutische Mitbehandlung empfohlen.
Mit Bescheid vom 31.07.2013 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag ab. Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs legte der Antragsteller das Attest des Dr. H. vom 29.08.2013 vor. Darin ist ausgeführt, beim Antragsteller liege ein multimorbides Krankheitsbild vor, bei dem eine ambulante Therapie (bekannte begrenzte Therapiefrequenz und Therapiemöglichkeiten, kein ausreichendes Therapiespektrum) nicht erfolgversprechend sei. Der Antragsteller solle bezüglich seiner somatischen Beschwerden ganzheitlich und umfassend sehr intensiv behandelt werden, nicht zuletzt, um seine psychische Stabilität zu erhalten und dadurch einen Rückfall in die frühere Alkoholsucht zu vermeiden. Eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme werde für absolut angezeigt erachtet.
Die Antragsgegnerin befragte erneut den MDK. Dieser erachtete eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in Stellungnahmen vom 14.08.2013 und 04.09.2013 im Hinblick auf ausreichende Möglichkeiten der ambulanten Behandlung bzw. Maßnahmen am Wohnort (erneut) für nicht erforderlich. In der MDK-Stellungnahme vom 05.09.2013 ist ausgeführt, auch nach erneuter und eingehender Revision der Aktenlage und unter besonderer Berücksichtigung des Attestes des Dr. H. vom 29.08.2013 seien die Voraussetzungen für eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme nicht gegeben. Vorrangig seien ambulante Maßnahmen am Wohnort, etwa eine ambulante Psychotherapie und/oder der Besuch einer Selbsthilfegruppe (als Prävention eines möglichen Alkoholrückfalls) sowie Reha-Sport.
Im MDK-Gutachten vom 15.10.2013 ist (ergänzend) ausgeführt, in der Gesamtschau habe ein einmaliges traumatisches Erlebnis stattgefunden, welches jedoch nach Art und Schwere letztlich bereits klinisch keine Anschlussheilbehandlung ausgelöst habe. In der Folgezeit seien ambulante Maßnahmen (nervenärztliche Behandlung, Psychotherapie, Krankengymnastik) nicht belegt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.12.2013 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch zurück. Am 14.01.2014 erhob der Antragsteller (der Sache nach) Klage beim Sozialgericht Konstanz, über die noch nicht entschieden ist. Außerdem suchte er um vorläufigen Rechtsschutz nach.
Mit Beschluss vom 05.02.2014 lehnte das Sozialgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Zur Begründung führte es aus, eine einstweilige Anordnung könne nicht erlassen werden. Der Ausgang des Klageverfahrens sei derzeit offen. Es sei aber nicht nachvollziehbar, weshalb eine ambulante Behandlung oder eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme am Wohnort des Antragstellers nicht ausreichend sein solle. Bislang hätten fachärztliche (neurologische oder orthopädische) Behandlungen ersichtlich nicht stattgefunden. Wegen der vorgebrachten Schmerzen nehme der Antragsteller nur gelegentlich Aspirin ein. Die Verordnung stärkerer Schmerzmittel dürfte ohne weiteres ambulant möglich sein. Auch Heilmittel seien nicht in Anspruch genommen worden. Auf Kosten für etwaige Fahrten zu Fachärzten könne sich der Antragsteller nicht berufen. Außerdem sei die Wartefrist von vier Jahren seit der letzten stationären Rehabilitationsmaßnahme (im S., B. W.) noch nicht verstrichen. Dem Antragsteller sei zuzumuten, bis zum Abschluss des Klageverfahrens fachärztliche ambulante Behandlungen in Anspruch zu nehmen.
Auf den ihm am 07.02.2014 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 24.02.2014 Beschwerde eingelegt; er hält die Ablehnung der stationären Rehabilitationsmaßnahme für nicht gerechtfertigt und beruft sich auf die Verordnungen bzw. Atteste des Dr. H ...
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 05.02.2014 aufzuheben und der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend. Der Antragsteller könne eine (weitere) stationäre Rehabilitationsmaßnahme nicht beanspruchen, auch wenn die Wartefrist von vier Jahren seit der letzten stationären Rehabilitationsmaßnahme mittlerweile verstrichen sei. Zwischenzeitlich seien dem Antragsteller lediglich einmal Heilmittel verordnet und erbracht worden (6-mal klassische Massagetherapie). Eine Psychotherapie sei ungeachtet entsprechenden ärztlichen Rats nicht beantragt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Antragsgegnerin, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
II. Die Beschwerde des Antragstellers ist gem. §§ 172 ff. SGG statthaft, insbesondere nicht gem. § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ausgeschlossen, und auch sonst zulässig, jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.
1.) Vorläufiger Rechtsschutz ist vorliegend gem. § 86b Abs. 2 SGG statthaft. Danach kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG (Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch oder Anfechtungsklage) nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1, Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2, Regelungsanordnung). Mit der Sicherungsanordnung soll die Rechtsstellung des Antragstellers (vorläufig) gesichert, mit der Regelungsanordnung soll sie (vorläufig) erweitert werden. Voraussetzung ist jeweils die Glaubhaftmachung (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO) eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrunds. Unter dem Anordnungsanspruch ist der materielle Anspruch zu verstehen, den der Antragsteller als Kläger im Hauptsacheverfahren geltend macht. Der Anordnungsgrund besteht in der Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung muss gerechtfertigt sein. Daher müssen Gründe vorliegen, aus denen sich ihre besondere Dringlichkeit ergibt.
Bei Auslegung und Anwendung des § 86b Abs. 2 SGG sind das Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) und die Pflicht zum Schutz betroffener Grundrechte zu beachten, namentlich dann, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine Versagung vorläufigen Rechtsschutzes Grundrechte des Antragstellers erheblich, über den Randbereich hinaus und womöglich in nicht wieder gut zu machender Weise verletzen könnte. Ferner darf oder muss das Gericht ggf. auch im Sinne einer Folgenbetrachtung bedenken, zu welchen Konsequenzen für die Beteiligten die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei späterem Misserfolg des Antragstellers im Hauptsacheverfahren einerseits gegenüber der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes bei nachfolgendem Obsiegen in der Hauptsache andererseits führen würde. Schließlich kann im Wege einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich nur eine vorläufige Regelung getroffen und dem Antragsteller daher nicht schon in vollem Umfang, und sei es nur für eine vorübergehende Zeit, gewährt werden, was er nur im Hauptsacheverfahren erreichen könnte. Auch in solchen Fällen ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung freilich möglich, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) geboten ist (zu alledem etwa Puttler, in NK-VwGO § 123 Rdnr. 94 ff.; Kopp/Schenke, VwGO § 123 Rdnr.12 ff. m.N. zur Rechtsprechung).
Hinsichtlich des Umfangs der Ermittlungen sind - unbeschadet der Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 103 SGG) auch im vorläufigen Rechtsschutzverfahren - der Eilcharakter des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens und das Risiko einer etwaigen Abweichung von der künftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen. Das gilt auch für die Prüfungsdichte des Gerichts. Regelmäßig genügt danach eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage auf der Grundlage unstreitiger oder glaubhaft gemachter Tatsachen bzw. auf der Grundlage der von den Beteiligten vorgelegten oder in angemessener Zeit erreichbaren Beweismittel. Drohen besonders schwerwiegende Eingriffe in grundrechtlich geschützte Güter, die nur schwer oder gar nicht mehr rückgängig gemacht werden können, ist eine besonders eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage, wenn möglich eine Vollprüfung, geboten. Geht es um existentiell bedeutsame Leistungen der Krankenversicherung ist eine lediglich summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage ausgeschlossen und eine abschließende Prüfung notwendig. Kommt das in solchen Fällen aus Zeitgründen im Hinblick auf den Eilcharakter des Verfahrens nicht in Betracht, ist eine Folgenbetrachtung unter umfassender Berücksichtigung der grundrechtlich geschützten Güter des Antragstellers und der diesen drohenden Beeinträchtigungen ausschlaggebend. Das Gericht muss sich dabei schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 6.2.2007, - 1 BvR 3101/06 -; auch Senatsbeschluss vom 9.8.2011, - L 5 KR 2470/11 -).
2.) Grundlage eines Anordnungsanspruchs i. S. d. § 86b Abs. 2 SGG ist § 11 Abs. 2 SGB V i. V. m. § 40 SGB V.
Gem. § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, die notwendig sind, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern.
Reicht bei Versicherten eine ambulante Krankenbehandlung nicht aus, um diese Ziele zu erreichen, erbringt die Krankenkasse aus medizinischen Gründen erforderliche ambulante Rehabilitationsleistungen gem. § 40 Abs. 1 SGB V in Rehabilitationseinrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111c SGB V besteht, bzw. in stationären Pflegeeinrichtungen nach § 72 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI). Reichen (auch) ambulante Rehabilitationsleistungen dieser Art nicht aus, erbringt die Krankenkasse stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung in einer nach § 20 Abs. 2a Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) zertifizierten Rehabilitationseinrichtung, mit der ein Vertrag nach § 111 SGB V besteht (§ 40 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Die Krankenkasse bestimmt nach den medizinischen Erfordernissen des Einzelfalls Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung der Leistungen nach § 40 Abs. 1 und 2 SGB V sowie die Rehabilitationseinrichtung nach pflichtgemäßem Ermessen. Rehabilitationsleistungen können nicht vor Ablauf von vier Jahren nach Durchführung solcher oder ähnlicher Leistungen erbracht werden, deren Kosten auf Grund öffentlich-rechtlicher Vorschriften getragen oder bezuschusst worden sind, es sei denn, eine vorzeitige Leistung ist aus medizinischen Gründen dringend erforderlich (§ 40 Abs. 3 Satz 1 und 4 SGB V).
Leistungen der Rehabilitation i. S. d. § 40 SGB V stellen Komplexmaßnahmen dar, bei denen die im Einzelfall erforderlichen therapeutischen Interventionen (z.B. Krankengymnastik, Bewegungs-, Sprach- und Beschäftigungstherapie, Psychotherapie und Hilfsmittelversorgung) aufgrund eines ärztlichen Behandlungsplanes (vgl. § 107 Abs. 2 Nr. 2 SGB V) zu einem in sich verzahnten Gesamtkonzept zusammengefasst sind. Wie alle Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung unterliegen sie dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 SGB V. Danach müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Daran anknüpfend sieht § 40 SGB V ein Stufenverhältnis vor. Eine stationäre Rehabilitationsbehandlung mit Unterkunft und Verpflegung in einer Rehabilitationseinrichtung kommt - sofern mit ihr das Rehabilitationsziel überhaupt erreicht werden kann - daher nur dann in Betracht, wenn weder eine ambulante Krankenbehandlung noch eine ambulante Rehabilitation in einer wohnortnahen Einrichtung oder eine ambulante Rehabilitationsleistung in Rehabilitationseinrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V besteht, ausreichend ist.
3.) Davon ausgehend kann die begehrte einstweilige Anordnung nicht erlassen werden. Hierfür fehlt es an der Glaubhaftmachung sowohl eines Anordnungsanspruchs wie eines Anordnungsgrunds.
Der (erneuten) Gewährung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme steht das im Gesetz - in § 40 SGB V - vorgesehene Stufenverhältnis entgegen. Der Antragsteller hat offensichtlich (schon) die gegenüber einer stationären Rehabilitationsmaßnahme vorrangige ambulante Krankenbehandlung am Wohnort nicht ausgeschöpft. Das geht aus den von der Antragsgegnerin eingeholten Stellungnahmen des MDK (vom 31.07.2013, 14.08.2013, 04.09.2013 und 05.09.2013), der die vorliegenden Arztunterlagen einschließlich der Verordnungen bzw. Atteste des Dr. H. gewürdigt hat, klar und überzeugend hervor. Wie Dr. H. in der Verordnung der stationären Rehabilitationsmaßnahme vom 04.07.2013 mitgeteilt hat, nimmt der Antragsteller nur gelegentlich Schmerzmittel; dabei handelt es sich offensichtlich um Aspirin (ASS). Von einer leitliniengerechten ambulanten Schmerzbehandlung kann danach keine Rede sein. Heilmittel werden ebenfalls nur in geringem Umfang angewendet. Wie die Antragsgegnerin hierzu ergänzend mitgeteilt hat, sind zwischenzeitlich lediglich einmal Heilmittel - 6-mal Massagen - erbracht worden. Eine ärztlich angeratene psychiatrische oder psychotherapeutische Mitbehandlung ist bislang unterblieben. Bei dieser Sachlage kommt angesichts der klaren gesetzlichen Regelung in § 40 SGB V die Gewährung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme nicht in Betracht.
Fehlt es damit am Anordnungsanspruch ist auch für einen Anordnungsgrund nichts ersichtlich. Dem Antragsteller ist das Abwarten der Entscheidung im Hauptsacheverfahren zuzumuten. Diese kann im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht vorweggenommen werden. Existentielle Leistungen der Krankenversicherung stehen nicht in Rede; wegen seiner Beschwerden muss sich der Antragsteller (auch insoweit) auf die Inanspruchnahme der ambulanten und gegenüber einer stationären Rehabilitationsmaßnahme vorrangigen vertragsärztlichen (fachärztlichen) Behandlung verweisen lassen.
4.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt die Gewährung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes.
Der 1956 geborene Antragsteller bezieht Rente wegen voller Erwerbsminderung sowie Sozialhilfe; er ist bei der Antragsgegnerin freiwillig versichert.
Vom 22.01.2010 bis 16.02.2010 absolvierte der Antragsteller (auf Kosten der Krankenkasse) eine stationäre Rehabilitationsbehandlung im S., B. W ... Am 17.02.2013 erlitt er einen Unfall. Deswegen wurde der Antragsteller vom 17.02.2013 bis 25.02.2013 im Kreiskrankenhaus S. stationär behandelt. Im Entlassungsbericht vom 28.02.2013 sind die Diagnosen Commotio cerebri mit hirnorganischem Psychosyndrom, Prellung des oberen Sprunggelenks rechts und Prellung sternal festgehalten; der Antragsteller werde bei gebesserten Beschwerden und leicht reduziertem Allgemeinzustand in sein häusliches Umfeld entlassen.
Nachdem der Allgemeinarzt Dr. H. (behandelnder Arzt des Antragstellers) unter dem 27.05.2013 die Einleitung von Leistungen zur Rehabilitation beantragt hatte, beantragte der Antragsteller seinerseits am 18.06.2013 die Gewährung einer stationären Kur. Er gab an, aufgrund des Unfalls vom 17.02.2013 leide er (u.a.) an Schwindel, Koordinations- und Schlafstörungen, einer posttraumatischen Belastungsstörung, Muskelzucken, Depressionen, täglichen Schmerzen und Hörsturzbeschwerden. Er sei völlig antriebslos, habe latente Suizidgedanken und sei in der Mobilität eingeschränkt; er nutze häufig Krücken. Neben Schmerzmitteln nehme er zur Linderung seiner Beschwerden Thai-Massagen (40 EUR/Stunde) in Anspruch. Mit der Rehabilitationsmaßnahme solle ein lebenswertes und schmerzfreies Leben erreicht werden.
Unter dem 04.07.2013 verordnete Dr. H. dem Antragsteller eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme. Der Antragsteller habe fast dauernd Kopfschmerzen seit der Commotio im Februar 2013 sowie Schwindel, Koordinationsstörungen und anderweitige Schmerzen; außerdem lägen ein HWS-Syndrom sowie eine posttraumatische Belastungsstörung vor. Schwierigkeiten bestünden bei der Kommunikation, der Mobilität, der Selbstversorgung und der interpersonellen Aktivität. Im häuslichen Leben sei personelle Hilfe nötig. Bedeutende Lebensbereiche (wie Arbeit und Beschäftigung) seien nicht durchführbar. Es habe ein mäßiger sozialer Rückzug stattgefunden. Der Antragsteller fühle sich wegen Konflikten mit der Justiz ungerecht behandelt und sei dadurch schwer belastet. Er nehme nur gelegentlich Schmerzmittel (ASS) und nutze manchmal einen ihm verordneten Stützstock. Heilmittel seien in den letzten zwölf Monaten nicht verordnet worden, aber aussichtsreich. Eine Psychotherapie werde durchgeführt. Der Antragsteller sei rehabilitationsfähig. Mit der Rehabilitationsmaßnahme sollten eine Schmerzreduktion sowie eine Verbesserung der Gehsicherheit und der Koordination erreicht werden. Die Rehabilitationsmaßnahme sei vor Ablauf der gesetzlichen Wartefrist zur Beschwerdeverbesserung erforderlich.
Die Antragsgegnerin befragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung B. (MDK). Dieser führte in der Stellungnahme vom 31.07.2013 aus, die beantragte Maßnahme könne nicht befürwortet werden, da Möglichkeiten der ambulanten Behandlung bzw. Maßnahmen am Wohnort ausreichend seien. Bislang sei eine ambulante Therapie nicht erfolgt. Im Hinblick auf die psychischen Probleme des Antragstellers werde eine psychiatrische bzw. psychotherapeutische Mitbehandlung empfohlen.
Mit Bescheid vom 31.07.2013 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag ab. Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs legte der Antragsteller das Attest des Dr. H. vom 29.08.2013 vor. Darin ist ausgeführt, beim Antragsteller liege ein multimorbides Krankheitsbild vor, bei dem eine ambulante Therapie (bekannte begrenzte Therapiefrequenz und Therapiemöglichkeiten, kein ausreichendes Therapiespektrum) nicht erfolgversprechend sei. Der Antragsteller solle bezüglich seiner somatischen Beschwerden ganzheitlich und umfassend sehr intensiv behandelt werden, nicht zuletzt, um seine psychische Stabilität zu erhalten und dadurch einen Rückfall in die frühere Alkoholsucht zu vermeiden. Eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme werde für absolut angezeigt erachtet.
Die Antragsgegnerin befragte erneut den MDK. Dieser erachtete eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in Stellungnahmen vom 14.08.2013 und 04.09.2013 im Hinblick auf ausreichende Möglichkeiten der ambulanten Behandlung bzw. Maßnahmen am Wohnort (erneut) für nicht erforderlich. In der MDK-Stellungnahme vom 05.09.2013 ist ausgeführt, auch nach erneuter und eingehender Revision der Aktenlage und unter besonderer Berücksichtigung des Attestes des Dr. H. vom 29.08.2013 seien die Voraussetzungen für eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme nicht gegeben. Vorrangig seien ambulante Maßnahmen am Wohnort, etwa eine ambulante Psychotherapie und/oder der Besuch einer Selbsthilfegruppe (als Prävention eines möglichen Alkoholrückfalls) sowie Reha-Sport.
Im MDK-Gutachten vom 15.10.2013 ist (ergänzend) ausgeführt, in der Gesamtschau habe ein einmaliges traumatisches Erlebnis stattgefunden, welches jedoch nach Art und Schwere letztlich bereits klinisch keine Anschlussheilbehandlung ausgelöst habe. In der Folgezeit seien ambulante Maßnahmen (nervenärztliche Behandlung, Psychotherapie, Krankengymnastik) nicht belegt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.12.2013 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch zurück. Am 14.01.2014 erhob der Antragsteller (der Sache nach) Klage beim Sozialgericht Konstanz, über die noch nicht entschieden ist. Außerdem suchte er um vorläufigen Rechtsschutz nach.
Mit Beschluss vom 05.02.2014 lehnte das Sozialgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Zur Begründung führte es aus, eine einstweilige Anordnung könne nicht erlassen werden. Der Ausgang des Klageverfahrens sei derzeit offen. Es sei aber nicht nachvollziehbar, weshalb eine ambulante Behandlung oder eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme am Wohnort des Antragstellers nicht ausreichend sein solle. Bislang hätten fachärztliche (neurologische oder orthopädische) Behandlungen ersichtlich nicht stattgefunden. Wegen der vorgebrachten Schmerzen nehme der Antragsteller nur gelegentlich Aspirin ein. Die Verordnung stärkerer Schmerzmittel dürfte ohne weiteres ambulant möglich sein. Auch Heilmittel seien nicht in Anspruch genommen worden. Auf Kosten für etwaige Fahrten zu Fachärzten könne sich der Antragsteller nicht berufen. Außerdem sei die Wartefrist von vier Jahren seit der letzten stationären Rehabilitationsmaßnahme (im S., B. W.) noch nicht verstrichen. Dem Antragsteller sei zuzumuten, bis zum Abschluss des Klageverfahrens fachärztliche ambulante Behandlungen in Anspruch zu nehmen.
Auf den ihm am 07.02.2014 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 24.02.2014 Beschwerde eingelegt; er hält die Ablehnung der stationären Rehabilitationsmaßnahme für nicht gerechtfertigt und beruft sich auf die Verordnungen bzw. Atteste des Dr. H ...
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 05.02.2014 aufzuheben und der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend. Der Antragsteller könne eine (weitere) stationäre Rehabilitationsmaßnahme nicht beanspruchen, auch wenn die Wartefrist von vier Jahren seit der letzten stationären Rehabilitationsmaßnahme mittlerweile verstrichen sei. Zwischenzeitlich seien dem Antragsteller lediglich einmal Heilmittel verordnet und erbracht worden (6-mal klassische Massagetherapie). Eine Psychotherapie sei ungeachtet entsprechenden ärztlichen Rats nicht beantragt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Antragsgegnerin, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
II. Die Beschwerde des Antragstellers ist gem. §§ 172 ff. SGG statthaft, insbesondere nicht gem. § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ausgeschlossen, und auch sonst zulässig, jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.
1.) Vorläufiger Rechtsschutz ist vorliegend gem. § 86b Abs. 2 SGG statthaft. Danach kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG (Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch oder Anfechtungsklage) nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1, Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2, Regelungsanordnung). Mit der Sicherungsanordnung soll die Rechtsstellung des Antragstellers (vorläufig) gesichert, mit der Regelungsanordnung soll sie (vorläufig) erweitert werden. Voraussetzung ist jeweils die Glaubhaftmachung (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO) eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrunds. Unter dem Anordnungsanspruch ist der materielle Anspruch zu verstehen, den der Antragsteller als Kläger im Hauptsacheverfahren geltend macht. Der Anordnungsgrund besteht in der Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung muss gerechtfertigt sein. Daher müssen Gründe vorliegen, aus denen sich ihre besondere Dringlichkeit ergibt.
Bei Auslegung und Anwendung des § 86b Abs. 2 SGG sind das Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) und die Pflicht zum Schutz betroffener Grundrechte zu beachten, namentlich dann, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine Versagung vorläufigen Rechtsschutzes Grundrechte des Antragstellers erheblich, über den Randbereich hinaus und womöglich in nicht wieder gut zu machender Weise verletzen könnte. Ferner darf oder muss das Gericht ggf. auch im Sinne einer Folgenbetrachtung bedenken, zu welchen Konsequenzen für die Beteiligten die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei späterem Misserfolg des Antragstellers im Hauptsacheverfahren einerseits gegenüber der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes bei nachfolgendem Obsiegen in der Hauptsache andererseits führen würde. Schließlich kann im Wege einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich nur eine vorläufige Regelung getroffen und dem Antragsteller daher nicht schon in vollem Umfang, und sei es nur für eine vorübergehende Zeit, gewährt werden, was er nur im Hauptsacheverfahren erreichen könnte. Auch in solchen Fällen ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung freilich möglich, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) geboten ist (zu alledem etwa Puttler, in NK-VwGO § 123 Rdnr. 94 ff.; Kopp/Schenke, VwGO § 123 Rdnr.12 ff. m.N. zur Rechtsprechung).
Hinsichtlich des Umfangs der Ermittlungen sind - unbeschadet der Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 103 SGG) auch im vorläufigen Rechtsschutzverfahren - der Eilcharakter des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens und das Risiko einer etwaigen Abweichung von der künftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen. Das gilt auch für die Prüfungsdichte des Gerichts. Regelmäßig genügt danach eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage auf der Grundlage unstreitiger oder glaubhaft gemachter Tatsachen bzw. auf der Grundlage der von den Beteiligten vorgelegten oder in angemessener Zeit erreichbaren Beweismittel. Drohen besonders schwerwiegende Eingriffe in grundrechtlich geschützte Güter, die nur schwer oder gar nicht mehr rückgängig gemacht werden können, ist eine besonders eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage, wenn möglich eine Vollprüfung, geboten. Geht es um existentiell bedeutsame Leistungen der Krankenversicherung ist eine lediglich summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage ausgeschlossen und eine abschließende Prüfung notwendig. Kommt das in solchen Fällen aus Zeitgründen im Hinblick auf den Eilcharakter des Verfahrens nicht in Betracht, ist eine Folgenbetrachtung unter umfassender Berücksichtigung der grundrechtlich geschützten Güter des Antragstellers und der diesen drohenden Beeinträchtigungen ausschlaggebend. Das Gericht muss sich dabei schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 6.2.2007, - 1 BvR 3101/06 -; auch Senatsbeschluss vom 9.8.2011, - L 5 KR 2470/11 -).
2.) Grundlage eines Anordnungsanspruchs i. S. d. § 86b Abs. 2 SGG ist § 11 Abs. 2 SGB V i. V. m. § 40 SGB V.
Gem. § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, die notwendig sind, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern.
Reicht bei Versicherten eine ambulante Krankenbehandlung nicht aus, um diese Ziele zu erreichen, erbringt die Krankenkasse aus medizinischen Gründen erforderliche ambulante Rehabilitationsleistungen gem. § 40 Abs. 1 SGB V in Rehabilitationseinrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111c SGB V besteht, bzw. in stationären Pflegeeinrichtungen nach § 72 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI). Reichen (auch) ambulante Rehabilitationsleistungen dieser Art nicht aus, erbringt die Krankenkasse stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung in einer nach § 20 Abs. 2a Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) zertifizierten Rehabilitationseinrichtung, mit der ein Vertrag nach § 111 SGB V besteht (§ 40 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Die Krankenkasse bestimmt nach den medizinischen Erfordernissen des Einzelfalls Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung der Leistungen nach § 40 Abs. 1 und 2 SGB V sowie die Rehabilitationseinrichtung nach pflichtgemäßem Ermessen. Rehabilitationsleistungen können nicht vor Ablauf von vier Jahren nach Durchführung solcher oder ähnlicher Leistungen erbracht werden, deren Kosten auf Grund öffentlich-rechtlicher Vorschriften getragen oder bezuschusst worden sind, es sei denn, eine vorzeitige Leistung ist aus medizinischen Gründen dringend erforderlich (§ 40 Abs. 3 Satz 1 und 4 SGB V).
Leistungen der Rehabilitation i. S. d. § 40 SGB V stellen Komplexmaßnahmen dar, bei denen die im Einzelfall erforderlichen therapeutischen Interventionen (z.B. Krankengymnastik, Bewegungs-, Sprach- und Beschäftigungstherapie, Psychotherapie und Hilfsmittelversorgung) aufgrund eines ärztlichen Behandlungsplanes (vgl. § 107 Abs. 2 Nr. 2 SGB V) zu einem in sich verzahnten Gesamtkonzept zusammengefasst sind. Wie alle Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung unterliegen sie dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 SGB V. Danach müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Daran anknüpfend sieht § 40 SGB V ein Stufenverhältnis vor. Eine stationäre Rehabilitationsbehandlung mit Unterkunft und Verpflegung in einer Rehabilitationseinrichtung kommt - sofern mit ihr das Rehabilitationsziel überhaupt erreicht werden kann - daher nur dann in Betracht, wenn weder eine ambulante Krankenbehandlung noch eine ambulante Rehabilitation in einer wohnortnahen Einrichtung oder eine ambulante Rehabilitationsleistung in Rehabilitationseinrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V besteht, ausreichend ist.
3.) Davon ausgehend kann die begehrte einstweilige Anordnung nicht erlassen werden. Hierfür fehlt es an der Glaubhaftmachung sowohl eines Anordnungsanspruchs wie eines Anordnungsgrunds.
Der (erneuten) Gewährung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme steht das im Gesetz - in § 40 SGB V - vorgesehene Stufenverhältnis entgegen. Der Antragsteller hat offensichtlich (schon) die gegenüber einer stationären Rehabilitationsmaßnahme vorrangige ambulante Krankenbehandlung am Wohnort nicht ausgeschöpft. Das geht aus den von der Antragsgegnerin eingeholten Stellungnahmen des MDK (vom 31.07.2013, 14.08.2013, 04.09.2013 und 05.09.2013), der die vorliegenden Arztunterlagen einschließlich der Verordnungen bzw. Atteste des Dr. H. gewürdigt hat, klar und überzeugend hervor. Wie Dr. H. in der Verordnung der stationären Rehabilitationsmaßnahme vom 04.07.2013 mitgeteilt hat, nimmt der Antragsteller nur gelegentlich Schmerzmittel; dabei handelt es sich offensichtlich um Aspirin (ASS). Von einer leitliniengerechten ambulanten Schmerzbehandlung kann danach keine Rede sein. Heilmittel werden ebenfalls nur in geringem Umfang angewendet. Wie die Antragsgegnerin hierzu ergänzend mitgeteilt hat, sind zwischenzeitlich lediglich einmal Heilmittel - 6-mal Massagen - erbracht worden. Eine ärztlich angeratene psychiatrische oder psychotherapeutische Mitbehandlung ist bislang unterblieben. Bei dieser Sachlage kommt angesichts der klaren gesetzlichen Regelung in § 40 SGB V die Gewährung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme nicht in Betracht.
Fehlt es damit am Anordnungsanspruch ist auch für einen Anordnungsgrund nichts ersichtlich. Dem Antragsteller ist das Abwarten der Entscheidung im Hauptsacheverfahren zuzumuten. Diese kann im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht vorweggenommen werden. Existentielle Leistungen der Krankenversicherung stehen nicht in Rede; wegen seiner Beschwerden muss sich der Antragsteller (auch insoweit) auf die Inanspruchnahme der ambulanten und gegenüber einer stationären Rehabilitationsmaßnahme vorrangigen vertragsärztlichen (fachärztlichen) Behandlung verweisen lassen.
4.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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