L 10 U 1404/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 2035/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 1404/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 25.02.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) der Nr. 2102 (Meniskusschäden) und Nr. 2112 (Gonarthrose) der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV; nachfolgend BK 2102 bzw. BK 2112).

Der am1945 geborene Kläger war von November 1960 bis Mai 2004 bei der Firma S. Fahrzeugfabrik GmbH beschäftigt. Nach anfänglicher Tätigkeit als Hilfsarbeiter in der Produktion von Tiefladern wechselte er zum 01.04.1962 in die Hydraulikmontage bei der Herstellung von Schwerlasttransportern, wo er - mit Ausnahme einer Zeit der Ausbildung zum Fahrzeugbauer vom 01.04.1965 bis 31.08.1967 - bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses tätig war (vgl. Bericht des Mitarbeiters R. vom Präventionsdienst der Beklagten - künftig Präventionsdienst -, Bl. 150a ff. VA, auch zum Nachfolgenden). Aufgabe des Klägers war es, die hydraulischen Leitungen für die jeweilige Fahrzeugtragkonstruktion - je Arbeitstag fünf bis sechs Einheiten - herzustellen und passgenau zu verlegen. Der Kläger musste die Rohrleitungen aus dem Lager entnehmen, an die Säge bringen, dort auf das erforderliche Maß ablängen, die Schnittstelle entgraten, die Biegeradien und die Biegekanten am Rohr festlegen sowie das Rohr entsprechend biegen. Es erfolgte dann der Transport zum Einbauort und das Ausrichten des Rohres. Die Säge- und Biegevorgänge waren so lange zu wiederholen, bis Rohrlänge und Biegeradien stimmten. Anschließend erfolgte die Fixierung der Rohrleitung am Fahrzeugkörper, z.B. mit Rohrschellen, dann musste die Anschlussstelle hergestellt und das Rohr mit der Anschlussstelle verbunden werden. Dabei kam es auch zu Tätigkeiten in knieender und hockender Haltung, je nach Erfordernis. Neben der Montage war der Kläger auch zu Montagen beim Kunden, u.a. im Ausland, eingesetzt (Bericht des Präventionsdienstes Bl. 24 LSG-Akte). Zwischenzeitlich änderten sich der Aufbau der Fahrzeuge und die betrieblichen Erfordernisse, Produktionsunterlagen aus der Beschäftigungszeit des Klägers liegen nicht mehr vor (Auskunft der Arbeitgeberin vom Januar 2014, Bl. 29 LSG-Akte).

Ende 2002 führte der Kläger eine stationäre medizinische Rehabilitation in der Klinik im H. in B. W. u.a. wegen einer initialen Gonarthrose und einer Innenmeniskusläsion des linken Kniegelenkes durch. Er gab dort an, seit einem halben Jahr gleichbleibende Schmerzen im linken Kniegelenk zu haben. Die Anforderungen seiner beruflichen Tätigkeit beschrieb er mit Arbeiten im Gehen (80 %) und Stehen (20 %), Arbeiten in gebückter und kniender Haltung, mit erhobenen Armen sowie häufigem Klettern und Steigen auf Leitern (Bl. 81 VA). In der Folgezeit kam es auch zu Beschwerden am rechten Knie und der Feststellung einer Meniskopathie (Bl. 30 VA) sowie einer Gonarthrose (Bl. 68 VA). Im Rahmen eines BK-Verfahrens in Bezug auf die Wirbelsäule wurde eine metabolische und konstitutionell polyartikuläre Arthroseentwicklung des gesamten Bewegungsapparates sowohl im Bereich der großen und kleinen Extremitätengelenke wie auch im Bereich der Wirbelsäule über sämtliche Etagen festgestellt (Gutachten Prof. Dr. H., insbes. Bl. 267 VA BK 2108/2109).

Im Februar 2011 beantragte der Kläger u.a. die Anerkennung der BK 2112. Im Verlauf des Verwaltungsverfahrens gab er an, je Arbeitsschicht drei Stunden Tätigkeiten im Knien ohne abgestützten Oberkörper und eine Stunde Tätigkeiten im Hocken ausgeübt zu haben (Bl. 25 VA). Die Arbeitgeberin teilte mit, es seien keine Tätigkeiten im Knien oder vergleichbare Kniebelastungen verrichtet worden (Bl. 106 VA). Im Bericht des Präventionsdienstes ist hierzu vermerkt, der Kläger habe selbst die arbeitstägliche Belastung für kniende Tätigkeiten mit 25 Minuten pro Arbeitstag angegeben (Bl. 150b VA). Mit Bescheid vom 15.09.2011 und Widerspruchsbescheid vom 23.05.2012 lehnte die Beklagte daraufhin die Anerkennung einer BK 2102 und BK 2112 ab. Es sei keine hinreichende schädigende Einwirkung bewiesen.

In seiner hiergegen am 20.06.2012 beim Sozialgericht Heilbronn erhobenen Klage hat der Kläger die Angabe im Bericht des Präventionsdienstes, er habe nur arbeitstäglich 25 Minuten kniende Tätigkeiten angegeben, bestritten. Zu berücksichtigen seien auch Tätigkeiten im Hocken, im Fersensitz und im Kriechen. Tatsächlich habe er ein bis zwei Stunden täglich kniebelastende Tätigkeiten ausgeübt (Bl. 16 SG-Akte). Später hat er auf seine früheren Angaben gegenüber der Beklagten, vier Stunden kniende oder hockende Tätigkeiten pro Schicht, hingewiesen (Bl. 22 SG-Akte). Mit Gerichtsbescheid vom 25.02.2013 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat die im Präventionsbericht dokumentierte Angabe des Klägers (25 Minuten pro Arbeitstag) zu Grunde gelegt, für deren Richtigkeit die Angabe der Arbeitgeberin spreche, wonach keine kniebelastenden Tätigkeiten ausgeübt worden seien. Die bloße Behauptung des Klägers, täglich bis zu vier Stunden kniebelastende Tätigkeiten verrichtet zu haben, genüge nicht.

Gegen den am 27.02.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 27.03.2013 Berufung eingelegt. Unstreitig sei, dass er arbeitstäglich mindestens 25 Minuten in kniebelastender Tätigkeit gearbeitet habe. Streitig sei allerdings die tatsächliche Dauer dieser Tätigkeit.

Im Hinblick hierauf und auf Veranlassung des Senats hat der Präventionsdienst eine erneute Überprüfung vorgenommen und darauf hingewiesen, der zeitliche Anteil von 25 Minuten arbeitstäglicher kniender Belastung sei im Gespräch vom Kläger im Beisein seines damaligen Rechtsbeistandes als realistisch bestätigt worden. Es sei im erneuten Gespräch mit der Arbeitgeberin als unstreitig herausgearbeitet worden, dass der Kläger an einzelnen Tagen drei bis vier Stunden in kniender Haltung gearbeitet habe. Diesen extremen Belastungen hätten aber auch Wochen ohne kniende Tätigkeiten gegenüber gestanden und alle Zwischenwerte an Belastungen seien denkbar bzw. vorgekommen. Die vom Rechtsbeistand des Klägers im Gespräch verlangte taggenaue Ermittlung der Zeitanteile sei wegen der nicht mehr vorhanden Produktionsanlagen und der im Laufe der Zeit geänderten Arbeitsweisen nicht mehr möglich.

Ein von der Arbeitgeberin versprochener Versuch genauerer Ermittlungen ist fehlgeschlagen. Sie hat mitgeteilt, es sei unmöglich, die vom Kläger gewünschte taggenaue Aufstellung der Belastung zu ermitteln. Die Aufgaben am Arbeitsplatz des Klägers, der Aufbau der Fahrzeuge sowie die betrieblichen Erfordernisse hätten sich gewandelt. Produktionsunterlagen lägen nicht mehr vor. Sie hat sich der Einschätzung des Präventionsdienstes (30 Minuten täglich) angeschlossen. Dies beinhalte natürlich auch, dass es an einzelnen Tagen mehr, an anderen Tagen aber auch weniger oder keine kniebelastende Tätigkeiten gegeben habe.

Der Kläger trägt hierzu vor, dass die Arbeitgeberin drei bis vier Stunden kniebelastende Tätigkeiten an manchen Tagen eingeräumt habe. Dies sei für einen Tag in der Woche zu Grunde zu legen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 25.02.2013 und den Bescheid vom 15.09.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, eine Berufskrankheit nach Nr. 2102 und Nr. 2112 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie sieht nach wie vor die arbeitstechnischen Voraussetzungen der jeweiligen BK nicht erfüllt.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Die hier vorliegende kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist zulässig. Mit der Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG begehrt der Kläger die Aufhebung der die Anerkennung der streitigen BKen ablehnenden Verwaltungsentscheidungen. Nach der Rechtsprechung des BSG kann der Versicherte an Stelle gerichtlicher Feststellung (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG, vgl. hierzu u.a. BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 46/03 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 3) auch die Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung einer BK als Element eines jeglichen Leistungsanspruchs im Wege der Verpflichtungsklage verlangen (Urteil vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R in SozR 4-2700 § 11 Nr. 1 mit weiteren Ausführungen zur Anspruchsgrundlage; speziell zur Anerkennung eines Arbeitsunfalles und damit auf eine Berufskrankheit übertragbar BSG, Urteil vom 15.05.2012, B 2 U 8/11 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 20).

Berufskrankheiten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung oder mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte in Folge einer den Versicherungsschutz nach den § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz SGB VII). Hierzu zählen nach Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKV Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten und nach Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV eine Gonarthrose durch eine Tätigkeit im Knien oder vergleichbare Kniebelastung mit einer kumulativen Einwirkungsdauer während des Arbeitslebens von mindestens 13.000 Stunden und einer Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt einer Stunde pro Schicht.

Der Senat braucht der Frage, inwieweit die beim Kläger bereits im Jahre 2002 diagnostizierte Gonarthrose links unter den Anwendungsbereich der BK 2112 fallen kann, nicht weiter nachzugehen. Zwar lässt § 6 Abs. 1 Satz 1 BKV in Bezug auf die BK 2112 eine Anerkennung als BK nur zu, wenn der Versicherungsfall nach dem 30.09.2002 eintrat. Auch wenn dies in Bezug auf das linke Knie des Klägers nicht der Fall sein sollte, wäre in Bezug auf das rechte Knie des Klägers mit der dort zwischenzeitlich vorliegenden Gonarthrose gleichwohl das Vorliegen dieser BK zu prüfen.

Für die Anerkennung einer BK müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die als Folge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).

Die Voraussetzungen der streitigen BKen sind hier nicht erfüllt. Der Senat vermag weder die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2112 noch jene der BK 2102 zu bejahen.

Die BK 2112 setzt eine Tätigkeit im Knien oder eine vergleichbare Kniebelastung mit einer kumulativen Einwirkungsdauer von mindestens 13.000 Stunden während des Arbeitslebens und einer Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt einer Stunde pro Arbeitsschicht voraus. Die BK 2112 formuliert damit konkrete quantitative arbeitstechnische Voraussetzungen, u.a. eine Mindesteinwirkungsdauer von einer Stunde pro Schicht. Schon dies lässt sich hier nicht feststellen und dies wird selbst vom Kläger im Grunde nicht (mehr) behauptet.

Nach dem insoweit übereinstimmenden Vortrag des Klägers, den Auskünften der Arbeitgeberin und den Feststellungen des Präventionsdienstes hatte der Kläger im Rahmen der Montage von Rohrleitungen bei Hydraulikfahrzeugen auch kniebelastende Tätigkeiten zu verrichten. Das genaue zeitliche Ausmaß dieser Tätigkeiten je Arbeitsschicht lässt sich indessen nicht mehr feststellen. So hat der Präventionsdienst in seiner letzten Auskunft vom Juli 2013 dargestellt, dass an einzelnen Tagen drei bis vier Stunden in kniender Haltung gearbeitet wurde. Dem gegenüber gab es auch Tage bzw. Wochen ohne kniende Tätigkeit und es kamen alle Zwischenwerte an Belastungen vor. Die Arbeitgeberin hat in ihrer Auskunft vom Januar 2014 bestätigt, dass an einzelnen Tagen mehr als 30 Minuten, an anderen Tagen weniger oder gar keine kniebelastenden Tätigkeiten anfielen. Nachdem - so die weiteren Angaben in der Auskunft der Arbeitgeberin vom Januar 2014 und im Bericht des Präventionsdienstes vom Juli 2013 - die entsprechenden Produktionsanlagen nicht mehr vorhanden sind und sich im Laufe der Zeit ohnehin die Arbeitsweisen, der Aufbau der Fahrzeuge und die betrieblichen Erfordernisse änderten, ist eine genauere Ermittlung der konkreten Verrichtungen und deren zeitliches Ausmaß nicht mehr möglich. Somit gelangt der Senat zu der Überzeugung, dass der Kläger zwar kniebelastende Tätigkeiten während seiner beruflichen Tätigkeit ausübte, dass diese Tätigkeiten jedoch nicht regelmäßig, also jeden Arbeitstag, anfielen, schon gar nicht im Umfang von wenigstens einer Stunde pro Schicht.

Auch der Kläger hat keine gegenteiligen substanziierten Angaben zum täglichen Ausmaß kniebelastender Tätigkeiten gemacht. Im ursprünglich von der Beklagten zur Verfügung gestellten Fragebogen gab er zwar an, je Arbeitsschicht drei Stunden Tätigkeiten im Knien ohne abgestützten Oberkörper und eine Stunde Tätigkeiten im Hocken ausgeübt zu haben. Allerdings haben weder der Präventionsdienst der Beklagten noch die Arbeitgeberin eine derartige Belastung nachvollziehen können. Angesichts der Art der vom Kläger zu verrichtenden Tätigkeiten wäre ein derartiges Ausmaß kniender oder hockender Tätigkeit im Umfang eines halben Arbeitstages auch für den Senat nicht nachvollziehbar. So hatte der Kläger eben nicht nur die Rohrleitungen zu montieren, sondern diese Rohrleitungen zuerst passgenau herzustellen, eine Tätigkeit, die gerade nicht im Knien oder Hocken, sondern im Gehen (Wege vom Lager zur Säge und von dort zur Biegeanlage, dann zum Fahrzeug, ggf. mehrmals hin- und zurück) und Stehen (Sägen, Entgraten, Biegen) erfolgen musste. Bestätigt sieht sich der Senat durch die im Entlassungsbericht der Klinik im H. Ende 2002 (Bl. 78 ff. VA) dokumentierten Angaben des Klägers zu seiner beruflichen Tätigkeit. Dort sind Arbeiten im Gehen mit 80% und im Stehen mit 20 % neben Arbeiten in gebückter und kniender Haltung, mit erhobenen Armen sowie häufiges Klettern und Steigen vermerkt. Damit sind die ursprünglichen Angaben des Klägers widerlegt.

Seine ursprünglich im Fragebogen der Beklagten aufgestellte und später gegenüber dem Sozialgericht sinngemäß aufrecht erhaltene (Bl. 22 SG-Akte) Behauptung, drei Stunden täglich im Knien ohne abgestützten Oberkörper und zusätzlich eine Stunde in der Hocke gearbeitet zu haben, hat der Kläger im Verlauf des Verfahrens und zuletzt nicht mehr aufrecht erhalten. Schon gegenüber dem Sozialgericht hat er - zunächst - seine kniebelastenden Tätigkeiten auf ein bis zwei Stunden täglich reduziert (Bl. 16 SG-Akte), dann allerdings wieder auf die ursprüngliche Angabe (drei Stunden knien, eine Stunde hocken) erweitert (Bl. 22 SG-Akte). Zuletzt hat er schließlich das ursprünglich genannte Ausmaß der kniebelastenden Tätigkeiten (drei bis vier Stunden) - entsprechend der vom Präventionsdienst auf Grund der letzten Ermittlungen im Unternehmen dargestellten Situation - auf einzelne Tage bezogen und vorgeschlagen, einen Tag in der Woche eine derartige Exposition zu Grunde zu legen. Damit hat der Kläger im Grunde eingeräumt und dies entspricht auch den Angaben der Arbeitgeberin in der Auskunft vom Januar 2014, dass an anderen Tagen - nach der Dokumentation des Präventionsdienstes z.T. über Wochen - gar keine oder nur geringfügige kniebelastende Tätigkeiten anfielen. Regelmäßige kniebelastende Tätigkeiten an einem Wochentag im Umfang von drei bis vier Stunden erfüllen indessen nicht die Voraussetzungen der BK 2112; erforderlich wäre für jeden Arbeitstag eine tatsächliche (und nicht rechnerisch im Durchschnitt ermittelte) Mindestexposition von einer Stunde. Lediglich am Rande ist darauf hinzuweisen, dass auch die letzte Behauptung des Klägers - einmal wöchentlich drei bis vier Stunden kniebelastende Tätigkeit - nicht nachgewiesen ist. Denn ausweislich des Berichtes des Präventionsdienstes vom Juli 2013 kam es auch zu Wochen ohne kniebelastender Tätigkeit. Soweit der Kläger im Verlauf des Berufungsverfahrens, u.a. im Zusammenhang mit der Vorlage einer Fotodokumentation, und ähnlich wie gegenüber dem Sozialgericht (ein- bis zwei Stunden täglich) vorgetragen hat, mindestens eine Stunde täglich kniebelastende Tätigkeiten verrichtet zu haben, ist diese pauschale Behauptung nicht überzeugend. Sie steht insbesondere im Widerspruch zu den Feststellungen des Präventionsdienstes und der Auskunft der Arbeitgeberin und schließlich auch zu den letzten Angaben des Klägers. Entgegen der Behauptung des Klägers lässt sich Derartiges auch nicht der von ihm vorgelegten Fotodokumentation entnehmen. Aus den Aufnahmen ist nur erkennbar, dass bei den gezeigten Verrichtungen einseitig kniend (Bl. 17 LSG-Akte), im Fersensitz (Bl. 18 LSG-Akte) bzw. im Knien (Bl. 19 LSG-Akte) gearbeitet wurde. Wie lange diese Arbeiten jeweils dauerten und wann bzw. wie häufig sie anfielen, ist dagegen aus den Aufnahmen nicht ableitbar.

Damit sind die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2112 nicht erfüllt.

Auch in Bezug auf die BK 2102 vermag der Senat eine hinreichende Exposition nicht zu bejahen. Für diese BK hat der Verordnungsgeber allerdings keine konkreten arbeitstechnischen Voraussetzungen formuliert. Aus dem Wortlaut der hier streitigen BK Nr. 2102 ergibt sich weder eine zeitliche Mindestanforderung für die tägliche Ausübung der gefährdenden Tätigkeit noch eine Konkretisierung des Begriffs der die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeit. Bei einer solch unbestimmten Fassung der BK sind die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung und die Gerichte verpflichtet (vgl. BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 6/04 R in SozR 4-2700 § 9 Nr. 5 zur BK 2301 - Lärmschwerhörigkeit -), den Inhalt der BK über deren Wortlaut hinaus nach den allgemein anerkannten juristischen Regeln und Methoden (Wortlaut, Zusammenhang, Historie, Zweck) zu bestimmen, auch vor dem Hintergrund, dass der Verordnungsgeber die BKen zum Teil bewusst offen formuliert, damit Verwaltung und Rechtsprechung die sich ändernden Erkenntnisse berücksichtigen können, ohne dass der Wortlaut der Verordnung geändert werden muss. In solchen Fällen kann aus dem Fehlen einer Angabe zum Grad der erforderlichen Einwirkungen im Wortlaut der BK nicht gefolgert werden, dass die in Rede stehenden Einwirkungen schlechthin, unabhängig von ihrer Intensität und Stärke, als geeignet angesehen werden, Erkrankungen zu verursachen, sofern sie nur entsprechend dem verwendeten unbestimmten Rechtsbegriff einwirken. Als maßgebender medizinischer, naturwissenschaftlicher und technischer Erkenntnisstand (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.2006, a.a.O.) sind solche durch Forschung und praktische Erfahrung gewonnenen Erkenntnisse anzusehen, die von der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt werden, über die also, von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, Konsens besteht. Dazu können einschlägige Publikationen, insbesondere die Merkblätter des zuständigen Bundesministeriums herangezogen werden (BSG, a.a.O.).

Nach dem zur BK 2102 herausgegebenen Merkblatt des Bundesministeriums für Arbeit (abgedruckt u.a. in Mehrtens/Brandenburg, BKV, M 2102) ist die nach dem Wortlaut der BK 2102 erforderliche überdurchschnittliche Belastung der Kniegelenke biomechanisch gebunden entweder an eine Dauerzwangshaltung (insbesondere bei Belastungen durch Hocken oder Knien bei gleichzeitiger Kraftaufwendung) oder an eine häufig wiederkehrende erhebliche Bewegungsbeanspruchung, insbesondere Laufen oder Springen mit häufigen Knick-, Scher- oder Drehbewegungen auf grob unebener Grundlage.

Im Falle des Klägers kommt allein eine Dauerzwangshaltung in Frage, da Bewegungsbeanspruchungen der beschriebenen Art schon mangels grob unebener Grundlage während seiner Tätigkeit nicht anfielen. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die kniende oder hockende Körperhaltung selbst nicht als hinreichend belastend anzusehen ist. Gefordert wird vielmehr zusätzlich zu dieser Körperhaltung eine gleichzeitige Kraftaufwendung (Amtliche Begründung zur VO vom 22.03.1988, abgedruckt in Lauterbach, Unfallversicherung, § 9 Anh. IV, 2102; Merkblatt zur BK 2102 a.a.O.; Mehrtens/Brandenburg, a.a.O., Rdnr. 3; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, S. 634 f.; Schur/Koch in Lauterbach, Unfallversicherung, § 9 Anh. IV, 2102 Anm. 5a; Becker in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 9 BK 2102 Anmerkung 1; so auch die Rechtsprechung, vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.08.2001, L 7 U 982/98 in juris; Sächsisches LSG, Urteil vom 18.09.2008, L 2 U 148/07 in juris; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 24.09.2009, L 6 U 34/05 in juris), weil nur dann die Druckkräfte, die zu einer Quetschung des Knorpelgewebes führen, die Zugkräfte, die das Gewebe beanspruchen, und die Scherkräfte, die eine gegenseitige Verschiebung der Gewebsschichten untereinander zur Folge haben, auftreten (Mehrtens/Brandenburg, a.a.O.; Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 634; Becker, a.a.O.; ähnlich Merkblatt zur BK 2102, a.a.O.).

Nach der vom Kläger vorgelegten Fotodokumentation bestehen Zweifel, ob sämtliche dokumentierten Tätigkeiten dieses Erfordernis eines gleichzeitigen Kraftaufwandes erfüllten. Dies gilt insbesondere für die Tätigkeit am Schaltschrank (Bl. 19 oben LSG-Akte) und jene von Bl. 17 LSG-Akte, die eher feinmotorische Verrichtungen zeigen. Diese Tätigkeiten können somit nicht als gefährdend berücksichtigt werden.

Hinsichtlich der erforderlichen Zeitdauer der schädigenden Zwangshaltungen wird bislang in Literatur und Rechtsprechung keine exakte Zeitmindestgrenze je Arbeitsschicht definiert. Soweit teilweise auf das Urteil des Landessozialgerichtes Nordrhein-Westfalen vom 15.06.2000, L 2 KN 69/97 U (u.a. in www.sozialgerichtsbarkeit.de) zum Beleg einer erforderlichen Mindestdauer von einem Drittel der Schicht Bezug genommen wird (so z.B. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 636), findet sich diese Aussage in dieser Entscheidung gerade nicht; vielmehr wird dort lediglich auf Ausführungen des dortigen Sachverständigen mit diesem Inhalt verwiesen, diese für einleuchtend qualifiziert und dann eine Entscheidung über den genauen zeitlichen Anteil der Schicht offen gelassen. Auch im vorliegenden Fall bedarf es keiner Grenzziehung. Schon anhand des Wortlautes der BK 2102 ("andauernd") steht jedenfalls fest, dass die Belastung von einer gewissen Dauer je Arbeitsschicht sein muss. Dies folgt darüber hinaus auch aus der Tatsache, dass nur bei einer gewissen Dauer eine "überdurchschnittliche" Belastung angenommen werden kann und den Menisken keine ausreichende Zeit für eine Erholung belassen wird (Becker, a.a.O. unter Hinweis auf Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wonach es sich um einen wesentlichen Teil der täglichen Arbeitszeit handeln müsse). Entsprechend ging die Amtliche Begründung zur 5. Verordnung über die Ausdehnung der Unfallversicherung auf Berufskrankheiten (abgedruckt in Lauterbach, Unfallversicherung, § 9 Anh. IV, 2102), mit der diese BK - zunächst für Bergarbeiter - eingeführt wurde, von einer täglichen und dabei jeweils stundenlangen Arbeit in hockender und kniender Stellung aus.

Hieraus folgt, dass die erforderliche Dauerzwangshaltung jedenfalls nicht vorlag, wenn die kniende oder hockende Haltung mit gleichzeitigem Kraftaufwand jeweils nur kurzfristig (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 24.09.2009, L 6 U 34/05 in juris, Rdnr. 35; Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 635 m.w.N.; LSG Nordrhein-Westfalen, a.a.O.: weniger als eine halbe Stunde täglich) eingenommen wurde. Gleiches gilt, wenn die kniende oder hockende Haltung mit gleichzeitigem Kraftaufwand nicht arbeitstäglich anfiel.

Wie im Zusammenhang mit der BK 2112 bereits dargelegt, kam es bei der Tätigkeit des Klägers gerade nicht an jedem Arbeitstag zu kniebelastenden Tätigkeiten. Fest steht nur, dass der Kläger an manchen Tagen drei bis vier Stunden im Knien (oder einer vergleichbaren Haltung, wie Hocken, Fersensitz) tätig war, an manchen Tagen gar nicht und ansonsten mit völlig unterschiedlichen Zeitanteilen. In diesem Zusammenhang ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass das bloße Tätigsein im Knien oder einer vergleichbaren kniebelastenden Haltung (Hocken, Fersensitz, vgl. Mehrtens/Brandenburg, a.a.O., Rdnr. 3) die Voraussetzungen der BK 2112 nicht erfüllt. Erforderlich ist vielmehr, dass diese Tätigkeit - wie dargestellt - jeweils nicht nur kurzfristig ausgeübt wurde. Dies bedeutet, dass kurzfristige Tätigkeiten im Knien, in der Hocke oder im Fersensitz, wie sie insbesondere beim Anpassen der Rohre am Fahrzeug vorstellbar sind, von vornherein - mangels Dauerzwangshaltung - nicht berücksichtigt werden können. Gleiches gilt - wie dargelegt - für kniebelastende Tätigkeiten, wenn sie zwar mit einer gewissen Dauer ausgeübt wurden, aber nicht mit einem Kraftaufwand verbunden waren, wie dies für feinmotorische Tätigkeiten anzunehmen ist.

Insgesamt gelangt der Senat somit zu der Überzeugung, dass der Kläger zwar an einzelnen Tagen über Stunden kniebelastende Tätigkeiten i.S. der BK 2102 und der BK 2112 ausübte, jedoch gerade nicht arbeitstäglich in erheblichem Umfang. Nähere Feststellungen zu den einzelnen Zeitanteilen der jeweiligen Verrichtungen, die nach der übereinstimmenden Darstellung des Präventionsdienstes, der Arbeitgeberin und des Klägers selbst unterschiedlich waren, lassen sich für die in der Vergangenheit liegende Beschäftigungszeit des Klägers nicht mehr treffen. Die entsprechenden Produktionsbedingungen haben sich - sowohl was die Produkte angelangt, als auch hinsichtlich der Arbeitsweisen - gewandelt und Produktionsunterlagen aus früherer Zeit liegen nicht mehr vor (Bericht des Präventionsdienstes vom Juli 2013, Auskunft der Arbeitgeberin vom Januar 2014).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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