L 11 R 2518/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 22 R 1817/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 2518/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 01.06.2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung der Durchführung einer Statusfeststellung durch die Beklagte und begehrt die Feststellung, dass zwischen ihm und der R. T. GmbH ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis besteht.

Der 1975 geborene Kläger war nach Angaben der R. T. GmbH, Ö., bei dieser in der Zeit vom 09.05. bis 08.06.2011 in der Elektroinstallation tätig. Ab 13.09.2011 befand er sich zunächst in Untersuchungshaft, derzeit befindet er sich in Strafhaft.

Am 29.08.2011 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Statusfeststellung seiner Beschäftigung bei der R. T. GmbH. Nachdem der Kläger auf Anforderung weiterer Unterlagen und Angaben durch die Beklagte mit Schreiben vom 01.11.2011, 09.01.2012 und 08.02.2012 nicht geantwortet hatte, teilte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 12.03.2012 mit, dass ein Verfahren auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status für ihn nicht durchgeführt und das Verwaltungsverfahren eingestellt werde, da die Entscheidungsfindung anhand der bisher eingereichten Unterlagen nicht möglich sei.

Mit Schreiben vom 28.03.2012 hat der Kläger gegen diesen Bescheid zum Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben und zugleich Widerspruch eingelegt.

Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 01.06.2012 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage bzw im Hilfsantrag Verpflichtungsklage sei unzulässig, da das Vorverfahren nicht durchgeführt worden sei. Die Durchführung des Vorverfahrens nach § 78 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sei unverzichtbare Sachurteilsvoraussetzung, weshalb die Klage als unzulässig abzuweisen sei. Die Gegenansicht, nach der das Verfahren bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens auszusetzen sei, überzeuge nicht. Die überkommene höchstrichterliche Ansicht würdige nicht hinreichend, dass das prozessuale Schicksal einer Klage, die als unzulässig abgewiesen werde, keine Auswirkungen auf Zulässigkeit und Begründetheit des Widerspruchs zeitige. Die Aussetzung sei auch weder materiell-rechtlich, noch aus kostenrechtlichen Gesichtspunkten prozessökonomisch.

Hiergegen richtet sich die am 13.06.2012 eingelegte Berufung des Klägers, für welche er die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt. Im Kern behaupte das SG, es sei zu faul in der Sache zu entscheiden, deshalb wolle es das Verfahren entgegen der herrschenden Meinung nicht liegen lassen. Seines Erachtens müsse das Verfahren an das SG zurückverwiesen werden.

Der Kläger beantragt,

1. durch Zwischenurteil über die Zulässigkeit der Klage zu entscheiden 2. im Übrigen hält er die schriftsätzlich gestellten Anträge aufrecht 3. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart aufzuheben und das Verfahren zur Sachentscheidung an das Sozialgericht Stuttgart zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat mitgeteilt, dass das Widerspruchsverfahren inzwischen durchgeführt worden und dem Widerspruch mit Bescheid vom 05.12.2012 abgeholfen worden sei.

Mit Bescheid vom 05.12.2012 hat die Beklagte den Bescheid vom 12.03.2012 zurückgenommen und festgestellt, dass aufgrund des Antrags die Statusfeststellung vorzunehmen sei. Das Statusfeststellungsverfahren hat sie inzwischen durchgeführt. Nach Anhörung vom 19.02.2013 hat die Beklagte mit Bescheiden vom 19.03.2013 das Vorliegen einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit des Klägers bei der R. T. GmbH in der Zeit vom 09.05. bis 08.06.2011 festgestellt. Den Widerspruch des Klägers (er wandte sich gegen das Ende der Beschäftigung am 08.06.2011) und den Widerspruch der R. T. GmbH hat sie mit Widerspruchsbescheiden vom 05.07.2013 zurückgewiesen. Dagegen hat die R. T. GmbH zum SG Karlsruhe Klage erhoben, die dort noch anhängig ist (S 8 R 2303/13).

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Zunächst hat der Senat keine Zweifel an der Prozessfähigkeit des Klägers. Es ist dem Senat aus dem Verfahren L 11 SF 293/14 EK bekannt, dass der Sachverständige Prof Dr T. in seinem im Auftrag des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg im Verfahren L 2 SF 3694/12 erstatteten nervenfachärztlichen Gutachten vom 08.07.2013 zu dem Ergebnis gelangt ist, der Kläger sei aufgrund seiner krankhaften Persönlichkeitsstruktur prozessunfähig. Aus den im Verfahren L 11 SF 293/14 EK beigezogenen Akten L 2 SF 3694/12 ist das weitere zur Frage der Prozessfähigkeit über den Kläger erstellte Gutachten von PD Dr S./Si. für das Landgericht (LG) Regensburg (1 O 982/10 (2)) vom 29.06.2012 ersichtlich, in welchem in der Gesamtwürdigung die Prozessfähigkeit bejaht wird. Dieses Gutachten überzeugt den Senat.

Danach ist beim Kläger von einer ausgeprägt querulatorischen Entwicklung auszugehen, die sich insbesondere in einer Vielzahl von inzwischen über 1.800 sozialgerichtlichen Verfahren niederschlägt. Prof Dr T., der sein Gutachten allein nach Aktenlage erstellt hat, hat in seinem Gutachten schon keine medizinische Diagnose gestellt, die sich in die anerkannte Klassifikation von Krankheiten nach ICD-10 einordnen ließe. Dagegen haben die Gutachter S./Si. eine kombinierte Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F 61.0) diagnostiziert. Zudem standen diesen Gutachtern die Ergebnisse früherer Begutachtungen aus den Jahren 1994 und 2002 zur Verfügung, zumindest eine kurze Exploration war möglich und der Gutachter Si. konnte den Kläger im Rahmen der gegen ihn in der Zeit vom 25.04. bis 18.06.2012 geführten Hauptverhandlung vor dem LG Karlsruhe beobachten. Das Gutachten S./Si. ist daher auf einer überlegenen Tatsachenbasis erstellt worden. Nach alledem hat der Senat - auch im Hinblick auf die sonstigen bereits vor dem Senat geführten Verfahren des Klägers - keine Anhaltspunkte dafür, dass die Fähigkeit des Klägers anhand vernünftiger Überlegungen Entscheidungen zu treffen, grundlegend beeinträchtigt wäre. Der Kläger ist vielmehr ohne weiteres in der Lage, seine Auffassung mit der gebotenen Deutlichkeit zu formulieren. Die vom Kläger geführte Vielzahl von über 1.800 allein in der Sozialgerichtsbarkeit geführten Verfahren spricht nicht dagegen, denn es erscheint nach dem gerichtsbekannten Prozessverhalten des Klägers durchaus naheliegend, dass der Kläger bewusst vielfach unzulässige und unbegründete Anträge stellt, um Behörden und Justiz zu beschäftigen (ebenso Oberlandesgericht Stuttgart 08.01.2014, 4 W 53/13).

Da der Senat keine Zweifel an der Prozessfähigkeit des Klägers hat, war weder das von Dr. V. für das LG Karlsruhe im Verfahren 9 T 19/13 erstellte Gutachten beizuziehen, das im Übrigen noch gar nicht schriftlich vorliegt, noch waren Gutachter, wie vom Kläger schriftsätzlich beantragt, mündlich zur Frage der Prozessfähigkeit zu vernehmen.

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs 1 SGG) eingelegte Berufung war ursprünglich statthaft und zulässig, inzwischen ist jedoch das Rechtsschutzbedürfnis für die Fortführung des Verfahrens entfallen, denn die Beklagte hat den ursprünglich angefochtenen Bescheid vom 12.03.2011, mit dem sie sich geweigert hatte, das Verfahren der Statusfeststellung durchzuführen, mit Bescheid vom 05.12.2012 aufgehoben. Damit ist die Beschwer entfallen, der Rechtsstreit hat sich in der Hauptsache erledigt. Der Kläger hat sich trotz gerichtlichen Hinweises vom 05.03.2013 hierzu nicht geäußert. Für die Fortführung des Berufungsverfahrens besteht daher kein Rechtsschutzbedürfnis mehr, ohne dass es auf die Frage ankommt, ob das SG zu Recht die Klage als unzulässig abgewiesen hat oder das Verfahren hätte aussetzen müssen bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens. Angesichts dessen kommt eine Aufhebung des angefochtenen Gerichtsbescheids mit Zurückverweisung an das SG nicht in Betracht.

Soweit die Beklagte zwischenzeitlich das Verwaltungsverfahren durchgeführt hat, sind die in diesem Verfahren erlassenen Bescheide vom 19.03.2013 und 05.07.2013 nicht gemäß § 96 Abs 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Der Bescheid vom 12.03.2012 war bereits mit Bescheid vom 05.12.2012 aufgehoben worden und letzterer wird durch die Feststellung der Versicherungspflicht mit Bescheid vom 19.03.2013 weder abgeändert noch ersetzt. Die inhaltliche Prüfung bleibt daher dem vor dem SG Karlsruhe anhängigen Verfahren S 8 R 2303/13 vorbehalten. Aus diesem Grunde war vorliegend auch weder eine Beiladung der R. T. GmbH noch der übrigen Versicherungsträger gemäß § 75 Abs 2 SGG erforderlich.

Ein Zwischenurteil über die Zulässigkeit der Klage (§ 202 SGG iVm § 280 Abs 1 Zivilprozessordnung (ZPO)) kommt angesichts der bereits eingetretenen Erledigung in der Hauptsache hier nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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