L 3 AS 3515/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AS 1106/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 3515/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 09. Juli 2012 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld II wegen einer weiteren wiederholten Pflichtverletzung nach § 31 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.03.2012 - 31.05.2012 vollständig entfällt.

Die 1959 geborene Klägerin bezog seit dem 04.01.2010 vom Beklagten bzw. dessen Rechtsvorgänger Leistungen nach dem SGB II.

1. Mit Bescheid vom 26.02.2010 senkte der Beklagte das der Klägerin gewährte Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 01.04.2010 bis 30.06.2010 monatlich um 10 v.H. der maßgebenden Regelleistung (monatlich 35,90 EUR) ab mit der Begründung, die Klägerin sei trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen zu dem Meldetermin am 10.02.2010 ohne wichtigen Grund nicht erschienen.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, sie habe die Einladung zum Meldetermin am 10.02.2010 nicht erhalten.

Ausweislich des Aktenvermerks des Beklagten über ein Telefongespräch mit der Klägerin am 02.03.2010 hatte diese angegeben, sie habe keinerlei Schreiben von dem Beklagten erhalten. Sie habe an den Terminen am 10.02.2010 und 18.02.2010 nicht teilnehmen können, da sie die Einladungsschreiben nicht erhalten habe. In einem im Widerspruchsverfahren gefertigten Aktenvermerk wird ausgeführt, die Klägerin habe immer wieder telefonisch mitgeteilt, Post der Beklagten nicht erhalten zu haben. Zu berücksichtigen sei auch, dass beim Zusteller arriva am Wohnort der Klägerin Anfang des Jahres tatsächlich Probleme mit der zuverlässigen Zustellung bekannt geworden seien. Der Zugang könne deshalb nicht nachgewiesen werden. Die Zustellung solle künftig per Einschreiben mit Rückschein erfolgen. Die Voraussetzungen für eine wiederholte Pflichtverletzung lägen nicht vor, weil zwischen der ersten und zweiten Einladung kein Sanktionsbescheid erteilt worden sei.

2. Mit Bescheid vom 12.04.2010 senkte die Beklagte das Arbeitslosengeld II der Klägerin für die Zeit vom 01.05.2010 bis 31.07.2010 monatlich um 20 v.H. der maßgebenden Regelleistung ab (monatlich 71,80 EUR). Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin sei trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen zu dem Meldetermin am 18.02.2010 ohne wichtigen Grund nicht erschienen.

Mit Abhilfebescheid vom 20.05.2010 hob der Beklagte den Bescheid vom 12.04.2010 auf. Mit Änderungsbescheid vom 20.05.2010 bewilligte der Beklagte für die Zeit vom 01.05.2010 bis 30.06.2010 Arbeitslosengeld II unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft i.H.v. 359,- EUR monatlich in Höhe der Regelleistung abzüglich eines Minderungsbetrags aufgrund von Sanktionen i.H.v. 35,90 EUR.

3. Am 14.01.2010 schlossen die Beteiligten eine Eingliederungsvereinbarung, in welcher sich die Klägerin u.a. verpflichtete, in den nächsten 6 Monaten mindestens viermonatliche Bewerbungsbemühungen um sozialversicherungspflichtige/geringfügige Beschäftigungsverhältnisse (Vollzeit oder Teilzeit oder auch geringfügig) zu unternehmen und hierüber zu jeder persönlichen Vorsprache beim Ansprechpartner unaufgefordert folgende Nachweise vorzulegen: Liste Eigenbemühungen mit Adressdaten des Arbeitgebers. Sollten kein Beratungs-Termin anstehen, reiche sie unaufgefordert ihren schriftlichen Nachweise der Bewerbungsbemühungen bis zum 8. Tag des Folgemonats beim Berater ein, erstmals am 08.03.2010.

4. Nach Anhörung der Klägerin senkte die Beklagte mit Bescheid vom 23.06.2010 das Arbeitslosengeld II der Klägerin für die Zeit vom 01.07.2010 - 30.09.2010 monatlich um 30 v.H. der maßgeblichen Regelleistung (monatlich 107,70 EUR) ab. Die Klägerin habe die in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflichten nicht umfassend erfüllt, Eigenbemühungen seien nicht ausreichend nachgewiesen.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, sie sei im Monat März bettlägerig wegen einer verschleppten doppelseitigen Lungenentzündung gewesen. Die Krankmeldungen lägen der Beklagten vor. Sie habe Frau Fehr Nachweise über ihre Eigenbemühungen vorgelegt. Ab dem 02.04.2010 habe sie eine geringfügige Beschäftigung aufgenommen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.07.2010 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Nachweise über Eigenbemühungen habe die Klägerin nicht vorgelegt. Eine Arbeitsunfähigkeit sei lediglich für die Zeit vom 26.02.2010 bis 20.03.2010 durch ärztliche Bescheinigungen nachgewiesen. Daraus sei jedoch nicht ersichtlich, dass die Klägerin die von ihr geforderten Bewerbungen aus gesundheitlichen Gründen nicht habe fertigen können.

5. Nachdem die Beteiligten am 07.06.2010 eine mit der vorherigen inhaltlich übereinstimmende Eingliederungsvereinbarung getroffen hatte verfügte der Beklagte mit Bescheid vom 06.10.2010 die Absenkung des Arbeitslosengeldes II für die Zeit vom 01.11.2010 bis 31.01.2011 um monatlich 30 v.H. der maßgebenden Regelleistung. Daraus ergebe sich eine Absenkung des Arbeitslosgengeldes II in Höhe von 215,40 EUR monatlich. Die Klägerin habe die in der Eingliederungsvereinbarung vom 07.06.2010 festgelegten Pflichten nicht umfassend erfüllt. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.11.2010 zurück.

6. In einer weiteren Eingliederungsvereinbarung vom 11.02.2011 wurde u.a. eine Verpflichtung der Klägerin zur Teilnahme an einer Integrationsmaßnahme bei der Fa. A. & Partner ab dem 14.02.2011 vereinbart. Mit Bescheid vom 06.04.2011 verfügte die Beklagte den Wegfall des Arbeitslosengeldes II für die Zeit vom 01.05.2011 bis 31.07.2011, weil die Klägerin unentschuldigt ab dem 07.03.2011 an der Maßnahme Integrationsmaße 50 plus bei der Firma A. & Partner nicht teilgenommen habe. Den hiergegen mit der Begründung eingelegten Widerspruch, sie habe die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen direkt beim Maßnahmeträger abgegeben, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.05.2011 zurück mit der Begründung, die Klägerin habe nicht bereits am ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit eine Mitteilung gemacht. Die Klägerin sei bereits dadurch besser gestellt, dass im Sanktionsbescheid die Absenkung auf die Regelleistung beschränkt sei.

7. Mit Bescheid vom 17.10.2011 stellte die Beklagte den Wegfall des Arbeitslosengeldes II in der Zeit vom 01.11.2011 - 31.01.2012 in voller Höhe fest, weil sich die Klägerin auf einen Vermittlungsvorschlag für eine Tätigkeit bei der Gaststätte B. nicht beworben habe. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, der Vermittlungsvorschlag sei ihr nicht zugegangen. Mit Abhilfebescheid vom 09.11.2011 half der Beklagte dem Widerspruch ab und hob den Bescheid vom 17.10.2011 auf.

8. Am 02.10.2011 unterzeichnete die Klägerin eine Eingliederungsvereinbarung vom 15.09.2011, in welcher sie sich u.a. verpflichtete, sich zeitnah - am dritten Tag nach Erhalt des Stellenangebots - auf vom Beklagten unterbreitete Vermittlungsvorschläge zu bewerben. Bei schriftlichen Bewerbungen sei eine Kopie der Bewerbung sowie eine Eingangsbestätigung oder Absage des Arbeitgebers vorzulegen.

Mit Schreiben vom 27.10.2011 unterbreitete der Beklagte der Klägerin zwei Vermittlungsvorschläge für Tätigkeiten in Teilzeit bei der Heilpädagogischen Einrichtung Haus C. GmbH in D. als Helferin/Küche bzw. dem Pädagogium Baden-Baden GmbH & Co. KG als Spülerin, in denen jeweils Anschrift und Telefonnummer des Arbeitgebers angegeben war. Der Vermittlungsvorschlag für das Haus C. GmbH enthielt folgenden Zusatz: "Bewerben Sie sich bitte umgehend schriftlich oder per E-Mail. Alternativ vereinbaren sie bitte umgehend einen Vorstellungstermin.

Mit Bescheid vom 02.01.2012 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.01.2012 bis 30.06.2012 in Höhe von insgesamt 733,00 EUR (Regelbedarf monatlich 374,00 EUR, Kosten für Unterkunft und Heizung monatlich 359,00 EUR).

Mit Schreiben vom 11.01.2012 teilte die Haus C. GmbH dem Beklagten mit, die Klägerin habe sich nicht gemeldet bzw. nicht beworben. Bei einer Vorsprache am 19.01.2012 beim Beklagten gab die Klägerin an, sie habe sich telefonisch und schriftlich beworben, jedoch keine Antwort erhalten.

Mit Bescheid vom 01.02.2012 stellte der Beklagte den vollständigen Wegfall des Arbeitslosengeldes II für die Zeit vom 01.03.2012 bis 31.05.2012 fest, weil die Klägerin wiederholt ihren Pflichten nicht nachgekommen sei. Sie habe sich trotz Kenntnis der Rechtsfolgen aufgrund der Eingliederungsvereinbarung vom 15.09.2011 nicht auf den Vermittlungsvorschlag vom 27.10.2011 als Helferin in der Küche bei der Haus C. GmbH in D. beworben. Mit Änderungsbescheid gleichfalls vom 01.02.2012 setzte die Beklagte die Leistungen für die Zeit vom 01.03.2012 bis 31.05.2012 mit 0,- EUR fest.

Den hiergegen am 28.02.2012 erhobenen Widerspruch, den die Klägerin damit begründete, sie habe sich am 29.10.2011 telefonisch und am 09.11.2011 schriftlich beworben, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.03.2012 zurück. Die Arbeitgeberin habe am 11.01.2012 mitgeteilt, dass sich die Klägerin dort nicht gemeldet bzw. beworben habe. Auch nach nochmaliger Erkundigung habe die Haus C. GmbH mitgeteilt, eine Bewerbung auf die Stelle als Küchenhelferin sei dort nicht eingegangen.

Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben.

Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe sich auf die Stelle bei der Haus C. GmbH sofort telefonisch und später auch schriftlich beworben. Hierzu hat sie einen Verbindungsnachweis ihres Telefonanbieters vorgelegt. Danach hat sie am 29.10.2011 um 11:53 Uhr ein Gespräch mit der Haus C. GmbH geführt; weiter hat sie ein Schreiben der Deutschen Post vom 07.03.2012 betreffend einen Nachforschungsauftrag vorgelegt.

Mit Gerichtsbescheid vom 09.07.2012 hat das SG die Bescheide des Beklagten vom 01.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.03.2012 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig. Zwischen den Beteiligten sei am 15.09.2011 zwar eine wirksame Eingliederungsvereinbarung getroffen worden, in welcher festgelegt worden sei, dass sich die Klägerin auf Vermittlungsvorschläge des Beklagten innerhalb von drei Werktagen zu bewerben habe. Da bei der Haus C. GmbH keine Bewerbung der Klägerin eingegangen sei habe sich diese auf den Vermittlungsvorschlag nicht beworben und dadurch die ihr mit der Eingliederungsvereinbarung vom 15.09.2011 auferlegten Pflicht nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) verletzt. Tatsachen, die einen wichtigen Grund im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II darstellen könnten, seien nicht vorgetragen noch ersichtlich. Da bereits mit Bescheiden vom 23.06.2010, 06.10.2010 und 06.04.2011 Minderungen in Höhe von 30, 60 bzw. 100 v.H. der maßgebenden Regelleistung festgestellt worden seien und zwischen dem Beginn des vorangegangenen Minderungszeitraums und dem streitgegenständlichen Pflichtverstoß noch kein Jahr vergangen sei, liege eine weitere wiederholte Pflichtverletzung im Sinne des § 31 a Abs. 1 Satz 3 SGB II vor.

Der angefochtene Bescheid vom 01.02.2012 erweise sich jedoch aus anderen Gründen als rechtswidrig, da in dem Vermittlungsvorschlag und der zugrunde liegenden Eingliederungsvereinbarung keine ordnungsgemäße Belehrung über die Rechtsfolgen erfolgt sei. Vielmehr wiedersprächen sich die Rechtsfolgenbelehrung der Eingliederungsvereinbarung und des Vermittlungsvorschlags. Der Beklagte habe die der Klägerin auferlegte Verpflichtung sowie die daran anknüpfenden Rechtsfolgen der Eingliederungsvereinbarung und des (zeitlich nachgelagerten) Vermittlungsvorschlags unzulässig vermengt. Diese enthielten bei isolierter Betrachtung die inhaltlich richtige Belehrung darüber, dass bei wiederholter Pflichtverletzung innerhalb eines Zeitraums von 12 Monaten nach Eintritt der Sanktionen der zustehende Anspruch auf Leistungen für die Dauer von drei Monaten vollständig entfalle. Dazu im Widerspruch stehe jedoch die der Klägerin auferlegte sanktionsbewehrte Verpflichtung in der Eingliederungsvereinbarung einerseits und dem Vermittlungsvorschlag andererseits. In der Eingliederungsvereinbarung vom 15.09.2011 sei der Klägerin aufgegeben worden, sich mündlich oder schriftlich zu bewerben. Des weiteren werde der Klägerin erklärt, dass das Arbeitslosengeld II für die Dauer von drei Monaten vollständig abgesenkt werde, wenn sie ohne wichtigen Grund den Verpflichtungen der Eingliederungsvereinbarung nicht Folge leiste. Der Vermittlungsvorschlag vom 27.10.2011 gebe der Klägerin demgegenüber auf, sich schriftlich oder per E-Mail zu bewerben. In der Rechtsfolgenbelehrung des Vermittlungsvorschlags werde nunmehr einzig die Weigerung, die mit dem Vermittlungsvorschlag angebotene Arbeit aufzunehmen sowie die Vereitelung der Arbeitsaufnahme durch negatives Bewerbungsverhalten als sanktionsbewehrtes Verhalten in die Rechtsfolgenbelehrung aufgenommen. Das Unterlassen der Bewerbung werde in der Rechtsfolgenbelehrung nicht mehr als sanktionsbewehrtes Verhalten genannt, vielmehr werde als absenkungsrelevante Verpflichtung nur noch genannt, dass die Klägerin verpflichtet sei, die ihr mit dem Vermittlungsvorschlag angebotene Arbeit aufzunehmen. Für die Klägerin sei damit nicht mehr konkret erkennbar gewesen, welche Rechtsfolge ihr im Falle der Nichtbewerbung drohen werde. Zudem seien die Ausführungen in der Rechtsfolgenbelehrung des Vermittlungsvorschlags, soweit auf den Bescheid vom 17.10.2011 Bezug genommen werde, nicht zutreffend. Den die mit Bescheid vom 17.10.2011 verfügte vollständige Absenkung sei vom Beklagten mit dem Abhilfebescheid vom 09.11.2011 aufgehoben worden. Ebenso unrichtig sei schließlich die Feststellung in der Rechtsfolgenbelehrung der Eingliederungsvereinbarung, zuletzt sei das Arbeitslosengeld II um 60 v.H. des maßgebenden Regelbedarfs abgesenkt worden, da die Absenkung tatsächlich 100 v.H. des maßgebenden Regelbedarfs betragen habe.

Gegen den am 18.07.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Beklagte am 15.08.2012 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Er trägt vor, dass der Klägerin am 27.10.2011 unterbreitete Angebot einer Stelle als Küchenhelferin bei der Haus C. GmbH habe eine vollständige und verständliche Belehrung über die Rechtsfolgen enthalten, die Eintreten, wenn sie die angebotene Arbeit nicht antrete. Die Klägerin habe sich auf die angebotene Stelle nicht beworben, ohne das ein wichtiger Grund für dieses Verhalten erkennbar sei. Eine derart gravierend voneinander abweichende Rechtsfolgenbelehrung zwischen der Eingliederungsvereinbarung vom 15.09.2011 und dem Vermittlungsvorschlag vom 27.10.2011, wie es das SG angenommen habe, sei nicht nachvollziehbar.

Im Erörterungstermin vom 06.03.2013 hat die Klägerin nochmals vorgetragen, sie habe nach Erhalt des Vermittlungsvorschlags bei der Haus C. GmbH angerufen und die Auskunft erhalten, sie solle sich mit einem kurzen Schreiben bewerben. Daraufhin habe sie das Bewerbungsschreiben zur Post gegeben.

Nachdem der Beklage mit Schreiben vom 28.05.2013 vorgetragen hat, bei den vorgelegten Verbindungsnachweisen handele es sich nicht um den eigenen Telefonanschluss der Klägerin hat die Klägerin eine vollständige Verbindungsübersicht ihres Telefonanschluss für die Zeit vom 19.10 bis 17.11.2011 vorgelegt.

Der Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 09. Juli 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gem. § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor. Streitig ist die Absenkung der Leistungen für drei Monate i.H.v. jeweils 733,00 EUR, somit um insgesamt 2.199,00 EUR. Die Berufungssumme von 750,00 EUR ist damit überschritten.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid in der Sache zu Recht die angefochtenen Bescheide aufgehoben.

Die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide folgt allerdings nicht bereits daraus, dass die von der Klägerin am 15.09.2011 unterzeichnete Eingliederungsvereinbarung und der Vermittlungsvorschlag für die Tätigkeit bei der Haus C. GmbH vom 27.10.2011 sich widersprechende Rechtsfolgenbelehrungen enthalten hätten. Darauf, ob die entsprechenden Rechtsfolgenbelehrungen einander widersprechen, kann vorwiegend dahingestellt bleiben, denn maßgeblich ist allein der dem Vermittlungsvorschlag für die Tätigkeit bei der Haus C. GmbH beigefügte Rechtsfolgenbelehrung.

Rechtsgrundlage für die angefochtenen Bescheide ist § 31 a SGB II. Nach dessen Absatz 1 mindert sich bei einer Pflichtverletzung nach § 31 das Arbeitslosengeld II in einer ersten Stufe um 30 v.H. des für die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs. Bei der ersten wiederholten Pflichtverletzung nach § 31 mindert sich das Arbeitslosengeld II um 60 v.H. des für die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs. Bei jeder weiteren wiederholten Pflichtverletzung nach § 31 entfällt das Arbeitslosengeld II vollständig. Eine wiederholte Pflichtverletzung liegt nur vor, wenn bereits zuvor eine Minderung festgestellt wurde. Sie liegt nicht vor, wenn der Beginn des vorangegangenen Minderungszeitraums länger als ein Jahr zurückliegt. Erklären sich erwerbsfähige Leistungsberechtigte nachträglich bereit, ihren Pflichten nachzukommen, kann der zuständige Träger die Minderung der Leistungen nach Satz 3 ab diesem Zeitpunkt auf 60 v.H. des für sie nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs begrenzen.

Der Beklagte hat die Minderung allein auf die Weigerung der Klägerin gestützt, sich auf den Vermittlungsvorschlag bei der Haus C. GmbH zu bewerben. Allein dieser Vermittlungsvorschlag ist deshalb auch Gegenstand des Sanktionsbescheides. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieses Bescheids ist es deshalb unbeachtlich, ob sich die Klägerin ggf. auch (nicht) auf den gleichzeitig unterbreiteten Vermittlungsvorschlag für das Pädagogium Baden-Baden beworben hat.

Eine Verletzung von Pflichten nach § 31 SGB II durch die Klägerin liegt nicht vor. Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II verletzten erwerbsfähige Leistungsberechtigte ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis sich weigern, in der Eingliederungsvereinbarung oder in dem diese ersetzenden Verwaltungsakt nach § 15 Abs. 1 Satz 6 festgesetzte Pflichten zu erfüllen, insbesondere in ausreichendem Umfang Eigenbemühungen nachzuweisen.

Zur Überzeugung des Senats hat sich die Klägerin auf die ihr am 27.10.2011 unterbreitete Stelle als Küchenhelferin bei der Haus C. GmbH beworben. Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass sie jedenfalls am 29.10.2011 die im Vermittlungsvorschlag angegebene Telefonnummer der Haus C. GmbH angerufen hat. Soweit der Beklagte dem mit dem Vortrag entgegengetreten ist, bei der vorgelegten Verbindungsübersicht handele es sich nicht um die Verbindungen des Telefonanschlusses der Klägerin, ist dies nicht zutreffend. Hierzu hat die Klägerin im Berufungsverfahren die vollständige Verbindungsübersicht ihres Telefonanschlusses für die Zeit vom 19.10.2011 bis 18.11.2011 vorgelegt, in welchem das Gespräch vom 27.10.2011 gleichfalls dokumentiert ist.

Zur Überzeugung des Senats hat sich die Klägerin auch schriftlich beworben. Grundsätzlich trägt zwar der Leistungsberechtigte die Beweislast für den Zugang von Bewerbungsschreiben (Berlit in LPK/SGB II, 5. Aufl., § 31 Rn. 21) Gegen einen Zugang spricht die Auskunft der Haus C. GmbH, wonach dort ein Bewerbungsschreiben der Klägerin nicht eingegangen ist. Es ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass von einem Leistungsbezieher nach dem SGB II im Rahmen eines Sanktionsverfahrens nicht erwartet werden kann, dass er den Eingang seiner Bewerbungen bei Arbeitgebern "sicherstellt" oder auch nur das Risiko des Verlusts auf dem Postweg trägt. Diese Regelung aus § 130 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) betrifft nur die Wirksamkeit von Willenserklärungen. § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II ist aber eine Sanktionsnorm, die ein "Verhindern" des Beschäftigungsverhältnisses und damit Verschulden verlangt. Ein Leistungsempfänger könnte den Zugang einer Bewerbung auch nicht sicherstellen: Ihm fehlen - soweit wie hier Bewerbungskosten nicht übernommen worden sind - in der Regel die finanziellen Mittel für eine Zustellung. Aber es obliegt ihm, die geforderte Bewerbung ordnungsgemäß in den Postlauf zu geben oder selbst zu überbringen (vgl. Beschluss des Senats vom 06.05.2014 - L 3 AS 227/14 B).

Der Nachweis einer Aufgabe zur Post und damit einer Erfüllung der Verpflichtung zur Bewerbung ist vorliegend noch nicht dadurch geführt, dass bei der Post, wie von der Klägerin geschehen, ein Nachforschungsauftrag gestellt worden ist. Dieser könnte als Nachweis erst angesehen werden, wenn der Verbleib des fraglichen Schriftstücks dadurch geklärt würde.

Der Senat gründet seine Überzeugung jedoch auf den durchgängigen, gleichbleibenden und für ihn glaubhaften Vortrag der Klägerin, sich zunächst telefonisch und sodann schriftlich beworben zu haben. Hierfür spricht insbesondere auch der Umstand, dass durch die Vorlage der Verbindungsnachweise objektiv nachgewiesen ist, dass die Klägerin am 29.10.2011 ein Telefongespräch mit dem Arbeitgeber geführt hat. Dies wiederum mindert den Beweiswert von dessen Aussage, die Klägerin habe sich nicht gemeldet bzw. nicht beworben. Dem gegenüber hat die Klägerin bereits bei der Vorsprache am 19.01.2012 angegeben, bezüglich des Vermittlungsvorschlages für die Haus C. GmbH habe sie sich telefonisch und schriftlich beworben. Zur Begründung ihres Widerspruchs hat sie angegeben, ihr sei am Telefon gesagt worden, sie solle sich schriftlich bewerben. Dies habe sie sodann auch gemacht. Dies hält der Senat für glaubhaft.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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