Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 15 KR 1212/14 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 1801/14 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 11.04.2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nunmehr die Erstattung des von ihm aufgewendeten Eigenanteils für das Hörsystem Widex Clear 440C4-PA in Höhe von 3.536,52 EUR.
Der 1967 geborene Antragsteller ist bei der Antragsgegnerin krankenversichert. Er ist als Entwicklungs- bzw. Versuchstechniker sozialversicherungspflichtig bei der D. AG beschäftigt. Bei ihm besteht eine leichte bis mittelgradige Innenohrhochtonstörung beidseits.
Aufgrund einer Hals-Nasen-Ohren-ärztlichen Verordnung des PD. Dr. von G. wandte sich der Antragsteller an den Hörgeräteakustiker L. GmbH & Co.KG und erprobte die Hörgeräte Widex Clear C4-PA sowie Widex C2-PA. Durch das getestete Hörgerät Widex Clear 440 C4-PA konnte laut Anpassungsbericht des Hörgeräteakustikers ein Hörgewinn von 30 % erzielt werden. Für beide Geräte (C4 und C2) ergab sich ein Sprachverstehen bei 65 dB von 70 %. Ein Anpassungsbericht zu einem aufzahlungsfreien Hörsystem wurde nicht vorgelegt. Ausweislich der vom Antragsteller am 04.12.2013 unterzeichneten Erklärung zu Mehrkosten wurde von ihm ausdrücklich kein Kassengerät gewünscht.
Unter dem 04.11.2013 beantragte der Antragsteller bei der Deutschen Rentenversicherung Bund Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, welche diese ablehnte. Mit Schreiben vom 15.11.2013 leitete die Deutsche Rentenversicherung den Antrag des Antragstellers an die Antragsgegnerin weiter.
Unter dem 05.12.2013 teilte der Antragsteller der Antragsgegnerin mit, dass nur das am Ende ausgewählte Gerät befriedigende Ergebnisse im Sprachverstehen erbracht habe. Er beantrage daher die Übernahme der Kosten des Hörsystems in voller Höhe. Zudem reichte er einen Kostenvoranschlag des Hörgeräteakustikers über 3.536,52 Euro zu den Akten.
Mit Bescheid vom 18.12.2013 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller den Festbetrag in Höhe von 1.483,47 Euro. Dagegen erhob der Antragsteller mit Schreiben vom 19.12.2013 Widerspruch und bestand auf einer vollen Kostenübernahme. Andere Geräte erfüllten in seinem Fall keine ausreichende Versorgung. Im Störgeräusch und in größeren Gruppen sei ihm kein ausreichendes Sprachverständnis möglich. Dies habe eine vergleichende Anpassung unter Einbeziehung mehrerer Hörsysteme (auch mit der Ausstattung aufzahlungsfreier Hörgeräte) gezeigt.
Die Antragsgegnerin holte ein Gutachten des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung B.-W. (MDK) vom 13.02.2014 ein. Darin wurde mitgeteilt, dass lediglich Anpassungsberichte für die Hörgeräte Widex Clear 4 und eingeschränkt zu Widex Clear C2 vorlägen. Mit den getesteten Hörgeräten könne eine Hörverbesserung erreicht werden.
Mit Schreiben vom 21.02.2014 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass ein höherer Zuschuss nicht in Betracht komme. Eine erneute Prüfung sei jedoch möglich, wenn ein Anpassungsbericht über zuzahlungsfreie Hörgeräte vorgelegt werde.
Am 24.02.2014 stellte der Antragsteller einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Stuttgart. Er habe bereits vor der Anpassung bei dem Hörgeräteakustiker L. GmbH & Co.KG ein weiteres Hörsystem getestet. Dieses sei ihm jedoch nur für eine Woche zum Probehören zur Verfügung gestellt worden. Die Rechnung des Hörgeräteakustikers sei fällig und werde angemahnt. Er sehe sich benachteiligt, wenn er mit der Zahlung in Vorleistung treten müsse und über die Rückzahlung durch die Antragsgegnerin einen langen Rechtsstreit führen müsse.
Die Antragsgegnerin trat dem entgegen und führte aus, ein Anordnungsanspruch bestehe nicht, weil sie ihre Leistungspflicht mit der Zahlung des Festbetrags an den Hörgeräteakustiker erfüllt habe. Es bestehe auch kein Anordnungsgrund, da eine besondere Eilbedürftigkeit nicht erkennbar sei. Der Antragsteller habe nicht glaubhaft gemacht, dass ihm beim Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache schwere und unzumutbare Nachteile drohten. Im Fall der rückwirkenden Erstattung sei eine angemessene Verzinsung sichergestellt.
Mit Beschluss vom 11.04.2014 lehnte das Sozialgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Ein Anordnungsanspruch sei nicht glaubhaft gemacht. Versicherte hätten nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) Anspruch auf Versorgung unter anderem mit Hörhilfen, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen seien. Wie in allen anderen Leistungsbereichen der gesetzlichen Krankenversicherung müssten die Leistungen nach § 33 SGB V ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürften das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich seien, könnten Versicherte nicht beanspruchen, dürften die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkasse nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 SGB V; BSG, Urt. v. 16.09.2004 - B 3 KR 19/03 R). Ein Hilfsmittel sei von der gesetzlichen Krankenversicherung immer dann zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im täglichen Leben beseitige oder mildere und damit ein Grundbedürfnis betreffe. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG gehörten zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens das Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnehmen, Ausscheiden, (elementare) Körperpflegen, selbstständige Wohnen sowie Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums. Ebenso gehöre dazu das Bedürfnis, bei Krankheit oder Behinderung Ärzte und Therapeuten aufzusuchen. Denn die notwendige medizinische Versorgung sei grundlegende Voraussetzung, um die elementaren Bedürfnisse des täglichen Lebens befriedigen zu können. Der Antragsteller habe, gemessen an diesen Maßstäben, nicht glaubhaft gemacht, dass nur das begehrte Hilfsmittel des Typs Widex Clear 440 C4-PA für seine Versorgung notwendig sei. Ob eigenanteilsfreie Geräte die notwendigen Anforderungen erfüllten, lasse sich derzeit nicht ausschließen. Der Antragsteller habe bei seinem Hörgeräteakustiker keinerlei eigenanteilsfreie Geräte getestet, sondern mit seiner Unterschrift in der Patientenerklärung des Hörgeräteakustikers vom 04.12.2014 bestätigt, dass er ausdrücklich kein Kassengerät gewünscht habe. Auch bei dem vorher aufgesuchten Hörgeräteakustiker habe er das eigenanteilsfreie Hörgeräte nur eine Woche lang "Probe gehört". Eine Anpassung sei nicht vorgenommen worden. Es sei daher nicht glaubhaft gemacht, dass ein Gerät, das zum Festbetrag abgegeben werde, objektiv nicht ausreiche, um die Behinderung des Antragstellers ausreichend zweckmäßig auszugleichen.
Die Antragsgegnerin wies den Widerspruch des Antragstellerin mit Widerspruchsbescheid vom 11.04.2014 zurück.
Am 23.04.2014 hat der Antragsteller Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts eingelegt. Zugleich hat er Klage gegen den Widerspruchsbescheid erhoben, die unter dem Aktenzeichen L 5 KR 1823/14 KL geführt und mit Beschluss vom heutigen Tag an das Sozialgericht Stuttgart als dem instanziell zuständigen Gericht verwiesen wurde.
Er macht zur Begründung geltend, er halte die Patientenerklärung für sittenwidrig und habe diese nur gezwungenermaßen unterzeichnet. Mit dem bewilligten Festbetrag sei keine ausreichende Versorgung gewährleistet. Im Rahmen der Anpassung beim Hörgeräteakustiker habe er feststellen müssen, dass mit Geräten mit der technischen Ausstattung aufzahlungsfreier Geräte kein ausreichendes Sprachverstehen in Umgebungsgeräuschen, in Gruppen und in größeren Räumen für ihn möglich sei. Er habe sich deshalb für die gewählten Geräte entschieden, welche ihm einen nach dem Stand der Medizintechnik bestmöglichen Ausgleich ermöglichten. Da er auf die Geräte angewiesen sei, habe er die Rechnung des Hörgeräteakustikers zwischenzeitlich beglichen und die Hörgeräte bis auf den Festbetrag selbst bezahlt. Den Eigenanteil von 3.536,52 EUR fordere er nun von der Antragsgegnerin.
Der Antragsteller beantragt nach sachdienlicher Auslegung,
den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 11.04.2014 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm 3.536,52 EUR zu erstatten.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Antragsgegnerin, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers ist gem. §§ 172 ff. SGG statthaft. Mit den in Rede stehenden Kosten für die selbst beschafften Hörgeräte in Höhe von 3.536,52 EUR ist der Beschwerdewert von 750 EUR aus § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG überschritten, so dass die Beschwerde nicht gem. § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ausgeschlossen ist. Sie ist auch sonst zulässig, jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.
1.) Vorläufiger Rechtsschutz ist vorliegend gem. § 86b Abs. 2 SGG statthaft. Danach kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG (Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch oder Anfechtungsklage) nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1, Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2, Regelungsanordnung). Mit der Sicherungsanordnung soll die Rechtsstellung des Antragstellers (vorläufig) gesichert, mit der Regelungsanordnung soll sie (vorläufig) erweitert werden. Voraussetzung ist jeweils die Glaubhaftmachung (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO) eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrunds. Unter dem Anordnungsanspruch ist der materielle Anspruch zu verstehen, den der Antragsteller als Kläger im Hauptsacheverfahren geltend macht. Der Anordnungsgrund besteht in der Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung muss gerechtfertigt sein. Daher müssen Gründe vorliegen, aus denen sich ihre besondere Dringlichkeit ergibt.
Bei Auslegung und Anwendung des § 86b Abs. 2 SGG sind das Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) und die Pflicht zum Schutz betroffener Grundrechte zu beachten, namentlich dann, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine Versagung vorläufigen Rechtsschutzes Grundrechte des Antragstellers erheblich, über den Randbereich hinaus und womöglich in nicht wieder gut zu machender Weise verletzen könnte. Ferner darf oder muss das Gericht ggf. auch im Sinne einer Folgenbetrachtung bedenken, zu welchen Konsequenzen für die Beteiligten die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei späterem Misserfolg des Antragstellers im Hauptsacheverfahren einerseits gegenüber der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes bei nachfolgendem Obsiegen in der Hauptsache andererseits führen würde. Schließlich kann im Wege einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich nur eine vorläufige Regelung getroffen und dem Antragsteller daher nicht schon in vollem Umfang, und sei es nur für eine vorübergehende Zeit, gewährt werden, was er nur im Hauptsacheverfahren erreichen könnte. Auch in solchen Fällen ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung freilich möglich, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) geboten ist (zu alledem etwa Puttler, in NK-VwGO § 123 Rdnr. 94 ff.; Kopp/Schenke, VwGO § 123 Rdnr.12 ff. m.N. zur Rechtsprechung).
2.) Nach diesen Maßstäben fehlt es schon an einem Anordnungsgrund. Nachdem der Antragsteller den ihm in Rechnung gestellten Eigenanteil in Höhe von 3.536,52 EUR zwischenzeitlich beglichen hat, geht es im Hauptsacheverfahren ausschließlich um einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch -SGB V-: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der hier allein in Betracht kommende Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. SGB V setzt die rechtswidrige Ablehnung der Leistung durch die Krankenkasse und einen Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Leistungsbeschaffung durch den Versicherten voraus.
Für eine gerichtliche Eilentscheidung ist vor diesem Hintergrund kein Raum. Es ist weder vom Antragsteller dargetan noch sonst erkennbar, dass die Begleichung der Rechnung des Hörgeräteakustikers für den Antragsteller eine unzumutbare Härte bedeutet oder zu nicht hinnehmbaren Rechtsnachteilen für ihn führt. Er hatte diese Leistung vielmehr aufgrund der von ihm mit dem Hörgeräteakustiker geschlossenen privatrechtlichen Vereinbarung zu erbringen. Dass sich die Klärung der Frage eines etwaigen Erstattungsanspruchs im Hauptsacheverfahren gegebenenfalls noch einige Zeit hinziehen wird, begründet derartige unzumutbare Nachteile nicht. Vielmehr wäre eine spätere Erstattungsleistung angemessen zu verzinsen, so dass der finanzielle Nachteil der Verauslagung durch den Antragsteller ausgeglichen würde. Die Antragsgegnerin hat zu Recht darauf verwiesen, dass die rückwirkende Erstattung gesichert ist, während es bei einer Verpflichtung der Antragsgegnerin zur vorläufigen Zahlung eines Erstattungsbetrages nicht ausgeschlossen werden kann, dass im Fall eines Unterliegens des Antragstellers im Hauptsacheverfahren die Rückforderung des vorläufig gezahlten Betrages nicht in gleicher Weise gesichert ist und deshalb die Gefahr besteht, dass zu Lasten der Versichertengemeinschaft eine Leistung erbracht wird, auf die letztendlich kein Anspruch steht, und deren Rückforderung bei Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Versicherten unmöglich werden könnte.
Eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur vorläufigen Zahlung eines Kostenerstattungsbetrages kommt deshalb nicht in Betracht.
3. Auf das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs kommt es deshalb im Beschwerdeverfahren nicht an. Die Frage, ob ein Kostenerstattungsanspruch des Antragstellers nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V für den aufgewendeten Eigenanteil besteht, bleibt der Klärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nunmehr die Erstattung des von ihm aufgewendeten Eigenanteils für das Hörsystem Widex Clear 440C4-PA in Höhe von 3.536,52 EUR.
Der 1967 geborene Antragsteller ist bei der Antragsgegnerin krankenversichert. Er ist als Entwicklungs- bzw. Versuchstechniker sozialversicherungspflichtig bei der D. AG beschäftigt. Bei ihm besteht eine leichte bis mittelgradige Innenohrhochtonstörung beidseits.
Aufgrund einer Hals-Nasen-Ohren-ärztlichen Verordnung des PD. Dr. von G. wandte sich der Antragsteller an den Hörgeräteakustiker L. GmbH & Co.KG und erprobte die Hörgeräte Widex Clear C4-PA sowie Widex C2-PA. Durch das getestete Hörgerät Widex Clear 440 C4-PA konnte laut Anpassungsbericht des Hörgeräteakustikers ein Hörgewinn von 30 % erzielt werden. Für beide Geräte (C4 und C2) ergab sich ein Sprachverstehen bei 65 dB von 70 %. Ein Anpassungsbericht zu einem aufzahlungsfreien Hörsystem wurde nicht vorgelegt. Ausweislich der vom Antragsteller am 04.12.2013 unterzeichneten Erklärung zu Mehrkosten wurde von ihm ausdrücklich kein Kassengerät gewünscht.
Unter dem 04.11.2013 beantragte der Antragsteller bei der Deutschen Rentenversicherung Bund Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, welche diese ablehnte. Mit Schreiben vom 15.11.2013 leitete die Deutsche Rentenversicherung den Antrag des Antragstellers an die Antragsgegnerin weiter.
Unter dem 05.12.2013 teilte der Antragsteller der Antragsgegnerin mit, dass nur das am Ende ausgewählte Gerät befriedigende Ergebnisse im Sprachverstehen erbracht habe. Er beantrage daher die Übernahme der Kosten des Hörsystems in voller Höhe. Zudem reichte er einen Kostenvoranschlag des Hörgeräteakustikers über 3.536,52 Euro zu den Akten.
Mit Bescheid vom 18.12.2013 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller den Festbetrag in Höhe von 1.483,47 Euro. Dagegen erhob der Antragsteller mit Schreiben vom 19.12.2013 Widerspruch und bestand auf einer vollen Kostenübernahme. Andere Geräte erfüllten in seinem Fall keine ausreichende Versorgung. Im Störgeräusch und in größeren Gruppen sei ihm kein ausreichendes Sprachverständnis möglich. Dies habe eine vergleichende Anpassung unter Einbeziehung mehrerer Hörsysteme (auch mit der Ausstattung aufzahlungsfreier Hörgeräte) gezeigt.
Die Antragsgegnerin holte ein Gutachten des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung B.-W. (MDK) vom 13.02.2014 ein. Darin wurde mitgeteilt, dass lediglich Anpassungsberichte für die Hörgeräte Widex Clear 4 und eingeschränkt zu Widex Clear C2 vorlägen. Mit den getesteten Hörgeräten könne eine Hörverbesserung erreicht werden.
Mit Schreiben vom 21.02.2014 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass ein höherer Zuschuss nicht in Betracht komme. Eine erneute Prüfung sei jedoch möglich, wenn ein Anpassungsbericht über zuzahlungsfreie Hörgeräte vorgelegt werde.
Am 24.02.2014 stellte der Antragsteller einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Stuttgart. Er habe bereits vor der Anpassung bei dem Hörgeräteakustiker L. GmbH & Co.KG ein weiteres Hörsystem getestet. Dieses sei ihm jedoch nur für eine Woche zum Probehören zur Verfügung gestellt worden. Die Rechnung des Hörgeräteakustikers sei fällig und werde angemahnt. Er sehe sich benachteiligt, wenn er mit der Zahlung in Vorleistung treten müsse und über die Rückzahlung durch die Antragsgegnerin einen langen Rechtsstreit führen müsse.
Die Antragsgegnerin trat dem entgegen und führte aus, ein Anordnungsanspruch bestehe nicht, weil sie ihre Leistungspflicht mit der Zahlung des Festbetrags an den Hörgeräteakustiker erfüllt habe. Es bestehe auch kein Anordnungsgrund, da eine besondere Eilbedürftigkeit nicht erkennbar sei. Der Antragsteller habe nicht glaubhaft gemacht, dass ihm beim Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache schwere und unzumutbare Nachteile drohten. Im Fall der rückwirkenden Erstattung sei eine angemessene Verzinsung sichergestellt.
Mit Beschluss vom 11.04.2014 lehnte das Sozialgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Ein Anordnungsanspruch sei nicht glaubhaft gemacht. Versicherte hätten nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) Anspruch auf Versorgung unter anderem mit Hörhilfen, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen seien. Wie in allen anderen Leistungsbereichen der gesetzlichen Krankenversicherung müssten die Leistungen nach § 33 SGB V ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürften das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich seien, könnten Versicherte nicht beanspruchen, dürften die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkasse nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 SGB V; BSG, Urt. v. 16.09.2004 - B 3 KR 19/03 R). Ein Hilfsmittel sei von der gesetzlichen Krankenversicherung immer dann zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im täglichen Leben beseitige oder mildere und damit ein Grundbedürfnis betreffe. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG gehörten zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens das Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnehmen, Ausscheiden, (elementare) Körperpflegen, selbstständige Wohnen sowie Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums. Ebenso gehöre dazu das Bedürfnis, bei Krankheit oder Behinderung Ärzte und Therapeuten aufzusuchen. Denn die notwendige medizinische Versorgung sei grundlegende Voraussetzung, um die elementaren Bedürfnisse des täglichen Lebens befriedigen zu können. Der Antragsteller habe, gemessen an diesen Maßstäben, nicht glaubhaft gemacht, dass nur das begehrte Hilfsmittel des Typs Widex Clear 440 C4-PA für seine Versorgung notwendig sei. Ob eigenanteilsfreie Geräte die notwendigen Anforderungen erfüllten, lasse sich derzeit nicht ausschließen. Der Antragsteller habe bei seinem Hörgeräteakustiker keinerlei eigenanteilsfreie Geräte getestet, sondern mit seiner Unterschrift in der Patientenerklärung des Hörgeräteakustikers vom 04.12.2014 bestätigt, dass er ausdrücklich kein Kassengerät gewünscht habe. Auch bei dem vorher aufgesuchten Hörgeräteakustiker habe er das eigenanteilsfreie Hörgeräte nur eine Woche lang "Probe gehört". Eine Anpassung sei nicht vorgenommen worden. Es sei daher nicht glaubhaft gemacht, dass ein Gerät, das zum Festbetrag abgegeben werde, objektiv nicht ausreiche, um die Behinderung des Antragstellers ausreichend zweckmäßig auszugleichen.
Die Antragsgegnerin wies den Widerspruch des Antragstellerin mit Widerspruchsbescheid vom 11.04.2014 zurück.
Am 23.04.2014 hat der Antragsteller Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts eingelegt. Zugleich hat er Klage gegen den Widerspruchsbescheid erhoben, die unter dem Aktenzeichen L 5 KR 1823/14 KL geführt und mit Beschluss vom heutigen Tag an das Sozialgericht Stuttgart als dem instanziell zuständigen Gericht verwiesen wurde.
Er macht zur Begründung geltend, er halte die Patientenerklärung für sittenwidrig und habe diese nur gezwungenermaßen unterzeichnet. Mit dem bewilligten Festbetrag sei keine ausreichende Versorgung gewährleistet. Im Rahmen der Anpassung beim Hörgeräteakustiker habe er feststellen müssen, dass mit Geräten mit der technischen Ausstattung aufzahlungsfreier Geräte kein ausreichendes Sprachverstehen in Umgebungsgeräuschen, in Gruppen und in größeren Räumen für ihn möglich sei. Er habe sich deshalb für die gewählten Geräte entschieden, welche ihm einen nach dem Stand der Medizintechnik bestmöglichen Ausgleich ermöglichten. Da er auf die Geräte angewiesen sei, habe er die Rechnung des Hörgeräteakustikers zwischenzeitlich beglichen und die Hörgeräte bis auf den Festbetrag selbst bezahlt. Den Eigenanteil von 3.536,52 EUR fordere er nun von der Antragsgegnerin.
Der Antragsteller beantragt nach sachdienlicher Auslegung,
den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 11.04.2014 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm 3.536,52 EUR zu erstatten.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Antragsgegnerin, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers ist gem. §§ 172 ff. SGG statthaft. Mit den in Rede stehenden Kosten für die selbst beschafften Hörgeräte in Höhe von 3.536,52 EUR ist der Beschwerdewert von 750 EUR aus § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG überschritten, so dass die Beschwerde nicht gem. § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ausgeschlossen ist. Sie ist auch sonst zulässig, jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.
1.) Vorläufiger Rechtsschutz ist vorliegend gem. § 86b Abs. 2 SGG statthaft. Danach kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG (Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch oder Anfechtungsklage) nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1, Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2, Regelungsanordnung). Mit der Sicherungsanordnung soll die Rechtsstellung des Antragstellers (vorläufig) gesichert, mit der Regelungsanordnung soll sie (vorläufig) erweitert werden. Voraussetzung ist jeweils die Glaubhaftmachung (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO) eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrunds. Unter dem Anordnungsanspruch ist der materielle Anspruch zu verstehen, den der Antragsteller als Kläger im Hauptsacheverfahren geltend macht. Der Anordnungsgrund besteht in der Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung muss gerechtfertigt sein. Daher müssen Gründe vorliegen, aus denen sich ihre besondere Dringlichkeit ergibt.
Bei Auslegung und Anwendung des § 86b Abs. 2 SGG sind das Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) und die Pflicht zum Schutz betroffener Grundrechte zu beachten, namentlich dann, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine Versagung vorläufigen Rechtsschutzes Grundrechte des Antragstellers erheblich, über den Randbereich hinaus und womöglich in nicht wieder gut zu machender Weise verletzen könnte. Ferner darf oder muss das Gericht ggf. auch im Sinne einer Folgenbetrachtung bedenken, zu welchen Konsequenzen für die Beteiligten die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei späterem Misserfolg des Antragstellers im Hauptsacheverfahren einerseits gegenüber der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes bei nachfolgendem Obsiegen in der Hauptsache andererseits führen würde. Schließlich kann im Wege einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich nur eine vorläufige Regelung getroffen und dem Antragsteller daher nicht schon in vollem Umfang, und sei es nur für eine vorübergehende Zeit, gewährt werden, was er nur im Hauptsacheverfahren erreichen könnte. Auch in solchen Fällen ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung freilich möglich, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) geboten ist (zu alledem etwa Puttler, in NK-VwGO § 123 Rdnr. 94 ff.; Kopp/Schenke, VwGO § 123 Rdnr.12 ff. m.N. zur Rechtsprechung).
2.) Nach diesen Maßstäben fehlt es schon an einem Anordnungsgrund. Nachdem der Antragsteller den ihm in Rechnung gestellten Eigenanteil in Höhe von 3.536,52 EUR zwischenzeitlich beglichen hat, geht es im Hauptsacheverfahren ausschließlich um einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch -SGB V-: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der hier allein in Betracht kommende Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. SGB V setzt die rechtswidrige Ablehnung der Leistung durch die Krankenkasse und einen Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Leistungsbeschaffung durch den Versicherten voraus.
Für eine gerichtliche Eilentscheidung ist vor diesem Hintergrund kein Raum. Es ist weder vom Antragsteller dargetan noch sonst erkennbar, dass die Begleichung der Rechnung des Hörgeräteakustikers für den Antragsteller eine unzumutbare Härte bedeutet oder zu nicht hinnehmbaren Rechtsnachteilen für ihn führt. Er hatte diese Leistung vielmehr aufgrund der von ihm mit dem Hörgeräteakustiker geschlossenen privatrechtlichen Vereinbarung zu erbringen. Dass sich die Klärung der Frage eines etwaigen Erstattungsanspruchs im Hauptsacheverfahren gegebenenfalls noch einige Zeit hinziehen wird, begründet derartige unzumutbare Nachteile nicht. Vielmehr wäre eine spätere Erstattungsleistung angemessen zu verzinsen, so dass der finanzielle Nachteil der Verauslagung durch den Antragsteller ausgeglichen würde. Die Antragsgegnerin hat zu Recht darauf verwiesen, dass die rückwirkende Erstattung gesichert ist, während es bei einer Verpflichtung der Antragsgegnerin zur vorläufigen Zahlung eines Erstattungsbetrages nicht ausgeschlossen werden kann, dass im Fall eines Unterliegens des Antragstellers im Hauptsacheverfahren die Rückforderung des vorläufig gezahlten Betrages nicht in gleicher Weise gesichert ist und deshalb die Gefahr besteht, dass zu Lasten der Versichertengemeinschaft eine Leistung erbracht wird, auf die letztendlich kein Anspruch steht, und deren Rückforderung bei Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Versicherten unmöglich werden könnte.
Eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur vorläufigen Zahlung eines Kostenerstattungsbetrages kommt deshalb nicht in Betracht.
3. Auf das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs kommt es deshalb im Beschwerdeverfahren nicht an. Die Frage, ob ein Kostenerstattungsanspruch des Antragstellers nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V für den aufgewendeten Eigenanteil besteht, bleibt der Klärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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