Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 8 SB 224/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 4647/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Neufeststellung des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) streitig.
Die 1975 geborene Klägerin beantragte beim Landratsamt K. - Amt für Versorgung und Rehabilitation - (LRA) wegen einer schwangerschaftsassoziierten Osteoporose mit fünf Wirbelkörperfrakturen erstmals die Feststellung des GdB. Mit Bescheid vom 18.01.2011 stellte das LRA bei der Klägerin wegen einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, verheiltem Wirbelbruch und Kalksalzminderung des Knochens den GdB mit 20 fest.
Am 05.05.2011 stellte die Klägerin beim LRA einen Änderungsantrag auf Erhöhung des GdB. Sie machte als Verschlimmerung Beeinträchtigungen beim Tragen, Laufen oder Sitzen durch starke Schmerzen geltend. Das LRA zog medizinische Unterlagen bei (Berichte der Gemeinschaftspraxis Z. und Kollegen vom 19.03.2010 und 01.04.2010, Diagnosen: Schwangerschaftsinduzierte Osteoporose bei formal sehr guter Prognose, manifeste Osteoporose, Z.n. Wirbelkörperfraktur, erhöhter Knochen turn-over; Kernspintomographiebefund der Wirbelsäule Dr. Ko. vom 19.05.2011, Beurteilung: Kein Nachweis einer jetzt frischen Fraktur oder Nachsinterung; Auszug aus den medizinischen Daten Dr. Fl. und Kollegen für die Zeit vom 26.09.2001 bis 13.07.2011). Nach Einholung der gutachtlichen Stellungnahme seines ärztlichen Dienstes, Dr. Kü. , vom 21.08.2011, in der wegen einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, verheiltem Wirbelbruch, Kalksalzminderung des Knochens und chronisches Schmerzsyndrom der GdB mit 30 vorgeschlagen wurde, stellte das LRA mit Bescheid vom 12.09.2011 den GdB mit 30 neu sowie eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit im Sinne des § 33b Einkommensteuergesetz jeweils seit dem 05.05.2011 fest.
Gegen den Bescheid vom 12.09.2011 legte die Klägerin am 23.09.2011 Widerspruch ein. Die Klägerin machte zur Begründung geltend, der GdB liege über 50. Die Klägerin legte ein Gutachten des Universitätsklinikums G. und M. GmbH, Professor Dr. Ha. , vom 21.11.2011 vor, in dem das Vorliegen einer sehr seltenen schwangerschaftsassoziierten Osteoporose mit fünf Wirbelkörperfrakturen der Klägerin bestätigt wird.
Der Widerspruch der Klägerin wurde vom Regierungspräsidiums Stuttgart - Landesversorgungsamt - mit Widerspruchsbescheid vom 15.12.2011 zurückgewiesen. Die durch das chronische Schmerzsyndrom vorgenommene Erhöhung des GdB auf 30 gebe das Ausmaß der tatsächlich eingetretenen Änderung des Gesundheitszustandes der Klägerin wieder. Eine weitere Erhöhung des GdB lasse sich nicht begründen.
Hiergegen erhob die Klägerin am 13.01.2012 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG). Sie machte zur Begründung geltend, bei ihr liege ein sehr seltenes Krankheitsbild vor. Hier könnten Allgemeinplätze, wie sie im Widerspruchsbescheid zu lesen seien, nicht herangezogen werden. Es bestehe sehr wenig Erfahrung mit diesem Krankheitsbild, insbesondere mit dem Langzeitverlauf. Es bedürfe einer individuellen Überprüfung des Sachverhaltes und der sich daraus ergebenden Wertung zu ihren Gunsten.
Das SG hörte von der Klägerin benannte behandelnde Ärzte unter Übersendung der gutachtlichen Stellungnahme von Dr. Kü. vom 21.08.2011 schriftlich als sachverständige Zeugen an. Der Orthopäde und Unfallchirurg Dr. Schr. teilte in seiner Stellungnahme vom 06.02.2012 den Behandlungsverlauf, die Befunde und Diagnosen mit. Er schätzte den GdB auf 30 ein. Der Orthopäde Dr. Fl. teilte in seiner Stellungnahme vom 13.02.2012 unter Vorlage von Befundberichten (insbesondere Kernspintomographieberichte Dr. Ko. vom 19.05.2011 und 14.04.2011) den Behandlungsverlauf, die Befunde und Diagnosen mit. Es sei zu einer Besserung der Symptomatik gekommen. Insbesondere seien keine neuen Wirbelbrüche aufgetreten. Er schätzte den GdB auf 30 ein. Der Arzt für Allgemeinmedizin und Palliativmedizin Dr. Kl. teilte in seiner Stellungnahme vom 15.02.2012 unter Vorlage von Befundberichten (insbesondere Befundbericht der Dr. Scha. über Schilddrüsensonographien vom 12.12.2011 und 18.02.2011) den Behandlungsverlauf, die Befunde und Diagnosen mit. Zu einer Aussage zum GdB sah sich Dr. Kl. nicht in der Lage.
Der Beklagte trat der Klage unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. Si. vom 31.03.2012 entgegen.
Mit Gerichtsbescheid vom 29.10.2012 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, seit dem Erlass des Bescheides vom 18.01.2011 sei eine wesentliche Änderung im Gesundheitszustand der Klägerin nur in dem vom Beklagten berücksichtigten Ausmaß eingetreten. Danach sei die Zuerkennung eines Gesamt-GdB von 30 seit dem 05.05.2011 gerechtfertigt.
Gegen den dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 31.10.2012 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die von der Klägerin am 07.11.2012 eingelegte Berufung. Die Klägerin hat zur Begründung geltend gemacht, die bei ihr vorhandenen Beschwerden würden nicht der Schwere entsprechend bewertet. Sie sei zu keinem Zeitpunkt schmerzfrei und es bestehe die Gefahr weiterer Wirbelfrakturen. Die Klägerin hat sich auf das Gutachten des Universitätsklinikums G. und M. GmbH vom 22.11.2011 sowie auf die vom SG eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen der sie behandelnden Ärzte bezogen und die Einholung aktueller Berichte sowie einer Stellungnahme des Sie behandelnden Professors Dr. Wa. , Universitätsklinikum G. und M. GmbH, für notwendig erachtet.
Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29. Oktober 2012 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 12. September 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 2011 zu verurteilen, bei ihr den Grad der Behinderung mit mindestens 50 seit dem 5. Mai 2011 festzustellen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Aus der Berufungsbegründung ergäben sich keine neuen Erkenntnisse.
Der Rechtsstreit ist durch den Berichterstatter mit den Beteiligten in der nichtöffentlichen Sitzung am 26.07.2013 erörtert worden. Im Termin hat die Klägerin eine weitere Verschlimmerung sowie das Hinzutreten neuer Gesundheitsstörungen geltend gemacht. Auf die Niederschrift vom 26.07.2013 wird Bezug genommen.
Im Anschluss an den Termin vom 26.07.2013 hat die Klägerin weitere medizinische Unterlagen vorgelegt (Kernspintomographiebericht Dr. Ko. vom 25.07.2013, Beurteilung: Wohl osteoporotische Wirbelkörperverformungen insbesondere im Bereich der unteren BWS, jedoch unverändert zur Voruntersuchung 11/12 ohne Nachweis einer frischen Infraktion oder Nachsinterung, sonst keine weiteren richtungsweisenden Auffälligkeiten; Entlassbrief des Städtischen Klinikums K. vom 23.05.2013 und OP Bericht vom 21.05.2013; Bericht Professor Dr. Ha. vom 22.08.2013, Diagnosen: Schwere schwangerschaftsassoziierte Osteoporose mit Wirbelkörperfrakturen im Bereich der BWK 9 bis 11 und LWK 1, 3 - ED Februar 2010- , Z.n. aufgetretenen Frakturen, Bandscheibenprotrusionen der unteren HWS und L4 bis S1, Zustand nach Schilddrüsenoperation).
Der Senat hat den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie - Psychotherapie T. , Professor Dr. Ha. , Dr. Fl. und Dr. Schr. schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Professor Dr. Ha. hat am 09.08.2013 geantwortet und mitgeteilt, die Klägerin habe sich bei ihm am 28.09.2010 vorgestellt. Weitere Vorstellungstermine seien nicht erfolgt. Professor Dr. Ha. hat die Befunde und Diagnosen mitgeteilt und sich zu einer Bewertung des GdB nicht in der Lage gesehen. Dr. Schr. hat in seiner Stellungnahme vom 21.08.2013 den Behandlungsverlauf, die Befunde und Diagnosen mitgeteilt. Die Knochendichte habe sich verbessert. Dr. Schr. hat den GdB auf orthopädischem Gebiet auf 20 eingeschätzt. Dr. Fl. hat in seiner Stellungnahme vom 06.08.2013 unter Vorlage medizinischer Unterlagen (insbesondere Kernspintomographiebericht Dipl. med. Ka. vom 21.11.2012) den Behandlungsverlauf mitgeteilt und aktuell über eine Veränderung des Gesundheitszustandes der Klägerin ab 09.11.2012 keine Angaben machen können. Der Facharzt für Neurologie, Psychiatrie T. hat in seiner Stellungnahme vom 23.09.2013 den Behandlungsverlauf, die erhobenen Befunde und Diagnosen mitgeteilt. Auf seinem Fachgebiet hätten immer wieder mittelgradige depressive Krankheitsphasen, auch anhaltend, stattgefunden, bei erhöhter Ängstlichkeit und reduzierte Belastbarkeit. Der Facharzt T. schätzte auf seinem Fachgebiet den GdB mit 30 ein.
Weiter hat der Senat den Entlassungsbericht des Städtischen Klinikums K. (ohne Datum) über einen stationären Aufenthalt der Klägerin vom 21.05.2013 bis 28.05.2013 beigezogen (Diagnosen: Struma colloides nodosa beidseits, Verdacht auf Recurrensparese rechts, Therapie am 21.05.2013: Thyreoidektomie, intraoperatives Neuromonitoring).
Der Beklagte trat der Berufung weiter entgegen. Der Einschätzung des GdB mit 30 durch den Psychiater T. könne nicht gefolgt werden. Für die psychische Störung könne unter Einschluss des chronischen Schmerzsyndroms maximal ein Teil-GdB von 20 angenommen werden, der wegen Überschneidungen mit der Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule keine Änderung des GdB ergebe.
Der Senat hat daraufhin das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. Wi. vom 03.03.2010 eingeholt. Dr. Wi. gelangte in seinem Gutachten zu der Bewertung, bei der Klägerin habe sich auf dem Boden einer chronischen Schmerzsymptomatik im Bereich der Wirbelsäule bei Osteoporose und Deckplatteneinbrüche eine leichte bis mittelgradige ängstlich-depressive/hypochondrische Entwicklung ergeben (Einzel-GdB 20), die im Bescheid vom 18.01.2011 noch nicht berücksichtigt worden sei. Hierdurch sei der Einzel-GdB für die Osteoporose mit Wirbelkörperbrüchen von 20 auf 30 anzuheben. Den Gesamt-GdB schätzte Dr. Wi. auf 30 seit dem 05.05.2011 ein.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die angefallenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie einen Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 12.09.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2011 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden.
Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen welche ihrerseits nicht zum so genannten Verfügungssatz des Bescheides gehören zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 10.09.1997 -9 RVs 15/96-, BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 16 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. In diesem Zusammenhang waren bis zum 31.12.2008 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1).
Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP, die im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewendet wurden, die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 16 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. Anders als die AHP, die aus Gründen der Gleichbehandlung in allen Verfahren hinsichtlich der Feststellung des GdB anzuwenden waren und dadurch rechtsnormähnliche Wirkungen entfalteten, ist die VersMedV als Rechtsverordnung verbindlich für Verwaltung und Gerichte. Sie ist indes, wie jede untergesetzliche Rechtsnorm, auf inhaltliche Verstöße gegen höherrangige Rechtsnormen - insbesondere § 69 SGB IX - zu überprüfen (BSG, Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R - RdNr 27, 30 m.w.N.). Sowohl die AHP als auch die VersMedV (nebst Anlage) sind im Lichte der rechtlichen Vorgaben des § 69 SGB IX auszulegen und - bei Verstößen dagegen - nicht anzuwenden (BSG, Urteil vom 30.09.2009 SozR 4-3250 § 69 Nr. 10 RdNr. 19 und vom 23.4.2009, a.a.O., RdNr 30).
Hiervon ausgehend ist im Vergleich zu dem im Bescheid vom 18.01.2011 mit einem GdB von 20 berücksichtigten Behinderungszustand der Klägerin auf dem Boden einer chronischen Schmerzsymptomatik im Bereich der Wirbelsäule bei Osteoporose und Deckplatteneinbrüche eine leichte bis mittelgradige ängstlich-depressive / hypochondrische Entwicklung neu aufgetreten, die es rechtfertigt, wegen einer wesentlichen Änderung (Verschlimmerung) den GdB auf 30 seit dem 05.05.2011 anzuheben. Dem hat der Beklagte im streitgegenständlichen Bescheid Rechnung getragen. Sonstige Gesundheitsstörungen der Klägerin, die eine weitere Erhöhung des GdB rechtfertigen, liegen nicht vor.
Eine wesentliche Änderung (Verschlimmerung) der vom Beklagten in Form einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, verheiltem Wirbelbruch und Kalksalzminderung berücksichtigten schwangerschaftsassoziierten Osteoporose ist nicht eingetreten. Soweit die Klägerin sich darauf beruft, bei der schwangerschaftsassoziierten Osteoporose handele es sich um eine sehr seltene und schwierig zu behandelnde Erkrankung, wird eine wesentliche Änderung im Vergleich zum Bescheid vom 18.01.2011 nicht dargetan. Entsprechendes gilt, soweit sich die Klägerin zur Berufungsbegründung auf vor dem 18.01.2011 erstellte Befundberichte der behandelnden Ärzte beruft. Zudem rechtfertigen nach den VG Teil B 18.1 osteopenische Krankheiten für sich noch keinen Teil-GdB. Vielmehr ist bei ausgeprägten osteopenischen Krankheiten (z. B. Osteoporose) der GdB vor allem von der Funktionsbeeinträchtigung und den Schmerzen abhängig. Eine ausschließlich messtechnisch nachgewiesene Minderung des Knochenmineralgehalts rechtfertigt noch nicht die Annahme eines GdB. Entsprechendes gilt bei einer bestehenden Gefahr späterer Verschlimmerungen des Gesundheitszustandes bzw. bei einem unklaren Krankheitsverlauf. Denn Gesundheitsstörungen, die erst in der Zukunft zu erwarten sind, sind beim GdB nicht zu berücksichtigen (vgl. VG Teil A 2h).
Dass bei der Klägerin eine wesentliche Änderung (Verschlimmerung) funktioneller Auswirkungen von Wirbelsäulenschäden eingetreten ist, ist nicht ersichtlich. Den schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen der vom SG und vom Senat gehörten Ärzte wie auch den zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen lässt sich das Auftreten weiterer Wirbelkörperbrüche mit einer dauerhaften Verschlimmerung funktioneller Auswirkungen für die Wirbelsäule der Klägerin nicht entnehmen. Dr. Fl. hat in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 13.02.2012 das Auftreten neuer Wirbelbrüche verneint. Auch Dr. Schr. hat in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage an den Senat vom 21.08.2013 keine neuen Wirbelbrüche genannt. Neue Wirbelbrüche lassen sich auch sonst den zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen nicht entnehmen. Nach dem von der Klägerin vorgelegten Befundbericht des Dr. Ko. vom 25.07.2013 erbrachte eine Kernspintomographie der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule vom 25.07.2013 kein Nachweis einer frischen Infraktion oder Nachsinterung bei zur Voruntersuchung 11/12 unveränderten osteoporotischen Wirbelkörperumformungen im Bereich der unteren BWS ohne sonst weiteren richtungsweisenden Auffälligkeiten (etwas akzentuierte lumbosacrale Lordosierung und angedeutete zervikothorakale Skoliose, kein Bandscheibenvorfall, keine nennenswerten degenerativen Veränderungen, normal weiter Spinalkanal, freie Foramina, reizlose ISG). Dem entsprechen im Wesentlichen auch die zu den Akten gelangten Befundberichte des Dr. Ko. vom 14.04.2011 und 19.05.2011 über kernspintomographische Untersuchung der Wirbelsäule sowie des Dipl. med. Ka. vom 21.11.2012 über eine Kernspintomographie vom 20.11.2012. Das Auftreten neuer Wirbelkörperbrüche hat die Klägerin im Übrigen auch nicht geltend gemacht. Eine Verschlimmerung der Funktionsbehinderung der Wirbelsäule der Klägerin ist auch sonst nicht dokumentiert. Damit ist für die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, verheiltem Wirbelbruch und Kalksalzminderung des Knochens weiterhin von einem Teil-GdB von 20 auszugehen, wie vom Beklagten im Bescheid vom 18.01.2011 berücksichtigt. Dem entspricht auch die Bewertung des Dr. Schr. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage an den Senat vom 21.08.2013, der auf orthopädischem Gebiet den GdB mit 20 eingeschätzt hat.
Nach dem überzeugenden Gutachten von Dr. Wi. vom 03.03.2014 ist bei der Klägerin im Vergleich zum Bescheid vom 18.01.2011 auf dem Boden einer eingetretenen chronischen Schmerzsymptomatik im Bereich der Wirbelsäule eine ängstlich-depressive/hypochondrische Störung neu hinzugetreten, die mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten ist. Nach dem im Gutachten von Dr. Wi. beschriebenen psychiatrischen Befund liegt bei der Klägerin eine eigentliche Depression nicht vor. Es besteht eine sehr ängstliche Grundhaltung und Selbstbeobachtung mit hypochondrischer Ausgestaltung bei deutlichen Verdrängungs- und Somatisierungstendenzen mit einer chronischen Schmerzsymptomatik überwiegend im Bereich der Wirbelsäule. Nach der Beschreibung des Tagesablaufs der Klägerin im Gutachten von Dr. Wi. ist die Klägerin jedoch in der Lage, ihren Alltag befriedigend zu strukturieren. Sie kümmert sich sehr um ihre Tochter, trifft Freundinnen mit anderen Kindern und pflegt soziale Kontakte. Sie ist in der Lage, ihren Haushalt zu versorgen. Nervenärztliche Kontakte werden in großen Abständen wahrgenommen, zuletzt im August 2013. Danach ist bei der Klägerin von leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen auszugehen, die nach den VG Teil B 3.7 einen GdB von 0 bis 20 rechtfertigen. Stärker behindernde Störungen mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen), die nach den VG einen GdB von 30 bis 40 rechtfertigen, liegen bei der Klägerin nach dem Gutachten von Dr. Wi. nicht vor. Davon geht auch Dr. Wi. aus, der in Übereinstimmung mit den Bewertungsvorgaben der VG wegen der seelischen Störung der Klägerin von einem Teil-GdB von 20 ausgeht. Dieser Bewertung schließt sich der Senat an. Der abweichenden Bewertung des Facharztes T. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 23.09.2013, der den GdB mit 30 eingeschätzt hat, folgt der Senat nicht. Er beschreibt keine psychischen Befunde, die abweichend von der Bewertung des Dr. Wi. seine GdB-Bewertung plausibel macht.
Die (am 21.05.2013 operierte) Schilddrüsenerkrankung der Klägerin rechtfertigt keinen GdB von wenigstens 10. Nach den VG Teil B 15.6 sind Schilddrüsenfunktionsstörungen gut behandelbar, weshalb in der Regel anhaltende Beeinträchtigungen nicht zu erwarten sind. Dass bei der Klägerin gleichwohl anhaltende Beeinträchtigungen oder gesondert zu beurteilende selten auftretende Organkomplikationen (z. B. Exophthalmus, Trachealstenose) vorliegen, ist den Angaben der schriftlich als sachverständigen Zeugen gehörten Ärzte, insbesondere Dr. Kl. vom 15.02.2012 an das SG, sowie den beigezogenen medizinischen Befundunterlagen (Entlassbriefe des Städtischen Klinikums K. ohne Datum und vom einen 20.05.2013, Operationsbericht vom 21.05.2013, Befundbericht der Dr. Scha. vom 12.12.2011 und 18.02.2011) nicht zu entnehmen und wird im Übrigen von der Klägerin auch nicht substantiiert dargetan.
Die von Dr. Kl. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 15.02.2012 genannten weiteren Gesundheitsstörungen der Klägerin (insbesondere Oberbauchschmerzen mit Druckgefühl und Übelkeit, Beeinträchtigungen nach einem Schlag auf den Schädel, Verstopfung, grippaler Infekt, Gastritis, Impfreaktion der linken Schulter mit Schwellung) sind als Akuterkrankungen beschrieben, die nach den VG Teil A 2f) als nicht dauerhafte Gesundheitsstörungen mit einem Teil-GdB nicht berücksichtigt werden können.
Die Behinderungen der Klägerin rechtfertigen danach nicht die Neufeststellung eines höheren Gesamt-GdB als 30. Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Die AHP und VG führen zur Umsetzung dieser Vorschriften aus, dass eine Addition von Einzel-GdB-Werten grundsätzlich unzulässig ist und auch andere Rechenmethoden für die Gesamt-GdB-Bildung ungeeignet sind. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird; ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. AHP Nr. 19 Abs. 3 und VG Teil A 3) Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung dieser Grundsätze in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG, SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP).
Ausgehend von einem Teil-GdB von 20 für die neu hinzugetretene seelische Behinderung der Klägerin sowie einem Teil-GdB von 20 für das Wirbelsäulenleiden ist der Gesamt-GdB mit 30 zu bilden. Bei der Klägerin ist durch die Einbeziehung der ängstlich hypochondrischen Entwicklungen mit chronischer Schmerzsymptomatik der bisher (für die Osteoporose mit Wirbelkörperbrüchen) festgestellte GdB auf 30 anzuheben. Hiervon geht auch Dr. Wi. in seinem Gutachten vom 03.03.2014 aus. Sonstige Gesundheitsstörungen, die eine höhere Bewertung des Gesamt-GdB rechtfertigen, liegen bei der Klägerin nicht vor.
Anlass für weitere Ermittlungen besteht nicht. Für den Senat ist der entscheidungserhebliche Sachverhalt durch die zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen und die vom SG sowie im Berufungsverfahren durchgeführten Ermittlungen geklärt. Neue Gesichtspunkte, die Anlass zu weiteren Ermittlungen geben, liegen nicht vor. Dem Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 19.05.2014 lassen sich keine solche Gesichtspunkte nachvollziehbar entnehmen. Allein eine Krankenhausbehandlung lässt noch nicht auf eine dauerhafte Verschlimmerung des Gesundheitszustandes der Klägerin schließen, zumal ein Bericht - entgegen der Ankündigung - nicht vorgelegt worden ist.
Die Berufung der Klägerin war deswegen zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe für eine Zulassung der Revision nicht vorliegen. Gründe für die Zulassung der Revision hat die Klägerin im Übrigen auch nicht vorgetragen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Neufeststellung des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) streitig.
Die 1975 geborene Klägerin beantragte beim Landratsamt K. - Amt für Versorgung und Rehabilitation - (LRA) wegen einer schwangerschaftsassoziierten Osteoporose mit fünf Wirbelkörperfrakturen erstmals die Feststellung des GdB. Mit Bescheid vom 18.01.2011 stellte das LRA bei der Klägerin wegen einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, verheiltem Wirbelbruch und Kalksalzminderung des Knochens den GdB mit 20 fest.
Am 05.05.2011 stellte die Klägerin beim LRA einen Änderungsantrag auf Erhöhung des GdB. Sie machte als Verschlimmerung Beeinträchtigungen beim Tragen, Laufen oder Sitzen durch starke Schmerzen geltend. Das LRA zog medizinische Unterlagen bei (Berichte der Gemeinschaftspraxis Z. und Kollegen vom 19.03.2010 und 01.04.2010, Diagnosen: Schwangerschaftsinduzierte Osteoporose bei formal sehr guter Prognose, manifeste Osteoporose, Z.n. Wirbelkörperfraktur, erhöhter Knochen turn-over; Kernspintomographiebefund der Wirbelsäule Dr. Ko. vom 19.05.2011, Beurteilung: Kein Nachweis einer jetzt frischen Fraktur oder Nachsinterung; Auszug aus den medizinischen Daten Dr. Fl. und Kollegen für die Zeit vom 26.09.2001 bis 13.07.2011). Nach Einholung der gutachtlichen Stellungnahme seines ärztlichen Dienstes, Dr. Kü. , vom 21.08.2011, in der wegen einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, verheiltem Wirbelbruch, Kalksalzminderung des Knochens und chronisches Schmerzsyndrom der GdB mit 30 vorgeschlagen wurde, stellte das LRA mit Bescheid vom 12.09.2011 den GdB mit 30 neu sowie eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit im Sinne des § 33b Einkommensteuergesetz jeweils seit dem 05.05.2011 fest.
Gegen den Bescheid vom 12.09.2011 legte die Klägerin am 23.09.2011 Widerspruch ein. Die Klägerin machte zur Begründung geltend, der GdB liege über 50. Die Klägerin legte ein Gutachten des Universitätsklinikums G. und M. GmbH, Professor Dr. Ha. , vom 21.11.2011 vor, in dem das Vorliegen einer sehr seltenen schwangerschaftsassoziierten Osteoporose mit fünf Wirbelkörperfrakturen der Klägerin bestätigt wird.
Der Widerspruch der Klägerin wurde vom Regierungspräsidiums Stuttgart - Landesversorgungsamt - mit Widerspruchsbescheid vom 15.12.2011 zurückgewiesen. Die durch das chronische Schmerzsyndrom vorgenommene Erhöhung des GdB auf 30 gebe das Ausmaß der tatsächlich eingetretenen Änderung des Gesundheitszustandes der Klägerin wieder. Eine weitere Erhöhung des GdB lasse sich nicht begründen.
Hiergegen erhob die Klägerin am 13.01.2012 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG). Sie machte zur Begründung geltend, bei ihr liege ein sehr seltenes Krankheitsbild vor. Hier könnten Allgemeinplätze, wie sie im Widerspruchsbescheid zu lesen seien, nicht herangezogen werden. Es bestehe sehr wenig Erfahrung mit diesem Krankheitsbild, insbesondere mit dem Langzeitverlauf. Es bedürfe einer individuellen Überprüfung des Sachverhaltes und der sich daraus ergebenden Wertung zu ihren Gunsten.
Das SG hörte von der Klägerin benannte behandelnde Ärzte unter Übersendung der gutachtlichen Stellungnahme von Dr. Kü. vom 21.08.2011 schriftlich als sachverständige Zeugen an. Der Orthopäde und Unfallchirurg Dr. Schr. teilte in seiner Stellungnahme vom 06.02.2012 den Behandlungsverlauf, die Befunde und Diagnosen mit. Er schätzte den GdB auf 30 ein. Der Orthopäde Dr. Fl. teilte in seiner Stellungnahme vom 13.02.2012 unter Vorlage von Befundberichten (insbesondere Kernspintomographieberichte Dr. Ko. vom 19.05.2011 und 14.04.2011) den Behandlungsverlauf, die Befunde und Diagnosen mit. Es sei zu einer Besserung der Symptomatik gekommen. Insbesondere seien keine neuen Wirbelbrüche aufgetreten. Er schätzte den GdB auf 30 ein. Der Arzt für Allgemeinmedizin und Palliativmedizin Dr. Kl. teilte in seiner Stellungnahme vom 15.02.2012 unter Vorlage von Befundberichten (insbesondere Befundbericht der Dr. Scha. über Schilddrüsensonographien vom 12.12.2011 und 18.02.2011) den Behandlungsverlauf, die Befunde und Diagnosen mit. Zu einer Aussage zum GdB sah sich Dr. Kl. nicht in der Lage.
Der Beklagte trat der Klage unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. Si. vom 31.03.2012 entgegen.
Mit Gerichtsbescheid vom 29.10.2012 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, seit dem Erlass des Bescheides vom 18.01.2011 sei eine wesentliche Änderung im Gesundheitszustand der Klägerin nur in dem vom Beklagten berücksichtigten Ausmaß eingetreten. Danach sei die Zuerkennung eines Gesamt-GdB von 30 seit dem 05.05.2011 gerechtfertigt.
Gegen den dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 31.10.2012 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die von der Klägerin am 07.11.2012 eingelegte Berufung. Die Klägerin hat zur Begründung geltend gemacht, die bei ihr vorhandenen Beschwerden würden nicht der Schwere entsprechend bewertet. Sie sei zu keinem Zeitpunkt schmerzfrei und es bestehe die Gefahr weiterer Wirbelfrakturen. Die Klägerin hat sich auf das Gutachten des Universitätsklinikums G. und M. GmbH vom 22.11.2011 sowie auf die vom SG eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen der sie behandelnden Ärzte bezogen und die Einholung aktueller Berichte sowie einer Stellungnahme des Sie behandelnden Professors Dr. Wa. , Universitätsklinikum G. und M. GmbH, für notwendig erachtet.
Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29. Oktober 2012 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 12. September 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 2011 zu verurteilen, bei ihr den Grad der Behinderung mit mindestens 50 seit dem 5. Mai 2011 festzustellen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Aus der Berufungsbegründung ergäben sich keine neuen Erkenntnisse.
Der Rechtsstreit ist durch den Berichterstatter mit den Beteiligten in der nichtöffentlichen Sitzung am 26.07.2013 erörtert worden. Im Termin hat die Klägerin eine weitere Verschlimmerung sowie das Hinzutreten neuer Gesundheitsstörungen geltend gemacht. Auf die Niederschrift vom 26.07.2013 wird Bezug genommen.
Im Anschluss an den Termin vom 26.07.2013 hat die Klägerin weitere medizinische Unterlagen vorgelegt (Kernspintomographiebericht Dr. Ko. vom 25.07.2013, Beurteilung: Wohl osteoporotische Wirbelkörperverformungen insbesondere im Bereich der unteren BWS, jedoch unverändert zur Voruntersuchung 11/12 ohne Nachweis einer frischen Infraktion oder Nachsinterung, sonst keine weiteren richtungsweisenden Auffälligkeiten; Entlassbrief des Städtischen Klinikums K. vom 23.05.2013 und OP Bericht vom 21.05.2013; Bericht Professor Dr. Ha. vom 22.08.2013, Diagnosen: Schwere schwangerschaftsassoziierte Osteoporose mit Wirbelkörperfrakturen im Bereich der BWK 9 bis 11 und LWK 1, 3 - ED Februar 2010- , Z.n. aufgetretenen Frakturen, Bandscheibenprotrusionen der unteren HWS und L4 bis S1, Zustand nach Schilddrüsenoperation).
Der Senat hat den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie - Psychotherapie T. , Professor Dr. Ha. , Dr. Fl. und Dr. Schr. schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Professor Dr. Ha. hat am 09.08.2013 geantwortet und mitgeteilt, die Klägerin habe sich bei ihm am 28.09.2010 vorgestellt. Weitere Vorstellungstermine seien nicht erfolgt. Professor Dr. Ha. hat die Befunde und Diagnosen mitgeteilt und sich zu einer Bewertung des GdB nicht in der Lage gesehen. Dr. Schr. hat in seiner Stellungnahme vom 21.08.2013 den Behandlungsverlauf, die Befunde und Diagnosen mitgeteilt. Die Knochendichte habe sich verbessert. Dr. Schr. hat den GdB auf orthopädischem Gebiet auf 20 eingeschätzt. Dr. Fl. hat in seiner Stellungnahme vom 06.08.2013 unter Vorlage medizinischer Unterlagen (insbesondere Kernspintomographiebericht Dipl. med. Ka. vom 21.11.2012) den Behandlungsverlauf mitgeteilt und aktuell über eine Veränderung des Gesundheitszustandes der Klägerin ab 09.11.2012 keine Angaben machen können. Der Facharzt für Neurologie, Psychiatrie T. hat in seiner Stellungnahme vom 23.09.2013 den Behandlungsverlauf, die erhobenen Befunde und Diagnosen mitgeteilt. Auf seinem Fachgebiet hätten immer wieder mittelgradige depressive Krankheitsphasen, auch anhaltend, stattgefunden, bei erhöhter Ängstlichkeit und reduzierte Belastbarkeit. Der Facharzt T. schätzte auf seinem Fachgebiet den GdB mit 30 ein.
Weiter hat der Senat den Entlassungsbericht des Städtischen Klinikums K. (ohne Datum) über einen stationären Aufenthalt der Klägerin vom 21.05.2013 bis 28.05.2013 beigezogen (Diagnosen: Struma colloides nodosa beidseits, Verdacht auf Recurrensparese rechts, Therapie am 21.05.2013: Thyreoidektomie, intraoperatives Neuromonitoring).
Der Beklagte trat der Berufung weiter entgegen. Der Einschätzung des GdB mit 30 durch den Psychiater T. könne nicht gefolgt werden. Für die psychische Störung könne unter Einschluss des chronischen Schmerzsyndroms maximal ein Teil-GdB von 20 angenommen werden, der wegen Überschneidungen mit der Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule keine Änderung des GdB ergebe.
Der Senat hat daraufhin das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. Wi. vom 03.03.2010 eingeholt. Dr. Wi. gelangte in seinem Gutachten zu der Bewertung, bei der Klägerin habe sich auf dem Boden einer chronischen Schmerzsymptomatik im Bereich der Wirbelsäule bei Osteoporose und Deckplatteneinbrüche eine leichte bis mittelgradige ängstlich-depressive/hypochondrische Entwicklung ergeben (Einzel-GdB 20), die im Bescheid vom 18.01.2011 noch nicht berücksichtigt worden sei. Hierdurch sei der Einzel-GdB für die Osteoporose mit Wirbelkörperbrüchen von 20 auf 30 anzuheben. Den Gesamt-GdB schätzte Dr. Wi. auf 30 seit dem 05.05.2011 ein.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die angefallenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie einen Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 12.09.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2011 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden.
Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen welche ihrerseits nicht zum so genannten Verfügungssatz des Bescheides gehören zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 10.09.1997 -9 RVs 15/96-, BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 16 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. In diesem Zusammenhang waren bis zum 31.12.2008 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1).
Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP, die im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewendet wurden, die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 16 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. Anders als die AHP, die aus Gründen der Gleichbehandlung in allen Verfahren hinsichtlich der Feststellung des GdB anzuwenden waren und dadurch rechtsnormähnliche Wirkungen entfalteten, ist die VersMedV als Rechtsverordnung verbindlich für Verwaltung und Gerichte. Sie ist indes, wie jede untergesetzliche Rechtsnorm, auf inhaltliche Verstöße gegen höherrangige Rechtsnormen - insbesondere § 69 SGB IX - zu überprüfen (BSG, Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R - RdNr 27, 30 m.w.N.). Sowohl die AHP als auch die VersMedV (nebst Anlage) sind im Lichte der rechtlichen Vorgaben des § 69 SGB IX auszulegen und - bei Verstößen dagegen - nicht anzuwenden (BSG, Urteil vom 30.09.2009 SozR 4-3250 § 69 Nr. 10 RdNr. 19 und vom 23.4.2009, a.a.O., RdNr 30).
Hiervon ausgehend ist im Vergleich zu dem im Bescheid vom 18.01.2011 mit einem GdB von 20 berücksichtigten Behinderungszustand der Klägerin auf dem Boden einer chronischen Schmerzsymptomatik im Bereich der Wirbelsäule bei Osteoporose und Deckplatteneinbrüche eine leichte bis mittelgradige ängstlich-depressive / hypochondrische Entwicklung neu aufgetreten, die es rechtfertigt, wegen einer wesentlichen Änderung (Verschlimmerung) den GdB auf 30 seit dem 05.05.2011 anzuheben. Dem hat der Beklagte im streitgegenständlichen Bescheid Rechnung getragen. Sonstige Gesundheitsstörungen der Klägerin, die eine weitere Erhöhung des GdB rechtfertigen, liegen nicht vor.
Eine wesentliche Änderung (Verschlimmerung) der vom Beklagten in Form einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, verheiltem Wirbelbruch und Kalksalzminderung berücksichtigten schwangerschaftsassoziierten Osteoporose ist nicht eingetreten. Soweit die Klägerin sich darauf beruft, bei der schwangerschaftsassoziierten Osteoporose handele es sich um eine sehr seltene und schwierig zu behandelnde Erkrankung, wird eine wesentliche Änderung im Vergleich zum Bescheid vom 18.01.2011 nicht dargetan. Entsprechendes gilt, soweit sich die Klägerin zur Berufungsbegründung auf vor dem 18.01.2011 erstellte Befundberichte der behandelnden Ärzte beruft. Zudem rechtfertigen nach den VG Teil B 18.1 osteopenische Krankheiten für sich noch keinen Teil-GdB. Vielmehr ist bei ausgeprägten osteopenischen Krankheiten (z. B. Osteoporose) der GdB vor allem von der Funktionsbeeinträchtigung und den Schmerzen abhängig. Eine ausschließlich messtechnisch nachgewiesene Minderung des Knochenmineralgehalts rechtfertigt noch nicht die Annahme eines GdB. Entsprechendes gilt bei einer bestehenden Gefahr späterer Verschlimmerungen des Gesundheitszustandes bzw. bei einem unklaren Krankheitsverlauf. Denn Gesundheitsstörungen, die erst in der Zukunft zu erwarten sind, sind beim GdB nicht zu berücksichtigen (vgl. VG Teil A 2h).
Dass bei der Klägerin eine wesentliche Änderung (Verschlimmerung) funktioneller Auswirkungen von Wirbelsäulenschäden eingetreten ist, ist nicht ersichtlich. Den schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen der vom SG und vom Senat gehörten Ärzte wie auch den zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen lässt sich das Auftreten weiterer Wirbelkörperbrüche mit einer dauerhaften Verschlimmerung funktioneller Auswirkungen für die Wirbelsäule der Klägerin nicht entnehmen. Dr. Fl. hat in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 13.02.2012 das Auftreten neuer Wirbelbrüche verneint. Auch Dr. Schr. hat in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage an den Senat vom 21.08.2013 keine neuen Wirbelbrüche genannt. Neue Wirbelbrüche lassen sich auch sonst den zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen nicht entnehmen. Nach dem von der Klägerin vorgelegten Befundbericht des Dr. Ko. vom 25.07.2013 erbrachte eine Kernspintomographie der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule vom 25.07.2013 kein Nachweis einer frischen Infraktion oder Nachsinterung bei zur Voruntersuchung 11/12 unveränderten osteoporotischen Wirbelkörperumformungen im Bereich der unteren BWS ohne sonst weiteren richtungsweisenden Auffälligkeiten (etwas akzentuierte lumbosacrale Lordosierung und angedeutete zervikothorakale Skoliose, kein Bandscheibenvorfall, keine nennenswerten degenerativen Veränderungen, normal weiter Spinalkanal, freie Foramina, reizlose ISG). Dem entsprechen im Wesentlichen auch die zu den Akten gelangten Befundberichte des Dr. Ko. vom 14.04.2011 und 19.05.2011 über kernspintomographische Untersuchung der Wirbelsäule sowie des Dipl. med. Ka. vom 21.11.2012 über eine Kernspintomographie vom 20.11.2012. Das Auftreten neuer Wirbelkörperbrüche hat die Klägerin im Übrigen auch nicht geltend gemacht. Eine Verschlimmerung der Funktionsbehinderung der Wirbelsäule der Klägerin ist auch sonst nicht dokumentiert. Damit ist für die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, verheiltem Wirbelbruch und Kalksalzminderung des Knochens weiterhin von einem Teil-GdB von 20 auszugehen, wie vom Beklagten im Bescheid vom 18.01.2011 berücksichtigt. Dem entspricht auch die Bewertung des Dr. Schr. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage an den Senat vom 21.08.2013, der auf orthopädischem Gebiet den GdB mit 20 eingeschätzt hat.
Nach dem überzeugenden Gutachten von Dr. Wi. vom 03.03.2014 ist bei der Klägerin im Vergleich zum Bescheid vom 18.01.2011 auf dem Boden einer eingetretenen chronischen Schmerzsymptomatik im Bereich der Wirbelsäule eine ängstlich-depressive/hypochondrische Störung neu hinzugetreten, die mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten ist. Nach dem im Gutachten von Dr. Wi. beschriebenen psychiatrischen Befund liegt bei der Klägerin eine eigentliche Depression nicht vor. Es besteht eine sehr ängstliche Grundhaltung und Selbstbeobachtung mit hypochondrischer Ausgestaltung bei deutlichen Verdrängungs- und Somatisierungstendenzen mit einer chronischen Schmerzsymptomatik überwiegend im Bereich der Wirbelsäule. Nach der Beschreibung des Tagesablaufs der Klägerin im Gutachten von Dr. Wi. ist die Klägerin jedoch in der Lage, ihren Alltag befriedigend zu strukturieren. Sie kümmert sich sehr um ihre Tochter, trifft Freundinnen mit anderen Kindern und pflegt soziale Kontakte. Sie ist in der Lage, ihren Haushalt zu versorgen. Nervenärztliche Kontakte werden in großen Abständen wahrgenommen, zuletzt im August 2013. Danach ist bei der Klägerin von leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen auszugehen, die nach den VG Teil B 3.7 einen GdB von 0 bis 20 rechtfertigen. Stärker behindernde Störungen mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen), die nach den VG einen GdB von 30 bis 40 rechtfertigen, liegen bei der Klägerin nach dem Gutachten von Dr. Wi. nicht vor. Davon geht auch Dr. Wi. aus, der in Übereinstimmung mit den Bewertungsvorgaben der VG wegen der seelischen Störung der Klägerin von einem Teil-GdB von 20 ausgeht. Dieser Bewertung schließt sich der Senat an. Der abweichenden Bewertung des Facharztes T. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 23.09.2013, der den GdB mit 30 eingeschätzt hat, folgt der Senat nicht. Er beschreibt keine psychischen Befunde, die abweichend von der Bewertung des Dr. Wi. seine GdB-Bewertung plausibel macht.
Die (am 21.05.2013 operierte) Schilddrüsenerkrankung der Klägerin rechtfertigt keinen GdB von wenigstens 10. Nach den VG Teil B 15.6 sind Schilddrüsenfunktionsstörungen gut behandelbar, weshalb in der Regel anhaltende Beeinträchtigungen nicht zu erwarten sind. Dass bei der Klägerin gleichwohl anhaltende Beeinträchtigungen oder gesondert zu beurteilende selten auftretende Organkomplikationen (z. B. Exophthalmus, Trachealstenose) vorliegen, ist den Angaben der schriftlich als sachverständigen Zeugen gehörten Ärzte, insbesondere Dr. Kl. vom 15.02.2012 an das SG, sowie den beigezogenen medizinischen Befundunterlagen (Entlassbriefe des Städtischen Klinikums K. ohne Datum und vom einen 20.05.2013, Operationsbericht vom 21.05.2013, Befundbericht der Dr. Scha. vom 12.12.2011 und 18.02.2011) nicht zu entnehmen und wird im Übrigen von der Klägerin auch nicht substantiiert dargetan.
Die von Dr. Kl. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 15.02.2012 genannten weiteren Gesundheitsstörungen der Klägerin (insbesondere Oberbauchschmerzen mit Druckgefühl und Übelkeit, Beeinträchtigungen nach einem Schlag auf den Schädel, Verstopfung, grippaler Infekt, Gastritis, Impfreaktion der linken Schulter mit Schwellung) sind als Akuterkrankungen beschrieben, die nach den VG Teil A 2f) als nicht dauerhafte Gesundheitsstörungen mit einem Teil-GdB nicht berücksichtigt werden können.
Die Behinderungen der Klägerin rechtfertigen danach nicht die Neufeststellung eines höheren Gesamt-GdB als 30. Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Die AHP und VG führen zur Umsetzung dieser Vorschriften aus, dass eine Addition von Einzel-GdB-Werten grundsätzlich unzulässig ist und auch andere Rechenmethoden für die Gesamt-GdB-Bildung ungeeignet sind. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird; ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. AHP Nr. 19 Abs. 3 und VG Teil A 3) Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung dieser Grundsätze in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG, SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP).
Ausgehend von einem Teil-GdB von 20 für die neu hinzugetretene seelische Behinderung der Klägerin sowie einem Teil-GdB von 20 für das Wirbelsäulenleiden ist der Gesamt-GdB mit 30 zu bilden. Bei der Klägerin ist durch die Einbeziehung der ängstlich hypochondrischen Entwicklungen mit chronischer Schmerzsymptomatik der bisher (für die Osteoporose mit Wirbelkörperbrüchen) festgestellte GdB auf 30 anzuheben. Hiervon geht auch Dr. Wi. in seinem Gutachten vom 03.03.2014 aus. Sonstige Gesundheitsstörungen, die eine höhere Bewertung des Gesamt-GdB rechtfertigen, liegen bei der Klägerin nicht vor.
Anlass für weitere Ermittlungen besteht nicht. Für den Senat ist der entscheidungserhebliche Sachverhalt durch die zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen und die vom SG sowie im Berufungsverfahren durchgeführten Ermittlungen geklärt. Neue Gesichtspunkte, die Anlass zu weiteren Ermittlungen geben, liegen nicht vor. Dem Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 19.05.2014 lassen sich keine solche Gesichtspunkte nachvollziehbar entnehmen. Allein eine Krankenhausbehandlung lässt noch nicht auf eine dauerhafte Verschlimmerung des Gesundheitszustandes der Klägerin schließen, zumal ein Bericht - entgegen der Ankündigung - nicht vorgelegt worden ist.
Die Berufung der Klägerin war deswegen zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe für eine Zulassung der Revision nicht vorliegen. Gründe für die Zulassung der Revision hat die Klägerin im Übrigen auch nicht vorgetragen.
Rechtskraft
Aus
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