Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 48 KR 18/10
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 23/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 6. Februar 2012 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selber trägt. Die Revision wird zugelassen. &8195;
Tatbestand:
Streitig ist die Erstattung von Aufwendungen für häusliche Krankenpflege in der Zeit von Juni 2007 bis März 2009.
Der bei der Beklagten krankenversicherte M.H. (i.F.: Versicherter) lebte in dem streitigen Zeitraum im J.-Haus (J.), dessen Träger die Beigeladene ist. Bei dem J. handelt es sich um eine stationäre Einrichtung in H., in der wohnungslosen Männern eine sozialpädagogisch betreute Unterbringung angeboten wird. Der Versicherte leidet unter anderem an HIV, Hepatitis C, substituierter Drogenabhängigkeit und Encephalitis mit Wesensveränderung. Er bezog im streitigen Zeitraum Arbeitslosengeld II sowie Leistungen der Pflegeversicherung nach Pflegestufe 1 und erhielt seine Unterbringung im J. auf Kosten der Klägerin als Eingliederungshilfe nach den §§ 53, 54 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe (SGB XII).
Gemäß ärztlicher Verordnung erhielt er in der Zeit vom 8. Juni 2007 bis 31. März 2009 häusliche Krankenpflege zur Sicherung der ambulanten ärztlichen Behandlung durch einen ambulanten Pflegedienst in Form von Medikamentengaben (herrichten und verabreichen). Die Gesamtaufwendungen hierfür, die zunächst von der Klägerin getragen wurden, belaufen sich auf EUR 6.920,50. Die Beklagte lehnte den von der Klägerin mit Schreiben vom 26. September 2007 und 12. August 2008 geltend gemachten Erstattungsanspruch ab.
Die Klägerin hat deshalb am 8. Januar 2010 Klage erhoben und vorgetragen, sie habe einen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte, weil diese gemäß § 37 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) vorrangig leistungsverpflichtet sei. Insbesondere handele es sich bei dem J. um einen "sonst geeigneten Ort" im Sinne von § 37 Abs. 2 SGB V. Die bisher aufgelaufenen Zinsen betrügen EUR 1.019,37.
Das Sozialgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 6. Februar 2012 verpflichtet, an die Klägerin EUR 6.920,50 nebst Zinsen in Höhe von EUR 1.019,37 zu zahlen. Es hat ausgeführt, der Erstattungsanspruch ergebe sich aus § 104 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X). Die Beklagte sei vorrangig leistungspflichtig, denn der Versicherte habe gegen sie einen Anspruch auf häusliche Krankenpflege nach § 37 Abs. 2 S. 1, 3. Alt. SGB V gehabt. Das J. sei jedenfalls ein "sonst geeigneter Ort" im Sinne dieser Vorschrift, denn das Vorliegen eines eigenen Haushalts werde hierfür gerade nicht vorausgesetzt. Die frühere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), die auf die eigene wirtschaftliche Haushaltsführung abgestellt habe, sei auf die aktuelle Gesetzesfassung nicht mehr anwendbar. Nur diese Auslegung entspreche der Intention des Gesetzgebers, durch die Einfügung des "sonst geeigneten Ortes" vorschnelle stationäre Einweisungen zu verhindern. Sie stehe auch im Einklang mit den aufgrund von § 37 Abs. 6 SGB V erlassenen Richtlinien. Aus den mit dem Versicherten geschlossenen Verträgen ergebe sich, dass die Unterbringung nicht auf medizinische Pflege, sondern auf Überwindung der Obdachlosigkeit gerichtet gewesen sei. Auch die übrigen Voraussetzungen eines Anspruchs auf häusliche Krankenpflege seien erfüllt. Die Höhe des Zinsanspruchs ergebe sich aus der unbestrittenen Aufstellung der Klägerin.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 2. März 2012 zugestellte Urteil am 19. März 2012 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, entgegen der Auffassung des Sozialgerichts habe die Änderung des § 37 Abs. 2 SGB V nicht zu einer völligen Aufgabe des "eigenen Haushalts" als Tatbestandsvoraussetzung für einen Anspruch auf häusliche Krankenpflege geführt. Die im Gesetz aufgeführten Leistungsorte stellten zwar keine abschließende Aufzählung dar, ihnen sei jedoch gemeinsam, dass sich der Versicherte dort entweder nur zeitweise aufhalte oder es sich um eine ambulante Wohnform handele. Ein "sonst geeigneter Ort" könne daher nur ein Ort sein, der seinem Charakter nach mit den gesetzlich aufgeführten Wohn- und Einrichtungsformen vergleichbar sei. Gegen eine völlige Aufgabe des Erfordernisses einer "Häuslichkeit" spreche auch die in § 37 Abs. 2 S. 7 SGB V getroffene Regelung, durch die klargestellt werde, dass bei einem Daueraufenthalt ohne eigenen Haushalt z.B. in Heimen kein Anspruch auf Leistungen der Behandlungspflege bestehe. Die gemäß § 37 Abs. 6 S. 1 SGB V erlassenen Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses stünden diesem Rechtsverständnis nicht entgegen, denn diese könnten nur im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben verbindliche Regelungen über die zu erbringenden Leistungen treffen. Insbesondere aber lasse der Hinweis in Ziffer I. 6. der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege (HKP-Richtlinie) in ihrer ab 11. Juni 2008 geltenden Fassung (BAnz 2008, Nr. 84, S. 2028, 2029 u. 2030; heute: § 1 Abs. 6 der HKP-Richtlinie) auf einen Ausschluss des Anspruchs in Einrichtungen bei entsprechendem Anspruch gegenüber dem Einrichtungsträger nicht den Umkehrschluss zu, dass bei Fehlen eines solchen Anspruchs in sämtlichen Wohnformen der Behindertenhilfe häusliche Krankenpflege zu erbringen sei. Vielmehr handele es sich insoweit um eine reine Negativabgrenzung. Bei dem J. handele es sich um eine Einrichtung im Sinne des § 71 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Elftes Buch – Soziale Pflegeversicherung (SGB XI), in der der Versicherte dauerhaft ohne eigenen Haushalt untergebracht gewesen sei. Der Aufenthalt sei nicht aufgrund eines frei ausgehandelten Mietvertrages, sondern aufgrund eines Nutzungsvertrages zustande gekommen und an die sozialpädagogische Beratung und Betreuung in der Einrichtung gekoppelt. Es handele sich somit nicht um ein reguläres Mietverhältnis, sondern um eine Maßnahme der Eingliederungshilfe nach §§ 53 ff. SGB XII. Selbst wenn man aber mit dem Sozialgericht davon ausgehe, dass das J. grundsätzlich ein "geeigneter Ort" sein könne, sei ein Anspruch des Versicherten auf häusliche Krankenpflege nicht gegeben, denn gemäß Ziffer 4 der Leistungsbeschreibung (Anlage 1) zu der zwischen der Klägerin und der Beigeladenen geschlossenen Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII vom 29. Juli 2005 sei der Einrichtungsträger verpflichtet, die Bewohner des Hauses bei der Inanspruchnahme von Hilfen der Gesundheitsversorgung zu unterstützen. Ferner habe der Einrichtungsträger Hilfestellung bei der Einhaltung der notwendigen gesundheitlichen Maßnahmen zu gewährleisten. Auf eine fehlende Personalausstattung könne sich der Einrichtungsträger nicht berufen, weil § 7 der Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII in personeller Hinsicht auch Krankenpflegekräfte als Betreuungspersonal vorsehe. Im Übrigen könne es nicht in das Belieben der Klägerin und der Beigeladenen gestellt werden, derartige Ansprüche der Versicherten gegen den Einrichtungsträger auszuschließen, denn hierin läge ein unzulässiger Vertrag zulasten Dritter. Schließlich handele es sich bei der hier streitigen Medikamentengabe um einfachste Leistungen der medizinischen Behandlungspflege, die auch von den Mitarbeitern des J. hätten erbracht werden können.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 6. Februar 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt vor, es sei nicht richtig, dass sich die Versicherten an den im Gesetz ausdrücklich genannten Orten jeweils nur zeitweise aufhielten. Vielmehr seien "Betreute Wohnformen" schon lange keine ambulanten Leistungen mehr, sondern würden im Sinne der Eingliederungshilfe als stationäre Unterbringung angesehen, da die Betreuten eine umfassende Leistung erhielten. Durch den Aufenthalt im J. sollten die Bewohner nach einer Obdachlosigkeit befähigt werden, wieder ein normales Leben zu führen. Dies könne wenige Monate oder aber auch Jahre dauern. Damit sei das J. in dieser Zeit das häusliche Umfeld der Bewohner. Mit einer stationären Unterbringung in einem Krankenhaus oder Pflegeheim, die der Gesetzgeber habe vermeiden wollen, habe dies aber nichts zu tun, denn das Personal habe keinerlei Pflegekenntnisse, sondern überwiegend einen sozialpädagogischen Hintergrund. Die Bewohner hätten eigene Zimmer mit Privatsphäre. Folge man der Auffassung der Beklagten, führe dies zu einer verstärkten Einweisung in Krankenhäuser oder Kurzzeitpflegeeinrichtungen, um dem behandlungsbedürftigen Zustand der Bewohner, die häufig "Obdachlosenkrankheiten" (offene Füße, Mangelerscheinungen, Schizophrenie) hätten, adäquat zu begegnen. Dies habe der Gesetzgeber aber gerade vermeiden wollen.
Die Beigeladene hat keine Anträge gestellt und keine Stellungnahme abgegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie auf die in der Sitzungsniederschrift aufgeführten Akten und Unterlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG) ist nicht begründet, denn das Sozialgericht hat die Beklagte zu Recht verurteilt, der Klägerin ihre Aufwendungen für die häusliche Krankenpflege des Versicherten Martin Hasenkamp in der Zeit von Juni 2007 bis März 2009 zu erstatten.
Die zutreffend als allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) erhobene Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen die beklagte Krankenkasse einen Anspruch auf Erstattung ihrer Aufwendungen für die dem Versicherten erbrachten Leistungen der häuslichen Krankenpflege gemäß § 104 Abs. 1 SGB X. Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen, ist der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Nachrangig verpflichtet ist ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre (§ 104 Abs. 1 S. 1 und 2 SGB X). Die Klägerin war wegen des Nachrangs der Sozialhilfe (§ 2 SGB XII) nur nachrangig verpflichtet, denn der Versicherte hatte einen vorrangigen Anspruch auf Gewährung häuslicher Krankenpflege gegen die Beklagte.
Versicherte erhalten gemäß § 37 Abs. 2 S. 1 SGB V in seiner seit dem 1. April 2007 aufgrund des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26. März 2007 (BGBl. I 2007, 378) geltenden Fassung in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. Für den hier streitigen Zeitraum von Juni 2007 bis März 2009 liegen ärztliche Verordnungen der häuslichen Krankenpflege vor; die Erforderlichkeit der häuslichen Krankenpflege zur Sicherung des Ziels der ambulanten ärztlichen Behandlung ist nicht zweifelhaft und auch zwischen den Beteiligten nicht streitig.
Das J., in dem der Versicherte im streitigen Zeitraum lebte, ist ein geeigneter Ort im Sinne von § 37 Abs. 2 S. 1, 3. Alt. SGB V. Das Sozialgericht hat zutreffend festgestellt, dass es auf eine eigenständige wirtschaftliche Haushaltsführung insoweit nicht mehr ankommt. Die Ausführungen des BSG im Urteil vom 1. September 2005 (B 3 KR 19/04 R – Juris), wonach Versicherte, die in Einrichtungen der Behindertenhilfe wohnen und dort Kost und Logis als Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten, mangels eigenen Haushalts keinen Anspruch auf häusliche Krankenpflege haben, betreffen die bis zum 31. März 2007 bestehende Fassung des § 37 Abs. 2 S. 1 SGB V ("Versicherte erhalten in ihrem Haushalt oder ihrer Familie als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege ") und können daher für die Auslegung der aktuellen Bestimmung nicht mehr ohne Weiteres herangezogen werden. Nach der ab 1. April 2007 geltenden Gesetzesfassung können die Leistungen in einem Haushalt oder "sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, " erbracht werden. Nach der Gesetzesbegründung sollte hierdurch der Haushaltsbegriff vorsichtig erweitert werden, um vorschnelle stationäre Einweisungen zu vermeiden und um Lücken im Zwischenbereich von stationärer und ambulanter Versorgung zu schließen (BT-Drs. 16/3100 S. 104). Weiter heißt es, dass ein geeigneter Ort jedenfalls dann nicht gegeben sei, wenn sich der Versicherte in einer Einrichtung befinde, in der er Anspruch auf medizinische Behandlungspflege durch die Einrichtung habe.
Danach können Einrichtungen, in denen behinderten Menschen Eingliederungshilfe gewährt wird, "betreute Wohnformen" im Sinne des Gesetzes oder jedenfalls "sonst geeignete Orte" sein, wenn durch den Aufenthalt nicht ein Anspruch auf Leistungen der Behandlungspflege gegen den Einrichtungsträger begründet wird. Der Senat hält insoweit an seiner in den Beschlüssen vom 12. November 2009 (L 1 B 202/09 ER KR – Juris, mit zustimmender Anmerkung: Francke in JurisPR-MedizinR 3/2010, Anm. 5) und 11. Januar 2010 (L 1 B 1135/08 ER KR – n.v.) vertretenen Rechtsauffassung fest (ebenso: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.02.2010 – L 9 KR 23/10 B ER; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22.11.2011 - L 10 KR 32/11 B ER; a.A.: LSG Niedersachsen, Urteil vom 23. April 2009 – L 8 SO 1/07; alle Juris).
Die Gemeinsamkeiten der stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe ohne Anspruch auf Behandlungspflege mit betreuten Wohnformen rechtfertigen es, diese Wohneinrichtungen als geeignete Orte im Sinne von § 37 Abs. 2 Satz 1, 3. Alt. SGB V anzusehen, wenn man sie nicht schon als besondere Ausprägung des betreuten Wohnens versteht. Anderenfalls wäre das Ziel, Lücken zwischen der ambulanten und stationären Versorgung zu schließen, schwer erreichbar, denn auch das betreute Wohnen ist gesetzlich nicht definiert und die Übergänge von einer Wohngemeinschaft mit Betreuungshilfe zu einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe dürften in Abhängigkeit von den jeweiligen Fähigkeiten der Bewohner fließend sein. Die Einrichtungen der Behindertenhilfe können dagegen nicht mit Krankenhäusern, medizinischen Rehabilitationseinrichtungen oder Pflegeheimen gleichgesetzt werden, denn im Gegensatz zu diesen steht bei ihnen nicht die medizinische Behandlung und Pflege, sondern die gesellschaftliche Integration der Bewohner im Vordergrund (§ 53 Abs. 3 SGB XII). Aus diesem Grund sind Behinderteneinrichtungen auch keine Pflegeheime gemäß § 71 Abs. 4 SGB XI.
So ist es auch beim J., in dem ehemals obdachlose Menschen leben, denen der Übergang in ein möglichst unabhängiges Leben vermittelt werden soll. Nach den Ziffern 1 und 2 der Leistungsbeschreibung zur zwischen der Klägerin und der Beigeladenen geschlossenen Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII vom 29. Juli 2005 ist die Einrichtung eine stationäre Wohngruppe, in der seelisch behinderte/psychisch kranke Menschen leben, die Anleitung, Begleitung oder Unterstützung und/oder in Teilbereichen zeitweise die Übernahme von Tätigkeiten der täglichen Versorgung benötigen. Es handelt sich um ein niederschwelliges Angebot für obdachlose Menschen mit einer psychischen Auffälligkeit im Vorfeld des regelhaften sozialpsychiatrischen Hilfesystems. Es unterscheidet sich von diesem Hilfesystem darin, dass wesentlich die Motivation und die Bereitschaft gefördert werden, die Hilfen im Regelsystem der Sozialpsychiatrie in Anspruch zu nehmen (Ziffer 3). Nach Ziffer 5 wird die Hilfe zeitlich befristet in Form kontinuierlicher Beratung, Unterstützung, Förderung, Organisation, Planung sowie stellvertretender Ausführung geleistet. Der Bewohner ist gemäß Ziffer 3 der von ihm mit der Beigeladenen geschlossenen Beratungs- und Betreuungsvereinbarung zur Mitwirkung verpflichtet. Das alles unterscheidet sich grundlegend von dem Aufenthalt in einem Krankenhaus oder Pflegeheim, bei dem jeweils die medizinische und pflegerische Behandlung im Vordergrund steht und nicht die Stärkung der psychosozialen Fähigkeiten. Der Aufenthalt in einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe ohne Anspruch auf Behandlungspflege ist daher deutlich eher mit dem betreuten Wohnen als mit dem Aufenthalt in einem Krankenhaus oder Pflegeheim zu vergleichen.
Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass der Gesetzgeber, wenn er eine weitergehende Ausdehnung der häuslichen Krankenpflege über die betreuten Wohnformen hinaus auch auf stationäre Einrichtungen der Behindertenhilfe hätte vornehmen wollen, dies ausdrücklich so hätte formulieren können und müssen (so aber LSG Niedersachsen-Bremen, a.a.O.). Indem er neben den betreuten Wohnformen auch die "sonst geeigneten Orte" genannt hat, hat er eine abschließende Aufzählung gerade vermieden, um dem fließenden Übergang zwischen den einzelnen Wohnformen Rechnung zu tragen. Vielmehr hätte es umgekehrt der Nennung des "sonst geeigneten Ortes" nicht bedurft, wenn alle Wohnformen außer den ausdrücklich genannten zum Anspruchsausschluss hätten führen sollen. Dementsprechend heißt es in der Gesetzesbegründung (a.a.O.) auch, dass auf eine gesetzliche Definition des geeigneten Ortes verzichtet worden sei, um die notwendige Flexibilität zu wahren. Die vom Gesetzgeber beabsichtigte Lückenschließung und damit die Sicherung der umfassenden Versorgung ist deshalb nur sicherzustellen, wenn der Anspruch auf häusliche Krankenpflege auch in stationären Einrichtungen immer dann einsetzt, wenn ein Anspruch gegen den Einrichtungsträger auf derartige Leistungen nicht besteht (ebenso: LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O.).
Nicht entscheidend ist, ob die Einrichtung, in der der Versicherte lebte, unter das im streitigen Zeitraum noch anwendbare Heimgesetz (HeimG) fiel (a.A. LSG Niedersachsen-Bremen, a.a.O.). Das HeimG kann für die Auslegung des geeigneten Ortes bereits deshalb nicht herangezogen werden, weil die Zielsetzung des Gesetzes nicht ist, Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu definieren. Nach § 2 HeimG ist es vielmehr Zweck des Gesetzes, vorrangig die Interessen und Bedürfnisse der Bewohner vor Beeinträchtigungen zu schützen und ihre Rechte gegenüber dem Heimträger zu wahren. Darüber hinaus ist das HeimG in H. mit Wirkung vom 1. Januar 2010 durch das Hamburgische Wohn- und Betreuungsqualitätsgesetz (HmbWBG) vom 15. Dezember 2009 (HmbGVBl. S. 494) ersetzt worden (§ 42 HmbWBG), welches nach seinem § 2 Abs.1 auf Servicewohnanlagen, Wohngemeinschaften, Wohneinrichtungen, Gasteinrichtungen und Ambulante Dienste anwendbar ist und somit von dem engeren Heimbegriff des § 1 Abs. 1 Satz 2 HeimG abgerückt ist, was dafür spricht, dass die trennscharfe Unterscheidung zwischen den einzelnen Wohn- und Einrichtungsformen auch im Anwendungsbereich dieses Gesetzes aufgegeben werden sollte.
Für eine Einbeziehung stationärer Einrichtungen der Behindertenhilfe als geeigneter Ort spricht weiter, dass § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB V für Versicherte, die sich in gemäß § 43 SGB XI zugelassenen Pflegeeinrichtungen befinden, eine Ausnahmeregelung enthält. Häusliche Krankenpflege kann danach gewährt werden, wenn ein besonders hoher Bedarf an medizinischer Behandlungspflege besteht. Da in diesem Ausnahmetatbestand stationäre Einrichtungen der Behindertenhilfe nicht erwähnt werden, es aber keinen Grund gibt, die Bewohner derartiger Einrichtungen von der Versorgung auszuschließen, ist es naheliegend, dass der Gesetzgeber von einem bereits grundsätzlich bestehenden Anspruch ausgegangen ist.
Zutreffend hat das Sozialgericht ausgeführt, dass sich aus § 37 Abs. 2 S. 7 SGB V kein allgemeiner Grundsatz entnehmen lässt, dass die dauerhafte Aufnahme in eine Einrichtung der Behindertenhilfe dem Anspruch auf häusliche Krankenpflege entgegenstehe. Nach dieser Vorschrift erhalten Versicherte, die nicht auf Dauer in Einrichtungen nach § 71 Abs. 2 oder 4 SGB XI aufgenommen sind, Leistungen nach § 37 Abs. 2 S. 1, 4 und 6 SGB V auch dann, wenn ihr Haushalt nicht mehr besteht und ihnen nur zur Durchführung der Behandlungspflege vorübergehender Aufenthalt in einer Einrichtung oder einer anderen geeigneten Unterkunft zur Verfügung gestellt wird. Diese Regelung wurde bereits zum 1. Januar 2004 – also vor der Aufnahme des "sonst geeigneten Ortes" in § 37 Abs. 2 S. 1 SGB V – eingeführt und sollte daher zu einem Zeitpunkt, als es für den Anspruch grundsätzlich noch auf das Vorhandensein eines eigenen Haushalts ankam, den Anwendungsbereich der Vorschrift erweitern und häusliche Krankenpflege in Einrichtungen für wohnungslose Menschen ermöglichen, um kostenintensive stationäre Behandlungen zu vermeiden (BT-Drs. 15/1525 S. 90). Sie kann daher nicht dafür herangezogen werden, um die mit der Neufassung des § 37 Abs. 2 S. 1 SGB V zum 1. April 2007 beabsichtigte noch weitere Ausdehnung des Anwendungsbereichs wieder einzuschränken.
Weiterhin spricht auch die vom Gemeinsamen Bundesausschuss erlassene HKP-Richtlinie für die hier gefundene Auslegung. In Ziffer I. 6. der HKP-Richtlinie in ihrer ab 11. Juni 2008 geltenden Fassung (BAnz 2008, Nr. 84, S. 2028, 2029 u. 2030; heute: § 1 Abs. 6 der HKP-Richtlinie) heißt es: "Für die Zeit des Aufenthalts in Einrichtungen, in denen nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtungen besteht (z.B. Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen, Pflegeheimen) kann häusliche Krankenpflege nicht verordnet werden. Ob ein solcher Anspruch besteht, ist im Einzelfall durch die Krankenkasse zu prüfen." Hieraus ergibt sich, dass grundsätzlich allein der Aufenthalt in stationären Einrichtungen dem Anspruch nicht entgegensteht, sondern nur dann, wenn ein Anspruch auf Behandlungspflege gegen den Träger der Einrichtung besteht. Das wird exemplarisch bei Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen und Pflegeheimen angenommen. Sofern schon der Aufenthalt in "Einrichtungen" zu einem Ausschluss führen würde, wäre es überflüssig gewesen, auf einen möglichen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege abzustellen.
Es trifft zwar zu, dass die Richtlinien nur verbindlich sind, soweit sie mit der gesetzlichen Regelung und der Ermächtigungsgrundlage in Einklang stehen. Hieran bestehen jedoch – wie ausgeführt – keine Zweifel. Gemäß § 37 Abs. 6 S. 1 SGB V hat der Gesetzgeber es ausdrücklich dem Gemeinsamen Bundesausschuss überlassen, in einer Richtlinie festzulegen, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 auch außerhalb des Haushalts und der Familie des Versicherten erbracht werden können, um die notwendige Flexibilität bei der Bestimmung der Erbringungsorte zu wahren (BT-Drs. 16/3100 S. 104). Darüber hinaus hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) die Richtlinie nur unter der Auflage genehmigt, dass die ursprünglich geplante Aufnahme der Behinderteneinrichtungen im Klammerzusatz gestrichen wird (Beanstandung und Auflage des Beschlusses vom 17. Januar 2008 des gemeinsamen Bundesausschusses durch das BMG am 20. März 2008). Es hat dazu ausgeführt, dass nicht ersichtlich sei, dass grundsätzlich in allen ambulanten und stationären Behinderteneinrichtungen ein Anspruch auf Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtungen bestehe. Die ursprüngliche Formulierung könne daher dazu führen, dass häusliche Krankenpflege für Versicherte in Behinderteneinrichtungen regelmäßig abgelehnt würde, ohne dass tatsächlich im Einzelfall geprüft werde, ob anderweitige Ansprüche bestünden. Die Erbringung häuslicher Krankenpflege z.B. in Einrichtungen der Lebenshilfe werde dadurch pauschal verhindert. Indem das BMG durch seine Auflage bestimmt hat, dass ein solcher pauschaler Anspruchsausschluss in Behinderteneinrichtungen nicht erfolgen sollte, hat es deutlich gemacht, dass der Anspruch auf Behandlungspflege gegen die Einrichtung das maßgebliche Kriterium ist.
Vorliegend ergibt sich ein solcher Anspruch des Versicherten auf Gewährung von häuslicher Krankenpflege gegenüber dem beigeladenen Einrichtungsträger nicht. Nach dem Gesetz sind Einrichtungen der Behindertenhilfe im Gegensatz zu Pflegeeinrichtungen (§ 43 SGB XI) gerade nicht verpflichtet, Behandlungspflege zu erbringen (§ 71 Abs. 4 SGB XI). § 55 SGB XII betrifft Pflegeleistungen nach dem SGB XI (Wehrhahn in JurisPK-SGB XII, § 55 Rn. 7) und nicht Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach dem SGB V.
Auch aus vertraglichen Vereinbarungen ergibt sich kein Anspruch des Bewohners gegen den Einrichtungsträger auf häusliche Krankenpflege. Weder in dem Nutzungsvertrag noch in der Beratungs- und Betreuungsvereinbarung, die die Bewohner mit der Einrichtung abschließen, ist ein derartiger Anspruch enthalten. Vielmehr heißt es in diesen Verträgen, dass dem Bewohner Unterkunft und Verpflegung sowie pädagogische Beratung und Betreuung angeboten werde. Nach Ziffer 4 (Art der Leistungen/Leistungsdarstellung) der Leistungsbeschreibung zur Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII erhalten die Bewohner zwar unter anderem auch Unterstützung bei der Inanspruchnahme von Hilfen im Bereich der Gesundheitsversorgung und Hilfestellung bei der Einhaltung der notwendigen gesundheitlichen Maßnahmen. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die entsprechenden Leistungen vom Einrichtungsträger selbst erbracht werden. Vielmehr hat dieser lediglich die erforderlichen Hilfen – zum Beispiel in Form von Beratung, Aufklärung, Gesprächen mit bzw. Begleitung zu Therapeuten und Ärzten – zu gewähren, damit die Bewohner in die Lage versetzt werden, die notwendigen medizinischen Leistungen sachgerecht in Anspruch zu nehmen. Dementsprechend steht für die Durchführung von Behandlungspflege in der Einrichtung selbst auch kein qualifiziertes Pflegepersonal zur Verfügung. Zwar heißt es, worauf die Beklagte zutreffend hinweist, in § 7 der Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII, dass die Leistungen im Wesentlichen durch Sozialpädagogen, Psychologen, Heilpädagogen, Erzieher, Krankenpflegekräfte, Ergotherapeuten, Pädagogen oder Personal mit vergleichbarer Ausbildung erbracht werden können. Nach der diese Regelung konkretisierenden Ziffer 6 der Leistungsbeschreibung stehen Stellen jedoch nur für Sozialarbeiter/Sozialpädagogen, Pädagogen sowie Personal im Bereich Verwaltung, Hauswirtschaft und Haustechnik zur Verfügung. Krankenpflegepersonal ist dort nicht aufgeführt und in der Einrichtung nach den unbestrittenen Angaben der Klägerin auch nicht vorhanden.
Die so verstandenen vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Klägerin und der Beigeladenen stellen auch keinen unzulässigen Vertrag zulasten Dritter – hier der Beklagten – dar. Ein Vertrag zulasten Dritter liegt vor, wenn für Dritte ohne deren Mitwirkung Verpflichtungen begründet werden (Schinkels in JurisPK-BGB, Band 2, 6. Auflage 2012, § 328 Rn. 39). Dies ist hier nicht der Fall, denn gesetzlich Versicherte haben gegen ihre Krankenkasse kraft Gesetzes bei Vorliegen der in § 37 SGB V genannten Voraussetzungen ohnehin einen Anspruch auf häusliche Krankenpflege. Derartige Ansprüche werden durch die vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Klägerin und den Einrichtungsträgern daher nicht begründet, sondern bestehen bereits und könnten durch entsprechende Vereinbarungen allenfalls ausgeschlossen werden. Hierzu sind jedoch weder die Klägerin noch die Einrichtungsträger gesetzlich verpflichtet.
Auch der Umstand, dass der Versicherte Leistungen aus der Pflegeversicherung nach der Pflegestufe 1 bezog, steht seinem Anspruch auf häusliche Krankenpflege gegen die Beklagte nicht entgegen. Die Medikamentengabe stellt als krankheitsspezifische Pflegemaßnahme eine Form der Behandlungspflege dar, die vom Verrichtungskatalog des § 14 Abs. 4 SGB XI nicht erfasst wird (BSG, Urteil vom 17.03.2005 – B 3 KR 9/04 R – Juris). Die in § 43 Abs. 2 SGB XI normierte Übernahme von Leistungen der medizinischen Behandlungspflege durch die Pflegekasse gilt für die Einrichtungen der Behindertenhilfe (§ 71 Abs. 4 SGB XI) gerade nicht. Deshalb sind Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, soweit deren Voraussetzungen gegeben sind, grundsätzlich auch beim Aufenthalt in einer Einrichtung nach § 71 Abs. 4 SGB XI zu gewähren. Die pauschale Abgeltung der Pflegeleistungen nach § 43a SGB XI steht dem Anspruch auf häusliche Krankenpflege daher ebenfalls nicht entgegen (BSG, Urteil vom 01.09.2005, a.a.O.), wofür im Übrigen auch die niedrige Pauschale von 256 EUR spricht, die nicht überschritten werden darf.
Der Senat folgt schließlich auch nicht der Auffassung der Beklagten, wonach die hier streitigen Medikamentengaben als einfachste Leistungen der medizinischen Behandlungspflege dennoch von den Mitarbeitern der Einrichtung zu erbringen seien. Diese Sichtweise verkennt, dass Medikamentengaben grundsätzlich als Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege verordnungsfähig sind (vgl. Nr. 26 der Anlage zur HKP-Richtlinie) und vorliegend auch ärztlich verordnet worden sind. Die Entscheidung darüber, ob das Herrichten und Verabreichen der Medikamente durch einen ambulanten Pflegedienst im Einzelfall erforderlich ist, ist damit dem behandelnden Arzt übertragen worden (§ 73 Abs. 2 Nr. 8 SGB V). Dessen Beurteilung kann daher nicht pauschal mit dem Hinweis auf die in der Einrichtung beschäftigten Mitarbeiter wieder entkräftet werden. Im Übrigen schließt auch sonst das bloße Vorhandensein anderer Personen, die – ohne hierzu verpflichtet zu sein – möglicherweise die Medikamentengabe übernehmen könnten, den Anspruch auf häusliche Krankenpflege nicht aus. Vielmehr gilt dies gemäß § 37 Abs. 3 SGB V nur, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken in dem erforderlichen Umfang pflegen und versorgen kann. Die Mitarbeiter der Einrichtung leben aber nicht mit den Bewohnern in einem gemeinsamen Haushalt.
Die Höhe der zu erstattenden Aufwendungen beträgt EUR 6.920,50 und ist zwischen den Beteiligten nicht streitig.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 108 Abs. 2 SGB X. Ob der Klägerin über den vom Sozialgericht zugesprochenen Betrag von EUR 1.019,37 hinaus noch weitere, seit der erstinstanzlichen Entscheidungen angefallene Zinsen zustehen, war nicht zu prüfen, da sie das Urteil nicht angefochten hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Erstattung von Aufwendungen für häusliche Krankenpflege in der Zeit von Juni 2007 bis März 2009.
Der bei der Beklagten krankenversicherte M.H. (i.F.: Versicherter) lebte in dem streitigen Zeitraum im J.-Haus (J.), dessen Träger die Beigeladene ist. Bei dem J. handelt es sich um eine stationäre Einrichtung in H., in der wohnungslosen Männern eine sozialpädagogisch betreute Unterbringung angeboten wird. Der Versicherte leidet unter anderem an HIV, Hepatitis C, substituierter Drogenabhängigkeit und Encephalitis mit Wesensveränderung. Er bezog im streitigen Zeitraum Arbeitslosengeld II sowie Leistungen der Pflegeversicherung nach Pflegestufe 1 und erhielt seine Unterbringung im J. auf Kosten der Klägerin als Eingliederungshilfe nach den §§ 53, 54 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe (SGB XII).
Gemäß ärztlicher Verordnung erhielt er in der Zeit vom 8. Juni 2007 bis 31. März 2009 häusliche Krankenpflege zur Sicherung der ambulanten ärztlichen Behandlung durch einen ambulanten Pflegedienst in Form von Medikamentengaben (herrichten und verabreichen). Die Gesamtaufwendungen hierfür, die zunächst von der Klägerin getragen wurden, belaufen sich auf EUR 6.920,50. Die Beklagte lehnte den von der Klägerin mit Schreiben vom 26. September 2007 und 12. August 2008 geltend gemachten Erstattungsanspruch ab.
Die Klägerin hat deshalb am 8. Januar 2010 Klage erhoben und vorgetragen, sie habe einen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte, weil diese gemäß § 37 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) vorrangig leistungsverpflichtet sei. Insbesondere handele es sich bei dem J. um einen "sonst geeigneten Ort" im Sinne von § 37 Abs. 2 SGB V. Die bisher aufgelaufenen Zinsen betrügen EUR 1.019,37.
Das Sozialgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 6. Februar 2012 verpflichtet, an die Klägerin EUR 6.920,50 nebst Zinsen in Höhe von EUR 1.019,37 zu zahlen. Es hat ausgeführt, der Erstattungsanspruch ergebe sich aus § 104 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X). Die Beklagte sei vorrangig leistungspflichtig, denn der Versicherte habe gegen sie einen Anspruch auf häusliche Krankenpflege nach § 37 Abs. 2 S. 1, 3. Alt. SGB V gehabt. Das J. sei jedenfalls ein "sonst geeigneter Ort" im Sinne dieser Vorschrift, denn das Vorliegen eines eigenen Haushalts werde hierfür gerade nicht vorausgesetzt. Die frühere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), die auf die eigene wirtschaftliche Haushaltsführung abgestellt habe, sei auf die aktuelle Gesetzesfassung nicht mehr anwendbar. Nur diese Auslegung entspreche der Intention des Gesetzgebers, durch die Einfügung des "sonst geeigneten Ortes" vorschnelle stationäre Einweisungen zu verhindern. Sie stehe auch im Einklang mit den aufgrund von § 37 Abs. 6 SGB V erlassenen Richtlinien. Aus den mit dem Versicherten geschlossenen Verträgen ergebe sich, dass die Unterbringung nicht auf medizinische Pflege, sondern auf Überwindung der Obdachlosigkeit gerichtet gewesen sei. Auch die übrigen Voraussetzungen eines Anspruchs auf häusliche Krankenpflege seien erfüllt. Die Höhe des Zinsanspruchs ergebe sich aus der unbestrittenen Aufstellung der Klägerin.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 2. März 2012 zugestellte Urteil am 19. März 2012 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, entgegen der Auffassung des Sozialgerichts habe die Änderung des § 37 Abs. 2 SGB V nicht zu einer völligen Aufgabe des "eigenen Haushalts" als Tatbestandsvoraussetzung für einen Anspruch auf häusliche Krankenpflege geführt. Die im Gesetz aufgeführten Leistungsorte stellten zwar keine abschließende Aufzählung dar, ihnen sei jedoch gemeinsam, dass sich der Versicherte dort entweder nur zeitweise aufhalte oder es sich um eine ambulante Wohnform handele. Ein "sonst geeigneter Ort" könne daher nur ein Ort sein, der seinem Charakter nach mit den gesetzlich aufgeführten Wohn- und Einrichtungsformen vergleichbar sei. Gegen eine völlige Aufgabe des Erfordernisses einer "Häuslichkeit" spreche auch die in § 37 Abs. 2 S. 7 SGB V getroffene Regelung, durch die klargestellt werde, dass bei einem Daueraufenthalt ohne eigenen Haushalt z.B. in Heimen kein Anspruch auf Leistungen der Behandlungspflege bestehe. Die gemäß § 37 Abs. 6 S. 1 SGB V erlassenen Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses stünden diesem Rechtsverständnis nicht entgegen, denn diese könnten nur im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben verbindliche Regelungen über die zu erbringenden Leistungen treffen. Insbesondere aber lasse der Hinweis in Ziffer I. 6. der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege (HKP-Richtlinie) in ihrer ab 11. Juni 2008 geltenden Fassung (BAnz 2008, Nr. 84, S. 2028, 2029 u. 2030; heute: § 1 Abs. 6 der HKP-Richtlinie) auf einen Ausschluss des Anspruchs in Einrichtungen bei entsprechendem Anspruch gegenüber dem Einrichtungsträger nicht den Umkehrschluss zu, dass bei Fehlen eines solchen Anspruchs in sämtlichen Wohnformen der Behindertenhilfe häusliche Krankenpflege zu erbringen sei. Vielmehr handele es sich insoweit um eine reine Negativabgrenzung. Bei dem J. handele es sich um eine Einrichtung im Sinne des § 71 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Elftes Buch – Soziale Pflegeversicherung (SGB XI), in der der Versicherte dauerhaft ohne eigenen Haushalt untergebracht gewesen sei. Der Aufenthalt sei nicht aufgrund eines frei ausgehandelten Mietvertrages, sondern aufgrund eines Nutzungsvertrages zustande gekommen und an die sozialpädagogische Beratung und Betreuung in der Einrichtung gekoppelt. Es handele sich somit nicht um ein reguläres Mietverhältnis, sondern um eine Maßnahme der Eingliederungshilfe nach §§ 53 ff. SGB XII. Selbst wenn man aber mit dem Sozialgericht davon ausgehe, dass das J. grundsätzlich ein "geeigneter Ort" sein könne, sei ein Anspruch des Versicherten auf häusliche Krankenpflege nicht gegeben, denn gemäß Ziffer 4 der Leistungsbeschreibung (Anlage 1) zu der zwischen der Klägerin und der Beigeladenen geschlossenen Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII vom 29. Juli 2005 sei der Einrichtungsträger verpflichtet, die Bewohner des Hauses bei der Inanspruchnahme von Hilfen der Gesundheitsversorgung zu unterstützen. Ferner habe der Einrichtungsträger Hilfestellung bei der Einhaltung der notwendigen gesundheitlichen Maßnahmen zu gewährleisten. Auf eine fehlende Personalausstattung könne sich der Einrichtungsträger nicht berufen, weil § 7 der Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII in personeller Hinsicht auch Krankenpflegekräfte als Betreuungspersonal vorsehe. Im Übrigen könne es nicht in das Belieben der Klägerin und der Beigeladenen gestellt werden, derartige Ansprüche der Versicherten gegen den Einrichtungsträger auszuschließen, denn hierin läge ein unzulässiger Vertrag zulasten Dritter. Schließlich handele es sich bei der hier streitigen Medikamentengabe um einfachste Leistungen der medizinischen Behandlungspflege, die auch von den Mitarbeitern des J. hätten erbracht werden können.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 6. Februar 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt vor, es sei nicht richtig, dass sich die Versicherten an den im Gesetz ausdrücklich genannten Orten jeweils nur zeitweise aufhielten. Vielmehr seien "Betreute Wohnformen" schon lange keine ambulanten Leistungen mehr, sondern würden im Sinne der Eingliederungshilfe als stationäre Unterbringung angesehen, da die Betreuten eine umfassende Leistung erhielten. Durch den Aufenthalt im J. sollten die Bewohner nach einer Obdachlosigkeit befähigt werden, wieder ein normales Leben zu führen. Dies könne wenige Monate oder aber auch Jahre dauern. Damit sei das J. in dieser Zeit das häusliche Umfeld der Bewohner. Mit einer stationären Unterbringung in einem Krankenhaus oder Pflegeheim, die der Gesetzgeber habe vermeiden wollen, habe dies aber nichts zu tun, denn das Personal habe keinerlei Pflegekenntnisse, sondern überwiegend einen sozialpädagogischen Hintergrund. Die Bewohner hätten eigene Zimmer mit Privatsphäre. Folge man der Auffassung der Beklagten, führe dies zu einer verstärkten Einweisung in Krankenhäuser oder Kurzzeitpflegeeinrichtungen, um dem behandlungsbedürftigen Zustand der Bewohner, die häufig "Obdachlosenkrankheiten" (offene Füße, Mangelerscheinungen, Schizophrenie) hätten, adäquat zu begegnen. Dies habe der Gesetzgeber aber gerade vermeiden wollen.
Die Beigeladene hat keine Anträge gestellt und keine Stellungnahme abgegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie auf die in der Sitzungsniederschrift aufgeführten Akten und Unterlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG) ist nicht begründet, denn das Sozialgericht hat die Beklagte zu Recht verurteilt, der Klägerin ihre Aufwendungen für die häusliche Krankenpflege des Versicherten Martin Hasenkamp in der Zeit von Juni 2007 bis März 2009 zu erstatten.
Die zutreffend als allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) erhobene Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen die beklagte Krankenkasse einen Anspruch auf Erstattung ihrer Aufwendungen für die dem Versicherten erbrachten Leistungen der häuslichen Krankenpflege gemäß § 104 Abs. 1 SGB X. Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen, ist der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Nachrangig verpflichtet ist ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre (§ 104 Abs. 1 S. 1 und 2 SGB X). Die Klägerin war wegen des Nachrangs der Sozialhilfe (§ 2 SGB XII) nur nachrangig verpflichtet, denn der Versicherte hatte einen vorrangigen Anspruch auf Gewährung häuslicher Krankenpflege gegen die Beklagte.
Versicherte erhalten gemäß § 37 Abs. 2 S. 1 SGB V in seiner seit dem 1. April 2007 aufgrund des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26. März 2007 (BGBl. I 2007, 378) geltenden Fassung in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. Für den hier streitigen Zeitraum von Juni 2007 bis März 2009 liegen ärztliche Verordnungen der häuslichen Krankenpflege vor; die Erforderlichkeit der häuslichen Krankenpflege zur Sicherung des Ziels der ambulanten ärztlichen Behandlung ist nicht zweifelhaft und auch zwischen den Beteiligten nicht streitig.
Das J., in dem der Versicherte im streitigen Zeitraum lebte, ist ein geeigneter Ort im Sinne von § 37 Abs. 2 S. 1, 3. Alt. SGB V. Das Sozialgericht hat zutreffend festgestellt, dass es auf eine eigenständige wirtschaftliche Haushaltsführung insoweit nicht mehr ankommt. Die Ausführungen des BSG im Urteil vom 1. September 2005 (B 3 KR 19/04 R – Juris), wonach Versicherte, die in Einrichtungen der Behindertenhilfe wohnen und dort Kost und Logis als Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten, mangels eigenen Haushalts keinen Anspruch auf häusliche Krankenpflege haben, betreffen die bis zum 31. März 2007 bestehende Fassung des § 37 Abs. 2 S. 1 SGB V ("Versicherte erhalten in ihrem Haushalt oder ihrer Familie als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege ") und können daher für die Auslegung der aktuellen Bestimmung nicht mehr ohne Weiteres herangezogen werden. Nach der ab 1. April 2007 geltenden Gesetzesfassung können die Leistungen in einem Haushalt oder "sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, " erbracht werden. Nach der Gesetzesbegründung sollte hierdurch der Haushaltsbegriff vorsichtig erweitert werden, um vorschnelle stationäre Einweisungen zu vermeiden und um Lücken im Zwischenbereich von stationärer und ambulanter Versorgung zu schließen (BT-Drs. 16/3100 S. 104). Weiter heißt es, dass ein geeigneter Ort jedenfalls dann nicht gegeben sei, wenn sich der Versicherte in einer Einrichtung befinde, in der er Anspruch auf medizinische Behandlungspflege durch die Einrichtung habe.
Danach können Einrichtungen, in denen behinderten Menschen Eingliederungshilfe gewährt wird, "betreute Wohnformen" im Sinne des Gesetzes oder jedenfalls "sonst geeignete Orte" sein, wenn durch den Aufenthalt nicht ein Anspruch auf Leistungen der Behandlungspflege gegen den Einrichtungsträger begründet wird. Der Senat hält insoweit an seiner in den Beschlüssen vom 12. November 2009 (L 1 B 202/09 ER KR – Juris, mit zustimmender Anmerkung: Francke in JurisPR-MedizinR 3/2010, Anm. 5) und 11. Januar 2010 (L 1 B 1135/08 ER KR – n.v.) vertretenen Rechtsauffassung fest (ebenso: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.02.2010 – L 9 KR 23/10 B ER; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22.11.2011 - L 10 KR 32/11 B ER; a.A.: LSG Niedersachsen, Urteil vom 23. April 2009 – L 8 SO 1/07; alle Juris).
Die Gemeinsamkeiten der stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe ohne Anspruch auf Behandlungspflege mit betreuten Wohnformen rechtfertigen es, diese Wohneinrichtungen als geeignete Orte im Sinne von § 37 Abs. 2 Satz 1, 3. Alt. SGB V anzusehen, wenn man sie nicht schon als besondere Ausprägung des betreuten Wohnens versteht. Anderenfalls wäre das Ziel, Lücken zwischen der ambulanten und stationären Versorgung zu schließen, schwer erreichbar, denn auch das betreute Wohnen ist gesetzlich nicht definiert und die Übergänge von einer Wohngemeinschaft mit Betreuungshilfe zu einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe dürften in Abhängigkeit von den jeweiligen Fähigkeiten der Bewohner fließend sein. Die Einrichtungen der Behindertenhilfe können dagegen nicht mit Krankenhäusern, medizinischen Rehabilitationseinrichtungen oder Pflegeheimen gleichgesetzt werden, denn im Gegensatz zu diesen steht bei ihnen nicht die medizinische Behandlung und Pflege, sondern die gesellschaftliche Integration der Bewohner im Vordergrund (§ 53 Abs. 3 SGB XII). Aus diesem Grund sind Behinderteneinrichtungen auch keine Pflegeheime gemäß § 71 Abs. 4 SGB XI.
So ist es auch beim J., in dem ehemals obdachlose Menschen leben, denen der Übergang in ein möglichst unabhängiges Leben vermittelt werden soll. Nach den Ziffern 1 und 2 der Leistungsbeschreibung zur zwischen der Klägerin und der Beigeladenen geschlossenen Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII vom 29. Juli 2005 ist die Einrichtung eine stationäre Wohngruppe, in der seelisch behinderte/psychisch kranke Menschen leben, die Anleitung, Begleitung oder Unterstützung und/oder in Teilbereichen zeitweise die Übernahme von Tätigkeiten der täglichen Versorgung benötigen. Es handelt sich um ein niederschwelliges Angebot für obdachlose Menschen mit einer psychischen Auffälligkeit im Vorfeld des regelhaften sozialpsychiatrischen Hilfesystems. Es unterscheidet sich von diesem Hilfesystem darin, dass wesentlich die Motivation und die Bereitschaft gefördert werden, die Hilfen im Regelsystem der Sozialpsychiatrie in Anspruch zu nehmen (Ziffer 3). Nach Ziffer 5 wird die Hilfe zeitlich befristet in Form kontinuierlicher Beratung, Unterstützung, Förderung, Organisation, Planung sowie stellvertretender Ausführung geleistet. Der Bewohner ist gemäß Ziffer 3 der von ihm mit der Beigeladenen geschlossenen Beratungs- und Betreuungsvereinbarung zur Mitwirkung verpflichtet. Das alles unterscheidet sich grundlegend von dem Aufenthalt in einem Krankenhaus oder Pflegeheim, bei dem jeweils die medizinische und pflegerische Behandlung im Vordergrund steht und nicht die Stärkung der psychosozialen Fähigkeiten. Der Aufenthalt in einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe ohne Anspruch auf Behandlungspflege ist daher deutlich eher mit dem betreuten Wohnen als mit dem Aufenthalt in einem Krankenhaus oder Pflegeheim zu vergleichen.
Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass der Gesetzgeber, wenn er eine weitergehende Ausdehnung der häuslichen Krankenpflege über die betreuten Wohnformen hinaus auch auf stationäre Einrichtungen der Behindertenhilfe hätte vornehmen wollen, dies ausdrücklich so hätte formulieren können und müssen (so aber LSG Niedersachsen-Bremen, a.a.O.). Indem er neben den betreuten Wohnformen auch die "sonst geeigneten Orte" genannt hat, hat er eine abschließende Aufzählung gerade vermieden, um dem fließenden Übergang zwischen den einzelnen Wohnformen Rechnung zu tragen. Vielmehr hätte es umgekehrt der Nennung des "sonst geeigneten Ortes" nicht bedurft, wenn alle Wohnformen außer den ausdrücklich genannten zum Anspruchsausschluss hätten führen sollen. Dementsprechend heißt es in der Gesetzesbegründung (a.a.O.) auch, dass auf eine gesetzliche Definition des geeigneten Ortes verzichtet worden sei, um die notwendige Flexibilität zu wahren. Die vom Gesetzgeber beabsichtigte Lückenschließung und damit die Sicherung der umfassenden Versorgung ist deshalb nur sicherzustellen, wenn der Anspruch auf häusliche Krankenpflege auch in stationären Einrichtungen immer dann einsetzt, wenn ein Anspruch gegen den Einrichtungsträger auf derartige Leistungen nicht besteht (ebenso: LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O.).
Nicht entscheidend ist, ob die Einrichtung, in der der Versicherte lebte, unter das im streitigen Zeitraum noch anwendbare Heimgesetz (HeimG) fiel (a.A. LSG Niedersachsen-Bremen, a.a.O.). Das HeimG kann für die Auslegung des geeigneten Ortes bereits deshalb nicht herangezogen werden, weil die Zielsetzung des Gesetzes nicht ist, Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu definieren. Nach § 2 HeimG ist es vielmehr Zweck des Gesetzes, vorrangig die Interessen und Bedürfnisse der Bewohner vor Beeinträchtigungen zu schützen und ihre Rechte gegenüber dem Heimträger zu wahren. Darüber hinaus ist das HeimG in H. mit Wirkung vom 1. Januar 2010 durch das Hamburgische Wohn- und Betreuungsqualitätsgesetz (HmbWBG) vom 15. Dezember 2009 (HmbGVBl. S. 494) ersetzt worden (§ 42 HmbWBG), welches nach seinem § 2 Abs.1 auf Servicewohnanlagen, Wohngemeinschaften, Wohneinrichtungen, Gasteinrichtungen und Ambulante Dienste anwendbar ist und somit von dem engeren Heimbegriff des § 1 Abs. 1 Satz 2 HeimG abgerückt ist, was dafür spricht, dass die trennscharfe Unterscheidung zwischen den einzelnen Wohn- und Einrichtungsformen auch im Anwendungsbereich dieses Gesetzes aufgegeben werden sollte.
Für eine Einbeziehung stationärer Einrichtungen der Behindertenhilfe als geeigneter Ort spricht weiter, dass § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB V für Versicherte, die sich in gemäß § 43 SGB XI zugelassenen Pflegeeinrichtungen befinden, eine Ausnahmeregelung enthält. Häusliche Krankenpflege kann danach gewährt werden, wenn ein besonders hoher Bedarf an medizinischer Behandlungspflege besteht. Da in diesem Ausnahmetatbestand stationäre Einrichtungen der Behindertenhilfe nicht erwähnt werden, es aber keinen Grund gibt, die Bewohner derartiger Einrichtungen von der Versorgung auszuschließen, ist es naheliegend, dass der Gesetzgeber von einem bereits grundsätzlich bestehenden Anspruch ausgegangen ist.
Zutreffend hat das Sozialgericht ausgeführt, dass sich aus § 37 Abs. 2 S. 7 SGB V kein allgemeiner Grundsatz entnehmen lässt, dass die dauerhafte Aufnahme in eine Einrichtung der Behindertenhilfe dem Anspruch auf häusliche Krankenpflege entgegenstehe. Nach dieser Vorschrift erhalten Versicherte, die nicht auf Dauer in Einrichtungen nach § 71 Abs. 2 oder 4 SGB XI aufgenommen sind, Leistungen nach § 37 Abs. 2 S. 1, 4 und 6 SGB V auch dann, wenn ihr Haushalt nicht mehr besteht und ihnen nur zur Durchführung der Behandlungspflege vorübergehender Aufenthalt in einer Einrichtung oder einer anderen geeigneten Unterkunft zur Verfügung gestellt wird. Diese Regelung wurde bereits zum 1. Januar 2004 – also vor der Aufnahme des "sonst geeigneten Ortes" in § 37 Abs. 2 S. 1 SGB V – eingeführt und sollte daher zu einem Zeitpunkt, als es für den Anspruch grundsätzlich noch auf das Vorhandensein eines eigenen Haushalts ankam, den Anwendungsbereich der Vorschrift erweitern und häusliche Krankenpflege in Einrichtungen für wohnungslose Menschen ermöglichen, um kostenintensive stationäre Behandlungen zu vermeiden (BT-Drs. 15/1525 S. 90). Sie kann daher nicht dafür herangezogen werden, um die mit der Neufassung des § 37 Abs. 2 S. 1 SGB V zum 1. April 2007 beabsichtigte noch weitere Ausdehnung des Anwendungsbereichs wieder einzuschränken.
Weiterhin spricht auch die vom Gemeinsamen Bundesausschuss erlassene HKP-Richtlinie für die hier gefundene Auslegung. In Ziffer I. 6. der HKP-Richtlinie in ihrer ab 11. Juni 2008 geltenden Fassung (BAnz 2008, Nr. 84, S. 2028, 2029 u. 2030; heute: § 1 Abs. 6 der HKP-Richtlinie) heißt es: "Für die Zeit des Aufenthalts in Einrichtungen, in denen nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtungen besteht (z.B. Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen, Pflegeheimen) kann häusliche Krankenpflege nicht verordnet werden. Ob ein solcher Anspruch besteht, ist im Einzelfall durch die Krankenkasse zu prüfen." Hieraus ergibt sich, dass grundsätzlich allein der Aufenthalt in stationären Einrichtungen dem Anspruch nicht entgegensteht, sondern nur dann, wenn ein Anspruch auf Behandlungspflege gegen den Träger der Einrichtung besteht. Das wird exemplarisch bei Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen und Pflegeheimen angenommen. Sofern schon der Aufenthalt in "Einrichtungen" zu einem Ausschluss führen würde, wäre es überflüssig gewesen, auf einen möglichen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege abzustellen.
Es trifft zwar zu, dass die Richtlinien nur verbindlich sind, soweit sie mit der gesetzlichen Regelung und der Ermächtigungsgrundlage in Einklang stehen. Hieran bestehen jedoch – wie ausgeführt – keine Zweifel. Gemäß § 37 Abs. 6 S. 1 SGB V hat der Gesetzgeber es ausdrücklich dem Gemeinsamen Bundesausschuss überlassen, in einer Richtlinie festzulegen, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 auch außerhalb des Haushalts und der Familie des Versicherten erbracht werden können, um die notwendige Flexibilität bei der Bestimmung der Erbringungsorte zu wahren (BT-Drs. 16/3100 S. 104). Darüber hinaus hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) die Richtlinie nur unter der Auflage genehmigt, dass die ursprünglich geplante Aufnahme der Behinderteneinrichtungen im Klammerzusatz gestrichen wird (Beanstandung und Auflage des Beschlusses vom 17. Januar 2008 des gemeinsamen Bundesausschusses durch das BMG am 20. März 2008). Es hat dazu ausgeführt, dass nicht ersichtlich sei, dass grundsätzlich in allen ambulanten und stationären Behinderteneinrichtungen ein Anspruch auf Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtungen bestehe. Die ursprüngliche Formulierung könne daher dazu führen, dass häusliche Krankenpflege für Versicherte in Behinderteneinrichtungen regelmäßig abgelehnt würde, ohne dass tatsächlich im Einzelfall geprüft werde, ob anderweitige Ansprüche bestünden. Die Erbringung häuslicher Krankenpflege z.B. in Einrichtungen der Lebenshilfe werde dadurch pauschal verhindert. Indem das BMG durch seine Auflage bestimmt hat, dass ein solcher pauschaler Anspruchsausschluss in Behinderteneinrichtungen nicht erfolgen sollte, hat es deutlich gemacht, dass der Anspruch auf Behandlungspflege gegen die Einrichtung das maßgebliche Kriterium ist.
Vorliegend ergibt sich ein solcher Anspruch des Versicherten auf Gewährung von häuslicher Krankenpflege gegenüber dem beigeladenen Einrichtungsträger nicht. Nach dem Gesetz sind Einrichtungen der Behindertenhilfe im Gegensatz zu Pflegeeinrichtungen (§ 43 SGB XI) gerade nicht verpflichtet, Behandlungspflege zu erbringen (§ 71 Abs. 4 SGB XI). § 55 SGB XII betrifft Pflegeleistungen nach dem SGB XI (Wehrhahn in JurisPK-SGB XII, § 55 Rn. 7) und nicht Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach dem SGB V.
Auch aus vertraglichen Vereinbarungen ergibt sich kein Anspruch des Bewohners gegen den Einrichtungsträger auf häusliche Krankenpflege. Weder in dem Nutzungsvertrag noch in der Beratungs- und Betreuungsvereinbarung, die die Bewohner mit der Einrichtung abschließen, ist ein derartiger Anspruch enthalten. Vielmehr heißt es in diesen Verträgen, dass dem Bewohner Unterkunft und Verpflegung sowie pädagogische Beratung und Betreuung angeboten werde. Nach Ziffer 4 (Art der Leistungen/Leistungsdarstellung) der Leistungsbeschreibung zur Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII erhalten die Bewohner zwar unter anderem auch Unterstützung bei der Inanspruchnahme von Hilfen im Bereich der Gesundheitsversorgung und Hilfestellung bei der Einhaltung der notwendigen gesundheitlichen Maßnahmen. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die entsprechenden Leistungen vom Einrichtungsträger selbst erbracht werden. Vielmehr hat dieser lediglich die erforderlichen Hilfen – zum Beispiel in Form von Beratung, Aufklärung, Gesprächen mit bzw. Begleitung zu Therapeuten und Ärzten – zu gewähren, damit die Bewohner in die Lage versetzt werden, die notwendigen medizinischen Leistungen sachgerecht in Anspruch zu nehmen. Dementsprechend steht für die Durchführung von Behandlungspflege in der Einrichtung selbst auch kein qualifiziertes Pflegepersonal zur Verfügung. Zwar heißt es, worauf die Beklagte zutreffend hinweist, in § 7 der Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII, dass die Leistungen im Wesentlichen durch Sozialpädagogen, Psychologen, Heilpädagogen, Erzieher, Krankenpflegekräfte, Ergotherapeuten, Pädagogen oder Personal mit vergleichbarer Ausbildung erbracht werden können. Nach der diese Regelung konkretisierenden Ziffer 6 der Leistungsbeschreibung stehen Stellen jedoch nur für Sozialarbeiter/Sozialpädagogen, Pädagogen sowie Personal im Bereich Verwaltung, Hauswirtschaft und Haustechnik zur Verfügung. Krankenpflegepersonal ist dort nicht aufgeführt und in der Einrichtung nach den unbestrittenen Angaben der Klägerin auch nicht vorhanden.
Die so verstandenen vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Klägerin und der Beigeladenen stellen auch keinen unzulässigen Vertrag zulasten Dritter – hier der Beklagten – dar. Ein Vertrag zulasten Dritter liegt vor, wenn für Dritte ohne deren Mitwirkung Verpflichtungen begründet werden (Schinkels in JurisPK-BGB, Band 2, 6. Auflage 2012, § 328 Rn. 39). Dies ist hier nicht der Fall, denn gesetzlich Versicherte haben gegen ihre Krankenkasse kraft Gesetzes bei Vorliegen der in § 37 SGB V genannten Voraussetzungen ohnehin einen Anspruch auf häusliche Krankenpflege. Derartige Ansprüche werden durch die vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Klägerin und den Einrichtungsträgern daher nicht begründet, sondern bestehen bereits und könnten durch entsprechende Vereinbarungen allenfalls ausgeschlossen werden. Hierzu sind jedoch weder die Klägerin noch die Einrichtungsträger gesetzlich verpflichtet.
Auch der Umstand, dass der Versicherte Leistungen aus der Pflegeversicherung nach der Pflegestufe 1 bezog, steht seinem Anspruch auf häusliche Krankenpflege gegen die Beklagte nicht entgegen. Die Medikamentengabe stellt als krankheitsspezifische Pflegemaßnahme eine Form der Behandlungspflege dar, die vom Verrichtungskatalog des § 14 Abs. 4 SGB XI nicht erfasst wird (BSG, Urteil vom 17.03.2005 – B 3 KR 9/04 R – Juris). Die in § 43 Abs. 2 SGB XI normierte Übernahme von Leistungen der medizinischen Behandlungspflege durch die Pflegekasse gilt für die Einrichtungen der Behindertenhilfe (§ 71 Abs. 4 SGB XI) gerade nicht. Deshalb sind Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, soweit deren Voraussetzungen gegeben sind, grundsätzlich auch beim Aufenthalt in einer Einrichtung nach § 71 Abs. 4 SGB XI zu gewähren. Die pauschale Abgeltung der Pflegeleistungen nach § 43a SGB XI steht dem Anspruch auf häusliche Krankenpflege daher ebenfalls nicht entgegen (BSG, Urteil vom 01.09.2005, a.a.O.), wofür im Übrigen auch die niedrige Pauschale von 256 EUR spricht, die nicht überschritten werden darf.
Der Senat folgt schließlich auch nicht der Auffassung der Beklagten, wonach die hier streitigen Medikamentengaben als einfachste Leistungen der medizinischen Behandlungspflege dennoch von den Mitarbeitern der Einrichtung zu erbringen seien. Diese Sichtweise verkennt, dass Medikamentengaben grundsätzlich als Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege verordnungsfähig sind (vgl. Nr. 26 der Anlage zur HKP-Richtlinie) und vorliegend auch ärztlich verordnet worden sind. Die Entscheidung darüber, ob das Herrichten und Verabreichen der Medikamente durch einen ambulanten Pflegedienst im Einzelfall erforderlich ist, ist damit dem behandelnden Arzt übertragen worden (§ 73 Abs. 2 Nr. 8 SGB V). Dessen Beurteilung kann daher nicht pauschal mit dem Hinweis auf die in der Einrichtung beschäftigten Mitarbeiter wieder entkräftet werden. Im Übrigen schließt auch sonst das bloße Vorhandensein anderer Personen, die – ohne hierzu verpflichtet zu sein – möglicherweise die Medikamentengabe übernehmen könnten, den Anspruch auf häusliche Krankenpflege nicht aus. Vielmehr gilt dies gemäß § 37 Abs. 3 SGB V nur, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken in dem erforderlichen Umfang pflegen und versorgen kann. Die Mitarbeiter der Einrichtung leben aber nicht mit den Bewohnern in einem gemeinsamen Haushalt.
Die Höhe der zu erstattenden Aufwendungen beträgt EUR 6.920,50 und ist zwischen den Beteiligten nicht streitig.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 108 Abs. 2 SGB X. Ob der Klägerin über den vom Sozialgericht zugesprochenen Betrag von EUR 1.019,37 hinaus noch weitere, seit der erstinstanzlichen Entscheidungen angefallene Zinsen zustehen, war nicht zu prüfen, da sie das Urteil nicht angefochten hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen.
Rechtskraft
Aus
Login
HAM
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