L 10 R 4623/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 5501/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 4623/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27.09.2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich (noch) gegen die Erhebung von Pflichtbeiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung aus seiner Altersrente für die Zeit vom 01.01.2006 bis 30.11.2010 sowie gegen die Rückforderung von Zuschüssen zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 01.05.2003 bis 30.11.2010.

Der am 1932 geborene Kläger, der Diplom-Ingenieur ist, bezieht seit April 1997 eine Regelaltersrente. Der Krankenversicherer des Klägers, die Techniker Krankenkasse (TK) teilte diesem im Zusammenhang mit der Antragstellung auf Altersrente im Juli 1997 mit, er erfülle die Voraussetzungen für die Pflichtversicherung in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) nicht, weil die erforderliche Vorversicherungszeit nicht erfüllt sei (Bl. 58 VA). Er könne sich jedoch bei der TK freiwillig versichern. Der Kläger beantragte in seinem Rentenantrag vom 03.07.1997 im Hinblick auf die erfolgte freiwillige Weiterversicherung bei der TK Zuschüsse zu den Aufwendungen zur Kranken- und Pflegeversicherung (Bl. 78 ff. SG-Akte). In dem Antrag verpflichtete er sich u.a., die Beendigung der freiwilligen Krankenversicherung, den Beginn der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung sowie jede Änderung des Pflegeversicherungsverhältnisses (z.B. Eintritt von Versicherungspflicht) unverzüglich der Beklagten mitzuteilen. Mit "Rentenbescheid" vom 21.01.1998 (Bl. 60 VA) bewilligte die Beklagte dem Kläger ab April 1997 einen Beitragszuschuss zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung. Der Bescheid enthielt folgenden Hinweis: "Der Antrag auf Beitragszuschuss für die freiwillige oder private Krankenversicherung entfällt mit der Aufgabe oder dem Ruhen dieser Krankenversicherungspflicht. Daher besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns jede Änderung des Krankenversicherungsverhältnisses und jede Änderung der Beitragshöhe unverzüglich mitzuteilen. Der Anspruch auf Beitragszuschuss für die Pflegeversicherung entfällt bei Eintritt von Versicherungspflicht in der Krankenversicherung sowie bei Eintritt von Beitragsfreiheit in der Pflegeversicherung. Daher besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns jede Änderung des Kranken- und Pflegeversicherungsverhältnisses unverzüglich mitzuteilen."

Ab Januar 1999 gewährte die Firma A., früherer Arbeitgeber des Klägers, diesem entsprechend der getroffenen Vereinbarungen eine monatliche Pensionszahlung i.H.v. 6.722 EUR (Bl. 35a LSG-Akte). In der Folge zahlte der Kläger - durch Einzugsermächtigung - freiwillige Beiträge zur Kranken- bzw. Pflegeversicherung bis zur Beitragsbemessungsgrenze an die TK. In einem Schreiben der TK vom Dezember 2002 teilte diese dem Kläger mit, dass er auch ab Januar 2003 weiterhin (freiwillige) Krankenversicherung- und Pflegeversicherungsbeiträge unter Zugrundelegung der gesetzlichen Beitragsbemessungsgrenze zu entrichten habe (Bl. 33a LSG-Akte).

Mit Bescheid vom 08.03.2004 (Bl. 67 LSG-Akte) hob die Beklagte den Bescheid vom 31.01.1998 über die Gewährung des Beitragszuschusses insoweit auf, als ab April 2004 keine Zuschüsse mehr zu Pflegeversicherung gewährt wurden. Mit weiteren Bescheiden vom 16.08.2006, 05.02.2007 und 09.12.2008 (Bl. 68 ff. LSG-Akte) nahm die Beklagte jeweils eine Anpassung des Beitragszuschusses zur freiwilligen Krankenversicherung in Hinblick auf den geänderten Beitragssatz für die gesetzliche Krankenversicherung vor.

In Gefolge einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 15.03.2000, u.a. 1 BvL 16/96 in SozR 3-2500 § 5 Nr. 42) war der Kläger ab 01.04.2002 Pflichtversicherter in der KVdR. Die vorgesehene Mitteilung der TK, die die Änderung intern erst im März 2003 umsetzte, an die Beklagte über den geänderten Versicherungsstatus unterblieb, so dass auch in der Folgezeit keine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung aus der Rente einbehalten wurden. Die Firma A. erhielt dagegen im März 2003 eine Mitteilung der Beklagten über den Beginn der Beitragspflicht ab 01.04.2002 (Bl. 117/118 LSG-Akte). Ausweislich der vorgelegten Entgeltabrechnungen erfolgte ab April 2003 die Abführung von Versicherungsbeiträgen aus der Pension (vgl. Bl. 117 ff. LSG-Akte) unter Beachtung der Altersrente und der Beitragsbemessungsgrenze (vgl. Bl. 111/112 LSG). So wies die Entgeltabrechnung vom 15.04.2003 für April 2003 erstmalig Abzüge für die Kranken- und Pflegeversicherung i.H.v. insgesamt 130,81 EUR aus. Zusätzlich erfolgte eine einmalige Nachforderung i.H.v. 392,43 EUR für die Monate Januar bis März 2003 (vgl. Blatt 155 LSG-Akte).

Im September 2010 teilte die TK der Beklagten im maschinellen KVdR-Meldeverfahren mit, dass bei dem Kläger ab April 2002 Versicherungspflicht in der KVdR bestehe (vgl. Bl. 1 VA). Daraufhin "berechnete" die Beklagte mit Bescheid vom 06.10.2010 (Bl. 13 VA) die Regelaltersrente des Klägers ab 01.01.2006 "neu" und setzte den Zahlbetrag für die Zukunft neu fest. Für die Zeit vom 01.01.2006 bis zum 30.11.2010 ergebe sich eine Überzahlung von 11.120,32 EUR. Die Rente werde neu berechnet, da sich das Kranken- und Pflegeversicherungsverhältnis geändert habe. Der Kläger sei in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert. Er habe einen Krankenversicherungsbeitrag aus der Rente zu zahlen, ebenso sei ein Beitrag zur sozialen Pflichtversicherung zu entrichten. Der Rückzahlungsbetrag ergebe sich daraus, dass die Rente bislang ohne Beitragsabzüge an den Kläger ausbezahlt worden sei. Weiterhin hob die Beklagte die Bewilligung des Zuschusses zur Krankenversicherung mit Wirkung für die Zukunft ab 01.12. 2010 nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf, da mit dem Ende der freiwilligen Krankenversicherung die Voraussetzungen für den Zuschuss zur Krankenversicherung nicht mehr gegeben seien. Schließlich sei beabsichtigt, die Bewilligung des Zuschusses für die Vergangenheit ab 01.04.2002 nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X aufzuheben und die Überzahlung aufgrund des zu Unrecht gezahlten Zuschusses zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit 01.04.2002 bis 30.11.2010 i.H.v. 14.182,73 EUR nach § 50 Abs. 1 SGB X zurückzufordern.

Mit Bescheid vom 02.12.2010 hob die Beklagte dann den Bescheid vom 21.01.1998 über die Bewilligung des Zuschusses zu den Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung ab 01.04.2002 auf und verlangte die Erstattung der für die Zeit vom 01.04.2002 bis 30.11.2010 erbrachten Leistungen i.H.v. 14.324,11 EUR (Bl. 41 VA).

Auf Anfrage der Beklagten teilte die TK im November 2010 (Bl. 44 VA) mit, die Umstellung auf die KVdR sei im März 2003 mit Wirkung zum 01.04.2002 erfolgt; Unterlagen aus dieser Zeit würden nicht mehr vorliegen. Beiträge zur freiwilligen Versicherung seien bis März 2002 bezahlt worden.

Den Widerspruch des Klägers gegen die beiden Bescheide wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.08.2011 (Bl. 80 VA) als unbegründet zurück. Die Krankenkasse des Klägers habe erstmalig mit Meldung vom September 2010 den Eintritt der Versicherungspflicht in der KVdR an die Beklagte gemeldet. Versicherungspflicht liege aber bereits seit April 2002 vor. Im Rahmen der zu beachtenden Verjährungsregeln (§ 25 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV)) hätten die Beiträge nur für den Zeitraum vom 01.01.2006 bis zum 30.11.2010 gefordert werden können. Eine Nacherhebung von Beiträgen zur KVdR und zur Pflegeversicherung unterliege nicht den Einschränkungen des SGB X für die Rücknahme und Änderung von Rentenbescheiden, da es sich hierbei nicht um die Herabsetzung der früher - ohne Abzug der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge - ausgezahlten Renten handele, sondern um eine nachträgliche Erhebung von Beiträgen. Die Pflicht zur nachträglichen Beitragserhebung bestehe unabhängig von der Schuldfrage. Gründe, weshalb die Beitragsnachforderung gegen Treu und Glauben verstoßen könnte, seien nicht erkennbar. Bei der Beantragung des Beitragszuschusses sei der Kläger darüber informiert worden, dass ein Anspruch auf diesen nur bestehe, solange eine freiwillige Versicherung vorliege und eine Pflichtversicherung nicht eingetreten sei. Mit seiner Unterschrift habe sich der Kläger verpflichtet, das Ende der freiwilligen Versicherung und den Beginn der Versicherungspflicht unverzüglich anzuzeigen. Eine derartige Mitteilung sei nicht erfolgt. Auch bei Bewilligung des Beitragszuschusses sei der Kläger nochmals über die Anspruchsvoraussetzungen informiert und verpflichtet worden, das Ende der freiwilligen Versicherung mitzuteilen. Das Ende der freiwilligen Versicherung sei dem Kläger bekannt gewesen.

Hiergegen hat der Kläger am 21.09.2011 Klage zum Sozialgericht Stuttgart erhoben, soweit die Nachforderung bzw. Aufhebung für die Zeit vor dem 01.12.2010 erfolgte. Er hat zur Begründung vorgetragen, für die Aufhebung auf der Grundlage des § 48 SGB X fehle es an einem anknüpfungsfähigen subjektiven Sachverhalt. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 4 SGB X seien nicht einschlägig, da beide Tatbestandsalternativen eine mindestens grob fahrlässige Unkenntnis voraussetzten, die bei ihm nicht gegeben gewesen sei. Er habe auf die freiwillige gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung vertrauen dürfen. Im Übrigen würde der Verwirkungseinwand durchgreifen. Hier wäre nicht nur das Zeitmoment erfüllt, sondern auch das Umstandsmoment. Die Beklagte habe seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2000 über einen Zeitraum von zehn Jahren regelmäßig Rentenanpassungsbescheide erlassen, ohne den beim Kläger in Betracht kommenden Aspekt der Pflichtversicherung aufzugreifen. Er habe auf die Richtigkeit der jährlich ergangenen Änderungs- und Anpassungsbescheide vertrauen dürfen.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 27.09.2012 abgewiesen. Die auf § 255 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) gestützte Geltendmachung von Beiträgen für die Vergangenheit sei nicht zu beanstanden. Der Kläger sei seit dem 01.04.2002 als Bezieher einer Regelaltersrente in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung versicherungs- und beitragspflichtig gewesen. Er habe auch seiner Beitragspflicht im streitigen Zeitraum nicht genügt, womit die Voraussetzungen des § 255 Abs. 2 SGB V vorliegen würden. Auf ein Verschulden komme es nicht an. Die Grenzen der Verjährung habe die Beklagte beachtet. Eine Verwirkung liege nicht vor. Die Beklagte habe auch zutreffend die Bewilligung des Zuschusses für die Krankenversicherung und Pflegeversicherung ab 01.04.2002 aufgehoben und die zu Unrecht geleisteten Beitragszuschüsse erstattet verlangt. Dabei habe die Beklagte die Aufhebung auf die Regelung in § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X stützen können, welche bei Fallgestaltungen der vorliegenden Art, in denen ein Beitragszuschuss gewährt worden ist, obwohl der zu bezuschussende Beitrag entfallen war, analog Anwendung finde.

Gegen das ihm am 09.10.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 06.11.2012 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung hat der Kläger vorgetragen, er habe als versicherter Rentner über die gesamte Dauer seines Rentnerdaseins Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge auf Grundlage der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze geleistet; insbesondere gelte dies für den hier streitgegenständlichen Zeitraum. Der Kläger hat hierzu eine Aufstellung der Firma A. über die aus den Versorgungsbezügen an die TK ab 01.01.2003 abgeführten Beiträge vorgelegt (Bl. 51 ff. LSG-Akte); weiterhin eine Stellungnahme der TK vom 12.09.2013 über die aus den Versorgungsbezügen einbehaltenen Beiträge unter Berücksichtigung des so genannten VBMAX-Werts (Bl. 55 ff. LSG-Akte). Es bestehe daher kein weitergehender Beitragsanspruch des Krankenversicherers, weshalb sich jegliche Beitragsforderung für diesen Zeitraum dem Kläger gegenüber als rechtsmissbräuchlich erweise. Der Kläger habe von einer Änderung seines krankenversicherungsrechtlichen Status keine Kenntnis erlangt. Er habe davon ausgehen dürfen, dass er während des gesamten streitgegenständlichen Zeitraums weiter freiwillig kranken- und pflegeversichert gewesen und die Abwicklung des Beitragsverfahrens korrekt erfolgt sei. Im Hinblick auf die Aufhebung der Zuschüsse fehle es bereits an dem erforderlichen, besonders schweren Sorgfaltsverstoß. Die Anwendung des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X in Fällen der vorliegenden Art erscheine abwegig. Weiterhin liege ein atypischer Sonderfall vor. Die Beklagter hätte hier bei der Frage der vollständigen Beitragserstattung das berechtigte Vertrauen des Klägers mit einbeziehen müssen, weshalb auch ein Ermessensfehler vorliege.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27.09.2012 aufzuheben und die Bescheide der Beklagten vom 06.10.2010 und vom 02.12.2010, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.08.2011 aufzuheben, soweit darin Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung für die Zeit vom 01.01.2006 bis zum 30.11.2010 i.H.v. 11.120,32 EUR nacherhoben werden und soweit darin der Bescheid vom 21.01.1998 für die Zeit vom 01.04.2002 bis 30.11.2010 hinsichtlich der Bewilligung eines Zuschusses zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung und Pflegeversicherung aufgehoben und Erstattung von 14.324,11 EUR geltend gemacht wird.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich zur Begründung auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung, auf den Akteninhalt und ihr bisheriges Vorbringen.

Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 22.05.2014 nach Stellung der Anträge folgendes Teilanerkenntnis abgegeben:

"Der Bescheid vom 02.12.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.08.2011 (Aufhebung und Rückforderung) wird für die Zeit bis zum 30.04.2003 aufgehoben."

Der Kläger hat dieses Teilanerkenntnis angenommen und im Übrigen den Rechtsstreit fortgeführt.

Der Senat hat bei der TK schriftliche Stellungnahmen vom 14.02.2013 (Bl. 40 LSG-Akte) sowie vom 11.03.2014 eingeholt (Bl. 109 LSG-Akte). Danach wurden die Beiträge aus den Versorgungsbezügen der Firma A. bis 31.12.2002 direkt vom Konto des Klägers einbehalten; ab 01.01.2003 wurden die Beiträge danach im Rahmen des Zahlstellenverfahrens von der Firma A. an die TK abgeführt. Bis 31.03.2002 habe der Kläger den gesetzlichen Höchstbeitrag geleistet. Die Mitgliedschaft in der KVdR habe man erst am 20.03.2003 in den Datenbestand der TK eingepflegt; das Beitragsschreiben vom Dezember 2002 zeige daher noch die Beiträge für freiwillig versicherte Mitglieder in der höchsten Beitragsklasse an. Beiträge aus der Altersrente seien erstmalig ab 01.12.2010 einbehalten worden. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die LSG-Akte verwiesen. In einer weiteren Stellungnahme vom 21.02.2014 hat die Firma ADP, im Auftrag und in Vollmacht der Firma A. handelnd, mitgeteilt, dass der Kläger bis 31.12.2002 als freiwillig versicherter Versorgungsempfänger geführt worden sei und in dieser Zeit keine Beiträge an die TK abgeführt worden seien (Bl. 95 ff. LSG-Akte). Ab 01.01.2003 seien Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträge für die Pflichtversicherung entsprechend beigefügter Aufstellung einbehalten und an die TK abgeführt worden. Der Kläger hat im Vorfeld der mündlichen Verhandlung Verdienstabrechnungen über die Betriebsrente der Firma A. für Januar bis Juli 2003, eine Mitteilung der TK vom 20.03.2003 über die künftig aus den Versorgungsbezügen zu entrichtenden Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge sowie eine für die Einkommensteuererklärung 2003 erstellte Anlage mit einer Auflistung der für das Kalenderjahr 2003 gezahlten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge vorgelegt (vgl. Bl. 151 ff LSG-Akte).

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, hinsichtlich der dem Kläger seitens der Beklagten gewährten Rente und der Zuschüsse auf die Übersicht Bl. 63 ff. LSG-Akte.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 153 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers ist zulässig; sie ist jedoch nach dem teilweisen Anerkenntnis der Beklagten unbegründet.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist die Rechtmäßigkeit der Nacherhebung von Pflichtbeiträgen für die Zeit vom 01.01.2006 bis 30.11.2010 i. H. v. 11.120,32 EUR (I.) sowie (II.) - nach dem vom Kläger angenommenen und den Rechtsstreit und damit auch den zuvor gestellten Antrag insoweit erledigenden (vgl. § 101 Abs. 2 SGG) Teilanerkenntnis der Beklagten - die Aufhebung und Erstattung der Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 01.05.2003 bis 30.11.2010 (Pflegeversicherung nur bis zum 31.03.2004).

I. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist insoweit der Bescheid vom 06.10.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.08.2011, soweit darin für die Zeit vom 01.01.2006 bis 30.11.2010 Pflichtbeiträge erhoben werden. Nicht Inhalt dieses Bescheides ist dagegen die Rente selbst. Auch wenn die Beklagte - seit vielen Jahren - in Verkennung der sprachlichen Bedeutung der im Verfügungssatz verwandten Worte davon spricht, dass "die Rente neu berechnet werde" handelt es sich nicht um eine solche Neuberechnung, sondern um die Erhebung von Beiträgen (BSG, Urteil vom 23.05.1989, 12 RK 66/87 in SozR 2200 § 393 Nr. 3). Ebenfalls nicht Gegenstand der Prüfung ist die Frage, ob und inwieweit die streitigen Beiträge einzuziehen sind. Eine diesbezügliche Regelung ist nämlich durch die Beklagte noch nicht ergangen. Vielmehr hat die Beklagte im angefochtenen Bescheid lediglich den Gesamtbetrag der rückständigen Beiträge festgestellt und den Kläger zu einem beabsichtigten Einbehalt der rückständigen Beiträge aus den künftigen Rentenzahlungen angehört, insoweit also noch keine Entscheidung getroffen (so schon der Senat im Urteil vom 07.01.2008, L 10 R 435/06).

Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Voraussetzungen für die Nacherhebung von Beiträgen zur Krankenversicherung der Rentner sowie zur Pflegeversicherung für die Zeit bis 31.03.2004 dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Nacherhebung der Beiträge für den streitgegenständlichen Zeitraum und in der streitgegenständlichen Höhe vorlagen. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass das Gesetz ausdrücklich nicht darauf abstellt, wen ein Verschulden an der unterbliebenen Abführung der Beiträge trifft. Ein etwaiges Verschulden des Krankenversicherungsträgers am unterbliebenen Einbehalt der Beiträge kann somit bei der Frage, ob die nicht abgeführten Beiträge nachträglich zu erheben sind, nicht berücksichtigt werden. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Rente in der Vergangenheit gutgläubig verbraucht wurde. Grenzen hat der Gesetzgeber allein über den Verweis in § 255 Abs. 2 Satz 1 SGB V auf § 51 Abs. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) und damit bei der Frage des tatsächlichen Einbehalts gezogen. Hierüber ist vorliegend aber nicht zu befinden, nach dem die Beklagte eine diesbezügliche Regelung, wie ausgeführt, noch gar nicht getroffen hat.

Zutreffend hat das Sozialgericht auch eine Verwirkung des Rechts auf Nacherhebung von Beiträgen verneint. Die Nacherhebung von Beiträgen zur Krankenversicherung der Rentner durch den Rentenversicherungsträger verstößt jedenfalls dann, wenn sie innerhalb der Grenzen der Verjährung erfolgt, nicht gegen Treu und Glauben (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 23.05.1989, 12 RK 66/87 in SozR 2200 § 393a Nr. 3 zu dem insoweit inhaltsgleichen früheren Recht des § 393a RVO).

Auch das weitere Berufungsvorbringen des Klägers, ein Anspruch auf Beiträge für den streitgegenständlichen Zeitraum (01.01.2006 bis 30.11.2010) bestünde schon deshalb nicht, da der Kläger stets Beiträge in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze erbracht habe, führt zu keiner abweichenden Beurteilung. Der Kläger zahlte, wie sich der schriftlichen Stellungnahme der TK vom 11.03.2014 gegenüber dem Senat entnehmen lässt, bis 31.03.2002 den gesetzlichen Höchstbeitrag; seine Einnahmen aus gesetzlicher Altersrente und Versorgungsbezüge seitens des Arbeitgebers überschritten die jährliche Beitragsbemessungsgrenze und mussten gemäß § 123 Abs. 3 Satz 2 SGB V im übersteigenden Umfang außer Ansatz bleiben. Bis Dezember 2002 führte der Kläger die Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträge aus seinen Versorgungsbezügen selbst ab (vgl. Schreiben der ADP vom 21.02.2014). Ab 01.01.2003 führte dann der frühere Arbeitgeber als gesetzlich verpflichtete Zahlstelle Beiträge auf der Grundlage des sogenannten VBMAX-Werts ab; dies ergibt sich aus der Stellungnahme der ADP vom 21.02.2014 sowie bereits aus der Stellungnahme der TK vom 12.09.2013 gegenüber dem Kläger. Danach beschränkte der frühere Arbeitgeber des Klägers die beitragspflichtige Höhe der Versorgungsbezüge auf die Differenz zwischen gesetzlicher Beitragsbemessungsgrenze und gesetzlicher Rente; damit wird sichergestellt, dass bei verschiedenen beitragspflichtigen Altersbezügen (hier gesetzlicher Rente und Versorgungsbezug) die gesetzliche Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt wird. Der VBMAX-Wert bedeutet also vereinfacht: Beitragsbemessungsgrenze abzüglich gesetzlicher Rente. Lediglich diesen Differenzbetrag legte der frühere Arbeitgeber der Beitragsberechnung zu Grunde. Somit wurden von den Versorgungsbezügen des Klägers Beiträge lediglich insoweit abgeführt, als die Versorgungsbezüge die Höhe der entsprechenden gesetzlichen Rentenzahlung übertrafen und die Beitragsbemessungsgrenze nicht überschritten. Aus der gesetzlichen Rente dagegen wurden für den Kläger im hier streitgegenständlichen Zeitraum keine Krankenversicherungs- bzw. Pflegeversicherungsbeiträge entrichtet. Dies ergibt sich aus den schriftlichen Stellungnahmen der TK gegenüber dem Senat vom 14.02.2013 bzw. 11.03.2014. Danach wurde die Umstellung von freiwilliger Krankenversicherung auf gesetzliche Pflichtversicherung in den Datenbestand der TK erst am 20.03.2003 eingepflegt. Aus dieser verzögerten Übernahme in den Datenbestand der TK erklärt sich, weshalb der Kläger mit Schreiben der TK vom Dezember 2002 noch über die neuen Beitragssätze im Rahmen der freiwilligen Krankenversicherung ab 01.01.2003 unterrichtet und zur monatlichen Zahlung von Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträgen in Höhe des Höchstbetrags aufgefordert wurde. Mit Einpflegung des Wechsels zur Pflichtversicherung am 20.03.2003 rückwirkend für die Zeit ab 01.04.2002 wurden keine freiwilligen Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträge vom Kläger mehr erhoben. Zugleich versäumte die TK aber die maschinelle Meldung über die Änderung des Versicherungsstatus an die Beklagte, weshalb im hier streitigen Zeitraum der Einbehalt der Versicherungsbeiträge durch die Beklagte und deren Abführung an die TK unterblieb. Damit steht fest, dass für den streitgegenständlichen Zeitraum Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträge lediglich aus den Versorgungsbezügen des Klägers abgeführt wurden und zwar lediglich in der Höhe, wie die Beitragsbemessungsgrenze durch die gesetzliche Altersrente nicht ausgeschöpft wurde. Aus der gesetzlichen Altersrente wurden im streitgegenständlichen Zeitraum keine Beiträge entrichtet. Nachdem Beiträge von vorherein nur auf Grundlage des VBMAX-Werts aus den Versorgungsbezügen entrichtet wurden, d. h. also aus der um die Höhe der gesetzlichen Altersrente verminderten Beitragsbemessungsgrenze, ist andererseits sichergestellt, dass durch die Nacherhebung von Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträgen aus der gesetzlichen Altersrente die Beitragsbemessungsgrenze im streitgegenständlichen Zeitraum nicht überschritten wird.

Bezüglich des im angefochtenen Bescheid vom 06.10.2010 festgestellten Gesamtbetrags der rückständigen Beiträge aus der Rente bestehen keine Bedenken. Weder hat der Kläger Einwände gegen die Berechnung dieser Beiträge aus der Rente als solcher (zur Frage der Einhaltung der Beitragsbemessungsgrenze s.o.) erhoben, noch liegen Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Berechnung vor.

II. Auch die Aufhebung der Bewilligung der Zuschüsse zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung und die diesbezügliche Erstattungsforderung sind jedenfalls nach dem Teilanerkenntnis der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 22.05.2014 und dessen Annahme durch den Kläger nicht zu beanstanden.

Streitgegenständlich ist der Bescheid vom 02.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.08.2011 noch - nach angenommenem Teilanerkenntnis (s.o.) - insoweit, als mit diesem die Bewilligung der Beitragszuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung vom 01.05.2003 bis einschließlich 30.11.2010 aufgehoben und Erstattung der in diesem Zeitraum geleisteten Beitragszuschüsse geltend gemacht wurde. Soweit im Bescheid vom 02.12.2010 auf Seite 1 die Aufhebung erst ab 01.01.2006 angegeben wurde, handelt es sich um eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne des § 38 SGB X. Solche offenbare Unrichtigkeiten können schon ihrem Wesen nach keine materiellrechtliche Fehlerhaftigkeit des Verwaltungsaktes bewirken; ein offenbar unrichtiger Verwaltungsakt ist insoweit nicht fehlerhaft (KassKomm-Steinwedel, Sozialversicherungsrecht, § 45 SGB X Rdnr. 10). Eine Unrichtigkeit in diesem Sinne ist dann offenbar, wenn sie zweifelsfrei unschwer zu erkennen ist, sie also ins Auge springt. Der Irrtum muss sich aus dem Zusammenhang des Verwaltungsaktes oder den Vorgängen bei seiner Bekanntgabe ergeben (KassKomm-Mutschler, a.a.O., § 38 SGB X Rdnr. 6). Nach diesen Maßstäben besteht vorliegend eine offenbare Unrichtigkeit: Bereits in der Zeile unter dem falschen Datum des Aufhebungsbeginns wird ausgeführt, "die für die Zeit vom 01.04.2002 bis 30.11.2010 bereits erbrachten Leistungen sind in Folge der Aufhebung des Bescheides" zu erstatten. Auf Seite 2 des Bescheides wird ausgeführt, die wesentliche Änderung sei am 01.04.2002 eingetreten. Anschließend findet sich eine Aufstellung zu viel gezahlter Zuschüsse in tabellarischer Form, die den Zeitraum vom 01.04.2002 bis 30.11.2010 monats- bzw. jahresweise gegliedert aufführt. Auf Seite 3 des Bescheides wird dann neuerlich ausgeführt "der auf Blatt 1 genannte Bescheid wird mit Wirkung für die Vergangenheit ab 01.04.2002 aufgehoben". In der Zusammenschau dieser Verfügungsätze und Begründungselemente ist offensichtlich, dass die Aufhebung der Beitragszuschüsse - deckungsgleich mit dem Zeitraum der Erstattungsforderung - bereits ab 01.04.2002 erfolgte.

Zutreffend hat die Beklagte als Rechtsgrundlage § 48 Abs. 1 SGB X herangezogen. Gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Nach Satz 2 soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit 1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, 2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, 3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder 4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.

Der grundsätzliche Anspruch auf einen Beitragszuschuss zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung wurde mit Bescheid vom 21.01.1998 festgestellt. Dieser Bescheid war zunächst auch rechtmäßig. Erst mit dem Wechsel des Klägers in die Krankenversicherung der Rentner ab 01.04.2002 trat eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 SGB X ein. Dem gegenüber wurde mit Bescheid vom 08.03.2004 keine Neufeststellung der Beitragszuschüsse getroffen, sondern, wie sich aus der Tenorierung im genannten Bescheid ergibt, die ursprüngliche Bewilligung über die Höhe des Zuschusses ab 01.04.2004 aufgehoben, soweit darin auch ein Zuschuss zur Pflegeversicherung festgestellt worden war. Auch mit Bescheid vom 08.03.2004 wurde nicht erneut über die Bewilligung entschieden, sondern lediglich der Zuschuss zur Krankenversicherung in Folge der geänderten Beitragshöhe für die Zeit ab 01.04.2004 der Höhe nach neu berechnet. Gleiches gilt für die Bescheide vom 16.08.2006 und 05.02.2007 (so auch LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 12.09.2013, L 1 R 337/11, veröffentlicht in juris).

In Betracht kommt hier nur die Nr. 2 der Vorschrift (vorsätzliche oder grobfahrlässige Verletzung einer Mitteilungspflicht) und die Nr. 4 (Kenntnis bzw. grobfahrlässige Unkenntnis, dass ein Anspruch nicht besteht). Die vom Sozialgericht in seiner Entscheidung herangezogene Nr. 3 (Einkommen oder Vermögen, welches zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt hat) ist vorliegend dagegen nicht einschlägig. Zwar führten die Beendigung der freiwilligen Krankenversicherung und die Erstattung der zu Unrecht gezahlten Beiträge dazu, dass nachträglich zuschussfähige Aufwendungen des Klägers zu seiner Kranken- und Pflegeversicherung entfielen. Dieses nachträgliche Entfallen einer Verbindlichkeit (ggf. verbunden mit der Rückzahlung von aus eigenen Mitteln getätigten Aufwendungen) stellt jedoch keine "Erzielung von Einkommen oder Vermögen" im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X dar (BSG, Urteil vom 27.06.2012, B 12 R 6/10 R, SozR 4 - 1300 § 48 Nr. 24).

Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X liegen jedenfalls für eine Aufhebung ab 01.05.2003 vor. Der Rentenbescheid vom 21.01.1998 enthält insoweit eine rechtswidrig gewordene begünstigende Regelung, als er dem Kläger zusätzlich zu der sich aus den Berechnungsvorschriften des SGB VI ergebenden Rente Zuschüsse zur freiwilligen Krankenversicherung und zur Pflegeversicherung gewährte. Anspruch auf diese Leistungen hatte nach § 106 SGB VI in allen während des von der Rücknahme erfassten Zeitraums gültigen Fassungen und nach § 106a SGB VI in der bis zum 31.03.2004 gültigen Fassung aber nur, wer freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert war oder bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen gegen das Krankheitsrisiko versichert war. Der Kläger war aber gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V in der am 01.04.2002 geltenden Fassung i. V. m. der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15.03.2000 im Verfahren 1 BvL 16/96 u.a. ab dem 01.04.2002 in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert, mit der Folge, dass seine freiwillige Mitgliedschaft von Gesetzes wegen endete (§ 191 Nr. 2 SGB V). Er hatte somit ab diesem Zeitpunkt (vgl. §§ 108, 100 Abs. 3 SGB VI) keinen Anspruch mehr auf die Gewährung von Zuschüssen für eine freiwillige Krankenversicherung oder die Pflegeversicherung bei freiwilliger Krankenversicherung gemäß §§ 106, 106a SGB VI.

Der Kläger kam einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse wenigstens grob fahrlässig nicht nach (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X). Gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I hat derjenige, der Sozialleistungen erhält, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind unverzüglich mitzuteilen. Kenntnis von solchen leistungserheblichen Änderungen erlangte der Kläger spätestens mit Zugang der Verdienstabrechnung der Firma A. mit Datum vom 15.04.2003 (Bl. 155 LSG-Akte) im Laufe des Monats April 2003. Daraus war für den Kläger ersichtlich, dass künftig monatlich 130,81 EUR an Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträgen einbehalten und an die TK abgeführt werden. Spätestens ab diesem Zeitpunkt war dem Kläger bewusst, dass sich der von ihm zu tragende Beitrag für die Kranken- und Pflegeversicherung in ganz erheblichem Maße reduziert hatte. Denn diese deutlich niedrigeren Beiträge zur (gesetzlichen) Kranken- und Pflegeversicherung traten anstelle der vom Kläger zuletzt zu entrichtenden monatlichen Beiträge für die freiwillige Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge i. H. v. 496,82 EUR (vgl. Beitragsbescheid vom Dezember 2002). Der Kläger selbst hat in der mündlichen Verhandlung am 22.05.2014 mitgeteilt, die TK habe ihn im Zusammenhang mit der Umstellung der Beitragsentrichtung im Frühjahr 2003 darüber unterrichte (siehe auch das von Kläger vorgelegte Schreiben der TK Bl. 164 LSG-Akte), er habe in der Vergangenheit zu hohe Beiträge entrichtet, weshalb er die ganz erhebliche Reduzierung seiner Beitragsschuld als Korrektur angesehen habe. Die erhebliche Reduzierung seiner Beitragslast war ihm also bekannt. Ebenso belegt die vom Kläger erstellte Anlage für die Einkommensteuererklärung 2003 (Blatt 166 LSG-Akte), in welcher lediglich die von der Zahlstelle aus den Versorgungsbezügen an die TK abgeführten Beiträge als Zahlungen an die TK aufgeführt sind (neben Zahlungen für die Zusatzkrankenversicherung bei der Signal Iduna), dass der Kläger über die ganz erheblich reduzierte Beitragslast ab 2003 im Bilde war. Die Änderung der Höhe der tatsächlichen Aufwendungen für die Krankenversicherung war auch im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I erheblich; denn gemäß § 106 Abs. 3 Satz 2 SGB VI wird der monatliche Zuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung auf die Hälfte der tatsächlichen Aufwendungen für die Krankenversicherung begrenzt. Ungeachtet dessen hat der Kläger die danach gebotene Mitteilung an die Beklagte unterlassen.

Der Kläger hat dabei wenigstens grob fahrlässig gehandelt. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die gebotene Sorgfalt, die erwartet werden konnte und musste, in besonders schweren Maße verletzt wird, weil einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und daher nicht beachtet wird, was unter Berücksichtigung der individuellen Einsíchts- und Urteilsfähigkeit hätte erkannt werden können und müssen (so zuletzt BSG, Urteil vom 30.10.2013, B 12 R 14/11 R, veröffentlicht in juris). Der Kläger ist im Bescheid vom 21.01.1998 darauf hingewiesen worden, dass unter anderem jede Änderung der Beitragshöhe unverzüglich mitzuteilen sei. Die Nichtbeachtung dieses ohne weiteres inhaltlich nachvollziehbaren Hinweises, dessen Aushändigung noch nicht zu lange zurück lag, begründet grobe Fahrlässigkeit. Darüber hinaus musste sich dem Kläger eine Mitteilung an die Beklagte bereits deshalb aufdrängen, weil der ihm im Zeitraum vom 01.01.2003 bis 31.12.2003 gewährte Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung mit 150,73 EUR bzw. ab 01.07.2003 mit 155,22 EUR die bereits genannten monatlichen Aufwendungen des Klägers i.H.v. monatlich 130,81 EUR deutlich überstieg. Bei fristgerechter Mitteilung des geänderten Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrags durch den Kläger hätte die Beklagte den Wegfall der Voraussetzungen für den Zuschuss erkannt. Die unterbliebene Mitteilung war daher auch kausal für die rechtswidrige weitere Leistungserbringung.

Der Senat folgt dem Sozialgericht auch insoweit, als dieses von einer gebundenen Entscheidung ausgegangen ist und eine Atypik verneint hat. Nach der Rechtsprechung des BSG bedeutet das Wort "soll" in Abs. 1 Satz 2 des § 48 SGB X, dass der Verwaltungsakt in der Regel rückwirkend aufzuheben ist und der Versicherungsträger nur in atypischen Fällen nach seinem Ermessen hiervon abweichen kann (vgl. KassKomm-Steinwedel, a.a.O., § 48 SGB X Rdnr. 36 f. mit zahlreichen Hinweisen auf die Rspr. des BSG). Ein atypischer Fall in diesem Sinne liegt im Falle des Klägers nicht vor (hierzu sogleich). Der Beklagten stand demnach - entgegen ihrer Einschätzung - kein Ermessen zu; vielmehr war die Zuschussbewilligung - ohne eine Ermessensentscheidung zu treffen - mit Wirkung ab dem Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse, also mit Wirkung für die Vergangenheit, aufzuheben. Ein Ermessensfehler der Beklagten scheidet damit von vornherein aus.

Ebenso wie das Sozialgericht sieht auch der Senat keine Gesichtspunkte, die die Annahme rechtfertigen würden, dass der vorliegende Einzelfall auf Grund seiner besonderen Umstände von dem Regelfall der Tatbestände des Abs. 1 Satz 2, die die Aufhebung für die Vergangenheit gerade rechtfertigen, signifikant abweicht. Der Senat vermag insbesondere auch kein Fehlverhalten der Beklagten zu erkennen. Diese war vor dem Hintergrund der erwähnten Entscheidung des BVerfG insbesondere nicht verpflichtet, generell bei sämtlichen Zuschussempfängern eine Überprüfung des Weiterbestehens des Anspruchs auf den Zuschuss über den 31.03.2002 hinaus durchzuführen. Vielmehr durfte sie davon ausgehen, dass die TK entsprechend ihrer Verpflichtung gemäß § 201 Abs. 5 Satz 1 SGB V handelt, wonach die Krankenkasse dem Rentenversicherungsträger unverzüglich zu melden hat, wenn der Bezieher einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig wird und die Aufnahme des Klägers in die KVdR zum 01.04.2002 im automatisierten Meldeverfahren meldet. Dass die TK ihrer diesbezüglichen Verpflichtung nicht nachkam, begründet kein Fehlverhalten der Beklagten. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte im konkreten Einzelfall des Klägers die Fehlerhaftigkeit der fortlaufenden Zuschusszahlung hätte erkennen können oder bei dieser zumindest Zweifel an der Richtigkeit hätten aufkommen müssen, sind nicht ersichtlich. Entsprechende Gesichtspunkte, wie bspw. eine persönliche Vorsprache zur Klärung des Krankenversicherungsverhältnisses, hat der Kläger auch nicht aufgezeigt. Damit lässt sich auch aus dem Umstand, dass die unterbliebene Meldung der TK über den Eintritt von Versicherungspflicht beim Kläger erst nach acht Jahren bemerkt wurde, kein Verschulden der Beklagten ableiten.

Die unterbliebene Meldung durch die TK führt ebenfalls nicht zur Annahme eines atypischen Falles. Insbesondere muss sich die Beklagte das Fehlverhalten der TK nicht zurechnen lassen. Die Zurechnung der Pflichtverletzung eines anderen Leistungsträgers wird bejaht, wenn zwischen zwei Leistungsträgern eine sog. "Funktionseinheit" in der Weise besteht, dass der andere Leistungsträger in den Verwaltungsablauf desjenigen Leistungsträgers arbeitsteilig eingeschaltet ist, dem eine Pflichtverletzung vorgeworfen wird, dieser sich also für die Erfüllung der ihm obliegenden sozialrechtlichen Aufgabe kraft Gesetzes oder Vertrages des anderen Leistungsträgers bedient (so zum Herstellungsanspruch u.a. BSG, Urteil vom 06.05.2010, B 13 R 44/09 R in SozR 4-1200 § 14 Nr. 13). Eine solche "Funktionseinheit" bestand im vorliegenden Fall zwischen der Beklagten und der TK nicht. Vielmehr handelt es sich bei der erwähnten Meldepflicht nach § 201 Abs. 5 Satz 1 SGB V um eine alleinige Pflicht der TK, nicht um eine Verpflichtung der Beklagten.

Ein atypischer Fall ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt zu bejahen, dass die TK als staatliche Stelle - objektiv - ihre Meldepflicht nach § 201 Abs. 5 Satz 1 SGB V verletzte. Denn diese Meldepflicht betrifft allein den Eintritt von Versicherungspflicht und dient dazu, dem Rentenversicherungsträger die Abführung der Beiträge (s. u.a. § 255 SGB V) zu ermöglichen (KassKomm-Peters, a.a.O., § 201 SGB V Rdnr. 8). Hier sind aber nicht Pflichtbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung Gegenstand des Rechtsstreits, sondern gewährte Beitragszuschüsse. Hierauf, auf Beitragszuschüsse, bezieht sich die o.g. Meldepflicht indessen nicht.

Das Sozialgericht hat in seiner Entscheidung die maßgeblichen Fristen, welche die Beklagte bei ihrer Entscheidung über die Aufhebung zu beachten hat, im Einzelnen dargelegt und mit zutreffender Begründung ausgeführt, dass diese durch die Beklagte gewahrt wurden. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf die entsprechenden Ausführungen des Sozialgerichts in der angefochtenen Entscheidung. Die Beklagte wahrte darüber hinaus auch die zehnjährige Frist des § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X, § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X.

Die rechtmäßige Aufhebung hat zur Folge, dass die zu Unrecht geleisteten Beitragszuschüsse ab Mai 2003 gemäß § 50 SGB X zu erstatten sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Angesichts des nur geringen Obsiegens des Klägers hat der Senat von einer Quotelung abgesehen.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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