L 11 R 5234/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KR 1141/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 5234/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12.09.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1955 geborene Klägerin erlernte den Beruf der Krankenpflegehelferin. Sie war als Kabelbinderin, Krankenpflegehelferin, Verkäuferin und zuletzt als Telefonistin versicherungspflichtig beschäftigt. Seit Juli 2007 ist sie arbeitslos. Im Zeitraum von Oktober 2008 bis Oktober 2010 pflegte sie ihre Mutter.

Am 01.06.2010 stellte die Klägerin einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit/Erwerbsunfähigkeit. Zur Begründung gab sie an, sich wegen seelischer Beschwerden und funktioneller Organbeschwerden sowie einem Tinnitusleiden für erwerbsgemindert zu halten. Die Beklagte zog daraufhin verschiedene medizinische Unterlagen der Klägerin bei und veranlasste eine sozialmedizinische Begutachtung durch die Fachärztin für Arbeitsmedizin, Dr. R. Diese diagnostizierte eine Anpassungsstörung mit Somatisierungsneigung (chronischer Unterleibsschmerz), eine Angsterkrankung mit deutlicher Besserungstendenz, eine chronische Obstipation bei Einnahme von Opiaten, einen langjährigen Tinnitus rechts (subjektiv nicht beeinträchtigt), eine Belastungsinkontinenz und einen Zustand nach vaginaler Hysterektomie und Adnektomie. Unter Beachtung qualitativer Einschränkungen könne die Klägerin noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein.

Mit Bescheid vom 21.07.2010 lehnte die Beklagte die Rentengewährung ab. Auf den am 17.08.2010 erhobenen Widerspruch holte die Beklagte ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten bei Dr. B. ein. Dieser diagnostizierte in seinem Gutachten vom 04.01.2011 Unterleibsbeschwerden/Obstipationsbeschwerden seit gynäkologischem Eingriff im Jahr 2006, funktionelle Überlagerung der somatischen Beschwerden im Sinne einer somatoformen Schmerzstörung, anklingende phobische Entwicklung ohne weiterreichendes aktives Vermeidungsverhalten und histrionische Persönlichkeitsakzentuierung. Aus seine Sicht könne die Klägerin noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein. Mit Widerspruchsbescheid vom 25.02.2011 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch zurück.

Die Klägerin hat hiergegen am 14.03.2011 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Das Gericht hat die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Prof. Dr. U. hat bei der Klägerin bestehende Schmerzen bei Defäkation beschrieben. Eine quantitative Leistungseinschränkung bestehe nicht. Der Internist Dr. K. hat eine erhebliche Beschwerdesymptomatik durch Verwachsung und vaginale Enge nach Harnblasenplastik und Hysterektomie, vor allem bei der Stuhlentleerung beschrieben. Eine Leistungsbeurteilung hat er nicht abgegeben. Dr. E., als behandelnder HNO-Arzt, sah eine quantitative Leistungsminderung ebenfalls nicht. Der Gynäkologe Dr. G. hat demgegenüber eine mindestens sechsstündige Erwerbstätigkeit aufgrund des therapieresistenten Schmerzsyndroms für nicht mehr möglich gehalten. Auch die Nervenärztin Dr. Sch. hat das Leistungsvermögen auf unter sechs Stunden täglich eingeschätzt, da die Klägerin mit den Schmerzattacken im Unterbauch und der Behinderung bei der Stuhlentleerung nicht adäquat umzugehen gelernt habe und noch keine befriedigende proktologische bzw gynäkologische Abhilfestrategie gefunden sei. Der Internist und Psychiater Dr. H. teilte mit, dass die glaubhaft geschilderten Beschwerden trotz aller Untersuchungen keine somatische Ursache ergeben hätten, weshalb die wesentliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit im psychosomatischen Bereich liege. Eine quantitative Leistungsminderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe nicht. Auch Dr. He., als behandelnder Orthopäde, hat bei der Klägerin ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen für eine Erwerbstätigkeit für möglich gehalten. Er hat darauf hingewiesen, dass er die Klägerin zuletzt im Januar 2009 behandelt hat.

Das Gericht hat daraufhin von Amts wegen ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten bei Dr. El. eingeholt. Diese hat in ihrem Gutachten vom 21.09.2012 eine Somatisierungsstörung, eine aktuell leicht depressive Episode, eine Agoraphobie mit Panikstörung, einen Tinnitus rechts, ein Halswirbelsäulen- und Lendenwirbelsäulensyndrom mit Lumboischialgie rechts sowie chronische Schmerzen mit somatischen und psychischen Faktoren diagnostiziert. Unter Beachtung qualitativer Einschränkungen könne die Klägerin noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein. Das Gericht hat darüber hinaus eine Begutachtung beim Chefarzt der Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe der Klinik Schwetzingen, Dr. G., eingeholt. Dieser hat Vernarbungen hinter dem Scheideneingang und im Bereich der Vorderwand der Scheide festgestellt. Die geklagten Beschwerden bei der Stuhlentleerung seien glaubwürdig. Aus gynäkologischer Sicht sei eine Arbeitszeit von täglich sechs bis acht Stunden jedoch zumutbar.

Auf Antrag und Kostenrisiko der Klägerin hat das SG darüber hinaus gemäß § 109 SGG ein weiteres neurologisch-psychiatrisches Gutachten bei Dr. ScH.t eingeholt. Dieser hat eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit psychischen und körperlichen Faktoren, eine depressive Entwicklung als Ausdruck einer Verbitterungsstörung mit Agoraphobie und Panik diagnostiziert. Eine rentenrelevante quantitative Leistungsminderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe jedoch nicht.

Mit Urteil vom 12.09.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin erfülle die Voraussetzungen einer Erwerbsminderungsrente nicht. Unter Berücksichtigung ihrer zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Telefonistin sei sie nach dem Mehrstufenschema des Bundessozialgerichts allenfalls als Angelernte im unteren Bereich einzustufen. Sie könne damit sozial zumutbar auf sämtliche ungelernte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden. Dort könne sie zur Überzeugung der Kammer noch in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein. Das SG stützte sich insoweit auf die Gutachten von Dr. G., Dr. El. und Dr. ScH.t.

Gegen das dem Bevollmächtigten der Klägerin am 28.11.2013 mittels Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil hat die Klägerin am 04.12.2013 Klage zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, dass das Ergebnis der Begutachtung nicht nachvollziehbar sei. Sie sei aufgrund ihrer vielseitigen Beschwerden nicht mehr in der Lage, die geforderten leichten Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in einem zeitlichen Umfang von sechs Stunden und mehr arbeitstäglich auszuüben. Das Hauptproblem seien die Unterleibsbeschwerden, die auch zu psychischen Beschwerden geführt hätten. Hinzu komme noch ein chronischer Tinnitus. Aufgrund der Depression sei sie nicht mehr sie selbst und habe ihren Freundeskreis verloren. Der Haushalt falle ihr täglich schwerer. Selbst bei leichtesten Haushaltstätigkeiten müsse sie ständig pausieren und sich hinlegen. Sie benötige aufgrund der bereits aktenkundigen Probleme beim Wasserlassen und der Stuhlentleerung lange Toilettenzeiten.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12.09.2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.02.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ab 01.06.2010 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Mit Schreiben vom 23.04.2014 wurde darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, das Verfahren durch Beschluss gemäß § 153 Abs 4 SGG zu entscheiden. Die Beteiligten erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf die Gerichtsakte erster und zweiter Instanz sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Der Senat entscheidet über die Berufung gemäß § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu der beabsichtigten Verfahrensweise mit Schreiben vom 23.04.2014 angehört worden.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 21.07.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.02.2011 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das angefochtene Urteil des SG ist daher nicht zu beanstanden.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl. I, 554). Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser, als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich, bezogen auf eine Fünftagewoche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).

Nach dem Ergebnis der vom SG durchgeführten Ermittlungen steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin mehr als sechs Stunden an fünf Tagen in der Woche einer leichten körperlichen Arbeit nachgehen kann. Die Klägerin ist damit nicht erwerbsgemindert (§ 43 Abs 3 SGB VI). Der Senat schöpft seine Überzeugung aus den nachvollziehbaren und plausiblen Gutachten des Dr. G., der Dr. El. und des Dr. Schu.

Der von Dr. G. erhobene gynäkologische Untersuchungsbefund ergab keine gravierenden Auffälligkeiten. Es fand sich bei Zustand nach mehreren Operationen im Genitalbereich eine ausgeprägte Vernarbung. Im Bereich der Vorderwand der Scheide ließen sich kleine Fäden eines seinerzeit gelegten Netzes finden, die die Scheidenhaut durchstoßen haben. Die Vorderwand der Scheide, direkt der Harnblase anliegend, ist durch die Voroperationen extrem dünn. Die geklagten Beschwerden bei der Stuhlentleerung lassen sich hierdurch erklären. Echte somatische Ursachen für das Ausmaß der von der Klägerin beschriebenen Schmerzattacken sind nach Einschätzung von Dr. G. von gynäkologischer Seite freilich nicht zu finden. Nachvollziehbar und schlüssig leitet der Gutachter aus den erhobenen Befunden ab, dass schwere und mittelbare Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 10 kg der Klägerin nicht mehr zumutbar sind, da bereits jetzt eine Senkung der Harnblase und Scheidenwand besteht. Möglich sind jedoch weiterhin leichte körperliche Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis zu 10 kg sowie Tätigkeiten, die einen Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen erlauben. Treppensteigen und häufiges Bücken seien unproblematisch möglich. Nachvollziehbar lässt sich daher aus gynäkologischer Sicht nur eine qualitative Leistungsminderung der Klägerin begründen. Dies steht im Übrigen im Einklang mit der Einschätzung des behandelnden Arztes Prof. Dr. U ...

Darüber hinaus ergibt sich eine quantitative Leistungsminderung jedoch auch nicht auf nervenärztlichem Fachgebiet. Der Senat folgt insoweit dem Gutachten von Dr. El. sowie Dr. Schu. Nach dem Gutachten von Dr. El. leidet die Klägerin unter einer Somatisierungsstörung, einer leichten depressiven Episode und einer Agoraphobie mit Panikstörung. Unter Berücksichtigung der von Dr. El. und auch Dr. Schu. erhobenen Befunde lässt sich hieraus jedoch keine quantitative Leistungsminderung herleiten. So war die Klägerin zwar affektiv instabil, wirkte angespannt und gereizt, war antriebsgesteigert und gleichzeitig unruhig. Die depressive Verstimmung stellt sich jedoch allenfalls als leichtgradig dar. So war die Klägerin durchaus auflockerbar. Auch bestand keine Beeinträchtigungen des Konzentrationsvermögens, der Aufmerksamkeit und der mnestischen Funktion. Auch die Symptomatik hinsichtlich der angeführten Agoraphobie und Panikattacken war nicht dermaßen ausgeprägt, dass hieraus relevante Einschränkungen resultieren. Der von den Gutachtern erfragte Tagesablauf ist strukturiert und lässt mit Ausnahme eines beschriebenen sozialen Rückzugs keine wesentlichen Einschränkungen erkennen. Für den Senat nachvollziehbar sehen beide Gutachter auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet bei unauffälliger, adäquater Stimmungslage, guter Schwingungsfähigkeit und Resonanzfähigkeit keine quantitative Leistungsminderung. Angesichts der im Ergebnis übereinstimmenden und schlüssigen Feststellungen beider Gutachter kann sich der Senat der abweichenden Leistungsbeurteilung von Dr. G. und Dr. Sch. nicht anschließen.

Im Gegensatz zu den vorliegenden Gutachten lassen die genannten ärztlichen Stellungnahmen keine Befunde und Diagnosen erkennen, die über qualitative Leistungseinschränkungen hinaus auch quantitative Leistungseinschränkungen begründen könnten. Auch finden sich in den Stellungnahmen keine ausreichenden Differenzierung zwischen quantitativen und qualitativen Leistungseinschränkungen. Der Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit eines Versicherten durch den gerichtlichen Sachverständigen kommt im Übrigen nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl Urteil vom 17,01.2012, L 11 R 4953/10) grundsätzlich ein höherer Beweiswert zu als der Einschätzung der behandelnden Ärzte. Bei der Untersuchung von Patienten unter therapeutischen Gesichtspunkten spielt die Frage nach der Einschätzung des beruflichen Leistungsvermögens in der Regel keine Rolle. Dagegen ist die Aufgabe des gerichtlichen Sachverständigen, die Untersuchung gerade im Hinblick darauf vorzunehmen, ob und in welchem Ausmaß gesundheitliche Beschwerden zu einer Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens führen. In diesem Zusammenhang muss der Sachverständige die Beschwerdeangaben eines Versicherten danach prüfen, ob und inwieweit sie sich mit dem klinischen Befund erklären lassen.

Schließlich bedingen die Leiden der Klägerin auf orthopädischem und HNO-ärztlichen Fachgebiet ebenfalls keine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens. Die beklagten Halswirbelsäulen- und Lendenwirbelsäulenbeschwerden haben nach den Feststellungen der Gutachterin Dr. El. zu keiner radikulären Schädigung geführt und sind als behandlungsbedürftige Lumboischialgie zu werten. Bei konsequenter Therapie sei mit vollständiger Rückläufigkeit der Beschwerden zu rechnen. Dieser Einschätzung zum Leistungsvermögen stimmt im Übrigen der behandelnde Orthopäde der Klägerin Dr. He. zu. Das Tinnitusleiden bedingt nach übereinstimmender Wertung durch den behandelnden HNO-Arzt Dr. E. und der Gutachterin Dr. El. ebenfalls keine quantitative Leistungsminderung.

Schließlich fehlen auch Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend in der Person der Klägerin eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen oder eine spezifische Leistungsbeeinträchtigung gegeben wäre. Den Einschränkungen wird größtenteils bereits durch den Umstand Rechnung getragen, dass nur leichte Arbeiten zumutbar sind. Schließlich ist hier auch nicht von einem verschlossenen Arbeitsmarkt im Sinne der Rechtsprechung des BSG und der dort aufgestellten Kriterien auszugehen (siehe BSG 30.11.1983, 5 ARKN 28/82, BSGE 56, 64, SozR 2200 § 1246 Nr 110; siehe insbesondere auch hierzu den bestätigenden Beschluss des Großen Senats vom 19.12.1996 in BSGE 80, 2, SozR 3-2600 § 44 Nr 8; siehe auch BSG 05.10.2005, B 5 RJ 6/05 R, SozR 4-2600 § 43 Nr 5). Insbesondere ergibt sich aus den vorliegenden Gutachten auch nachvollziehbar und schlüssig, dass die Klägerin keine betriebsunüblichen Pausen benötigt. So liegen weder auf nervenärztlichem noch auf gynäkologischem Gebiet entsprechende Befunde vor, die solche Pausen rechtfertigen. Dabei wird nicht verkannt, dass Dr. G. die Schmerzen bei der Stuhlentleerung als glaubwürdig einschätzt. Allein hieraus kann - in Übereinstimmung mit dem Gutachter - keine Notwendigkeit betriebsunüblicher Pausen abgeleitet werden. Es war im Übrigen im Hinblick auf das zur Überzeugung bestehende Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden pro Arbeitstag unter Berücksichtigung nicht arbeitsmarktunüblicher qualitativer Leistungseinschränkungen zu der Frage, inwieweit welche konkrete Tätigkeit der Kläger noch leidensgerecht und zumutbar ist, keine Prüfung durchzuführen, da die jeweilige Arbeitsmarktlage bei einer Leistungsfähigkeit von sechs Stunden täglich und mehr nicht zu berücksichtigen ist (§ 43 Abs 3 letzter Halbsatz SGB VI).

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI. Voraussetzung eines solchen Rentenanspruchs ist (vgl § 240 SGB VI), dass die Klägerin vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig ist. Die Klägerin ist 1955 und damit vor dem Stichtag geboren, sie ist jedoch nicht berufsunfähig. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs 2 Satz 1 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nachdem die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihn unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 240 Abs 2 Satz 2 SGB VI). Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind (§ 240 Abs 2 Satz 3 SGB VI). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs 3 Satz 4 SGB VI). Im Rahmen der Beurteilung, ob einem Versicherten eine Tätigkeit im Sinne des § 240 Abs 2 Sätze 2 bis 4 SGB VI sozial zumutbar sind, kann ein Versicherter auf eine Tätigkeit derselben Stufe bzw auf Tätigkeiten der jeweils nächst niedrigeren Stufe verwiesen werden (zum Stufenschema des BSG vgl BSG 22.10.1996, 13 RJ 35/96, SozR 3-2200 § 1246 Nr 45; BSG 18.02.1998, B 5 RJ 34/97 R, SozR 3-2200 § 1246 Nr 61 jeweils mwN).

Unter Berücksichtigung ihrer zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Telefonistin ist die Klägerin nach dem beschriebenen Mehrstufenschema des Bundessozialgerichts allenfalls als Angelernte im unteren Bereich einzustufen. Sie kann damit sozial zumutbar auf sämtliche ungelernte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts verwiesen werden, wobei ein konkreter Verweisungsberuf wegen der Vielzahl der in Betracht kommenden Arbeitsmöglichkeiten grundsätzlich nicht genannt werden muss (vgl BSG 18.04.1978, 4 RJ 55/77, SozR 2200 § 1246 Nr 30; 28.08.1991, 13/05 RJ 47/90, SozR 3-2200 § 1247 Nr 8; 14.09.1995, 5 RJ 55/94, mdR 1996, 396f). Da die Klägerin somit zumutbar auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu verweisen ist und dort noch die vorstehend ausgeführten leichten Tätigkeiten ausführen und unter den genannten qualitativen Einschränkungen in einem zeitlichen Umfang von mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, ist sie nicht berufsunfähig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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