S 2 SO 251/12

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 2 SO 251/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 SO 221/14
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 67.467,15 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz ab dem 09.01.2012 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die grundsätzliche Rechtsfrage eines Rückerstattungsanspruchs von bereits an den Leistungserbringer erbrachten Zahlungen für gegenüber dem Hilfebedürftigen bewilligte, aber von der Beklagten nicht erbrachte Leistungen.

Der Kläger ist ein überörtlicher Träger der Sozialhilfe, der für die sozialhilferechtliche Leistung des ambulanten betreuten Wohnens erwachsener, behinderter Menschen mit dem Ziel des selbständigen Wohnens zuständig ist. Die Beklagte ist Trägerin einer Einrichtung des ambulanten betreuten Wohnens. Die konkrete Abwicklung der Leistungserbringung gestaltet sich dabei dergestalt, dass der Kläger den jeweiligen Hilfebedürftigen auf Grundlage der einschlägigen sozialhilferechtlichen Anspruchsnormen durch Bescheid eine Übernahme der Kosten für die ambulante Betreuung durch die Beklagte in einem bestimmten Umfang von wöchentlichen Fachleistungsstunden bewilligt.

Die Vergütung der von der Beklagten erbrachten ambulanten Betreuungsleistungen durch den Kläger erfolgt dann auf Grundlage von zwischen den Parteien abgeschlossenen Vergütungsvereinbarungen. Die Vergütungsvereinbarungen sehen dabei ihrem wesentlichen Regelungsgehalt nach vor, dass der Beklagten pro erbrachter Fachleistungsstunde ein bestimmter Stundensatz gezahlt wird. Da die von der Beklagten erbrachten abrechnungsfähigen Fachleistungsstunden aufgrund der Ausrichtung der Hilfeleistungen an dem individuell-konkreten Hilfebedarf nicht zwangsläufig den bewilligten Fachleistungen entsprechen, lassen sich die der Beklagten konkret zustehenden Vergütungsansprüche erst im Nachhinein exakt ermitteln. Der daraus resultierenden Problematik wird vertraglich dadurch Rechnung getragen, dass der Beklagten zunächst monatliche Abschlagszahlungen auf Basis der Anzahl der bewilligten Fachleistungsstunden erbracht werden. Nach Ablauf des in der Regel zwölfmonatigen Bewilligungszeitraums ist sodann auf der Grundlage der von der Beklagten zu erstellenden Abrechnungen eine sogenannte Spitzabrechnung vorzunehmen, bei der die erbrachten Abschlagszahlungen mit den Vergütungsansprüchen verrechnet werden, die sich zu Gunsten der Beklagten bei Berücksichtigung der quittierten Fachleistungsstunden ergeben. Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Vergütungsvereinbarungen zwischen dem Kläger und der Beklagten vom 28.02.2005 Bezug genommen. Differenzen, die sich im Rahmen der Spitzabrechnung ergeben, sind danach zu Gunsten der Partei, zu deren Lasten sich eine Differenz ergibt, auszugleichen. Entsprechende Vorgaben sind auch in den für die Vertragsbeziehungen zwischen den Parteien vom Kläger aufgestellten "Hinweisen zur Leistung, Vergütung und Abrechnung für ambulant betreutes Wohnen in Westfalen-Lippe" enthalten, die unter Ziffer C detaillierte Regelungen bezüglich der Leistung von Abschlagszahlungen, der vorzunehmenden Spitzabrechnung und bezüglich des vorzunehmenden Ausgleichs erfolgter Über- oder Unterzahlungen formulieren.

Den einzelnen Einrichtungen und Abrechnungszeiträumen sind von dem Kläger intern zu Abrechnungszwecken sogenannte ZAD-Nummern zugeordnet. Bezogen auf die ZAD-Nummer 9010138 ist es zwischen den Beteiligten unstreitig zu einer Überzahlung von insgesamt 25.060,28 Euro im Zeitraum vom 01.01.2005 bis zum 30.04.2010 gekommen. Diese Überzahlung bezieht sich auf verschiedene Hilfeempfänger insgesamt. Die einzelnen Spitzabrechnungen hierzu wurden von der Beklagten in den Jahren 2009 und 2010 erteilt. Für die Einzelheiten wird auf die Aufstellung in der Anlage A5, dort S. 1 des Klägers in der Gerichtsakte (Beiheft), Bezug genommen. Bezogen auf die weitere ZAD-Nummer 9009801 ist es zwischen den Beteiligten unstreitig zu einer Überzahlung von insgesamt 42.789,89 Euro im Zeitraum vom 01.01.2005 bis zum 21.07.2010 gekommen. Diese Überzahlung bezieht sich auf verschiedene Hilfeempfänger insgesamt. Die einzelnen Spitzabrechnungen hierzu wurden von der Beklagten in den Jahren 2008 bis 2010 erteilt. Für die Einzelheiten wird auf die Aufstellung in der Anlage A5, dort S. 2 des Klägers in der Gerichtsakte (Beiheft), Bezug genommen. Beide Beträge zusammen belaufen sich auf 67.850,17 Euro. Diese Summe wurde zwischen den Beteiligten unstreitig wegen kleinerer Abrechnungskorrekturen auf 67.467,15 Euro korrigiert.

Zur Zahlung dieser Gesamtsumme wurde die Beklagte seitens des Klägers zuletzt mit Schriftsatz vom 17.10.2011 aufgefordert. Der Forderungsbetrag ist von der Beklagten bisher nicht beglichen worden. Die Beklagte ist dem Erstattungsverlangen des Klägers vielmehr mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 15.08.2011 entgegengetreten. Zwar wird der Umstand einer Überzahlung sowie die zutreffende Ermittlung des daraus resultierenden Erstattungsbetrages von Seiten der Beklagten nicht infrage gestellt. Die Beklagte beruft sich aber sinngemäß darauf, dass zwischen ihr und dem Kläger bei Zugrundelegung der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung keine unmittelbare Leistungsbeziehung bestünde, aus der sich Erstattungsansprüche zu Gunsten des Klägers ergeben könnten.

Nun verfolgt der Kläger sein Anliegen im Wege des streitigen Verfahrens weiter, nachdem nach Zustellung eines Mahnbescheids am 09.01.2012 an die Beklagte von dieser Wider-spruch erhoben wurde.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 67.467,15 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 06.08.2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf ihre außergerichtlich vorgetragenen Argumente gegenüber dem Kläger. Es gebe hier keinen Anspruch auf Rückerstattung gegenüber dem Leistungserbringer direkt. Und soweit die Rückerstattung aus § 2 Abs. 7 der Vergütungsvereinbarung vom 28.02.2005 hergeleitet werden solle, begründe diese vertragliche Regelung lediglich eine Verrechnungs- nicht jedoch eine Rückzahlungspflicht. Im Übrigen werde die Einrede der Verjährung erhoben.

Zur Einrede der Verjährung repliziert der Kläger, dass er erst im Zuge der von der Beklagten erst zum 22.06.2011 bzw. zum 01.06.2012 vorgenommenen Abrechnungen positive Kenntnis von den eingetretenen Überzahlungen und den daraus resultierenden Bereicherungsansprüchen erlangt habe und eine frühere Möglichkeit der Kenntnisnahme nicht bestanden habe.

Im Übrigen wird wegen der Einzelheiten auf die Gerichtsakte Bezug genommen. Deren Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die allgemeine Leistungsklage des Kostenträgers gegen den Leistungserbringer auf Rückerstattungen von überzahlten Vergütungen für Leistungen der sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe zugunsten hilfebedürftiger Leistungsempfänger ist vor dem Sozialgericht zulässig, sie ist insbesondere auch im Verhältnis zwischen Leistungserbringer und Kostenträger nicht privatrechtlicher Natur.

Ob eine Streitigkeit öffentlich- oder bürgerlich-rechtlich ist, richtet sich, wenn - wie hier - eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung des Gesetzgebers fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird. Dieser Grundsatz bestimmt die Auslegung sowohl von § 13 GVG, als auch von § 51 Abs. 1 SGG (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 10. Juli 1989, Az. GmS-OGB 1/88, juris, Rdnr. 8 = SozR 1500 § 51 Nr. 53). Vor die ordentlichen Gerichte gehören gemäß § 13 GVG die bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die Familiensachen und die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Zivilsachen) sowie die Strafsachen, für die nicht entweder die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten begründet ist oder aufgrund von Vorschriften des Bundesrechts besondere Gerichte bestellt oder zugelassen sind. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden gemäß § 51 Abs.1 SGG hingegen über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten unter anderem gemäß Ziffer 6a in Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes. Öffentlich-rechtlich sind Streitigkeiten, die aus einem hoheitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung entstehen. Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit kann aber auch auf einem Gleichordnungsverhältnis beruhen. Entscheidend ist die wahre Natur des Anspruchs, wie er sich nach dem Sachvortrag des Klägers darstellt, und nicht, ob dieser sich auf eine zivilrechtliche oder eine öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlage beruft (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, a.a.O., juris, Rdnr. 8 m.w.N.). Die Abgrenzung ist dabei von der Sache her zu treffen; Ausgangspunkt für die Prüfung muss die Frage sein, welcher Art das Klagebegehren nach dem zugrundeliegenden Sachverhalt ist. Von einem öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis ist auszugehen, wenn ein Träger öffentlicher Gewalt auf Grund eines ihm eingeräumten oder auferlegten Sonderrechts handelt. Die auf diese Weise vorzunehmende Abgrenzung weist das Streitverhältnis derjenigen Verfahrensordnung zu, die ihm nach der gesetzgeberischen Wertung in der Sache am besten entspricht und bewirkt zugleich, dass regelmäßig diejenigen Gerichte anzurufen sind, die durch ihre Sachkunde und Sachnähe zur Entscheidung über den in Frage stehenden Anspruch besonders geeignet sind (vgl. BSG, Beschluss vom 27. April 2010, Az. B 8 SO 2/10 R, juris, Rdnr. 8 m.w.N. = SozR 4-1300 § 116 Nr. 1).

Das Leistungserbringungsrecht der Sozialhilfe ist im Bereich der Eingliederungshilfe, wie auch der Heimpflege, durch das sogenannte sozialhilferechtliche Dreiecksverhältnis geprägt, das die wechselseitigen Rechtsbeziehungen zwischen dem Träger der Sozialhilfe, dem Leistungsberechtigten und dem Leistungserbringer (Einrichtungsträger) sinnbildlich darstellt (vgl. Urteil des BSG vom 28. Oktober 2008, Az. B 8 SO 22/07 R, juris, Rdnr. 15 = SozR 4-1500 § 75 Nr. 9). Daraus ergibt sich nach Auffassung der hiesigen Kammer, dass das hier prägende Verhältnis öffentlich-rechtlicher Natur ist. Dies ist im Bereich der Ein-gliederungshilfe noch viel deutlicher als im Bereich der Pflegeheimkosten. Denn die Eingliederungshilfe wird vollständig als Sachleistung erbracht. Der Hilfebedürftige tritt gar nicht in eine eigene synallagmatische Vertragsbeziehung zum Leistungserbringer, es entsteht gar kein zivilrechtlicher Vertrag, für den dann ein Schuldbeitritt diskutiert werden müsste. Anders verhält es sich beim Pflegebedürftigen, der selbst den Heimpflegevertrag abschließt, der dann zivilrechtlicher Natur ist. Dort begehrt der Pflegebedürftige dann eine Kostenbeteiligung aus der Pflegeversicherung und, soweit er finanziell bedürftig ist, die Übernahme der ungedeckten Pflegekosten durch den Träger der Sozialhilfe. Vertragspartner des Pflegeheimvertrags sind aber der Pflegebedürftige und der Heimträger, deren Rechtsbeziehung nur privatrechtlich sein kann. Diese zusätzliche Problematik entfällt bei der Eingliederungshilfe.

Die Grundlagen der Vergütung des Leistungserbringers durch den Kostenträger sind in § 75 SGB XII geregelt. Nach § 75 Abs. 2 Satz 1 SGB XII sollen die Träger der Sozialhilfe eigene Einrichtungen und Dienste nicht neu schaffen, soweit geeignete Einrichtungen anderer Träger vorhanden sind, ausgebaut oder geschaffen werden können. Wird die Leistung von einer Einrichtung erbracht, ist der Träger der Sozialhilfe gemäß § 75 Abs. 3 SGB XII zur Übernahme der Vergütung für die Leistung nur verpflichtet, wenn mit dem Träger der Einrichtung oder seinem Verband eine Vereinbarung über 1. Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen (Leistungsvereinbarung), 2. die Vergütung, die sich aus Pauschalen und Beträgen für einzelne Leistungsbereiche zusammensetzt, (Vergütungsvereinbarung) und 3. die Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungen (Prüfungsvereinbarung) besteht. Die Vereinbarungen müssen den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit entsprechen. Der Träger der Sozialhilfe kann die Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistung prüfen. Ist eine der in Absatz 3 genannten Vereinbarungen nicht abgeschlossen, darf der Träger der Sozialhilfe gemäß § 75 Abs. 4 SGB XII Leistungen durch diese Einrichtung nur erbringen, wenn dies nach der Besonderheit des Einzelfalls geboten ist. Hierzu hat der Träger der Einrichtung ein Leistungsangebot vorzulegen, das die Voraussetzung des § 76 erfüllt, und sich schriftlich zu verpflichten, Leistungen entsprechend diesem Angebot zu erbringen. Vergütungen dürfen nur bis zu der Höhe übernommen werden, wie sie der Träger der Sozialhilfe am Ort der Unterbringung oder in seiner nächsten Umgebung für vergleichbare Leistungen nach den nach Absatz 3 abgeschlossenen Ver-einbarungen mit anderen Einrichtungen trägt. Für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungen gelten die Vereinbarungsinhalte des Trägers der Sozialhilfe mit vergleichbaren Einrichtungen entsprechend. Der Träger der Sozialhilfe hat die Einrichtung über Inhalt und Umfang dieser Prüfung zu unterrichten. Absatz 5 gilt entsprechend. Inhalt und Abschluss der Vereinbarung mit der Einrichtung als Leistungserbringer sind dann näher in den §§ 76, 77 SGB XII geregelt. Ferner sieht das Gesetz außerdem gemäß § 79 SGB XII Regelungen über den Inhalt der drei generellen Vereinbarungen und Rahmenverträge auf Landesebene vor. Das auf der Grundlage des Zehnten Kapitels des SGB XII geregelte Vertragsverhältnis zwischen dem Kostenträger und der Einrichtung als Leistungserbringer ist somit sozialrechtlicher Natur. Aspekte der Leistungsstörung und der Fälligkeit und der Überzahlung der Leistungsvergütung sind somit ebenfalls sozialrechtlicher Natur, auch wenn diese Aspekte der Abwicklung der Vergütung nicht im Einzelnen im Zehnten Kapitel des SGB XII geregelt sind.

Die Klage ist auch ganz überwiegend begründet. Lediglich das marginale Begehr der Zinsen vor Rechtshängigkeit war unbegründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Erstattung der begehrten, streitgegenständlichen Überzahlung für zwar gegenüber dem Hilfeempfänger grundsätzlich bewilligte, aber vom Leistungserbringer tatsächlich nicht erbrachte Fachleistungsstunden.

Der Anspruch auf Rückzahlung der überzahlten Abschläge ergibt sich als vertragliche Nebenpflicht aus der Vergütungsvereinbarung im Sinne der §§ 75 Abs. 3 Nr. 2 und 76 Abs. 2 SGB XII. Der Kläger und die Beklagte haben eine Vergütungsvereinbarung unter dem 28.02.2005 geschlossen. Nach § 2 Abs. 1 dieser Vereinbarung bezahlt der Sozialhilfeträger dem Leistungserbringer auf der Grundlage der Bewilligungsbescheide die Kosten für die im Bewilligungszeitraum erbrachten Fachleistungsstunden. Nach § 2 Abs. 7 dieser Vereinbarung erfolgt die Vergütung der Leistungen durch monatliche Abschlagszahlungen auf Basis der Anzahl der bewilligten Fachleistungsstunden. Nach Ablauf des Bewilligungszeitraums (in der Regel 12 Monate) erfolgt eine Verrechnung der Abschlagszahlungen mit den quittierten Fachleistungsstunden. Was mit einem Überschuss nach Verrechnung der Beträge erfolgen soll, regelt die Vergütungsvereinbarung nicht ausdrücklich. Dies ist im Wege der Auslegung zu ermitteln.

Aus § 2 Abs. 2 der Vergütungsvereinbarung ergibt sich zunächst, dass es offenbar Überzahlungen geben kann. Andernfalls würde die Vereinbarung einer Verrechnung keinen Sinn machen, da nur gegenläufige Positionen verrechnet werden können. Verrechnung im Sinne des § 2 Abs. 7 Satz 2 der Vergütungsvereinbarung ist hier die mathematische Verrechnung vergleichbar der Saldierung im Rahmen der Kontokorrentabrede. Es ist offensichtlich nicht die sozialrechtliche Verrechnung im Sinne des § 52 SGB I gemeint. Eine Auslegung dahin, dass nur seitens des Leistungserbringers nachgefordert, seitens des Kostenträgers aber nicht zurückgefordert werden dürfte, wäre eine abwegige, einseitige Benachteiligung, für die es keinen sachlichen Grund gibt. Vielmehr liegt es sogar im Wesen der Vereinbarung von ihrer Eigenart nach vorläufigen Abschlagszahlungen, dass am Ende noch genau in beide Richtungen abgerechnet wird. Insoweit ergibt sich die Pflicht zur Rückerstattung auch schon aus der Vereinbarung von Abschlagszahlungen.

Weitere Auslegungsfrage war sodann, ob Überzahlungen nur im Wege der Verrechnung als Rechnungsposten fortbestehen können oder ob auch ihre Auszahlung verlangt werden kann. Zur Überzeugung der Kammer kann hier auch die Auszahlung des saldierten Ver-rechnungsbetrags verlangt werden. Denn § 2 der Vergütungsvereinbarung regelt auch nicht ausdrücklich, dass der festgestellte Saldo nach Ablauf eines Bewilligungszeitraums etwa als Guthaben gleich einer Gutschrift in den neuen Abrechnungszeitraum einzustellen ist. Beide Varianten wären abstrakt denkbar, also sowohl die Auskehr als auch die Gutschrift. In die Auslegung des § 2 Abs. 7 der Vergütungsvereinbarung sind dabei die rechtlichen Vorgaben für die Leistungserbringung und deren Vergütung einzubeziehen. Wird die Leistung von einer Einrichtung erbracht, ist der Träger der Sozialhilfe gemäß § 75 Abs. 3 SGB XII zur Übernahme der Vergütung für die Leistung nur verpflichtet, wenn mit dem Träger der Einrichtung oder seinem Verband eine Vereinbarung über 1. Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen (Leistungsvereinbarung), 2. die Vergütung, die sich aus Pauschalen und Beträgen für einzelne Leistungsbereiche zusammensetzt, (Vergütungsvereinbarung) und 3. die Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungen (Prüfungsvereinbarung) besteht. Die Vereinbarungen müssen den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit entsprechen. Der Träger der Sozialhilfe kann die Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistung prüfen. Die Vereinbarung über die Leistung muss gemäß § 76 Abs. 1 SGB XII die wesentlichen Leistungsmerkmale festlegen, mindestens jedoch die betriebsnotwendigen Anlagen der Einrichtung, den von ihr zu betreuenden Personenkreis, Art, Ziel und Qualität der Leistung, Qualifikation des Personals sowie die erforderliche sächliche und personelle Ausstattung. In die Vereinbarung ist die Verpflichtung der Einrichtung aufzunehmen, im Rahmen des vereinbarten Leistungsangebotes Leistungsberechtigte aufzunehmen und zu betreuen. Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Vergütungen für die Leistungen nach Absatz 1 bestehen gemäß § 76 Abs. 2 SGB XII mindestens aus den Pauschalen für Unterkunft und Verpflegung (Grundpauschale) und für die Maßnahmen (Maßnahmepauschale) sowie aus einem Betrag für betriebsnotwendige Anlagen einschließlich ihrer Ausstattung (Investitionsbetrag). Förderungen aus öffentlichen Mitteln sind anzurechnen. Die Maßnahmepauschale kann nach Gruppen für Leistungsberechtigte mit vergleichbarem Bedarf kalkuliert werden. Einer verlangten Erhöhung der Vergütung auf Grund von Investitionsmaßnahmen braucht der Träger der Sozialhilfe nur zuzustimmen, wenn er der Maßnahme zuvor zugestimmt hat. Die Träger der Sozialhilfe vereinbaren gemäß § 76 Abs. 3 SGB XII mit dem Träger der Einrichtung Grundsätze und Maßstäbe für die Wirtschaftlichkeit und die Qualitätssicherung der Leistungen sowie für den Inhalt und das Verfahren zur Durchführung von Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsprüfungen. Das Ergebnis der Prüfung ist festzuhalten und in geeigneter Form auch den Leistungsberechtigten der Einrichtung zugänglich zu machen. Die Träger der Sozialhilfe haben mit den nach heimrechtlichen Vorschriften zuständigen Aufsichtsbehörden und dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung zusammenzuarbeiten, um Doppelprüfungen möglichst zu vermeiden.

Berücksichtigt man diese Grundsätze, so lässt sich daraus erkennen, dass mit den Mitteln sparsam umgegangen werden soll. Wenn nun aber erhebliche Beträge als Saldo einer Verrechnung bestehen bleiben, so gibt es unter dem Aspekt des sparsamen und wirt-schaftlichen Handelns keinen Grund, warum der Kostenträger nicht die Auskehr des Sal-dobetrags verlangen können sollte.

Die Forderung ist auch nicht verjährt. Auf zivilrechtliche Verjährungsfristen wie etwa bei der Zahlungspflicht aus Heimvertrag kommt es hier nicht an. Es liegt ein ausschließlich öffentlich-rechtlicher Vertrag auf dem Gebiet des Sozialrechts zwischen dem Kostenträger und dem Leistungserbringer vor. Eine synallagmatische Vertragsbeziehung zwischen Hilfebedürftigem und Leistungserbringer besteht hier gerade nicht, wie oben bereits ausgeführt wurde. Die Verjährung des Vergütungsanspruchs und der Erstattungsforderung als Kehrseite ist in den §§ 75 SGB XII nicht geregelt. Das BSG hat außerhalb ausdrücklicher gesetzlicher Anordnungen die vierjährige Verjährung als allgemeines Rechtsprinzip im Sozialrecht entwickelt und auf diverse Fallkonstellationen öffentlich-rechtlicher Rechtsbeziehungen angewendet (BSG, Urteil vom 28.02.2007, B 3 KR 12/06 R, SozR 4-2500 § 276 Nr. 1 = BSGE 98, 142; Urteil vom 12.05.2005, B 3 KR 32/04 R, SozR 4-2500 § 69 Nr. 1; Urteil vom 01.08.1991, 6 RKa 9/89, SozR 3-1300 § 113 Nr. 1 = BSGE 69,158). Dabei hat sich das Gericht darauf gestützt, dass die vierjährige Verjährungsfrist nicht nur in § 45 SGB I für Ansprüche auf Sozialleistungen, sondern auch in den §§ 25 und 27 SGB IV, in § 113 SGB X und in § 13 Lohnfortzahlungsgesetz enthalten ist. Der Vergütungsanspruch von Leistungserbringern gegen die Krankenkassen und der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch der Krankenkassen gegen den Leistungserbringer als Kehrseite des Vergütungsanspruchs unterliegen damit gleichermaßen einer vierjährigen Verjährungsfrist (BSG, Urteil vom 28.02.2007, B 3 KR 12/06 R, SozR 4-2500 § 276 Nr. 1 = BSGE 98, 142). Zur Überzeugung der Kammer kann der Anspruch auf Auskehr des Verrechnungssaldos nicht zu verjähren beginnen, bevor die Beklagte die Spitzabrechnung erteilt hat. Andernfalls könnte die Beklagte selbst hier die Verjährung herbeiführen, indem sie selbst die tatsächlich erbrachten Fachleistungsstunden nicht mitteilt. Die Abrechnung ZAD 9009801 datiert vom 01.06.2011. Das älteste Einzelrechnungsdatum ist der 18.04.2008 betreffend den Hilfeempfänger L J. (vgl. Anlage A5). Die vierjährige, am Jahresende beginnende Verjährungsfrist endet somit erst am 31.12.2012. Zu diesem Zeitpunkt war die Klage bereits erhoben. Die weitere Abrechnung ZAD 9010138 datiert vom 22.06.2011. Das älteste Einzelrechnungsdatum ist der 25.09.2009 betreffend den Hilfeempfänger N G. (vgl. Anlage A5). Die vierjährige, am Jahresende beginnende Verjährungsfrist endet somit erst am 31.12.2013. Zu diesem Zeitpunkt war die Klage bereits erhoben.

Die Zinsen ergeben sich aus § 61 SGB X in Verbindung mit §§ 291, 288 BGB ab Rechtshängigkeit, die mit der Zustellung des Mahnbescheids eingetreten ist. Eine frühere Verzinsung unter dem Aspekt des Verzugs war hier nicht gegeben, da der Kläger lediglich einseitig eine Zahlungsfrist "zahlbar bis 05.08.2011" gesetzt hatte, diese also nicht vertraglich vereinbart war, so dass es an den Voraussetzung der §§ 286, 288 BGB fehlt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit §§ 154, 155 VwGO in Abgrenzung zu § 193 SGG und trägt dem fast vollständigen Obsiegen Rechnung. Das Gericht hat gemäß § 193 Abs. 1 S. 1 SGG im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Gehört jedoch in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden gemäß § 197 a SGG Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Nach § 155 Abs. 1 S. 3 VwGO können die Kosten einem Beteiligten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist. So verhält es sich hier. Der unbegründete Zinsanspruch vor Rechtshängigkeit ist marginal.
Rechtskraft
Aus
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