L 6 SF 1614/13 E

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 SF 1614/13 E
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Vergütung für das Gutachten des Erinnerungsführers vom 7. Juli 2013 wird auf 1.448,05 Euro festgesetzt. Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

Gründe:

In dem Berufungsverfahren K. G .../. Deutsche Rentenversicherung. (L 2 R 393/12) beauftragte der Berichterstatter des 2. Senats des Thüringer Landessozialgerichts mit Beweisanordnung vom 11. September 2012 den Erinnerungsführer, Facharzt für Allgemeinmedizin, mit der Erstellung eines Gutachtens nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Unter dem 7. Juli 2013 fertigte der Erinnerungsführer sein Gutachten aufgrund ambulanter Untersuchungen auf insgesamt 13 Blatt. In seiner Kostenrechnung vom gleichen Tag machte er eine Vergütung von insgesamt 1.996,59 Euro geltend (19 Stunden x 85,00 Euro, besondere Leistungen 157,73 Euro, Labor 147,99 Euro, Porto 7,45 Euro, Schreibgebühren/Kopien 68,80 Euro). Bezüglich der Einzelheiten wird auf Blatt 42 des Kostenhefts verwiesen. Mit Verfügung vom 7. Oktober 2013 kürzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) die Vergütung auf 1.448,05 Euro und legte einen Stundensatz von 60,00 Euro (M2) und besondere Leistungen in Höhe von 83,81 Euro zugrunde.

Am 10. Oktober 2013 hat sich der Erinnerungsführer gegen die Festsetzung gewandt und vorgetragen, entsprechend der Beweisanordnung sei zur Begutachtung spezieller Kausalzusammenhänge eine eingehende Begründung mit Literaturrecherche nötig gewesen. Auch die Auseinandersetzung mit den Vorgutachten stelle eine schwierige differentialdiagnostische Herausforderung dar. Zur Kausalität und Prognose habe er sich mit abweichenden Meinungen auseinander gesetzt. Er begehre zudem die Erstattung von Verzugszinsen in Höhe von 16,02 Euro. Mit dem reduzierten Betrag für die besonderen Leistungen sei er einverstanden.

Der Erinnerungsführer beantragt ausdrücklich,

die Vergütung für das Gutachten vom 7. Juli 2013 auf 1.939,07 Euro festzusetzen.

Der Erinnerungsgegner beantragt,

die Vergütung auf 1.448,05 Euro festzusetzen.

Zur Begründung verweist er auf das Kürzungsschreiben der UdG.

Die UdG hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 14. Oktober 2013) und dem erkennenden Senat vorgelegt.

II.

Nach § 4 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und –entschädigungsgesetz (JVEG)) erfolgt die Festsetzung der Vergütung durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte oder die Staatskasse die gerichtliche Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen erachtet. Zuständig ist das Gericht, von dem der Berechtigte herangezogen worden ist (§ 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 JVEG). Der Erinnerungsführer ist Berechtigter im Sinne dieser Vorschrift.

Nach § 8 Abs. 1 JVEG erhalten Sachverständige als Vergütung 1. ein Honorar für ihre Leistungen (§§ 9 bis 11 JVEG), 2. Fahrtkostenersatz (§ 5 JVEG), 3. Entschädigung für Aufwand (§ 6 JVEG) sowie 4. Ersatz für sonstige und besondere Aufwendungen (§§ 7 und 12 JVEG).

Soweit das Honorar nach Stundensätzen zu bemessen ist, wird es nach § 8 Abs. 2 JVEG für jede Stunde der erforderlichen Zeit einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten gewährt (Satz 1); die letzte bereits begonnene Stunde wird voll gerechnet, wenn mehr als 30 Minuten für die Erbringung der Leistung erforderlich war (Satz 2 Halbs. 1). Das Honorar er-rechnet sich entsprechend den §§ 9 Abs. 1 S. 1, 8 Abs. 2 JVEG nach der erforderlichen Zeit. Sie ist nach einem abstrakten Maßstab zu ermitteln, der sich an dem erforderlichen Zeitaufwand eines Sachverständigen mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung bei sachgemäßer Auftragserledigung mit durchschnittlicher Arbeitsintensität orientiert (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juli 2007 - 1 BvR 55/07; BGH; Beschluss vom 16. Dezember 2003 – X ZR 206/98, beide nach juris; Senatsbeschlüsse vom 5. März 2012 - L 6 SF 1854/11 B und 21. Dezember 2006 - L 6 B 22/06 SF; Hartmann in Kostengesetze, 40. Auflage 2010, § 8 JVEG Rdnr. 35). Zu berücksichtigen sind die Schwierigkeiten der zu beantworteten Fragen unter Berücksichtigung der Sachkunde auf dem betreffenden Gebiet, der Umfang des Gutachtens und die Bedeutung der Streitsache (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2003 - X ZR 206/98; Ulrich, Der gerichtliche Sachverständige, 12. Auflage 2007, Rdnr. 841). Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Angaben des Sachverständigen über die tatsächlich benötigte Zeit richtig sind. Bedenken gegen den angesetzten Zeitansatz haben weder die UdG noch der Erinnerungsgegner geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.

Das Gutachten ist nach der Honorargruppe M2 (60,00 Euro) zu berechnen (§ 9 Abs. 1 JVEG in der Fassung bis 31. Juli 2013). Sie wird wie folgt definiert: Beschreibende (Ist-Zustands-)Begutachtung nach standardisiertem Schema ohne Erörterung spezieller Kausalzusammen-hänge mit einfacher medizinischer Verlaufsprognose und mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad, z.B. Gutachten in Verfahren nach dem SchwbG oder zur Minderung der Erwerbsfähigkeit und zur Invalidität. Die Honorargruppe M3 kommt nur bei Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad in Betracht. Als Beispiel nennt das Gesetz Begutachtungen spezieller Kausalitätszusammenhänge und/oder differentialdiagnostischer Probleme und/oder Beurteilungen der Prognose und/oder Beurteilung strittiger Kausalitätsfragen genannt sowie 16 Bei-spielsfälle. In den Beispielen beider Honorargruppen sind Gutachten zur Überprüfung der Erwerbsfähigkeit nicht enthalten. Der Begriff "Minderung der Erwerbsfähigkeit" bei der Definition der Honorargruppe M2 ist rechtstechnisch der gesetzlichen Unfallversicherung und dem sozialen Entschädigungsrecht zugeordnet (vgl. Senatsbeschluss vom 13. August 2013 - L 6 SF 266/13 E; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. September 2004 - L 12 RJ 3686/04 KO-A). Deshalb muss die Zuordnung nach billigem Ermessen erfolgen (§ 9 Abs. 1 S. 3 2. Halbs. JVEG). Zustandsgutachten wie Gutachten zur Feststellung der Leistungsfähigkeit werden nach der ganz h.M. im Regelfall in die Honorargruppe M2 eingeordnet (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 1. Juni 2011 - L 6 SF 277/11 B m.w.N., Bayerisches LSG, Beschluss vom 23. September 2009 - L 15 SF 188/09; Hessisches LSG, Beschluss vom 11. April 2005 –L 2/9 SF 82/04, beide nach juris; Reyels in jurisPR-SozR 18/2010 Anm. 6), denn es handelt sich um typische Gutachten mit durchschnittlicher Schwierigkeit (vgl. Ulrich, Der gerichtliche Sachverständige, 12. Auflage 2007, Rdnr. 872). Eine Honorierung in M3 kommt nur ausnahmsweise dann in Betracht, wenn umfassende und vielschichtige Überlegungen erforderlich waren (vgl. Senatsbeschluss vom 1. Juni 2011 - L 6 SF 277/11 B; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. September 2004 - L 12 RJ 3686/04 KO-A; nach juris); die Schwierigkeiten können mit den diagnostischen oder ätiologischen Fragen zusammenhängen. Auch andere Gründe sind denkbar, z.B. eine Vielzahl unklarer oder widerspruchsvoller Befunde oder anamnestischer Angaben.

Hier hat der Erinnerungsführer kein Kausalitätsgutachten erstellt, denn im Rentenverfahren geht es allein um die Leistungsfähigkeit der Klägerin. Die Stellung bestimmter Diagnosen oder Sachverhaltswiederholungen (hier: frühere Befundungen) begründet kein Kausalitätsgut-achten, denn die Ursache einer Erkrankung ist im Rentenverfahren ohne Bedeutung. Die Prognose der Minderung der Erwerbsfähigkeit wird in der gesetzlichen Rentenversicherung standardmäßig abgefragt (vgl. § 102 Abs. 2 S. 5 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - SGB VI -) und kann damit nicht die höhere Honorargruppe M3 begründen. Gleiches gilt für die im sozialgerichtlichen Verfahren übliche Auseinandersetzung mit Vorgutachten (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. Beschluss vom 1. Juni 2011 - L 6 SF 277/11 B; Hessisches LSG, Beschluss vom 3, Februar 2011 - L 2 R 490/10 B, nach juris). Dem Erinnerungsführer ist zu-zugeben, dass er differentialdiagnostische Überlegungen angestellt hat, es ist aber nicht er-sichtlich, dass sie tatsächlich den erforderlichen hohen Schwierigkeitsgehalt hatten (vgl. Senatsbeschluss vom 15. März 2010 - L 6 B 209/09 SF) und hinsichtlich Schwierigkeiten und Aufwand ein "normales" Zustandsgutachten deutlich übersteigen. Hierfür ist auch nicht die ausführliche Zitierung der beigezogenen Borrelioseliteratur ausreichend.

Zu erstatten sind die auf 83,81 Euro gekürzten besonderen Leistungen und die Aufwendungen für Labor und Porto. Dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Eine Anspruchsgrundlage für Verzugszinsen existiert im JVEG nicht.

Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG).

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 4 Abs. 4 S. 3 JVEG).
Rechtskraft
Aus
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