L 6 KR 699/11

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Meiningen (FST)
Aktenzeichen
S 16 KR 242/08
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 KR 699/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine mündlich geschlossene Stimmrechtsvereinbarung begründet nur eine schuldrechtliche Verpflichtung mit der Folge, dass eine Stimmabgabe in der Regel auch dann gültig ist, wenn sie entgegen einem wirksamen Stimmbindungsvertrag erfolgt. Gesellschaftsrechtliche Auswirkungen kommen ihr mangels entsprechendem Gesellschafterbeschluss nicht zu (vgl. LSG Hamburg, Urteil vom 7.08.2013 - L 2 R 31/10; OLG Saarbrücken, Urteil vom 24.11.2004 - 1 U 202/04 - 35, 1 U 202/04).
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 25. Januar 2011 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger als Beschäftigter der Beigeladenen zu 1. in der Zeit vom 1. September 1991 bis 31. Dezember 2011 in der gesetzlichen Arbeitslosen-versicherung, vom 1. Januar 1992 bis 31. Dezember 2011 in der gesetzlichen Rentenversi-cherung, vom 1. Januar 1993 bis 31. Dezember 1997 in der gesetzlichen Krankenversicherung und vom 1. Januar 1995 bis 31. Dezember 1997 in der sozialen Pflegeversicherung versiche-rungspflichtig war.

Der 1958 geborene Kläger war vom 1. September 1991 bis zum 31. Dezember 1992 und seit Januar 1998 freiwilliges Mitglied der Beklagten. Vom 1. Januar 1993 bis 31. Dezember 1997 war er dort pflichtversichertes Mitglied. Seit dem 1. September 1991 ist er bei der Beigeladenen zu 1. bzw. deren Rechtsvorgängerin auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages als Diplomingenieur beschäftigt.

Die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 1., die L. Systeme in Thüringen GmbH wurde durch Gesellschaftsvertrag am 7. August 1991 gegründet und am 8. April 1992 in das Handelsregister eingetragen. Gegenstand des Unternehmens ist laut Gesellschaftsvertrag die Entwicklung, Herstellung und der Vertrieb von Präzisionsgeräten mit elektronischen Steuerungen für Mehrachsenantriebe, Mess- und Regelsysteme, Lasertechnik und Elektronikservice. Zum Geschäftsführer wurde Dr. G. B. bestellt. Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt 192.000 DM. Von dem Stammkapital übernehmen die L.Systeme GmbH (mit Sitz in G.) 96.000 DM (50 v.H.), sechs weitere natürliche Personen u.a. der Kläger jeweils 16.000 DM (8,33 v.H.). Nach § 9 des Gesellschaftsvertrages (im Folgenden: GV) können Gesellschafterbeschlüsse auch schriftlich, fernschriftlich, telegrafisch oder unter Verwendung neuester Telekommunikationstechniken gefasst werden, wenn sich alle Gesellschafter an diesem Abstimmungsverfahren beteiligen (Absatz 1). Bei Beschlussfassung geben je volle DM 1.000 nominal eines Geschäftsanteils eine Stimme (Absatz 3). Eine Gesellschafterversammlung ist nur beschluss-fähig, wenn mindestens 75 v.H. des Stammkapitals vertreten sind (Absatz 4). Die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung bedürfen der einfachen Mehrheit der vertretenen Stimmen. In den in § 8 unter b) - h) aufgeführten Angelegenheiten des GV bedürfen die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung einer Mehrheit von 75 v.H. der vertretenen Stimmen (Absatz 5). Nach § 20 des GV bedürfen alle das Gesellschaftsverhältnis betreffenden Vereinbarungen zwischen Gesellschaftern oder zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform, soweit nicht kraft Gesetzes notarielle Beurkundung vorgeschrieben ist. Das gilt auch für einen etwaigen Verzicht. Durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 8. Juli 1998, im Handelsregister eingetragen am 8. September 1998, wurde die Firma geändert und der GV in § 1 (Firma) neu gefasst. Sie lautet: L. GmbH. Nach § 9 des GV wer-den Beschlüsse der Gesellschafter in Versammlungen gefasst (Absatz 1 Satz 1). Bei Beschlussfassung geben volle DM 100,00 eines Geschäftsanteils eine Stimme. Eine Gesellschafterversammlung ist nur beschlussfähig, wenn mindestens 50 v.H. des Stammkapitals vertreten sind. Soweit in diesem Vertrag oder kraft zwingenden Rechtes nichts anderes bestimmt ist, bedürfen die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung einer einfachen Mehrheit der vertretenen Stimmen. Die in § 8 unter Buchstabe d) bis h) des GV aufgeführten Beschlussfassun-gen, die Beschlussfassung über den in § 5 Abs. 5 Ziffer 12 des GV geregelten Fall sowie die Beschlussfassung im Fall des § 17 des GV bedürfen einer Mehrheit von 75 v.H. der vertretenen Stimmen. Nach § 22 des GV bedürfen alle das Gesellschaftsverhältnis betreffenden Vereinbarungen zwischen Gesellschaftern oder zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform, soweit nicht kraft Gesetzes notarielle Form vorgesehen ist. Dies gilt auch für einen etwaigen Verzicht auf das Erfordernis der Schriftform.

Mit notariellem Vertrag vom 14. Dezember 1999 verkauften die natürlichen Personen und Gesellschafter der Beigeladenen zu 1. an die weitere Gesellschafterin, die L. L. & E. AG, jeweils einen Geschäftsanteil von 300 DM. Dies führte dazu, dass die L. L. & E. AG 50,92 v.H. und die natürlichen Personen als Gesellschafter jeweils 8,18 v.H. der Geschäftsanteile hielten. Die L. L. & E.AG ist durch formwechselnde Umwandlung der L. L. & E.GmbH in Garbsen durch Beschluss der Gesellschafter vom 30. Juli 1998 mit Feststellung der Satzung entstanden. Sie wurde am 23. September 1998 in das Handelsregister eingetragen. Der Kläger ist Aktionär der L. L. & E.AG mit Anteilen von 2.750 Stück.

Laut Arbeitsvertrag vom 1. August 1991 zwischen dem Kläger und der L. Thüringen, Gesellschaft für Präzisionssysteme mbH in Gründung (im Folgenden: L. GmbH) tritt der Kläger am 1. September 1991 in die Dienste der L. GmbH. Er wird als Diplom-Ingenieur für folgende Bereiche eingesetzt: Entwicklung, Erprobung und Herstellung von Komponenten für Präzision-XY-Koordinatentische, Messsysteme, CNC-Steuerungen und andere elektronische und mechanische Baugruppen. Die L. GmbH behält sich vor, ihn an anderer vergleichbarer Stelle einzusetzen, ohne dass eine Verschlechterung der Bezüge eintritt. Die Parteien vereinbarten eine monatliche Vergütung in Höhe von 3.500 DM. Die Arbeitgeberin verpflichtete sich zur Gewährung von Sonderzahlungen nach dem Tarifvertrag vom 30. Oktober 1976. Freiwillig gezahlte Weihnachtsgratifikationen und Prämien sollten im Falle der Kündigung zurückgezahlt werden. Bei erheblicher regelmäßiger Mehrarbeit und bei notwendigen Tätigkeiten an Sonn- und Feiertagen sollte ein besonders zu vereinbarender Ausgleich erfolgen. Der Kläger verpflichtete sich, alle Kraft in die Dienste der L. GmbH zu stellen, keine Tätigkeit außerhalb der Firma auszuüben und jede entgeltliche und unentgeltliche Nebenbeschäftigung zur Genehmigung durch die L. GmbH anzumelden. Die L. GmbH führt für den Kläger die Beiträge an die entsprechende Krankenkasse ab. Er erhält von L. GmbH die Hälfte der Beiträge bis zur Höchstgrenze des gesetzlichen Arbeitgeberanteils für die Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung. Ihm werden ein jährlicher Erholungsurlaub von 27 Tagen und eine zusätzliche Vergütung gewährt. Im Krankheitsfall werden die Bezüge auf die Dauer von sechs Wochen weitergezahlt. Am 12. Februar 1992 schloss der Kläger mit der D. Bank AG zur Sicherung eines Darlehens der L. GmbH in Höhe von 202.000,00 DM einen Vertrag. Er trat als Sicherungsgeber den der Pfändung unterworfenen Teil seiner gegenwärtigen und künftigen Ansprüche auf Arbeitsentgelt und sonstige Bezüge an die Bank ab. Am 20. Oktober 1999 schloss er mit dem Freistaat Thüringen, vertreten durch die T. Aufbaubank, einen öffentlich-rechtlichen Vertrag über einen Schuldbeitritt. Er trat neben der L.Systeme in Thüringen GmbH in das Rückerstattungsschuldverhältnis ein, das sich ergibt, wenn der Gläubiger vom Zuwendungsempfänger den Investitionszuschuss in Höhe von 850.000 DM zurückfordert und ist anteilig begrenzt auf 70.833 DM. Mit Darlehensvertrag vom 1. Juli 2000 gewährte er der L. M. & C. GmbH ein bis spätestens zum 31. Dezember 2000 zurückzahlbares Darlehen in Höhe von 8.800 DM. Am 30. August 2007 schloss er mit dem Freistaat Thüringen, vertreten durch die T. Aufbaubank einen weiteren öffentlich-rechtlichen Vertrag über einen Schuldbeitritt. Er trat neben der L. M. & C. GmbH in das Rückerstattungsschuldverhältnis ein, dass sich ergibt, wenn der Gläubiger vom Zuwendungsempfänger den Investitionszuschuss in Höhe von 520.832,00 Euro zurückfordert und ist anteilig begrenzt auf 42.499,89 Euro.

Im September 2005 reichte der Kläger bei der Beklagten den Feststellungsbogen zur versiche-rungsrechtlichen Beurteilung eines mitarbeitenden Gesellschafters in der GmbH ein. Er gab u.a. an, er unterliege keinem Direktionsrecht der Arbeitgeberin. Er könne seine Tätigkeit frei bestimmen und in seinem Verantwortungsbereich Personal einstellen und/oder entlassen. Die Verbuchung seiner Vergütung erfolge als Lohn/Gehalt; er sei am Gewinn durch die Zahlung von Tantiemen beteiligt. Mit Bescheid vom 20. Februar 2006 teilte die Beklagte ihm nach Anhörung mit Schreiben vom 18. Januar 2006 mit, er stehe seit dem 7. August 1991 in einem abhängigen und damit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis. Mit seinem Stimmenanteil habe er keinen maßgeblichen Einfluss auf die Weisungsgebundenheit gegen-über den anderen Gesellschaftern. Die Tatsache, dass er seine Tätigkeit frei bestimmen könne und nicht an Weisungen bei Gestaltung seiner Arbeit in Bezug auf Art, Ort und Zeit gebunden sei, sei kein Indiz für eine selbstständige Arbeit. Diese relativ weisungsfreie Arbeit sei den Tätigkeiten höherer Art eigen und nicht ungewöhnlich. Die Tätigkeit werde aufgrund einer arbeitsvertraglichen Regelung ausgeübt. Er erhalte unabhängig von der Ertragslage des Unternehmens eine monatlich gleich bleibende Vergütung. Die Gewinnbeteiligung sei hierbei kein Indiz für eine unternehmerische Tätigkeit, da sie keinem Wagniskapital entspreche. An die GmbH gewährte Bürgschaften sowie Darlehen begründeten noch keine selbstständige Tätigkeit bzw. Unternehmereigenschaft; es überwiege die persönliche Arbeitsleistung. Nach einer Gesamtbeurteilung der Verhältnisse sei festzustellen, dass er seit dem 7. August 1991 in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehe und grundsätzlich Versicherungspflicht zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung bestehe. Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, er nehme neben den anderen als Gesellschafter an der Beigeladenen zu 1. beteiligten natürlichen Personen eine vollkommen gleichberechtigte Stellung ein. Durch den öffentlich-rechtlichen Vertrag vom 21. September 1998, die Gewährung von Darlehen, dem Abtretungsvertrag sowie eine Bürgschaft sei er ein echtes Unternehmerrisiko ein-gegangen. Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Januar 2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Er übe seine Tätigkeit als Bereichsleiter bei der L. M. & C. GmbH seit dem 1. September 1991 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses aus. Es bestehe seit dem 1. September 1991 Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung. In der Krankenversicherung habe Versicherungspflicht vom 1. Januar 1993 bis zum 31. Dezember 1997 bestanden, seit dem 1. Januar 1995 unterliege er zudem der Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung.

Im Klageverfahren hat der Kläger ergänzend vorgetragen, sämtliche Beschlüsse seien ein-stimmig getroffen worden. Dies hätten er und die anderen natürlichen Personen als Gesellschafter so vereinbart. Mit Urteil vom 25. Januar 2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.

Im Berufungsverfahren verweist der Kläger auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren und im erstinstanzlichen Verfahren. Ergänzend trägt er vor, das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 29. August 2012 (Az.: B 12 R 14/10 R) befasse sich nicht mit Stimmbindungserklärungen, weil es darauf nicht angekommen sei. Anders als in den vom BSG entschiedenen Rechtsstreitigkeiten, habe ihm die Stimmbindungsvereinbarung ermöglicht, ihm nicht genehme Entscheidungen zu blockieren und damit zu verhindern, dass die Gesellschafterversammlung Beschlüsse fassen konnte. Sie stelle ein einklagbares und durchsetzbares Recht dar. Ihr komme schuldrechtliche Wirkung zu.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 25. Januar 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Januar 2008 aufzuheben und festzustellen, dass er aufgrund seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. vom 1. Januar 1992 bis 31. Dezember 2011 in der gesetzlichen Rentenversicherung und vom 1. September 1991 bis 31. Dezember 2011 in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung nicht versicherungspflichtig war, vom 1. Januar 1993 bis 31. Dezember 1997 in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht versicherungs-pflichtig war und seit 1. Januar 1995 bis 31. Dezember 1997 in der sozialen Pflegeversicherung nicht versicherungspflichtig war.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Nachweis einer mündlichen Stimmbindungsvereinbarung sei unerheblich, weil sie jeder-zeit ebenso habe mündlich aufgekündigt werden können und dann wieder die Geschäftsan-teilsverhältnisse maßgebend gewesen wären.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 20. Februar 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Januar 2008 ist, soweit er hier zu überprüfen ist, rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er war vom 1. September 1991 bis 31. Dezember 2011 in der Ar-beitslosenversicherung, vom 1. Januar 1992 in der gesetzlichen Rentenversicherung, seit dem 1. Januar 1993 bis 31. Dezember 1997 bis 31. Dezember 2011 in der gesetzlichen Kranken-versicherung und in dem streitigen Zeitraum in der Pflegeversicherung versicherungspflichtig.

Nach § 28h Abs. 2 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) entscheidet die Einzugs-stelle über die Versicherungspflicht, nur im Rahmen der Betriebsprüfung entscheidet ausnahmsweise der Träger der Rentenversicherung (§ 28p Absatz 1 Satz 5 SGB IV). Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- beziehungsweise Beitragspflicht (§ 5 Abs 1 Nr. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V); ab dem 1. Januar 1995: § 20 Abs 1 Satz 2 Nr. 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI); § 1 Satz 1 Nr. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI), § 168 Abs. 1 Satz 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG), seit 1998: §§ 24 ff. des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III)).

Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setzt sie voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Allerdings kann dies - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (vgl. BSG, Urteil vom 28. Mai 2008 - Az.: B 12 KR 13/07 R m.w.N., nach juris). Die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist der Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist. (vgl. BSG, Urteile vom 29. August 2012 - Az.: B 12 KR 25/10 R und Az.: B 12 R 14/10 R m.w.N., nach juris).

Der Kläger war in dem streitigen Zeitraum nicht im eigenen, sondern in einem fremden Betrieb tätig. Alleinige Betriebsinhaberin war die Beigeladene zu 1. bzw. deren Rechtsvorgänger, die als GmbH ein Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit ist und deshalb unabhängig von den als Gesellschafter dahinter stehenden juristischen oder natürlichen Personen und deren verwandtschaftlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen betrachtet werden muss. Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1. im Rahmen einer Beschäftigung oder selbstständig ausgeübt wurde, ist der Arbeitsvertrag vom 1. August 1991, der deren Vertragsverhältnis bestimmte.

Das Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. erlaubt unter Zu-grundelegung des "Arbeitsvertrages" vom 1. August 1991 eine uneingeschränkte Zuordnung zum Typus der abhängigen entgeltlichen Beschäftigung. Dieser hatte sowohl von seiner Bezeichnung als auch nach seinem Inhalt her ein Arbeitsverhältnis zum Gegenstand. Die Beteiligten hatten die Zahlung eines festen Gehaltes, die Zahlung von Sonderzahlungen nach dem Tarifvertrag vom 30. Oktober 1976, die Zahlung eines Ausgleichs bei erheblicher regelmäßiger Mehrarbeit und bei notwendigen Tätigkeiten an Sonn- und Feiertagen, die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen, die Gewährung von bezahltem Erholungsurlaub, die Zahlung einer zusätzlichen Urlaubsvergütung und eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall vereinbart. Hierbei handelt es um typische Regelungen eines Arbeitsvertrages. Auf der Grundlage dieses Vertrages wurde der Kläger für die Beigeladene zu 1. tätig. Rechtlich relevante Änderungen des schriftlichen Arbeitsvertrages - unabhängig von der Frage insoweit einzuhaltender Formerfordernisse - hat der Kläger nicht vorgetragen. Den rechtlichen Vereinbarungen entsprechend hat die Beigeladene zu 1. die an den Kläger ausgezahlten Vergütungen als Betriebsausgaben gebucht und Sozialversicherungsbeiträge abgeführt.

Eine Selbstständigkeit des Klägers ergibt sich auch nicht daraus, dass er als Gesellschafter an der Beigeladenen zu 1. beteiligt ist. Er war auch als Gesellschafter in deren Arbeitsorganisation eingebunden. Nach Ziffer 3 des Arbeitsvertrages verpflichtete er sich, "alle Kraft in die Dienste von L. zu stellen, keine Tätigkeit außerhalb der Firma auszuüben und jede entgeltliche und unentgeltliche Nebenbeschäftigung zur Genehmigung durch L. anzumelden". Zudem unterlag er als Gesellschafter nach § 17 der GV der L. Systeme in Thüringen GmbH bzw. der L. M. & C. GmbH einem Wettbewerbsverbot. Ihm wurde ein bestimmter Arbeitsbereich nach Ziffer 1 des Arbeitsvertrages zugewiesenen. Auch nach der eingereichten Stellenbeschreibung vom 26. Juni 2001 untersteht er als Bereichsleiter Produktentwicklung Elektronik Hardware der Geschäftsführung der Beigeladenen zu 1. Die von ihm selbst wahrzunehmenden Aufgaben als Inhaber der Stelle werden dort im Einzelnen beschrieben. Sie betreffen nur den von ihm auszufüllenden Arbeitsbereich und sind daher auf diesen Unternehmensteil beschränkt. Die kaufmännische Leitung der Firma oder die Leitung sonstiger Unternehmensteile oblag ihm nicht. Für die Leitung dieser Bereiche ist jeweils eine andere natürliche Person als Gesellschafter eingesetzt; die Geschäftsleitung obliegt Dr. G. B ... Soweit der Kläger vorträgt, ihm seien in seinem Arbeitsbereich keine Weisungen erteilt worden, ist die Wahrnehmung von Handlungsfreiheiten bei Leistung von Diensten höherer Art geradezu charakteristisch. Sie werden dennoch im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung erbracht, wenn sie - wie hier - fremdbestimmt bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (vgl. BSG, Urteil vom 29. August 2012 - Az.: B 12 R 14/10 R m.w.N., nach juris). Wie weit die Lockerung des Weisungsrechts in der Vorstellung des Gesetzgebers gehen kann, ohne dass deswegen die Stellung als Beschäftigter entfällt, zeigen beispielhaft die gesetzlichen Sonderregelungen zur Versicherungsfreiheit von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft in der Renten- und Arbeitslosenversicherung (§ 1 Satz 4 SGB VI sowie § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III), die regelmäßig abhängig beschäftigt sind, auch wenn sie die Gesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten haben und gegenüber der Belegschaft Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen. Allein weit reichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem gemilderten Weisungsrecht unterliegt, machen diesen nicht schon zu einem Selbstständigen. Selbst wenn dem Kläger in seinem Zuständigkeitsbereich keine Weisungen erteilt worden sein sollten, führt dies nicht dazu, dass kein Weisungsrecht bestanden hat. Aus der bloß faktischen Nichtwahrnehmung von Aufsichts-, Kontroll- und Weisungsrechten durch die dazu gesellschaftsrechtlich berufenen Organe - hier der Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1. - kann nicht ohne Weiteres geschlossen werden, dass dadurch die ihnen zugrundeliegenden Rechte und Pflichten abbedungen worden sind. Aufgrund der umfangreichen gesellschaftsrechtlichen Verfahrens- und Formvorschriften ist eine "stillschweigende" Änderung der grundlegenden rechtlichen Verhältnisse der Gesellschaft ausgeschlossen (vgl. BSG, Urteil vom 29. August 2012 - Az.: B 12 KR 14/10 R, nach juris Rn. 25).

Der Kläger besaß auch keine rechtliche Möglichkeit, auf die konkrete Ausgestaltung der be-trieblichen Organisation der Beigeladenen zu 1. Einfluss zu nehmen. Selbst innerhalb des ihm zugewiesenen Zuständigkeitsbereichs war er, wie bereits ausgeführt, der Geschäftsführung unterstellt. Die Leitung der Beigeladenen zu 1. war ihm nicht übertragen. Er war nicht zum Geschäftsführer oder stellvertretenden Geschäftsführer bestellt und als nicht mit einer Sperr-minorität ausgestatteter Gesellschafter auch nicht in der Lage, ihm nicht genehme Weisungen jederzeit abzuwenden. Gesellschafterbeschlüsse waren mit Ausnahme der in § 9 Abs. 5 so-wohl des GV der L. Systeme in Thüringen GmbH als auch der L. M & C GmbH genannten Geschäfte mit einfacher Mehrheit zu treffen. Mit einem Stimmenanteil von 8,33 v.H. (bis Dezember 1999) bzw. 8,16 v.H. konnte der Kläger daher keinen Gesellschafterbeschluss in seinem Sinne alleine durchsetzen bzw. bestimmte Entscheidungen verhindern.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der von ihm behaupteten mündlich geschlossenen Stimmrechtsvereinbarung mit den hinter der Beigeladenen zu 1. stehenden natürlichen Personen als Gesellschafter. Zweifel bestehen bereits daran, ob tatsächlich eine rechtlich verbindliche Vereinbarung vorlag oder lediglich eine unverbindliche Absichtserklärung, Entscheidungen möglichst gemeinsam im Sinne einer kollegialen Zusammenarbeit zu treffen. Im Vorverfahren hat der Kläger eine solche Stimmrechtsvereinbarung nicht erwähnt. Sie begründet jedenfalls nur eine schuldrechtliche Verpflichtung mit der Folge, dass eine Stimmabgabe in der Regel auch dann gültig ist, wenn sie entgegen einem wirksamen Stimm-bindungsvertrag erfolgt. Gesellschaftsrechtliche Auswirkungen kommen ihr mangels entsprechenden Gesellschafterbeschlusses nicht zu (vgl. Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 7. August 2013 - Az.: L 2 R 31/10, Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 24. November 2004 - Az.: 1 U 202/04 - 35, 1 U 202/04 jeweils m.w.N., nach juris). Zudem hätte sie nach § 20 des GV der L. Systeme in Thüringen GmbH bzw. § 22 des GV der L. M. & C. GmbH der Schriftform bedurft. Dies gilt auch für einen etwaigen Verzicht auf das Erfordernis der Schriftform. Zudem hatte die L. L. & E.AG nach der Übertragung des Geschäftsanteils von 300 DM durch die natürlichen Personen (Gesellschafter) mit notariellem Vertrag vom 14. Dezember 1999 an sie mit 50,92 v.H. die Mehrheit der Stimmenanteile bei der Beigeladenen zu 1. Eine Verhinderung nicht genehmer Gesellschafterbeschlüsse oder die Durchsetzung gewollter Gesellschafterbeschlüsse hätten die Gesellschafter auch bei einstimmiger Abstimmung nicht erreichen können. Dies gilt auch für die Zeit davor, da sie mit einem Stimmenanteil von 50 v.H. ebenfalls keine Mehrheit der Stimmenanteile hatten.

Für eine Selbständigkeit spricht auch nicht, dass der Kläger durch die Bürgschaft, das Darlehen und die Schuldbeitritte sowie durch die Gewährung von Tantiemen ein wirtschaftliches Eigeninteresse an der Beigeladenen zu 1. hat. Ein für Selbständigkeit sprechendes "typisches Unternehmerrisiko" wird hierdurch nicht begründet, weil es keinen Zusammenhang mit den laut Arbeitsvertrag geschuldeten Diensten gibt (vgl. BSG, Urteil vom 29. August 2012 - Az.: B 12 KR 25/10 R, nach juris Rn. 29). Die Bürgschaft, das Darlehen und die Schuldbeitritte waren für die Erfüllung der diesbezüglichen Pflichten nicht erforderlich. Die Gründe für ihre Bestellung liegen vielmehr außerhalb der Beschäftigung. Bezogen auf seine Tätigkeit hatte der Kläger gerade kein Unternehmerrisiko zu tragen; denn als Gegenleistung für seine Tätigkeit stand ihm ausweislich des Arbeitsvertrages vom 1. August 1991 unabhängig vom wirtschaftlichen Ergebnis der Beigeladenen zu 1. ein Anspruch auf monatliche Vergütung zu, wie dies für Beschäftigte typisch ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Eine teilweise Erstattung aufgrund der Änderung des Bescheids vom 20. Februar 2006 im Widerspruchsverfahren kommt nicht in Betracht, denn der Kläger war auch insoweit letztlich nicht erfolgreich. Ziel des Klägers war nicht die bloße Beseitigung der Feststellung der Beklagten, dass eine versicherungspflichtige Tätigkeit vorlag. Er begehrt eine Feststellung dahingehend, dass eine versicherungspflichtige Tätigkeit ab dem 1. September 1991 nicht vorlag. Dies hat der Kläger weder im Widerspruchsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren erreicht.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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