L 6 R 698/11

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 11 R 5404/09
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 R 698/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zum Berufsschutz eines Baggerfahrers.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 8. März 2011 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit hat.

Der 1953 geborene Kläger erlernte ab September 1970 den Beruf des Baumaschinisten mit der Spezialisierung Raupenfahrer (Facharbeiterbrief vom 28. Juli 1972). Im Ausbildungsbetrieb arbeitete er zunächst als Raupenfahrer und zum Schluss als Baggerfahrer. Ab 2002 arbeitete er für verschiedene Firmen als Baggerfahrer, teilweise auch als Walzenfahrer. Vom 1. Juni 2007 bis zum 24. Januar 2008 war der Kläger für das Unternehmen Landschafts- und Erdbau A. P. tätig. Nach dem Arbeitsvertrag vom 29. Mai 2007 wurde er als Baufachhelfer/Gerätefahrer eingestellt und erhielt einen Stundenlohn von brutto 10,10 EUR unter Berücksichtigung der Lohngruppe 2 der Lohntabelle für das Baugewerbe in Thüringen. Nach der Arbeitgeberauskunft vom 14. April 2009 war der Kläger als Bauhelfer/Gerätefahrer tätig. Es handle sich um Tätigkeiten, die im Allgemeinen von Facharbeitern ausgeführt werden, wie alle typischen Arbeiten im Bau/Erdbau. Nach der Auskunft vom 20. Januar 2011 war der Kläger hauptsächlich als Baumaschinist im Landschafts- und Erdbau tätig. Nach Stellung des Rentenantrags war er kurzzeitig als Kraftfahrer und Lagerist tätig.

Die Beklagte lehnte nach Beiziehung eines Reha-Entlassungsberichtes der Rehaklinik an der S. vom 20. März 2009 den Rentenantrag mit Bescheid vom 6. Mai 2009 ab und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10. September 2009 zurück.

Das Sozialgericht hat nach Einholung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens bei Prof. Dr. Dr. B. vom 10. Juni 2010 die Klage mit Urteil vom 8. März 2011 abgewiesen. Zwar könne der Kläger nicht mehr als Baumaschinist tätig werden, könne jedoch auf eine Tätigkeit eines Pförtners an der Nebenpforte verwiesen werden. Diese Tätigkeit sei ihm sozial zumutbar, da er nicht als Facharbeiter einzustufen sei. Dies folge insbesondere aus der Entlohnung nach der Lohngruppe 2, bei der es sich nicht um eine Facharbeiterlohngruppe handle.

Im Berufungsverfahren macht der Kläger geltend, er sei als Facharbeiter einzustufen. Insbesondere während seiner letzten Tätigkeit sei er nahezu ausschließlich an andere Firmen verliehen worden; ihm sei kein Objekt des A. P. bekannt. Er habe jeweils als Baggerfahrer gearbeitet. Die Entlohnung sei kein Indiz, vielmehr versuche der ehemalige Arbeitgeber, die Tätigkeit der zu niedrigen Entlohnung anzupassen. Letztlich beruft er sich auf ein Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Berlin vom 25. August 2003 - L 16 RJ 86/02.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 8. März 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 6. Mai 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. September 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 1. April 2009 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger sei nicht als Facharbeiter einzustufen, da er nicht die vollen theoretischen und praktischen Kenntnisse eines Baugeräteführers erlangt habe. Insbesondere zeige die tarifliche Eingruppierung, dass er keine Facharbeitertätigkeit ausgeübt habe.

Der Senat hat durch seinen Berichterstatter am 22. April 2013 einen Erörterungstermin durchgeführt. Zum genauen Inhalt wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen (Blatt 217ff. der Gerichtsakte).

Der Senat hat den Beteiligten ein berufskundliches Gutachten der H. J. vom 30. Mai 2005 zur Tätigkeit eines Pförtners an der Nebenpforte aus einem anderen Verfahren des Senats (L 6 RJ 883/03) sowie ein Schreiben des Bundesverbandes Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen (BDWS) vom 20. Dezember 2007 aus einem Verfahren des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt (Az.: L 3 R 478/06) zur Kenntnis gegeben. Nach dem Reha-Entlassungsbericht der Rehaklinik an der S. vom 11. Mai 2012 sind bei dem Kläger weitere Erkrankungen u.a. in Gestalt einer rezidivierenden depressiven Störung hinzugekommen. Die Leistungsfähigkeit für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten sei nicht auf unter sechs Stunden täglich abgesunken. Auf Anfrage des Senats hat Prof. Dr. Dr. B. unter dem 12. Juli 2013 mitgeteilt, dass dem Kläger unter Berücksichtigung der berufskundlichen Unterlagen der H. J. und des BDWS sowie des Reha-Entlassungsberichtes vom 11. Mai 2012 eine Tätigkeit als Pförtner an der Nebenpforte zuzumuten sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit hat.

Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit haben nach § 240 Abs. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Nach § 240 Abs. 2 S. 1 SGB VI sind Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Nach Satz 2 umfasst der Kreis der Tätigkeiten, nach dem die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nach Satz 4 nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Die Definition der Berufsunfähigkeit in § 240 Abs. 2 SGB VI entspricht insofern der in § 43 Abs. 2 SGB VI in der Fassung vor dem 1. Januar 2001 mit dem Unterschied, dass nunmehr auf ein Herabsinken auf weniger als sechs Stunden abgestellt wird.

Ausgangspunkt bei der Prüfung der Berufsunfähigkeit ist der bisherige Beruf des Versicherten. Darunter ist im Allgemeinen diejenige der Versicherungspflicht unterliegende Tätigkeit zu verstehen, die zuletzt auf Dauer, d.h. mit dem Ziel verrichtet wurde, sie bis zum Eintritt der gesundheitlichen Unfähigkeit oder bis zum Erreichen der Altersgrenze auszuüben; in der Regel ist das die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, jedenfalls wenn sie die qualitativ höchste ist (vgl. BSG, Urteil vom 9. Oktober 2007 - B 5b/8 KN 2/07 R, nach juris Rn. 12).

Danach ist Baggerfahrer der bisherige Beruf des Klägers. Ihn hat der Kläger zuletzt bewusst und gewollt zur dauerhaften Einkommenserzielung versicherungspflichtig ausgeübt. Auf die Tätigkeiten als Kraftfahrer und Lagerist kommt es nicht an, weil sie nach Rentenantragstellung ausgeübt wurden (vgl. Gürtner in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand 1. Oktober 2012, § 240 SGB VI, Rn. 21). Der Senat kann offen lassen, ob der Kläger noch als Baggerfahrer tätig sein kann. Berufsunfähigkeit liegt schon deswegen nicht vor, weil er auf eine Tätigkeit als Pförtner an der Nebenpforte verwiesen werden kann.

Berufsunfähigkeit liegt nicht schon dann vor, wenn der Versicherte "seinen Beruf" nicht mehr ausüben kann, sondern erst dann, wenn eine Verweisung auf eine sozial zumutbare andere Tätigkeit nicht mehr möglich ist. Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Die Arbeiterberufe werden durch das Mehrstufenschema des BSG in Gruppen untergliedert, die durch den Leitberuf des Facharbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert werden (vgl. BSG, Urteil vom 3. November 1994 - 13 RJ 77/93 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 49). Die Einordnung in eine bestimmte Stufe des Berufsschemas erfolgt nicht ausschließlich nach der Dauer der förmlichen Berufsausbildung, sondern auch nach der Qualität der verrichteten Arbeit, das heißt dem aus der Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnden Wert der Arbeit für den Betrieb (vgl. BSG, Urteil vom 29. März 1994 – 13 RJ 35/93 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45). Es kommt somit auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI a. F. genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bisherigen Berufes, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird. Im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf darf der Versicherte grundsätzlich auf die nächst niedrigere Gruppe verwiesen werden (vgl. BSG, Urteil vom 20. Juli 2005 - B 13 RJ 29/04 R, nach juris Rn. 22).

Der Kläger kann nicht der Gruppe der Facharbeiter zugeordnet werden. Die Tätigkeit als Baggerfahrer ist kein eigenständiger Ausbildungsberuf. Der Kläger verfügt allerdings über einen Abschluss als Baumaschinist, eine Ausbildung, die in der DDR von 1976 bis 1990 angeboten wurde. Nach Artikel 37 Abs. 1 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands (EVertr) gelten in der DDR erworbene oder staatlich anerkannte schulische, berufliche und akademische Abschlüsse oder Befähigungsnachweise in dem in Artikel 3 genannten Gebiet weiter (Satz 1). In dem in Artikel 3 genannten Gebiet oder in den anderen Ländern der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin (West) abgelegte Prüfungen oder erworbene Befähigungsnachweise stehen einander gleich und verleihen die gleichen Berechtigungen, wenn sie gleichwertig sind (Satz 2). Die Gleichwertigkeit wird auf Antrag von der jeweils zuständigen Stelle festgestellt (Satz 3). Die Ausbildung des Klägers dauerte weniger als drei, nicht jedoch regelmäßig mehr als zwei Jahre. Ein Facharbeiterstatus kommt dann nur in Betracht, wenn die Tätigkeit auch in den alten Bundesländern diesen Status hatte (vgl. Gürtner in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand 1. Oktober 2012, § 240 SGB VI, Rn. 31). Das ist nicht der Fall. Bei dem Beruf des 1977 eingeführten geprüften Baumaschinenführers handelte es sich um eine Fortbildung, die eine erfolgreich abgeschlossene Abschlussprüfung in einem anerkannten Ausbildungsberuf und eine zusätzliche Berufspraxis oder eine fünfjährige Berufspraxis voraussetzte (§ 2 Abs. 1 der Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Abschluss Geprüfter Baumaschinenführer vom 12. Dezember 1977 (BGBl. I S. 2539)). Eine dreijährige Berufsausbildung zum Baugeräteführer gibt es erst seit dem 1. August 1991, also nach der DDR-Zeit (zuletzt: Verordnung über die Berufsausbildung zum Baugeräteführer vom 12. Mai 1997 (BGBl. I S. 1038)). Beiden Berufsbildern ist gemein, dass sie die Fähigkeit vermitteln/erfordern, die unterschiedlichsten Baugeräte (z.B. Bagger, Kräne, Rad- und Kettenlader, Verdichtungsgeräte, Spezialtiefbaugeräte etc.) zu führen (vgl. Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 10. Juli 2007 - L 7 RJ 1/03, nach juris Rn. 51).

Eine Gleichstellung der Ausbildung des Klägers mit dem anerkannten Ausbildungsberuf des Baugeräteführers kommt nicht in Betracht, weil er erst 1991 eingeführt wurde. Angesichts dieser Umstände kann nicht unterstellt werden, dass der Kläger durch seine Ausbildung zum Baumaschinisten und die nachfolgende Berufserfahrung sämtliche theoretischen und praktischen Kenntnisse eines Baumaschinenführers oder Baugeräteführers erwarb, insbesondere die Fähigkeit mit sämtlichen gängigen Baugeräten umzugehen. Insofern kommt es auch nicht darauf an, ob die Ausbildung zum Baumaschinisten mit Spezialisierung (1970 bis 1986: z.B. Mobilkranfahrer, Turmdrehkranführer, Baggerfahrer, Flachbaggerfahrer) oder zum "universellen" Baumaschinisten (seit 1976) erfolgt ist (so Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 10. Juli 2007 - L 7 RJ 1/03, nach juris Rn. 52).

Jedenfalls wurde der Kläger anders als der im Verfahren des LSG Berlin nicht wie ein Facharbeiter entlohnt. Für die Ermittlung der Wertigkeit des bisherigen Berufes haben nach der Rechtsprechung des BSG tarifliche Regelungen unter zwei Gesichtspunkten Bedeutung: Zum einen wird eine - "tarifliche" - Eingruppierung des Versicherten in eine Tarifgruppe des jeweils geltenden Tarifvertrages durch den Arbeitgeber als Hinweis dafür gewertet, dass die von Versicherten ausgeübte Tätigkeit in ihrer Wertigkeit der Berufs- und Tarifgruppe entspricht, nach der er bezahlt wird. Es handelt sich allerdings um ein widerlegbares Indiz und eindeutig unterwertige Eingruppierungen durch die letzten Arbeitgeber bleiben im Rahmen der rentenversicherungsrechtlichen Bewertung des bisherigen Berufes unberücksichtigt. Zum anderen wird davon ausgegangen, dass die abstrakte - "tarifvertragliche" - Einstufung der einzelnen, in der Tarifgruppe genannten Tätigkeiten in der Regel auf deren Qualität beruht. Demgemäß lässt die abstrakte (tarifvertragliche) Einordnung einer bestimmten Berufstätigkeit in eine Tarifgruppe, in der auch Facharbeiter eingeordnet sind, in der Regel den Schluss zu, dass diese Berufstätigkeit im Geltungsbereich des Tarifvertrags als Facharbeitertätigkeit zu qualifizieren ist. Ausnahmen von diesem Grundsatz gelten dann, wenn die Einstufung durch qualitätsfremde Merkmale bestimmt ist (vgl. BSG, Urteil vom 20. Juli 2005 - B 13 RJ 29/04 R, nach juris). Der Kläger wurde bei dem Landschafts- und Erdbau A. P. allerdings nicht wie ein Facharbeiter entlohnt. Die Lohngruppe 2 des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe vom 4. Juli 2002 in der Fassung vom 17. Dezember 2003 ist für fachlich begrenzte Arbeiten (Teilleistungen eines Berufsbildes oder angelernte Spezialtätigkeiten) nach Anweisung vorgesehen. Als Regelqualifikationen werden u.a baugewerbliche Stufenausbildung in der ersten Stufe, Baumaschinistenlehrgang oder anderweitig erworbene gleichwertige Fertigkeiten genannt. Es handelt sich nicht um eine Lohngruppe, in der Facharbeiter mit einer dreijährigen Ausbildung (Stufenausbildung in der zweiten Stufe) genannt werden, die eigentliche Facharbeiterlohngruppe ist die Lohngruppe 4 (vgl. Senatsurteil vom 23. August 2011 - L 6 R 1287/07).

Eine eindeutig unterwertige Eingruppierung mit der Konsequenz, dass der Kläger eigentlich nach der Lohngruppe 4 hätte entlohnt werden müssen, ist nicht ersichtlich. Vorausgesetzt werden dort eine selbstständige Ausführung der Facharbeiten des jeweiligen Berufsbildes, als mögliche Regelqualifikationen eine baugewerbliche Stufenausbildung in der zweiten Stufe ab dem zweiten Jahr der Tätigkeit, eine Prüfung als Baumaschinenführer, eine Berufsausbildung zum Baugeräteführer ab dem dritten Jahr der Tätigkeit oder durch langjährige Berufserfahrung erworbene gleichwertige Fertigkeiten genannt. Nach eigenen Angaben wurde der Kläger durch seinen Arbeitgeber an andere Unternehmen verliehen und übte dort die Tätigkeit eines Baggerfahrers aus. Es wurde nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger im o.g. Sinn selbständig tätig war. Auch erfüllt er die Voraussetzungen nicht, hat weder eine baugewerbliche Stufenausbildung in der zweiten Stufe noch eine Prüfung als Baumaschinenführer, eine Berufsausbildung zum Baugeräteführer oder durch langjährige Berufserfahrung erworbene gleichwertige Fertigkeiten. Nicht unberücksichtigt bleiben kann auch, dass der Kläger nach seinem Arbeitsvertrag als "Baufachhelfer/Gerätefahrer" eingestellt war, was gerade keine Facharbeitertätigkeit ist.

Mangels Facharbeiterschutz kann der Kläger auf die ungelernte Tätigkeit als Pförtner an der Nebenpforte entsprechend dem Gutachten der H. J. vom 30. Mai 2005 aus einem anderen Verfahren des Senats (L 6 RJ 883/03) sowie dem Schreiben des BDWS vom 20. Dezember 2007 aus einem Verfahren des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt (L 3 R 478/06), deren Ausführungen der Senat sich zu eigen macht, verwiesen werden. Nach dem berufskundlichen Gutachten der Sachverständigen J. handelt es sich bei der Tätigkeit eines (einfachen) Pförtners um eine einfache ungelernte Tätigkeit. Pförtner/innen kontrollieren und überwachen den Personen- und Fahrzeugverkehr zu Gebäuden oder Betriebsgeländen. Sie sind erste Ansprechpartner für Besucher. Sie kontrollieren Werksausweise, stellen Passierscheine für Besucher aus und geben Auskünfte. Größere Schreibarbeiten sind nicht zu leisten. Nach den Ausführungen des Bundesverbandes Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen besteht die Tätigkeit eines Pförtners/ Pförtnerin an der Nebenpforte darin, in einer Pförtnerloge des Auftraggebers auf entsprechende Anforderung eine Tür, Schranke oder Pforte zu öffnen oder Zugang zu einem Gebäudeteil zu gewährleisten. Sie erlaubt ein Arbeiten überwiegend im Sitzen mit hohem Anteil an Arbeitsbereitschaft, einen beliebigen Haltungswechsel sowie ein Hin- und Hergehen in der Pförtnerloge bzw. nach Örtlichkeit auch davor. Erforderlich sind durchschnittliche Anforderungen an Aufmerksamkeit, Zuverlässigkeit, Verantwortungsbewusstsein und Übersicht sowie ein normales Hörvermögen; besondere Anforderungen an Kommunikationsfähigkeit, Ausdrucksvermögen und Umgang mit Besuchern bzw. Publikum werden nicht gestellt. Die Tätigkeiten werden je nach Anforderungsprofil des Auftraggebers im Regelfall in zwei Tagesschichten, im Ausnahmefall im Nachtschichtdienst ausgeübt. Erfüllen müssen diese Beschäftigten vor Einstellung die gewerberechtlichen Zugangsvoraussetzungen, insbesondere das entsprechende Unterrichtungsverfahren mit einer Mindestdauer von drei Tagen bzw. 24 Unterrichtsstunden. Zudem erfolgt üblicherweise eine unternehmensbezogene Einweisung, deren Zeitrahmen zwischen einem Tag bis zwei Wochen liegt. Die Tätigkeit wird nach wie vor von zahlreichen Unternehmen des Wach- und Sicherheitsgewerbes bedient. Es stehen ca. 800 bis 850 Arbeitsplätze zur Verfügung.

Der Senat hat keine Zweifel, dass dem Kläger trotz seiner gesundheitlichen Einschränkungen eine Tätigkeit als Pförtner an der Nebenpforte noch möglich ist. Er folgt insoweit den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. B. im Gutachten vom 10. Juni 2010. Zu diesem Zeitpunkt lagen bei dem Kläger eine Funktions- und Belastungseinschränkung des rechten Hüftgelenks, chronisch-rezidivierende Halswirbelsäulenbeschwerden, chronisch-rezidivierende Lendenwirbelsäulenbeschwerden, Kniegelenksbeschwerden, koronare Ein-Gefäßerkrankung, arterielle Hypertonie und Hypercholesterinämie vor, was auch den Feststellungen des Reha-Entlassungsberichts vom 20. März 2009 entsprach. Bei der klinisch-funktionellen Überprüfung konnte Prof. Dr. Dr. B. Bewegungseinschränkungen vor allem im Bereich des rechten Hüftgelenks feststellen, während sensomotorische Ausfälle der oberen und unteren Extremitäten nicht vorlagen. Die Leistungsfähigkeit wurde also vor allem durch die krankhaften Veränderungen des rechten Hüftgelenks eingeschränkt, weswegen zwar keine körperlich schweren oder durchgängig mittelschweren Arbeiten mehr möglich waren, leichte und zeitweise mittelschwere Tätigkeiten ohne besondere Belastung des rechten Hüftgelenks waren jedoch noch für mehr als sechs Stunden täglich an fünf Tagen die Woche möglich.

Ausweislich des Reha-Entlassungsberichts vom 11. Mai 2012 sind nunmehr zwar neue Beschwerden hinzugekommen. Es wird ein rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, Impingement-Syndrom der rechten Schulter mit ACG-Arthrose und beginnende Schultersteife, chronisch rezidivierendes Lumbalsyndrom mit motorischer Dysbalance und Fehlstatik, beginnende Koxarthrose, beidseitig, Innenmeniskusläsion linkes Kniegelenk diagnostiziert. Hinsichtlich der psychischen Symptomatik konnte während des Reha-Verfahrens ein leistungsmindernder Einfluss aber nicht festgestellt werden. Die im Übrigen beschriebenen schmerzhaften Beschwerden im Bereich der rechten Schulter, des linken Kniegelenks und der unteren Lendenwirbelsäule stehen einer Tätigkeit als Pförtner an der Nebenpforte für täglich sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der der Woche nicht entgegen, was Prof. Dr. Dr. B. in seiner zusätzlichen Stellungnahme vom 12. Juli 2013 ausdrücklich bestätigt hat. Als Pförtner an der Nebenpforte muss der Kläger keine längeren Gehstrecken zurücklegen oder längere Zeit im Stehen arbeiten. Kurze Kontrollgänge sind ihm zuzumuten, er muss nicht in kniender oder hockender Körperhaltung arbeiten und keine Hebearbeiten mit einer Hebebelastung von über 15 Kilogramm durchführen oder Arbeiten in nach vorn übergebeugter Körperhaltung leisten. Ebenso müssen von ihm keine Überkopfarbeiten erbracht werden.

Unwesentlich ist, ob dem Kläger mit dem festgestellten Leistungsvermögen eine entsprechende Tätigkeit als Pförtner an der Nebenpforte vermittelt werden kann. Das Risiko, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu finden, trägt nicht die Beklagte, sondern die Arbeitslosenversicherung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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