S 21 AS 1077/10 ER

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
SG Lübeck (SHS)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
21
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 21 AS 1077/10 ER
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Die Kosten des ÖPNV für den Weg zu und von einer weiterführenden Schule stellen keinen unabweisbaren,
laufenden, nicht nur einmaligen besonderen Mehrbedarf i.S. des § 21 Abs. 6 SGB II dar.
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt die Übernahme der laufenden Kosten von Schülermonatskarten im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) durch die Antragsgegnerin als Leistung für einen Mehrbedarf beim Lebensunterhalt im Rahmen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II). Der 1994 geborene Antragsteller besucht seit dem Jahr 2005 die und ist derzeit Schüler der 11. Klasse (gymnasiale Oberstufe). Den Schulweg (13,36 km, vgl. http://www.de.map24.com/) legt er mit dem Bus zurück. Er und seine Mutter beziehen laufend Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II von der Antragsgegnerin. Unter dem 27.05.2010 beantragte die Mutter des Antragstellers bei der Antragsgegnerin die Übernahme der Kosten der Schülermonatskarten ihres Sohnes für die Zeit nach dem Ende der Sommerferien 2010 und bezog sich dabei auf eine Entscheidung des Sozialgerichts (SG) Detmold (Urteil v. 09.04.2010, S 12 AS 126/07). Mit Bescheid vom 18.08.2010 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag mit der Begründung ab, dass der geltend gemachte Bedarf durch die gewährte Regelleistung gedeckt werde und auch kein unabweisbarer Bedarf vorliege, der die Gewährung eines Darlehens gemäß § 23 Abs. 1 SGB II ermögliche. Den dagegen gerichteten Widerspruch der Mutter des Antragstellers vom 27.08.2010, in dem diese auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09) Bezug nimmt, hat die Antragsgegnerin bislang nicht beschieden. Zeitgleich hat die Mutter des Antragstellers vor dem Sozialgericht Lübeck um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Die tatsächlichen Fahrkosten für eine Schülermonatskarte im Abonnement in Höhe von monatlich 55,64 EUR würden den Anteil, der in der Regelleistung für Jugendliche für Beförderungsaufwendungen enthalten sei, übersteigen. Wenn die Antragsgegnerin die Fahrkosten nicht übernehme, müsse ihr Sohn seine Schulausbildung abbrechen, da sie finanziell nicht in der Lage sei, die Fahrkosten weiterhin zu übernehmen.

Als gesetzliche Vertreterin des Antragstellers beantragt sie für diesen (sinngemäß), die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, ab sofort bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens die laufenden Fahrkosten für den Schulbesuch ihres Sohnes als Zuschuss zu übernehmen, und zwar in Höhe der Aufwendungen für die Anschaffung von Schülermonatskarten im ÖPNV-Abonnement (zurzeit monatlich 55,64 EUR), hilfsweise als Darlehen. &8195;

Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzulehnen.

Der Anwendungsbereich des § 21 Abs. 6 SGB II sei eng zu verstehen; die Entscheidung des SG Detmold höhle diese Vorgabe des BVerfG aus. Hier fehle es an der atypischen Bedarfslage: Zum einen seien 6 % der Regelleistung dem Posten "Verkehr" zugeordnet, so dass die Kosten der Schülerbeförderung des Grunde nach in die Bemessung der Regelleistung eingeflossen seien. Zum anderen habe kein Hilfebedürftiger, der eine gymnasiale Oberstufe besuche, einen Anspruch auf eine Übernahme der Schülerbeförderungskosten aus dem Schleswig-Holsteinischen Schulgesetz. Auf den Inhalt der Gerichtsakte und der den Antragsteller betreffenden Verwaltungsakte der Antragsgegnerin wird zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

II.

Das Aktivrubrum war – wegen der Eilbedürftigkeit ohne vorige Anhörung der Beteiligten – von Amts wegen im wohlverstandenen Interesse des Antragstellers zu ändern. Gegenstand des vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ist ein geltend gemachter Anspruch auf Leistungen für einen Mehrbedarf beim Lebensunterhalt aufgrund einer atypischen Bedarfslage. Dieser Bedarf für Kosten der Schülerbeförderung entsteht unmittelbar bei dem Antragsteller und nicht bei seiner Mutter. Diese kann als erwerbsfähiger Haushaltsvorstand der Bedarfsgemeinschaft zwar Leistungen nach dem SGB II auch für ihren Sohn als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft beantragen und entgegennehmen (§ 38 SGB II). Dagegen kann sie nicht im eigenen Namen die Ansprüche ihres Sohnes mit einer Klage oder (wie vorliegend) einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verfolgen. Stattdessen muss jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft seine Ansprüche im eigenen Namen geltend machen (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts [BSG] vom 7. November 2006, B 7b AS 8/06 R). Die Bevollmächtigung der Mutter des Antragstellers für das vorliegende Verfahren konnte dabei unterstellt werden (§ 73 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Der Antrag hat jedoch keinen Erfolg. Er ist zulässig, aber unbegründet. Statthafte Antragsart ist das einstweilige Anordnungsverfahren gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG. Danach kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Erforderlich für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist danach zum einen ein Anordnungsgrund, d. h. ein Sachverhalt, der die Notwendigkeit einer Eilentscheidung begründet, und zum anderen ein Anordnungsanspruch im Sinne einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines in der Sache bestehenden materiellen Rechts. Gemessen an diesen Grundsätzen ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht begründet. Die Voraussetzungen an das Vorliegen eines Anordnungsanspruches sind nicht erfüllt. Es besteht keine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Antragsteller einen Anspruch auf Leistungen für einen Mehrbedarf beim Lebensunterhalt aufgrund einer atypischen Bedarfslage hat. Der Antragsteller kann einen solchen Anspruch nicht unmittelbar aus der Entscheidung des BVerfG vom 09.02.2010 (aaO) herleiten. Insoweit ist das von der Mutter des Antragstellers in Bezug genommene Urteil des SG Detmold überholt. Denn dieses ist vor der Gesetzesänderung ergangen, mit der der Gesetzgeber den § 21 Abs. 6 SGB II geschaffen hat. Dieser wurde mit Wirkung zum 03.06.2010 in das SGB II eingefügt (Gesetz zur Abschaffung des Finanzplanungsrates und zur Übertragung der fortführenden Aufgaben auf den Stabilitätsrat sowie zur Änderung weiterer Gesetze v. 27.05.2010, BGBl. I S. 671). Seit diesem Zeitpunkt kann der Antragsteller den geltend gemachten Anspruch nicht mehr unmittelbar aus dem Grundgesetz (GG) geltend machen. Denn das BVerfG hat nur insoweit eine einstweilige Anordnung getroffen, als ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherstellung eines unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarfs, der zuvor nicht von den Leistungen nach §§ 20 ff. SGB II erfasst wurde, zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums jedoch zwingend zu decken ist, nur bis zur Neuregelung durch den Gesetzgeber nach Maßgabe der Urteilsgründe des BVerfG unmittelbar aus Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG geltend gemacht werden kann. Aber auch ein Anordnungsanspruch gemäß § 21 Abs. 6 SGB II besteht nicht. Danach erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige einen Mehrbedarf, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Hilfebedürftigen gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Es fehlt an der Unabweisbarkeit des Bedarfs. Zwar ist der Beförderungsbedarf des Antragstellers in Gestalt der Kosten, die ihm monatlich für die Anschaffung einer Schülermonatskarte im ÖPNV-Abonnement entstehen, nicht durch Zuwendungen Dritter gedeckt. Insbesondere kommt eine Übernahme der Kosten durch den Schulträger (hier den Kreis Ostholstein) nicht in Betracht, da die Voraussetzungen des § 114 Abs. 1 Satz 1 des Schleswig-Holsteinischen Schulgesetzes (SchulG S.-H.) nicht vorliegen. Danach sind die Schulträger der in den Kreisen liegenden öffentlichen Schulen Träger der Schülerbeförderung für Schülerinnen und Schüler, die Grundschulen, Jahrgangsstufen fünf bis zehn der weiterführenden allgemein bildenden Schulen sowie Förderzentren besuchen. Die Jahrgangsstufe 11, die der Antragsteller besucht, wird nicht erfasst. Auch eine Übernahme der Kosten durch das Amt für Ausbildungsförderung der Kreisverwaltung Ostholstein kommt nicht in Betracht. Zwar können Schüler, die eine weiterführende allgemeinbildende Schule (z. B. Gymnasium) besuchen, ab Klasse 10 Ausbildungsförderung erhalten. Voraussetzung ist jedoch, dass sie nicht bei den Eltern wohnen und notwendig auswärts untergebracht sind (§ 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 1a Bundesausbildungsförderungsgesetz [BAföG]). Dies ist bei dem Antragsteller nicht der Fall. Auch zu berücksichtigende Einsparmöglichkeiten des Antragstellers sind bei summarischer Prüfung nicht erkennbar. Auf eine sofortige Beendigung seiner Schulausbildung wegen abgeschlossener Schulpflicht und Erlangung des mittleren Schulabschlusses (mittlere Reife, Realschulabschluss) dürfte der Antragsteller jedenfalls nicht zu verweisen sein, da einer Fortsetzung der schulischen Ausbildung über das Ende der Jahrgangsstufe 10 hinaus die Eingliederungschancen in den Arbeitsmarkt erhöht und so der nachhaltigen Vermeidung einer fortgesetzten Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II dient (so auch SG Gießen, Beschluss v. 19.08.2010, S 29 AS 981/10 ER). Allerdings weicht der Bedarf des Antragstellers seiner Höhe nach nicht erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf ab. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollen nur die nicht von den §§ 20 ff. SGB II erfassten atypischen Bedarfe und erfasste, aber ausnahmsweise höhere, überdurchschnittliche Bedarfe durch Mehrbedarfsleistungen ausgeglichen werden. Der Anwendungsbereich des § 21 Abs. 6 SGB II soll angesichts seiner engen und strikten Tatbestandvoraussetzungen auf wenige Fälle begrenzt sein (BT-Drs. 17/1465, S. 8). Die Schülerbeförderungskosten des Antragstellers fallen nach Auffassung des Gerichts nicht darunter. Diese sind zwar regelmäßig wiederkehrend (monatlich) und längerfristig (bis zum Ende der Schulzeit), aber weder atypisch noch ausnahmsweise überdurchschnittlich hoch. Dabei kommt es nicht darauf an, welcher Abteilung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) 2008, welche zurzeit noch Grundlage für die Bemessung des Eckregelsatzes und somit der Regelsätze in der Sozialhilfe ist, die geltend gemachten Kosten zuzuordnen ist. Dafür kommt zwar sowohl die Abteilung 07 in Betracht, welche auch die Aufwendungen für Verkehr (einschließlich Kosten von Personenbeförderung und Verkehrsdienstleistungen) berücksichtigt (vgl. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss v. 03.12.2007, L 7 AS 666/07 ER), als auch die Abteilung 10 (Bildung; vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil v. 28.10.2009, B 14 AS 44/08 R), welche bei der Bildung des Regelsatzes als nicht regelsatzrelevant ausgeklammert wurde. Einer Entscheidung hierüber bedarf es jedoch nicht, da § 20 Abs. 1 SGB II normativ regelt, welche Bedarfe die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst. Da der Gesetzgeber bei dort vorgenommenen Aufzählung einzelne EVS-Abteilungen nicht explizit ausgeschlossen hat, kann es auf die Ausklammerung einzelner EVS-Abteilung bei der Bestimmung der Höhe des Eckregelsatzes nicht ankommen. Aus diesem Grunde ist es auch möglich, dass sich der Gesetzgeber dafür entschieden hat, andere bildungsbezogene Bedarfe (namentlich Kosten für Schulmaterialien und Schulverpflegung) ausdrücklich in die (nicht abschließende) Negativliste der Gesetzesbegründung des § 21 Abs. 6 SGB aufzunehmen (vgl. BT-Drs. 17/1465, S. 9). Mithin kommt es allein auf den Wortlaut des § 20 Abs. 1 SGB II an, der die Kosten jeglicher Beförderung mit dem ÖPNV abdeckt, und zwar als Bedarf des täglichen Lebens bzw. Bedarf im Rahmen der Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben. Im Rahmen dieser Bedarfe kann ein Mehrbedarf im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB daher nur bei Vorliegen einer atypischen Lebenssituation bestehen. Weder der Schulbesuch noch die dadurch entstandenen Fahrkosten stellen aber eine atypische Lebenssituation dar (so schon BSG, aaO). Angesichts der hohen Anzahl der Schülerinnen und Schüler, die landesweit eine Klasse der Sekundarstufe II besuchen, und der Tatsache, dass in Schleswig-Holstein als Flächenland typischerweise Schulen mit einem größeren Einzugsgebiet aus dem ländlichen Raum besucht werden, stellt sich sowohl der Besuch einer Oberstufenklasse als auch die Notwendigkeit einer Benutzung des ÖPNV auf dem Schulweg vielmehr als üblich dar. Die Kosten der Schülerbeförderung ist ein Bedarf, der von Hilfebedürftigen im Sinne des SGB II, die eine Schule über die Jahrgangsstufe 10 hinaus besuchen, typischerweise aus den Mitteln der ihnen persönlich gewährten Regelleistung zu decken ist (a. A. SG Gießen, Beschluss v. 19.08.2010, S 29 AS 981/10 ER). Denn diese verlassen zu diesem Zeitpunkt typischerweise den Anwendungsbereich der landesrechtlichen Förderung der Schülerbeförderung, hier des § 114 SchulG S.-H., und kommen auch für eine Förderung im Rahmen des sogenannten Schüler-BAföG nicht in Betracht, da sie auch typischerweise bei ihren Eltern wohnen. Ein Vergleich mit denjenigen Schülerinnen und Schülern, die atypischerweise nicht mehr bei ihren im Sinne des SGB II erwerbsfähigen hilfebedürftigen Eltern wohnen und als BAföG-Geförderte ihre Kosten der Schülerbeförderung nicht aus der ihnen gewährten Regelleistung decken müssen, ist unzulässig. Eine atypische Bedarfslage lässt sich auch nicht aus einem Vergleich der Situation des Antragstellers mit derjenigen von Schülerinnen und Schülern aus Familien unterer Einkommen knapp oberhalb des Grundsicherungsniveaus, die gerade keine Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende beziehen, herleiten. Denn diesen entsteht derselbe Bedarf für ihren täglichen Schulweg zwischen als Wohnort und der nächstgelegenen gymnasialen Oberstufe in. Der Argumentation, dass die Fortsetzung der schulischen Ausbildung über die Jahrgangsstufe 10 hinaus einen unabweisbaren Bedarf im Sinne der Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben begründe (so SG Detmold, aaO; SG Gießen, aaO), kann nicht gefolgt werden. Wiewohl ein höherer Bildungsstandard ein wesentlicher Faktor für eine dauerhafte Eingliederung in den Arbeitsmarkt und für eine nachhaltige Beendigung der Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II sein kann, ist ein solcher nicht dem menschenwürdigen Existenzminimum zuzuordnen, das durch den Sozialstaat zu gewährleisten ist. Dieses beinhaltet lediglich das "Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben" (vgl. BVerfG, aaO). Angesichts der vom Gesetzgeber geschaffenen Möglichkeit, die Schulzeit mit dem Hauptschul- oder dem Realschulabschluss zu beenden, der Dauer der allgemeinen Schulpflicht von nur 9 Jahren und der großen Anzahl an Schülerinnen und Schüler, die keine schulische Ausbildung über die Jahrgangsstufe 10 hinaus erhalten (im 2009 20.800 gegenüber 9.050 Absolventinnen und Absolventen mit Fachhochschul- bzw. Hochschulreife/Abitur, vgl. Pressemitteilung des Ministeriums für Bildung und Kultur Schleswig-Holstein v. 18.06.2010, http://bildungsklick.de/), kann der Besuch einer gymnasialen Oberstufe nicht dem menschenwürdigen Existenzminimum zuzuordnen sein. Eine solche Weiterbildung erscheint dem Gericht zwar grundsätzlich wünschenswert, allerdings sind bei der Prüfung einer Anspruchsberechtigung im Rahmen des § 21 Abs. 6 SGB II die Ziele zu beachten, die der Gesetzgeber mit der Schaffung des SGB II verfolgt. Dieses dient – schon seinem Namen nach – der Grundsicherung, d. h. der Sicherung grundlegender existentieller Bedarfe, und der Eingliederung in Arbeit. Diese Ziele können aber bereits mit dem mittleren Schulabschluss erreicht werden. Einen Anspruch auf eine Optimierung der Zielerreichung hat der Antragsteller nicht. Der Gesetzgeber verfügt über den Gestaltungsspielraum, ausdrücklich durch Gesetz zuzulassen, dass bestimmte ausbildungsrelevante Bedarfe im Wege existenzsichernder Leistungen gedeckt werden, wie dies beispielsweise durch die zusätzlichen Leistungen für die Schule in Höhe von jährlich 100 EUR gemäß § 24a SGB II geschieht. Darüber hinaus ist eine Verlagerung ausbildungsbedingter, aber ausbildungsförderungsrechtlicher Bedarfe in den Bereich der existenzsichernden Leistungen grundsätzlich ausgeschlossen (BSG, aaO). Sachgerechter erscheint es, die Kosten der Schülerbeförderung umfassend dem Zuständigkeitsbereich des Schulträgers oder dem Amt für Ausbildungsförderung zuzuordnen. Diese stehen dem Zweck der Aufwendungen näher als die Antragsgegnerin als Grundsicherungsträger. Eine solche Zuordnung könnte durch die Schaffung einer Härtefallregelung für bedürftige Schülerinnen und Schüler, die bei ihren Eltern wohnen und eine gymnasiale Oberstufe besuchen, erreicht werden. Derzeit scheidet eine Kostenübernahme durch die zuvor genannten Träger allerdings mangels Anspruchsgrundlage aus (s. o.). Der Bedarf des Antragstellers ist auch nicht ausnahmsweise überdurchschnittlich hoch. Bei der Bestimmung der Überdurchschnittlichkeit ist nämlich nicht zum Vergleich auf den in die Regelleistung eingeflossenen Verkehrsanteil abzustellen (a. A. SG Gießen, aaO), denn die Regelleistung nach § 20 SGB II ist eine pauschalierte Leistung und gerade keine Summe einzelner Bedarfe. Sie umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben und deckt den Bedarf der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und der mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen normativ (§ 3 Abs. 3 SGB II). Während es durch diese Pauschalierung im Einzelfall zu einer tatsächlichen Unterdeckung eines einzelnen Bedarfs kommen kann, ist dies solange verfassungsgemäß, wie für darüber hinausgehende unabweisbare, laufende, nicht nur einmalige, besondere Bedarfe ein zusätzlicher Leistungsanspruch besteht; dies ist durch § 21 Abs. 6 SGB II der Fall. Insoweit ist es Grundsicherungsbeziehern zumutbar, über die Verwendung der pauschalen Regelleistung im Einzelnen selbst zu bestimmen und einen gegenüber dem statistisch ermittelten Durchschnittsbetrag höheren Bedarf in einem Lebensbereich durch geringere Ausgaben in einem anderen auszugleichen (vgl. BVerfG, aaO). Vielmehr ist zum Vergleich auf den Bedarf abzustellen, der anderen Grundsicherungsbeziehern in derselben Lebenssituation entsteht, d. h. anderen Schülerinnen und Schülern der gymnasialen Oberstufe. Dabei stellen sich die Kosten des Schulweges des Antragstellers nicht als überdurchschnittlich hoch heraus, da die dem Wohnort des Antragstellers nächstgelegende Schule mit gymnasialer Oberstufe in Oldenburg/Holstein liegt. Das bedeutet, dass der Schulweg der genannten Vergleichsgruppe ebenso lang ist wie der des Antragstellers und dieselben Kosten entstehen. Eine erhebliche Abweichung vom typischen Bedarf ist nicht erkennbar. Dies wäre beispielsweise anders, wenn alle nächstgelegenen Schulen im Einzugsbereich so ausgelastet wären, dass der Antragsteller dort keinen Platz finden würde und eine weiter entfernte Schule außerhalb des Einzugsgebiets seines Wohnortes besuchen müsste, so dass aufgrund der Entfernung weitere Fahrkosten entstünden. Auch im Falle des Besuches einer weiter entfernten Sonderschule käme eine Mehrbedarfsleistung wegen höherer Fahrkosten in Betracht. Nur eine derartige "Sondersituation" (BT-Drs. 17/1465, S. 8) könnte einen Anspruch auf Übernahme der Schülerbeförderungskosten im Rahmen des § 21 Abs. 6 SGB II begründen; eine solche liegt hier aber nicht vor, da der Antragsteller seine nächstgelegene Regelschule besucht. Der Antragsteller kann auch keinen Anspruch (gegen den Kreis Ostholstein als Sozialhilfeträger) auf Leistungen nach § 73 SGB XII erfolgreich geltend machen. Ein Ausweichen auf diese Anspruchsgrundlage, die nicht zum Regelwerk der Grundsicherung für Arbeitsuchende gehört, scheidet seit der Schaffung einer eigenen Anspruchsgrundlage im SGB II (§ 21 Abs. 6) aus (vgl. BT-Drs. 17/1465, S. 8, unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des BSG). Schließlich kommt auch keine Gewährung der beantragten Leistungen als Darlehen in Betracht. Die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II liegen nicht vor. Danach erbringt die Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis den Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung und gewährt dem Hilfebedürftigen ein entsprechendes Darlehen, wenn im Einzelfall ein von den Regelleistungen umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts weder durch das Vermögen nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II noch auf andere Weise gedeckt werden kann. Die geltend gemachten Kosten der Schülermonatskarte stellen wiederkehrende Bedarfe dar und daher keinen Bedarf im Einzelfall (vgl. BSG, aaO). Die anderslautende Entscheidung des SG Detmold bindet das beschließende Gericht nicht in seiner Entscheidung. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG. Sie orientiert sich am Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache.

D. Vorsitzende der 21. Kammer

Richterin
Rechtskraft
Aus
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