Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 5 KR 138/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die Kosten für eine Unterbringung im Einzelzimmer während einer stationären Behandlung zu erstatten.
Die am 00.00.1940 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gegen Krankheit versichert. Mit E-Mail vom 17.10.2011 wies sie darauf hin, dass sie im Krankenhaus P am linken Fuß operiert wird. Sie beantragte die Übernahme der Kosten für eine Unterbringung im Einzelzimmer.
Der Klägerin wurde am 18.10.2011 ebenfalls auf elektronischem Weg mitgeteilt, dass sie im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht die Möglichkeit habe, für einen Krankenhausaufenthalt ein Einzelzimmer zu wählen.
In der Zeit vom 12.10.2011 bis 30.10.2011 war die Klägerin in stationärer Behandlung im Klinikum P. Mit Schreiben vom 26.02.2012 beantragte der Ehemann der Klägerin die Aufhebung der Ablehnung vom 18.10.2011 und bat um Erstattung der Mehrkosten für das in Anspruch genommene Einzelzimmer. Nach verfassungsmäßiger Auslegung sei § 11 Sozialgesetzbuch, 5. Buch (SGB V) so zu interpretieren, dass jeder Versicherte Krankenhausbehandlung im Einzelzimmer beanspruchen könne. Die Rechnung des Klinikums P über die Kosten i.H.v. 1.044,48 EUR für die Unterbringung im Einzelzimmer wurde beigefügt.
Mit Bescheid vom 05.03.2012 wurde der Antrag auf Kostenerstattung abgelehnt. Zur Begründung wurde ausgeführt, die stationäre Behandlung beinhalte im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht die Unterbringung in einem Einbettzimmer bei vorhandenen Mehrbettzimmern. Eine solche Unterbringung könne lediglich als Wahlleistung in Anspruch genommen werden. Diese Wahlleistung müsse jedoch durch den Versicherten selbst durch eine von ihm abzuschließende Zusatzversicherung finanziert werden. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass die Leistungen nach § 12 SGB V ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen. Eine Beschränkung der verfassungsmäßigen Grundrechte durch § 12 SGB V liege nicht vor.
Mit Schreiben vom 15.03.2012 erhob die Klägerin Widerspruch. Die Begründung sei nicht überzeugend. Die Beklagte habe lediglich Allgemeinplätze genannt. Sie habe keine Regelung benannt, die vorschreibe, dass stationäre Behandlung in Mehrbettzimmern zu erbringen ist.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.05.2012 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung führte die Beklagte nochmals aus, dass die Unterbringung im Einbettzimmer nicht Bestandteil des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung sei. Im Übrigen hätte sich die Klägerin vor Inanspruchnahme der Leistung mit der Beklagten in Verbindung setzen müssen, um einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V geltend machen zu können.
Nachdem die Klägerin bereits am 15.03.2012 Klage erhoben hatte, begehrt sie nach Erteilung des Widerspruchsbescheides weiterhin die Erstattung der ihr entstandenen Kosten. Die Beklagte sei verpflichtet, die Mehrkosten für die Inanspruchnahme eines Einzelzimmers zu erstatten. Es sei nicht ersichtlich, auf welcher rechtlichen Grundlage der Anspruch abzulehnen sei. In keiner der von der Beklagten zitierten gesetzlichen Bestimmungen sei geregelt, dass Versicherte keinen Anspruch auf stationäre Behandlung im Einbettzimmer haben. Die Unterbringung in einem Mehrbettzimmer sei für den Heilungsprozess kontraindiziert und verstoße gegen Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Als Körperschaft des öffentlichen Rechts sei die Beklagte verpflichtet, für eine Unterbringung im Einbettzimmer zu sorgen. In Mehrbettzimmern sei man durchgehend einem gewaltigen Stress ausgesetzt. Der Kranke erlebe eine Art Dschungelcamp. Nachts komme man nicht zum Schlafen, weil Mitpatienten fernsehen, laut schnarchen oder versorgt werden müssen. Es sei auch zu befürchten, dass man sich mit multiresistenten Keimen infiziere. Tagsüber könne man sich auch nicht erholen, da Mitpatienten viel Besuch bekämen. Der Hinweis der Beklagten auf § 13 Abs. 3 SGB V verstoße gegen Treu und Glauben. Außerdem habe die Klägerin bereits am 17.10.2011 einen Antrag gestellt.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 18.10.2011 und 05.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2012 zu verurteilen, die Mehrkosten für die Unterbringung im Einzelzimmer in Höhe von 1044,48 Euro zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, der angefochtene Bescheid entspreche der Sach- und Rechtslage. Die Unterbringung in einem Einbettzimmer übersteige in der Regel das Maß des Notwendigen. Würde man der Argumentation der Klägerin folgen, hätten Städte und Kommunen auch für eine Beförderung von Einzelpersonen zu sorgen. Auch der Hinweis auf § 13 Abs. 3 SGB V sei berechtigt, denn die Klägerin habe die Beklagte erst nach Behandlungsbeginn am 17.10.2011 informiert.
Wegen der weiteren Einzelheiten im Sach- und Streitstand nimmt die Kammer Bezug auf den Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Verwaltungsakte. Dieser war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Die Klägerin ist durch die Bescheide vom 18.10.2011 und 15.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2012 nicht in ihren Rechten § 54 Abs 2 S 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verletzt. Die Bescheide sind rechtmäßig.
Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Erstattung der Mehrkosten für die Behandlung im Einzelzimmer für die stationäre Behandlung in der Zeit vom 12.10.2011 bis 30.10.2011.
Das System der gesetzlichen Krankenversicherung erlaubt eine Kostenerstattung nur in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen. Nach § 13 Abs 3 S 1 Sozialgesetzbuch, 5. Buch (SGB V) sind die Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung von der Krankenkasse zu erstatten, wenn entweder eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbracht werden konnte oder die Krankenkasse die Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch einem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Der in Betracht kommende Kostenerstattungsanspruch reicht dabei nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch. Er setzt daher voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (std. Rspr. BSGE 79, 125).
Die Voraussetzungen für eine Kostenerstattung sind vorliegend schon deshalb nicht gegeben, weil der Klägerin keine Kosten dadurch entstanden sind, dass die Beklagte die Leistung abgelehnt hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) scheidet nämlich ein auf die Verweigerung der Sachleistung gestützter Erstattungsanspruch dann aus, wenn sich der Versicherte die Leistung besorgt hat, ohne die Krankenkasse einzuschalten und ihre Prüfung abzuwarten (BSG, Urteil vom 14.12.2006, B 1 KR 8/06 R; BSGE 98, 26). Unabhängig davon, ob von einem formell wirksamen Antrag bei Übermittlung auf elektronischem ausgegangen werden kann, hatte die Klägerin zu diesem Zeitpunkt die stationäre Behandlung bereits begonnen und für eine Behandlung im Einzelzimmer offenbar auf der Grundlage eines Vertrages mit dem Krankenhaus gesorgt. Damit hat sich die Klägerin durch die Selbstbeschaffung der Leistung vor einer Entscheidung der Beklagten außerhalb des Systems begeben, so dass sich die Beklagte mit dem konkreten Leistungsbegehren der Klägerin ggf. unter Berücksichtigung medizinischer Aspekte gar nicht mehr rechtzeitig befassen konnte. § 13 Abs 3 SGB V gewährt einen Erstattungsanspruch für den Ausnahmefall, dass eine von der Krankenkasse geschuldete notwendige Behandlung infolge eines Mangels im Leistungssystem der Krankenversicherung als Dienst- oder Sachleistung nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt werden kann. Dementsprechend muss bereits nach dem Wortlaut und nach dem Zweck der Vorschrift zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand und dem Nachteil des Versicherten ein Ursachenzusammenhang bestehen. Daran fehlt es, wenn die Kasse vor Inanspruchnahme der Behandlung mit dem Leistungsbegehren gar nicht befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre (BSG aaO). So lag der Fall hier. Die Klägerin hat bereits vor der Entscheidung der Beklagten für eine Unterbringung im Einzelzimmer gesorgt und hat damit der Krankenkasse die Möglichkeit genommen, eine individuelle Prüfung unter Berücksichtigung der medizinischen Besonderheiten vorzunehmen.
Darüber hinaus geht die Klägerin auch fehl in der Annahme, die selbstbeschaffte Leistung gehöre zu denjenigen, die die Krankenkassen allgemein als Sachleistung zu erbringen habe.
Ein Anspruch auf Unterbringung in einem Einzelzimmer während der Dauer einer stationären Behandlung existiert nach den Vorschriften des SGB V nicht und kann auch nicht aus anderen höherrangigen Vorschriften abgeleitet werden.
Der Anspruch auf stationäre Krankenhausbehandlung ist in §§ 11, 27 Abs 1 Nr 5, 39 SGB V geregelt. Von diesem Behandlungsanspruch ist im Grundsatz zunächst die stationäre Behandlung als solche umfasst. Diese beinhaltet die ärztliche und pflegerische Versorgung während der erforderlichen Dauer des stationären Aufenthaltes. In welcher Form die Unterbringung in der stationären Einrichtung zu erfolgen hat, hat der Gesetzgeber selbst nicht geregelt. Dies führt jedoch entgegen der Auffassung der Klägerin nicht dazu, dass unter Berücksichtigung einer grundrechtsorientierten Auslegung unabhängig von den jeweiligen individuellen medizinischen Verhältnissen eine Unterbringung in einem Einzelzimmer beansprucht werden kann. Ziel einer stationären Krankenbehandlung ist es, eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern (§ 39 SGB V). Diese Ziele korrespondieren mit der Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern (§ 1 S 1SGB V). Nach § 107 Abs 1 SGB V gelten als spezifische Mittel eines Krankenhauses eine apparative Mindestausstattung, geschultes Pflegepersonal und jederzeit präsente oder rufbereite Ärzte (BSGE 59, 116 ff. - std.Rspr). Bereits die Wortwahl des Gesetzgebers durch Verwendung des Wortes "vorwiegend" in § 107 Abs 1 SGB V weist darauf hin, dass es sich bei der stationären Krankenhausbehandlung um eine Komplexleistung handelt, die je nach Einzelfall völlig unterschiedliche Bestandteile haben kann und bei der die individuelle Situation des Versicherten grundsätzlich im Vordergrund steht. Die Entscheidung darüber, ob nur mit einer Behandlung im Einzelzimmer das Ziel der stationären Behandlung erreicht werden kann, trifft jedoch der behandelnde Krankenhausarzt, der insoweit die Therapiehoheit inne hat und unter Berücksichtigung der individuellen medizinischen Gegebenheiten ggf. für eine Unterbringung eines Patienten im Einzelzimmer Sorge zu tragen hat.
Dass derartige Verhältnisse unmittelbar vor oder während der stationären Behandlung vom 12.10.- 30.10.2011 vorgelegen haben, wird von der Klägerin weder vorgetragen noch sind Anhaltspunkte hierfür ersichtlich. Über eine solche konkret-individuelle Sichtweise hinaus kann die Klägerin als gesetzlich Krankenversicherte nicht von der Beklagten verlangen, grundsätzlich während einer stationären Behandlung in einem Einzelzimmer untergebracht zu werden.
Der in § 27 Abs 1 S 1 Nr 5 i.V.m. § 39 SGB V niedergelegte Anspruch auf stationäre Behandlung wurde im Falle der Klägerin erfüllt. Die Kosten für die im Grundsatz erforderliche stationäre Behandlung im Klinikum P hat die Beklagte vollumfänglich übernommen. Ein darüberhinausgehender Anspruch auf Unterbringung im Einzelzimmer während einer stationären Behandlung unabhängig von den individuellen medizinischen Verhältnissen sieht das Gesetz nicht vor.
Dass insoweit eine von Verfassungs wegen ausfüllungsbedürftige Regelungslücke besteht, ist nach Auffassung der Kammer nicht zu erkennen. Nach § 12 Abs 1 SGB V müssen die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Diese Vorschrift manifestiert das Wirtschaftlichkeitsgebot im Bereich der gesetzlichen Kranken-versicherung. Es handelt sich um eine Grundsatznorm des Leistungsrechts, bei der der Inhalt der Leistungen bestimmt und eingegrenzt wird. Mit dem Gebot der Wirtschaftlichkeit beschreibt die Vorschrift das Spannungsverhältnis zwischen Individualmedizin einerseits und finanziell wirtschaftlichen Grenzen andererseits. Die Vorschrift soll daher den notwendigen Leistungsstandard gewährleisten, aber auch Leistungen im Übermaß verhindern. Dies hat zur Folge, dass § 12 Abs 1S 1 SGB V als Leitnorm bei allen einzelnen Anspruchsgrundlagen beachtet werden muss (vgl. BSG, Urteil vom 28.04.2004, B 6 KA 24/03 R). Damit beinhalten die Vorschriften des SGB V nicht grundsätzlich Ansprüche auf bestimmte, vom Versicherten selbst oder seinen Ärzten befürwortete medizinische Maßnahmen, den Versicherten steht vielmehr ein Rahmenrecht zu mit der Folge, dass sie ihre Ansprüche nur innerhalb der Vorgaben des Leistungserbringungsrechts verwirklichen können. So ist beispielsweise nach verbindlicher Festlegung durch Richtlinien nach § 135 SGB V, welche neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zum vertragsärztlichen Leistungsspektrum gehören, dem Versicherten der Einwand verwehrt, die Methode sei dennoch zweckmäßig und wirksam (BSG, Urteil vom 16.09.1997, 1 RK 28/95, BSGE 81, 54). Dementsprechend ist es auch mit Verfassungsrecht vereinbar, wenn ein Leistungsanspruch erst dann entsteht, wenn die Voraussetzungen einer gesetzlichen Anspruchsgrundlage erfüllt sind (Bundesverfassungsgericht –BverfG-, Beschluss vom 18.12.86). Der Gesetzgeber ist nicht gehalten, eine Kostenerstattung oder Pflicht zur Leistung aller Maßnahmen vorzusehen, die der Versicherte selbst oder seine Ärzte für notwendig erachten. Grundsätzlich ist nämlich darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber bei der Gestaltung des Sozialrechts einen weiten Einschätzungsspielraum nutzen kann. Dieser Wertungs- und Gestaltungsspielraum kommt dem Gesetzgeber auch dann zu, wenn er verfassungsrechtlich verpflichtet ist, wirksame und ausreichende Maßnahmen zum Schutz von verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern wie das der Gesundheit und des Schutzes der Privatsphäre zu ergreifen (ständ. Rechtsprechung des BVerfG, Urteil vom 28.05.1993, 2 BvF 2/90, BVerfGE 88, 203, BVerfGE 50, 290; 76, 1; 77, 170).
Der Klägerin ist zwar darin Recht zu geben, dass die verfassungsrechtlich garantierten Grundrechte sowie Art. 1 Abs. 1 GG bei der Auslegung von Normen immer Berücksichtigung finden müssen. Ein allgemeiner Leistungsanspruch kann hieraus jedoch nicht abgeleitet werden.
Etwas anderes kann nach der Rechtsprechung des BVerfG nur dann gelten, wenn eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung gegeben ist. Hierzu hat das BVerfG in seinem Beschluss vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98) entschieden, dass es mit den Grundrechten aus Art 2 Abs 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip und aus Art 2 Abs 2 S 1 GG nicht vereinbar ist, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Auch insoweit hat das BVerfG betont, dass sich im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung kein verfassungsrechtlicher Anspruch auf bestimmte Leistungen der Krankenbehandlung ableiten lässt. Leistungsausschlüsse oder -begrenzungen sind daraufhin zu prüfen sind, ob sie nach Art 2 Abs 1 GG gerechtfertigt sind. Die Gestaltung des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung hat sich nämlich an der objektiv-rechtlichen Pflicht des Staates zu orientieren, sich schützend und fördernd vor die Rechtsgüter des Grundgesetzes zu stellen. Dies hat insbesondere in den Fällen der Behandlung einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung zu erfolgen. Dabei hat das BVerfG auch nochmals betont, dass es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass die gesetzliche Krankenversicherung dem Versicherten Leistungen nach dem allgemeinen Leistungskatalog nur unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots zur Verfügung stellt.
Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte kommt im Falle der Klägerin keine dahingehende grundrechtsorientierte Auslegung der Bestimmungen des SGB V in Betracht, dass grundsätzlich eine Verpflichtung der gesetzlichen Krankenkasse anzunehmen ist, die Kosten für ein Einzelzimmer während der Dauer einer stationären Behandlung zu tragen. Zunächst weist die Kammer darauf hin, dass die von der Klägerin geltend gemachten Umstände während der Dauer einer stationären Behandlung je nach gesundheitlicher Verfassung, Dauer des Aufenthalts, Art und Durchführung der erfor¬derlichen Therapie sehr unterschiedlich sein können. Auch die äußeren Umstände im Hinblick auf das zur Verfügung stehende ärztliche und pflegerische Personal können stark differieren und die Qualität einer Krankenhausbehandlung beeinflussen. Die Kammer ist sich dabei bewusst, dass dies Auswirkungen auf den Genesungsprozess des Versicherten haben kann, dennoch lassen die insoweit auftretenden Risiken nicht auf ein dahingehendes - auf Verfassungsrecht zu stützendes - Gebot schließen, stationäre Krankenhausbehandlung lediglich in Einzelzimmern zur Verfügung zu stellen. Das bereits erwähnte Ziel stationärer Behandlung kann nämlich auch bei Inanspruchnahme von Mehrbettzimmern erreicht werden, wenngleich dies mit vorübergehenden - nach Auffassung der Kammer eher geringgradigen - Einschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit verbunden sein kann. So ist die nächtliche Ruhestörung, die bei der Versorgung von Mitpatienten während der Dauer einer stationären Behandlung entstehen kann, durchaus zumutbar. Ruhestörungen, die tagsüber auftreten, können in Absprache mit dem Klinikpersonal und den Mitpatienten auf ein erträgliches Maß reduziert werden, was ebenso für das Bedürfnis von Zimmernachbarn gilt, während der Dauer der stationären Behandlung Medien wie Fernsehen oder Radio zu nutzen.
Der Gefahr, sich im Rahmen einer stationären Behandlung mit einem Krankenhauskeim anzustecken, kann im Übrigen nicht durch die gewünschte Zuweisung von Einzelzimmern entgegengetreten werden. Hierfür sind die den Krankenhausträgern auferlegten Hygieneanordnungen sowohl bei der Behandlung von Versicherten in Mehrbettzimmern wie in Einzelzimmern genau zu befolgen.
Ein Verstoß gegen Art 1 S 1 GG ist nicht zu erkennen. Das Grundrecht aus Art 1 Abs 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip ist als Gewährleistungsrecht zu betrachten. Es ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden, bedarf aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber, der die zu erbringenden Leistungen an den jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen auszurichten hat. Dabei steht ihm ein Gestaltungsspielraum zu (BVerfG, 09.02.2010, 1 BvL 1/09). Es mag zwar sein, dass aufgrund der zunehmenden Individualisierung der Gesellschaft ein Wandel dahingehend stattgefunden hat, dass die stationäre Behandlung in Mehrbettzimmern als Folge eines durch allgemeinen Wohlstand entstandenen Anspruchsdenkens zunehmend nicht gewünscht wird. Es ist allerdings keinesfalls Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung, einer solchen Entwicklung Rechnung zu tragen, indem sie Leistungen zur Verfügung stellt, die sich als unwirtschaftlich darstellen, auch wenn sie dem Genesungsprozess durch einen ungestörten Klinikaufenthalt in Einzelfällen zuträglich sein mögen.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die Kosten für eine Unterbringung im Einzelzimmer während einer stationären Behandlung zu erstatten.
Die am 00.00.1940 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gegen Krankheit versichert. Mit E-Mail vom 17.10.2011 wies sie darauf hin, dass sie im Krankenhaus P am linken Fuß operiert wird. Sie beantragte die Übernahme der Kosten für eine Unterbringung im Einzelzimmer.
Der Klägerin wurde am 18.10.2011 ebenfalls auf elektronischem Weg mitgeteilt, dass sie im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht die Möglichkeit habe, für einen Krankenhausaufenthalt ein Einzelzimmer zu wählen.
In der Zeit vom 12.10.2011 bis 30.10.2011 war die Klägerin in stationärer Behandlung im Klinikum P. Mit Schreiben vom 26.02.2012 beantragte der Ehemann der Klägerin die Aufhebung der Ablehnung vom 18.10.2011 und bat um Erstattung der Mehrkosten für das in Anspruch genommene Einzelzimmer. Nach verfassungsmäßiger Auslegung sei § 11 Sozialgesetzbuch, 5. Buch (SGB V) so zu interpretieren, dass jeder Versicherte Krankenhausbehandlung im Einzelzimmer beanspruchen könne. Die Rechnung des Klinikums P über die Kosten i.H.v. 1.044,48 EUR für die Unterbringung im Einzelzimmer wurde beigefügt.
Mit Bescheid vom 05.03.2012 wurde der Antrag auf Kostenerstattung abgelehnt. Zur Begründung wurde ausgeführt, die stationäre Behandlung beinhalte im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht die Unterbringung in einem Einbettzimmer bei vorhandenen Mehrbettzimmern. Eine solche Unterbringung könne lediglich als Wahlleistung in Anspruch genommen werden. Diese Wahlleistung müsse jedoch durch den Versicherten selbst durch eine von ihm abzuschließende Zusatzversicherung finanziert werden. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass die Leistungen nach § 12 SGB V ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen. Eine Beschränkung der verfassungsmäßigen Grundrechte durch § 12 SGB V liege nicht vor.
Mit Schreiben vom 15.03.2012 erhob die Klägerin Widerspruch. Die Begründung sei nicht überzeugend. Die Beklagte habe lediglich Allgemeinplätze genannt. Sie habe keine Regelung benannt, die vorschreibe, dass stationäre Behandlung in Mehrbettzimmern zu erbringen ist.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.05.2012 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung führte die Beklagte nochmals aus, dass die Unterbringung im Einbettzimmer nicht Bestandteil des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung sei. Im Übrigen hätte sich die Klägerin vor Inanspruchnahme der Leistung mit der Beklagten in Verbindung setzen müssen, um einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V geltend machen zu können.
Nachdem die Klägerin bereits am 15.03.2012 Klage erhoben hatte, begehrt sie nach Erteilung des Widerspruchsbescheides weiterhin die Erstattung der ihr entstandenen Kosten. Die Beklagte sei verpflichtet, die Mehrkosten für die Inanspruchnahme eines Einzelzimmers zu erstatten. Es sei nicht ersichtlich, auf welcher rechtlichen Grundlage der Anspruch abzulehnen sei. In keiner der von der Beklagten zitierten gesetzlichen Bestimmungen sei geregelt, dass Versicherte keinen Anspruch auf stationäre Behandlung im Einbettzimmer haben. Die Unterbringung in einem Mehrbettzimmer sei für den Heilungsprozess kontraindiziert und verstoße gegen Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Als Körperschaft des öffentlichen Rechts sei die Beklagte verpflichtet, für eine Unterbringung im Einbettzimmer zu sorgen. In Mehrbettzimmern sei man durchgehend einem gewaltigen Stress ausgesetzt. Der Kranke erlebe eine Art Dschungelcamp. Nachts komme man nicht zum Schlafen, weil Mitpatienten fernsehen, laut schnarchen oder versorgt werden müssen. Es sei auch zu befürchten, dass man sich mit multiresistenten Keimen infiziere. Tagsüber könne man sich auch nicht erholen, da Mitpatienten viel Besuch bekämen. Der Hinweis der Beklagten auf § 13 Abs. 3 SGB V verstoße gegen Treu und Glauben. Außerdem habe die Klägerin bereits am 17.10.2011 einen Antrag gestellt.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 18.10.2011 und 05.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2012 zu verurteilen, die Mehrkosten für die Unterbringung im Einzelzimmer in Höhe von 1044,48 Euro zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, der angefochtene Bescheid entspreche der Sach- und Rechtslage. Die Unterbringung in einem Einbettzimmer übersteige in der Regel das Maß des Notwendigen. Würde man der Argumentation der Klägerin folgen, hätten Städte und Kommunen auch für eine Beförderung von Einzelpersonen zu sorgen. Auch der Hinweis auf § 13 Abs. 3 SGB V sei berechtigt, denn die Klägerin habe die Beklagte erst nach Behandlungsbeginn am 17.10.2011 informiert.
Wegen der weiteren Einzelheiten im Sach- und Streitstand nimmt die Kammer Bezug auf den Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Verwaltungsakte. Dieser war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Die Klägerin ist durch die Bescheide vom 18.10.2011 und 15.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2012 nicht in ihren Rechten § 54 Abs 2 S 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verletzt. Die Bescheide sind rechtmäßig.
Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Erstattung der Mehrkosten für die Behandlung im Einzelzimmer für die stationäre Behandlung in der Zeit vom 12.10.2011 bis 30.10.2011.
Das System der gesetzlichen Krankenversicherung erlaubt eine Kostenerstattung nur in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen. Nach § 13 Abs 3 S 1 Sozialgesetzbuch, 5. Buch (SGB V) sind die Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung von der Krankenkasse zu erstatten, wenn entweder eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbracht werden konnte oder die Krankenkasse die Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch einem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Der in Betracht kommende Kostenerstattungsanspruch reicht dabei nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch. Er setzt daher voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (std. Rspr. BSGE 79, 125).
Die Voraussetzungen für eine Kostenerstattung sind vorliegend schon deshalb nicht gegeben, weil der Klägerin keine Kosten dadurch entstanden sind, dass die Beklagte die Leistung abgelehnt hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) scheidet nämlich ein auf die Verweigerung der Sachleistung gestützter Erstattungsanspruch dann aus, wenn sich der Versicherte die Leistung besorgt hat, ohne die Krankenkasse einzuschalten und ihre Prüfung abzuwarten (BSG, Urteil vom 14.12.2006, B 1 KR 8/06 R; BSGE 98, 26). Unabhängig davon, ob von einem formell wirksamen Antrag bei Übermittlung auf elektronischem ausgegangen werden kann, hatte die Klägerin zu diesem Zeitpunkt die stationäre Behandlung bereits begonnen und für eine Behandlung im Einzelzimmer offenbar auf der Grundlage eines Vertrages mit dem Krankenhaus gesorgt. Damit hat sich die Klägerin durch die Selbstbeschaffung der Leistung vor einer Entscheidung der Beklagten außerhalb des Systems begeben, so dass sich die Beklagte mit dem konkreten Leistungsbegehren der Klägerin ggf. unter Berücksichtigung medizinischer Aspekte gar nicht mehr rechtzeitig befassen konnte. § 13 Abs 3 SGB V gewährt einen Erstattungsanspruch für den Ausnahmefall, dass eine von der Krankenkasse geschuldete notwendige Behandlung infolge eines Mangels im Leistungssystem der Krankenversicherung als Dienst- oder Sachleistung nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt werden kann. Dementsprechend muss bereits nach dem Wortlaut und nach dem Zweck der Vorschrift zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand und dem Nachteil des Versicherten ein Ursachenzusammenhang bestehen. Daran fehlt es, wenn die Kasse vor Inanspruchnahme der Behandlung mit dem Leistungsbegehren gar nicht befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre (BSG aaO). So lag der Fall hier. Die Klägerin hat bereits vor der Entscheidung der Beklagten für eine Unterbringung im Einzelzimmer gesorgt und hat damit der Krankenkasse die Möglichkeit genommen, eine individuelle Prüfung unter Berücksichtigung der medizinischen Besonderheiten vorzunehmen.
Darüber hinaus geht die Klägerin auch fehl in der Annahme, die selbstbeschaffte Leistung gehöre zu denjenigen, die die Krankenkassen allgemein als Sachleistung zu erbringen habe.
Ein Anspruch auf Unterbringung in einem Einzelzimmer während der Dauer einer stationären Behandlung existiert nach den Vorschriften des SGB V nicht und kann auch nicht aus anderen höherrangigen Vorschriften abgeleitet werden.
Der Anspruch auf stationäre Krankenhausbehandlung ist in §§ 11, 27 Abs 1 Nr 5, 39 SGB V geregelt. Von diesem Behandlungsanspruch ist im Grundsatz zunächst die stationäre Behandlung als solche umfasst. Diese beinhaltet die ärztliche und pflegerische Versorgung während der erforderlichen Dauer des stationären Aufenthaltes. In welcher Form die Unterbringung in der stationären Einrichtung zu erfolgen hat, hat der Gesetzgeber selbst nicht geregelt. Dies führt jedoch entgegen der Auffassung der Klägerin nicht dazu, dass unter Berücksichtigung einer grundrechtsorientierten Auslegung unabhängig von den jeweiligen individuellen medizinischen Verhältnissen eine Unterbringung in einem Einzelzimmer beansprucht werden kann. Ziel einer stationären Krankenbehandlung ist es, eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern (§ 39 SGB V). Diese Ziele korrespondieren mit der Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern (§ 1 S 1SGB V). Nach § 107 Abs 1 SGB V gelten als spezifische Mittel eines Krankenhauses eine apparative Mindestausstattung, geschultes Pflegepersonal und jederzeit präsente oder rufbereite Ärzte (BSGE 59, 116 ff. - std.Rspr). Bereits die Wortwahl des Gesetzgebers durch Verwendung des Wortes "vorwiegend" in § 107 Abs 1 SGB V weist darauf hin, dass es sich bei der stationären Krankenhausbehandlung um eine Komplexleistung handelt, die je nach Einzelfall völlig unterschiedliche Bestandteile haben kann und bei der die individuelle Situation des Versicherten grundsätzlich im Vordergrund steht. Die Entscheidung darüber, ob nur mit einer Behandlung im Einzelzimmer das Ziel der stationären Behandlung erreicht werden kann, trifft jedoch der behandelnde Krankenhausarzt, der insoweit die Therapiehoheit inne hat und unter Berücksichtigung der individuellen medizinischen Gegebenheiten ggf. für eine Unterbringung eines Patienten im Einzelzimmer Sorge zu tragen hat.
Dass derartige Verhältnisse unmittelbar vor oder während der stationären Behandlung vom 12.10.- 30.10.2011 vorgelegen haben, wird von der Klägerin weder vorgetragen noch sind Anhaltspunkte hierfür ersichtlich. Über eine solche konkret-individuelle Sichtweise hinaus kann die Klägerin als gesetzlich Krankenversicherte nicht von der Beklagten verlangen, grundsätzlich während einer stationären Behandlung in einem Einzelzimmer untergebracht zu werden.
Der in § 27 Abs 1 S 1 Nr 5 i.V.m. § 39 SGB V niedergelegte Anspruch auf stationäre Behandlung wurde im Falle der Klägerin erfüllt. Die Kosten für die im Grundsatz erforderliche stationäre Behandlung im Klinikum P hat die Beklagte vollumfänglich übernommen. Ein darüberhinausgehender Anspruch auf Unterbringung im Einzelzimmer während einer stationären Behandlung unabhängig von den individuellen medizinischen Verhältnissen sieht das Gesetz nicht vor.
Dass insoweit eine von Verfassungs wegen ausfüllungsbedürftige Regelungslücke besteht, ist nach Auffassung der Kammer nicht zu erkennen. Nach § 12 Abs 1 SGB V müssen die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Diese Vorschrift manifestiert das Wirtschaftlichkeitsgebot im Bereich der gesetzlichen Kranken-versicherung. Es handelt sich um eine Grundsatznorm des Leistungsrechts, bei der der Inhalt der Leistungen bestimmt und eingegrenzt wird. Mit dem Gebot der Wirtschaftlichkeit beschreibt die Vorschrift das Spannungsverhältnis zwischen Individualmedizin einerseits und finanziell wirtschaftlichen Grenzen andererseits. Die Vorschrift soll daher den notwendigen Leistungsstandard gewährleisten, aber auch Leistungen im Übermaß verhindern. Dies hat zur Folge, dass § 12 Abs 1S 1 SGB V als Leitnorm bei allen einzelnen Anspruchsgrundlagen beachtet werden muss (vgl. BSG, Urteil vom 28.04.2004, B 6 KA 24/03 R). Damit beinhalten die Vorschriften des SGB V nicht grundsätzlich Ansprüche auf bestimmte, vom Versicherten selbst oder seinen Ärzten befürwortete medizinische Maßnahmen, den Versicherten steht vielmehr ein Rahmenrecht zu mit der Folge, dass sie ihre Ansprüche nur innerhalb der Vorgaben des Leistungserbringungsrechts verwirklichen können. So ist beispielsweise nach verbindlicher Festlegung durch Richtlinien nach § 135 SGB V, welche neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zum vertragsärztlichen Leistungsspektrum gehören, dem Versicherten der Einwand verwehrt, die Methode sei dennoch zweckmäßig und wirksam (BSG, Urteil vom 16.09.1997, 1 RK 28/95, BSGE 81, 54). Dementsprechend ist es auch mit Verfassungsrecht vereinbar, wenn ein Leistungsanspruch erst dann entsteht, wenn die Voraussetzungen einer gesetzlichen Anspruchsgrundlage erfüllt sind (Bundesverfassungsgericht –BverfG-, Beschluss vom 18.12.86). Der Gesetzgeber ist nicht gehalten, eine Kostenerstattung oder Pflicht zur Leistung aller Maßnahmen vorzusehen, die der Versicherte selbst oder seine Ärzte für notwendig erachten. Grundsätzlich ist nämlich darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber bei der Gestaltung des Sozialrechts einen weiten Einschätzungsspielraum nutzen kann. Dieser Wertungs- und Gestaltungsspielraum kommt dem Gesetzgeber auch dann zu, wenn er verfassungsrechtlich verpflichtet ist, wirksame und ausreichende Maßnahmen zum Schutz von verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern wie das der Gesundheit und des Schutzes der Privatsphäre zu ergreifen (ständ. Rechtsprechung des BVerfG, Urteil vom 28.05.1993, 2 BvF 2/90, BVerfGE 88, 203, BVerfGE 50, 290; 76, 1; 77, 170).
Der Klägerin ist zwar darin Recht zu geben, dass die verfassungsrechtlich garantierten Grundrechte sowie Art. 1 Abs. 1 GG bei der Auslegung von Normen immer Berücksichtigung finden müssen. Ein allgemeiner Leistungsanspruch kann hieraus jedoch nicht abgeleitet werden.
Etwas anderes kann nach der Rechtsprechung des BVerfG nur dann gelten, wenn eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung gegeben ist. Hierzu hat das BVerfG in seinem Beschluss vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98) entschieden, dass es mit den Grundrechten aus Art 2 Abs 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip und aus Art 2 Abs 2 S 1 GG nicht vereinbar ist, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Auch insoweit hat das BVerfG betont, dass sich im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung kein verfassungsrechtlicher Anspruch auf bestimmte Leistungen der Krankenbehandlung ableiten lässt. Leistungsausschlüsse oder -begrenzungen sind daraufhin zu prüfen sind, ob sie nach Art 2 Abs 1 GG gerechtfertigt sind. Die Gestaltung des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung hat sich nämlich an der objektiv-rechtlichen Pflicht des Staates zu orientieren, sich schützend und fördernd vor die Rechtsgüter des Grundgesetzes zu stellen. Dies hat insbesondere in den Fällen der Behandlung einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung zu erfolgen. Dabei hat das BVerfG auch nochmals betont, dass es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass die gesetzliche Krankenversicherung dem Versicherten Leistungen nach dem allgemeinen Leistungskatalog nur unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots zur Verfügung stellt.
Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte kommt im Falle der Klägerin keine dahingehende grundrechtsorientierte Auslegung der Bestimmungen des SGB V in Betracht, dass grundsätzlich eine Verpflichtung der gesetzlichen Krankenkasse anzunehmen ist, die Kosten für ein Einzelzimmer während der Dauer einer stationären Behandlung zu tragen. Zunächst weist die Kammer darauf hin, dass die von der Klägerin geltend gemachten Umstände während der Dauer einer stationären Behandlung je nach gesundheitlicher Verfassung, Dauer des Aufenthalts, Art und Durchführung der erfor¬derlichen Therapie sehr unterschiedlich sein können. Auch die äußeren Umstände im Hinblick auf das zur Verfügung stehende ärztliche und pflegerische Personal können stark differieren und die Qualität einer Krankenhausbehandlung beeinflussen. Die Kammer ist sich dabei bewusst, dass dies Auswirkungen auf den Genesungsprozess des Versicherten haben kann, dennoch lassen die insoweit auftretenden Risiken nicht auf ein dahingehendes - auf Verfassungsrecht zu stützendes - Gebot schließen, stationäre Krankenhausbehandlung lediglich in Einzelzimmern zur Verfügung zu stellen. Das bereits erwähnte Ziel stationärer Behandlung kann nämlich auch bei Inanspruchnahme von Mehrbettzimmern erreicht werden, wenngleich dies mit vorübergehenden - nach Auffassung der Kammer eher geringgradigen - Einschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit verbunden sein kann. So ist die nächtliche Ruhestörung, die bei der Versorgung von Mitpatienten während der Dauer einer stationären Behandlung entstehen kann, durchaus zumutbar. Ruhestörungen, die tagsüber auftreten, können in Absprache mit dem Klinikpersonal und den Mitpatienten auf ein erträgliches Maß reduziert werden, was ebenso für das Bedürfnis von Zimmernachbarn gilt, während der Dauer der stationären Behandlung Medien wie Fernsehen oder Radio zu nutzen.
Der Gefahr, sich im Rahmen einer stationären Behandlung mit einem Krankenhauskeim anzustecken, kann im Übrigen nicht durch die gewünschte Zuweisung von Einzelzimmern entgegengetreten werden. Hierfür sind die den Krankenhausträgern auferlegten Hygieneanordnungen sowohl bei der Behandlung von Versicherten in Mehrbettzimmern wie in Einzelzimmern genau zu befolgen.
Ein Verstoß gegen Art 1 S 1 GG ist nicht zu erkennen. Das Grundrecht aus Art 1 Abs 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip ist als Gewährleistungsrecht zu betrachten. Es ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden, bedarf aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber, der die zu erbringenden Leistungen an den jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen auszurichten hat. Dabei steht ihm ein Gestaltungsspielraum zu (BVerfG, 09.02.2010, 1 BvL 1/09). Es mag zwar sein, dass aufgrund der zunehmenden Individualisierung der Gesellschaft ein Wandel dahingehend stattgefunden hat, dass die stationäre Behandlung in Mehrbettzimmern als Folge eines durch allgemeinen Wohlstand entstandenen Anspruchsdenkens zunehmend nicht gewünscht wird. Es ist allerdings keinesfalls Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung, einer solchen Entwicklung Rechnung zu tragen, indem sie Leistungen zur Verfügung stellt, die sich als unwirtschaftlich darstellen, auch wenn sie dem Genesungsprozess durch einen ungestörten Klinikaufenthalt in Einzelfällen zuträglich sein mögen.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
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