L 7 AS 194/14

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 51 AS 2486/12
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 194/14
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Antrag auf Urteilsergänzung ist unzulässig, wenn er nicht auf die Schließung einer Entscheidungslücke abzielt, sondern nur die Korrektur einer nach Ansicht des Klägers inhaltlich falschen Entscheidung zum Ziel hat.
Ein im ursprünglichen Verfahren gestellter Antrag auf Zurückweisung an das erstinstanzliche Gericht ist lediglich eine verfahrensbezogene Anregung des Klägers. Das Fehlen einer ausdrücklichen ablehenden Entscheidung zur Zurückverweisung ist keine Entscheidungslücke im Sinn von § 140 SGG.
I. Der Antrag auf Ergänzung des Urteils vom 30. Januar 2014, Az. L 7 AS 675/13, wird abgelehnt.

II. Die außergerichtlichen Kosten dieses Verfahrens sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Die Kläger begehren die Ergänzung eines Urteils des Bayerischen Landessozialgerichts (LSG) nach § 140 Sozialgerichtsgesetz (SGG). In dem vorangegangenen Verfahren hatten die Kläger vom beklagten Leistungsträger nach SGB II Schadensersatz in Höhe von mindestens 7,88 Milliarden Euro gefordert.

Der 1948 geborene Kläger und die 1948 geborene Klägerin erhielten bis 31.12.2004 Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) von der Landeshauptstadt A-Stadt. Ab 01.01.2005 bezogen die Kläger Arbeitslosengeld II vom Beklagten.

Die Kläger bewohnten zunächst in A-Stadt ein Haus mit 170 qm Wohnfläche und einer Grundmiete von monatlich 1.800,- Euro. Sie übten dort auch ihre Erwerbstätigkeit aus. Wegen Verzugs der Kläger mit den Mietzahlungen kündigte der Vermieter am 05.11.2004 fristlos. Nach einem Räumungsurteil erfolgte am 08.07.2005 die Zwangsräumung.

Nach einem ersten erfolglosen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz (Az. S 51 AS 366/05 ER) erhoben die Kläger am 08.11.2006 "Hauptsacheklage" zum Sozialgericht (SG) München (Az. S 51 AS 1777/06). Mit Beschluss vom 15.04.2009 verwies das SG die Klage, soweit Schadensersatzansprüche geltend gemacht wurden, an das Landgericht A-Stadt. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde zurückgewiesen (BayLSG, Beschluss vom 22.07.2009, L 7 AS 293/09 B). Die Klage wurde anschließend mit Gerichtsbescheid vom 13.12.2011 abgewiesen, bestätigt mit Urteil des LSG vom 29.03.2012 (Az. L 7 AS 1044/11).

Bereits am 19.07.2010 übermittelten die Kläger dem Beklagten per Telefax eine Aufstellung über eine Schadensersatzforderung mit einem Einmalbetrag von 7.880.994.337,45 Euro (7,88 Milliarden Euro) zuzüglich weiteren laufenden Schadensersatzzahlungen von täglich 50.000,- Euro.

Die Kläger erhoben am 07.09.2012 eine weitere Klage (Az. S 51 AS 2486/12) zum SG München. Die Verfahren vor dem SG München, namentlich das Eilverfahren S 51 AS 366/05 ER, hätten den rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht entsprochen und es sei zu Verletzungen von Verfassungsrechten gekommen. Das SG hätte die geltend gemachten Schadensersatzansprüche nicht an das Landgericht verweisen dürfen. Die Kläger hätten ausdrücklich eine Entscheidung der Gesamtsache durch das SG begehrt. Mindestens 17 Straftatbestände und 16 Verletzungen des Urheberrechtsgesetzes hätten die Schadensersatzforderungen aus Amtspflichtverletzungen ausgelöst. Es sei festzustellen, "dass die unbestrittenen und damit zur sofortigen Auszahlung verpflichteten Forderungen zu leisten seien". Die Schadensersatzsummen lägen dem Beklagten und dem Gericht vor.

Mit Gerichtsbescheid vom 19.09.2013 wies das SG München die Klage ab. Über die Verweisung des Schadensersatzanspruchs an das Landgericht A-Stadt sei schon zuvor rechtkräftig entschieden worden. Die Beschwerde (Az. L 7 AS 477/05 ER B) gegen den Beschluss im Eilverfahren S 51 AS 366/05 ER sei von den Klägern für erledigt erklärt worden. Eine Entscheidung zur Feststellung, dass die unbestrittenen Schadensersatzforderungen sofort zu leisten seien, ist den Entscheidungsgründen des Gerichtsbescheid nicht zu entnehmen.

Die Kläger legten am 07.10.2013 Berufung gegen den Gerichtsbescheid ein. Der Gerichtsbescheid verletze sie in ihren Menschen- und Grundrechten. Es werde beantragt, dass die Sache an das SG München zurückverwiesen werde. Alternativ werde beantragt, dass der Beklagte dazu verurteilt werde, "den unbestrittenen und überfälligen Rechnungsbetrag nebst Folgeauslösungen nach Rechnungslegung vom 19.07.2010" unverzüglich inklusive Verzinsungen an die Kläger auszubezahlen. Der Anspruch auf Schadensersatz beruhe auf Grundgesetz, EuGH-Rechtsprechung, EGMR-Rechtsprechung, Bürgerliches Gesetzbuch, § 116 SGB X, Versicherungsvertragsgesetz, Strafrecht, Urheberrecht, etc. Zur Gesamtsache seien keine Bescheide relevant. Die Sozialgerichte hätten Rechtsbeugung nach § 339 StGB begangen.

Nach Anhörung der Beteiligten wurde der Rechtsstreit mit Beschluss vom 28.01.2014 an das Landgericht A-Stadt verwiesen.

In der mündlichen Verhandlung vom 30.01.2014 haben die Kläger auf ihre schriftlich gestellten Anträge verwiesen und ergänzt, dass auch ein dreifacher Schadensersatz (24 Milliarden Euro) oder ein zwanzigfacher Schadensersatz (160 Milliarden Euro) denkbar sei.

Mit Urteil vom 30.01.2014 (Az. L 7 AS 675/13) hat das BayLSG die Berufung gegen den Gerichtsbescheid vom 19.09.2013 als unzulässig verworfen. Streitgegenstand im Berufungsverfahren sei lediglich noch die Auszahlung des Schadensersatzes in Höhe von ca. acht, 24 oder 160 Milliarden Euro. Die Kläger hätten deutlich gemacht, dass es im Berufungsverfahren nicht um Bescheide des Beklagten gehe. Für den - trotz erfolgter Verweisung - geltend gemachten Schadensersatzanspruch sei der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gemäß § 51 SGG nicht gegeben.

Die Kläger haben am 17.02.2014 gegen das Urteil "alle möglichen Rechtsmittel und Verfassungsmittel plus Mittel nach UN-Menschenrechte, EMRK bzw. Charta der Grundrechte der Europäischen Union" eingelegt und in Anspruch genommen, und u. a. beantragt, das Urteil vom 30.01.2014 zu ergänzen. Das Urteil sei zu "allen offenen und unterlassenen Entscheidungen zu ergänzen oder gleich das ganze Verfahren mit dem Urteil neu zu erarbeiten." Zur Begründung werde auf das EGMR-Urteil Airey vom 09.10.1092 [richtig 09.10.1979] und die weiteren Ausführungen dieses Schreibens verwiesen.

Der parallel gestellte Antrag auf Protokollberichtigung wurde mit Beschluss vom 14.04.2014 unter L 7 AS 675/13 abgelehnt. Der parallel gestellte Antrag auf Tatbestandsberichtigung wurde mit Beschluss vom 16.04.2014 unter L 7 AS 675/13 abgelehnt.

Die Kläger beantragen, das Urteil des LSG vom 30. Januar 2014 zu ergänzen.

Der Beklagte beantragt, den Antrag abzuweisen.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestands auf die Akten des Berufungsgerichts verwiesen.



Entscheidungsgründe:


Der Antrag auf Urteilsergänzung ist abzuweisen. Er ist bereits unzulässig, weil er nicht auf die Schließung einer Entscheidungslücke gerichtet ist, sondern auf eine inhaltlich andere Entscheidung.

Gemäß § 140 Abs. 1 Satz 1 SGG ist ein Urteil auf Antrag nachträglich zu ergänzen, wenn es einen von den Beteiligten erhobenen Anspruch oder den Kostenpunkt ganz oder teilweise übergangen hat. Der Antrag ist binnen eines Monats nach Zustellung des Urteils zu stellen (§ 140 Abs. 1 Satz 2 SGG). Er löst ein besonderes Verfahren aus (§ 140 Abs. 2 Satz 1 SGG). Wenn es sich nicht nur um den Kostenpunkt handelt, ist durch Urteil zu entscheiden (§ 140 Abs. 2 Satz 2 SGG). Die neue mündliche Verhandlung hat nur den nicht erledigten Teil des Rechtsstreits zum Gegenstand (§ 140 Abs. 3 SGG).

Ein Antrag nach § 140 SGG ist zulässig, wenn er auf die Schließung einer, auch nur vermeintlichen, Entscheidungslücke gerichtet ist. Ob die Entscheidung tatsächlich lückenhaft ist, ist bei der Begründetheit des Urteilsergänzungsantrags zu entscheiden (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., § 140 Rn. 3).

Unzulässig ist dagegen ein Antrag auf Urteilsergänzung, wenn er nicht auf die Schließung einer Entscheidungslücke abzielt, sondern nur die Korrektur einer nach Ansicht des Klägers inhaltlich falschen Entscheidung zum Ziel hat (BGH, Urteil vom 16.12.2005, V ZR 230/04, Rn. 13).

Die Kläger begehren im Verfahren der Urteilsergänzung unverändert den Betrag, den sie dem Beklagten mit Schreiben vom 19.07.2010 in Rechung gestellt haben. Diesen Antrag haben sie im Berufungsschreiben vom 07.10.2013 (dort Seite 6) ausdrücklich gestellt und sich in der mündlichen Verhandlung auf diesen schriftlichen Antrag bezogen. Im Ergänzungsantrag werden lediglich - juristisch nicht nachvollziehbare - Begründungen gegeben. Über diesen Anspruch hat das LSG im Urteil vom 30.01.2014 entschieden. Ansprüche, die das LSG im Urteil übergangen habe, wurden weder vorgetragen noch sind derartige Ansprüche ersichtlich.

Alternativ dazu hatten die Kläger im Berufungsverfahren die Zurückverweisung an das SG beantragt. Zum Antrag auf Zurückverweisung nimmt das Urteil vom 30.01.2014 nicht Stellung. Dabei handelt es sich aber nicht um einen übergangenen Anspruch im Sinn von § 140 SGG, sondern um eine verfahrensbezogene Anregung der Kläger.

Über die Kosten des Ergänzungsverfahrens ist gesondert zu entscheiden (Meyer-Ladewig, a.a.O. § 140 Rn. 3a). Da die Kläger vollständig unterlegen sind, sind entsprechend § 193 SGG keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Revision wurde nicht zugelassen, weil keine Gründe nach § 160 Abs. 2 SGG ersichtlich sind.
Rechtskraft
Aus
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