S 19 AL 352/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Cottbus (BRB)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 19 AL 352/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
1. Der Bescheid vom 19.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.10.2008 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Beendigung eines Verfahrens zur beruflichen Rehabilitation.

Der 1971 geborene Kläger, bei dem ein GdB von 100 vorliegt und der beiderseits vollständig taub, außerdem nicht höhentauglich ist und nicht an schnelldrehenden oder sich bewegenden Maschinen arbeiten darf, absolvierte eine Berufsausbildung zum Industriemechaniker für Betriebstechnik und war anschließend beschäftigt als Werkzeugmacher, Scharfschleifer, Schlosser, Lackierer und Sandstrahler; das letzte Beschäftigungsverhältnis bei der EMS J GmbH endete insolvenzbedingt zum Ablauf des 31.03.2000. Seit 04.04.2000 war der Kläger arbeitslos gemeldet. Auf seinen Antrag vom 11.10.2000 hin gewährte ihm die Beklagte bzw. absolvierte der Kläger einen Rehabilitationsvorbereitungslehrgang zur Berufsfindung bzw. zur Arbeitserprobung (02.04.2001 bis 31.07.2001) sowie vom 01.08.2001 bis zum 31.07.2003 eine Umschulung zum Bürokaufmann. Vom 09.08.2004 bis zum 20.08.2004 absolvierte der Kläger eine Trainingsmaßnahme bei der Firma Metallbau K, vom 01.09.2004 bis zum 31.10.2004 absolvierte er eine Probebeschäftigung bei der Firma Getränkegroßhandel P und vom 01.07.2006 bis zum 31.12.2006 nahm er an einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme teil. Daran anschließend war er vom 17.03.2008 bis zum 28.02.2009 als Touristikassistent bei der Firma S GmbH, Lübben, befristet beschäftigt; diese Beschäftigung wurde gefördert durch Mittel aus dem Regionalbudget des Landkreises sowie des Europäischen Sozialfonds. Zwischenzeitlich – mit Überleitung in das SGB II – war die Leistungs- und Integrationsverantwortung im Rahmen der Teilhabe am Arbeitsleben durch die ARGE LDS übernommen worden.

Mit Bescheid vom 19.09.2008 beendete die Beklagte das Verfahren zur beruflichen Rehabilitation per 16.09.2008 und wies den dagegen am 25.09.2008 eingelegten Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 23.10.2008 als unbegründet zurück.

Nach Auffassung der Beklagten endet das Rehabilitationsverfahren und damit die Leistungspflicht des zuständigen Trägers entsprechend der Zielsetzung des § 4 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX, wenn die Teilhabe am Arbeitsleben entsprechend den Neigungen und Fähigkeiten dauerhaft gesichert ist. Im Falle des Klägers sei eine dauerhafte Eingliederung in das Erwerbsleben erreicht. Außerdem seien berufliche Rehabiliationsmaßnahmen zu beenden, bei wenngleich befristeter Beschäftigung von mehr als 6 Monaten. Bei der vom Kläger ab 17.03.2008 aufgenommenen Beschäftigung als Touristikassistent bei der Firma S GmbH, Lübben, handele es sich, auch wenn es befristet ist, um ein reguläres Beschäftigungsverhältnis und insbesondere nicht um eine Maßnahme mit Mehraufwandsentschädigung.

Der Kläger macht demgegenüber geltend, die Ziele der beruflichen Rehabilitation seien nicht erfüllt, da sein Arbeitsverhältnis als Touristikassistent befristet, darüber hinaus von gleichfalls befristeter Förderung abhängig sei und im Übrigen seit Abschluss der Umschulung zum Bürokaufmann ein Zeitraum von 5 Jahren vergangen sei, ohne dass Weiterbildungsmaßnahme oder ähnliches vorgenommen worden seien.

Mit seiner am 17.11.2008 unter dem ursprünglichen Aktenzeichen S 12 AL 352/08 erhobenen und sodann in die Zuständigkeit der 19. Kammer gewechselten Klage verfolgt er sein Ziel weiter.

Seinem schriftlichen Vorbringen ist der Antrag zu entnehmen,

den Bescheid vom 19.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.10.2008 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Das beigeladene Jobcenter stellt schriftsätzlich keinen Antrag.

Vom 06.04.2009 bis zum 05.04.2010 ist der Kläger erneut befristet als Touristikassistent bei der Gemeinde M H beschäftigt gewesen; vom 06.04.2010 bis zum 05.01.2011 hat er an einer Arbeitsgelegenheit teilgenommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand und dem Vorbringen der Beteiligten im Einzelnen wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Das Sozialgericht Cottbus ist gemäß § 105 SGG befugt, über die Klage durch Gerichtsbescheid zu entscheiden.

II. Die Beiladung beruhte auf §§ 75 Abs. 1, 106 Abs. 3 Nr. 6 SGG.

III. Die Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid vom 19.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.10.2008 erweist sich als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Die Beendigung des Verfahrens zur beruflichen Rehabilitation des Klägers per 16.09.2008 einschließlich der generellen Ablehnung eventuell erforderlicher weiterer Maßnahmen zu diesem Zeitpunkt bzw. der Verneinung der Zuständigkeit der Beklagten dafür ab diesem Zeitpunkt bedarf nach §§ 22 SGB III, 4 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX i.V.m. den Wertungen der §§ 217 ff. SGB III in der bis zum 31.03.2012 gültigen Fassung, insbesondere §§ 218 Abs. 2 und 219 Abs. 1 SGB III sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (z.B. BSG 19.03.1980, Az.: 4 RJ 89/79; 16.06.1994, Az.: 13 RJ 79/93; SozR 2200 § 1237 a Nr. 16) der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit auf einen Dauerarbeitsplatz entsprechend einem Verfahrens(gesamt)plan.

Hier ist das Sozialgericht Cottbus davon überzeugt, dass der Kläger mit seiner einjährig befristeten Beschäftigung vom 17.03.2008 bis zum 28.02.2009 auf eine zumal mit Mitteln aus dem Regionalbudget des Landkreises sowie des Europäischen Sozialfonds subventionierten Arbeitsplatz als "Touristikassistent" keinen Dauerarbeitsplatz inne hatte, ganz abgesehen davon, dass nicht ersichtlich ist, dass es sich dabei um den Schlusspunkt eines Verfahrens(gesamt)plans handelte; überhaupt ist noch nicht einmal ein Verfahrens(gesamt)plan überhaupt dokumentiert. Nach Überzeugung des Sozialgerichts Cottbus verkennt die hiesige Beklagte, dass es sich beim Verfahren zur beruflichen Rehabilitation bzw. Teilhabe am Arbeitsleben um ein einheitliches, über z. B. die Absolvierung einer singulären Umschulungsmaßnahme hinausgehendes Verfahren handelt, das entsprechend der bereits erwähnten Maßgaben erst mit Aufnahme einer Erwerbstätigkeit auf einen Dauerarbeitsplatz entsprechend einem Verfahrens(gesamt)plan endet. Wie ausgeführt, ist keine der beiden – kumulativ erforderlichen – Voraussetzungen erfüllt. Die Tätigkeiten vom 06.04.2009 bis zum 05.04.2010 und vom 06.04.2010 bis zum 05.01.2011 geben keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung.

Soweit die Beklagte sich darauf beruft, mit Überleitung das SGB II sei die Leistungs- und Integrationsverantwortung im Rahmen der Teilhabe am Arbeitsleben durch die damalige ARGE LDS übernommen worden, konnte dem das Sozialgericht Cottbus gleichfalls nicht folgen. Nach der bereits erwähnten ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist ohne Sonderregelung während des laufenden – einheitlichen – Verfahrens zur beruflichen Rehabilitation bzw. Teilhabe am Arbeitsleben ein Wechsel des Leistungsträgers (im Außenverhältnis) ausgeschlossen. Eine dem zuwiderlaufende (Sonder-) Regelung ist weder im SGB III noch im SGB II enthalten. Sie konnte von der Beklagten auch nicht benannt werden.

Nach alledem war der Klage stattzugeben.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG und berücksichtigt das Resultat der Rechtsverfolgung.
Rechtskraft
Aus
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