S 6 U 571/10

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 6 U 571/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 286/14
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Anerkennung und Entschädigung einer psychischen Unfallfolge.

Der Kläger erlitt am 27.06.2008 einen Arbeitsunfall.

Es handelt sich um einen Verkehrsunfall. Der Unfall ist als Wegeunfall versichert. Der Versicherungsfall ist anerkannt.

Der Unfall ereignete sich auf der Autobahn A 52 in Fahrtrichtung Dortmund kurz vor 16:00 Uhr.

Der Kläger fuhr das Fahrzeug. Beifahrer waren die Arbeitskollegen.

Der Kläger befuhr die Autobahn auf der linken Fahrspur (eventuell auch auf der mittleren Fahrspur). In einer Linkskurve fuhr der Kläger geradeaus, kam auf die ansteigende Böschung, prallte gegen mehrere Bäume und das Fahrzeug überschlug sich.

Zwei der Insassen wurden hinausgeschleudert. Einer der Mitfahrer starb noch unmittelbar an der Unfallstelle. Ein weiterer Mitfahrer ist zwischenzeitlich ebenfalls verstorben. Alle Beifahrer wurden erheblich verletzt.

Der Kläger wurde bei dem Unfall körperlich nicht ernsthaft verletzt.

Zum Unfallhergang konnte der Kläger selber keine Angaben machen – weder unfallnah noch bei den späteren Begutachtungen.

Aufgrund des Unfalles wurde der Kläger wegen fahrlässiger Tötung angeklagt und zu einer Geldstrafe verurteilt. Er ging nicht in Berufung.

Beim Kläger wurde unfallnah eine leichte Gehirnerschütterung diagnostiziert.

Wegen der psychischen Belastung war der Kläger in Psychotherapie und stationärer Reha.

Zur abschließenden Feststellung der Unfallfolgen holte die Beklagte ein neurologisch-psychiatrisches Sachverständigengutachten von Dr. B. ein. Dieser kommt zu dem Ergebnis, dass die vorliegende psychische Erkrankung nicht wesentlich auf den Unfall zurückgeführt werden könne.

Wegen der Einzelheiten wird auf das schriftliche Gutachten vom 02.07.2010 verwiesen (382 V – Zahlen in Klammern sind Blattzahlen der Akten, das "V" weist auf die Verwaltungsakten der Beklagten hin).

Mit Bescheid vom 26.08.2010 lehnte die Beklagte die Anerkennung der psychischen Auffälligkeiten des Klägers als Unfallfolge ab (455 V).

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch.

Mit Widerspruchsbescheid vom 02.12.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück (487 V).

Hiergegen hat der Kläger am 15.12.2010 Klage erhoben.

Der Kläger ist der Auffassung, die diagnostizierte psychische Erkrankung müsse als Unfallfolge anerkannt und entschädigt werden.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 26.08.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2010 zu verurteilen, ihm aus Anlass des Arbeitsunfalles vom 27.06.2008 Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung, insbesondere eine Verletztenrente nach einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit von zumindest 20 % nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren und zwar insbesondere auch wegen der vom Kläger beklagten Beschwerden ab 28.07.2008 die bei ihm zur Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit geführt haben und wegen der Verletzungsfolgen, die von der Beklagten als ängstlich depressive Symptomatik mit ausgeprägten Zeichen einer Agitiertheit beschrieben werden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, der angegriffene Bescheid sei rechtmäßig.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens von Dr. V ... Wegen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten vom 20.12.2011 verwiesen (102).

Das Gericht hat weiter Beweis erhoben gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von Dr. Z ... Wegen des Ergebnisses dieser Begutachtung wird auf das schriftliche Gutachten vom 27.11.2012 verwiesen (145).

Hiergegen hat die Beklagte gestützt auf Prof. St. Einwendungen erhoben (194).

Hierzu hat das Gericht eine ergänzende Stellungnahme des Gutachters eingeholt (203).

Die Beklagte hat darüber hinaus noch eine Stellungnahme des Beratungsarztes und Behandlers Dr. Dr. W. eingeholt.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Stellungnahme vom 16.11.2013 verwiesen (217).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid nicht beschwert, denn er ist rechtmäßig.

Die psychische Erkrankung des Klägers kann nicht als Unfallfolge anerkannt werden.

Der Kläger leidet an einer schwerwiegenden psychischen Erkrankung. Die Erkrankung selbst ist auch nicht streitig.

Es lässt sich allerdings nicht feststellen, dass die Erkrankung des Klägers durch den Unfall verursacht worden ist.

Eine Entschädigung kann jedoch nur erfolgen, wenn die Erkrankung kausal auf das Unfallgeschehen zurückzuführen ist. Sowohl der Unfall als auch die Erkrankung stehen fest. Es lässt sich jedoch kein Kausalzusammenhang zwischen Unfall und Erkrankung ziehen.

Dabei ist es ausreichend, wenn zwischen Unfall und Erkrankung der Ursachenzusammenhang medizinisch-wissenschaftlich wahrscheinlich gemacht werden kann. Erforderlich ist allerdings, dass der Unfall zumindest eine wesentliche Teilursache der Erkrankung ist.

Nach diesen Maßstäben lässt sich ein Kausalzusammenhang nicht bejahen. Dies ergibt sich aus einer Auswertung der umfangreichen Beweisaufnahme und zusätzlich aus dem persönlichen Eindruck des Klägers aus der mündlichen Verhandlung.

Die Kammer folgt im Wesentlichen der Einschätzung der Fachleute V. und B ...

Es handelt sich jeweils um unbefangene Fachleute, denn der Ausgang des Verfahrens ist für sie ohne Bedeutung.

Beides sind anerkannte Fachleute auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet. Insofern sind sie von ihrer Facharztausrichtung geeignet, um psychische Unfallfolgen beurteilen zu können.

Beide Gutachter sind nach den Regeln der ärztlichen Kunst vorgegangen, denn sie haben den Kläger eingehend untersucht und die Aktenunterlagen ausgewertet.

Ein deutliches Indiz für die Richtigkeit ihrer Auffassung ist, dass zwei renommierte Fachleute unabhängig voneinander quasi zum selben Ergebnis kommen.

Zu Dr. V. besteht von Seiten des Gerichts ein besonderes Vertrauensverhältnis. Dieser Gutachter wird seit Jahrzehnten vom Sozialgericht Duisburg als Gutachter eingesetzt. Es ist daher aus eigener Anschauung bekannt, dass es sich um einen ausgewogenen und neutralen Fachmann handelt.

Dr. V. war einige Jahre Vorsitzender der sogenannten "Neurologischen Gesellschaft". In diesem Verband haben sich Fachärzte sowohl der neurologischen als auch der psychiatrischen Fachrichtung zusammengeschlossen. Einen vergleichbaren Verband speziell für Psychiater gibt es nicht. Unter der Ägide von Dr. V. war es ein besonderes Anliegen des Verbandes, die Qualität von Fachgutachten insbesondere auf psychiatrischem Fachgebiet zu steigern. Die Grundlagen qualitativer Begutachtung waren bzw. sind ein besonderer Arbeitsschwerpunkt von Dr. V ...

Die genannten Gutachten sind schlüssig, nachvollziehbar und überzeugend.

Demgegenüber steht die Gegenmeinung von Dr. Z ... Diese ist allerdings für die Kammer wesentlich weniger überzeugend. Dies ergibt sich aus zwei Gesichtspunkten, die im Grunde unabhängig voneinander sind.

Auf der einen Seite ist das Gutachten von Dr. Z. weniger schlüssig. Er diagnostiziert eine Anpassungsstörung, die nach allgemeiner Definition innerhalb eines gewissen Zeitrahmens (höchstens zwei Jahre) abklingt. Hierauf stützt er allerdings eine Dauer-MdE. Diese Argumentation ist zumindest anfechtbar und aus diesem Grunde weniger überzeugend.

Hinzu tritt ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt. Die Kammer hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung erlebt. Der Eindruck war niederschmetternd. Übereinstimmend war der Eindruck der Kammer, dass der Kläger schwer gesundheitlich geschädigt ist. Der Kläger ist sozusagen ein "psychisches Wrack". Dieser Eindruck ergibt sich jedenfalls nach außen.

Die Kammer hat sich auch vom Kläger seine Lebenssituation beschreiben lassen. Nach Angaben des Klägers ist er nicht einmal in der Lage, einfache und selbstbestimmte Tätigkeiten ohne Unterbrechungen abzuarbeiten.

Dieses Bild passt nicht zum Begutachtungsergebnis von Dr. Z ... Bei vorsichtiger Schätzung ergibt sich eher eine MdE von 70 % (+ x). Selbst wenn man in vollem Umfang der Einschätzung von Dr. Z. folgen will, so lässt sich das volle Einschränkungsbild der Erkrankung des Klägers nicht dem Unfall zuordnen. Ein Teil der psychischen Erkrankung und der Einschränkung muss auf jeden Fall andere Ursachen haben. Insofern bleibt Dr. Z. eine Erklärung schuldig, wieso hier zu differenzieren ist. Viel überzeugender ist die oben bereits genannte Gegenmeinung der erfahrenen Gutachter B. und V., die einen Zusammenhang der jetzt diagnostizierten Erkrankungen mit dem Unfall verneinen.

Die vermittelnde Stellungnahme von Dr. Dr. W. vom 16.11.2013 hilft nicht weiter. Aus Sicht der Kammer ist ihr keine größere Bedeutung zuzumessen als dem im Gerichtsverfahren eingeholten Fachgutachten. Im Übrigen widerspricht Dr. Dr. W. in erster Linie dem Gutachter Dr. Z., dem die Kammer sowieso nicht folgt.

In der mündlichen Verhandlung hat der Klägervertreter selber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er die Stellungnahme von Dr. Dr. W. nicht für richtig hält, denn er hat selber beim Kläger eine Wesensänderung festgestellt, die sich in keiner Weise gebessert hätte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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