Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Chemnitz (FSS)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
26
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 26 AL 469/12
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Notwendigkeit einer Berufsausbildung wird bei Arbeitnehmern ohne Berufsabschluss und mindestens dreijähriger Berufspraxis gesetzlich unterstellt. Die Bundesagentur darf die
dreijährige Weiterbildung zur Fachkraft in der Altenpflege daher nicht mit der Begründung ablehnen, der Arbeitnehmer sei als Tankstellenverkäufer vermittelbar oder sei wegen seiner
zwischenzeitlich aufgenommenen unbefristeten Tätigkeit als Altenpflegerhelfer weder arbeitslos noch drohe ihm die Arbeitslosigkeit.
Einzelfall der Ermessensreduzierung auf Null hinsichtlich einer Bewilligungsentscheidung für die Weiterbildung zur Altenpflegefachkraft, die sich unter anderem aus dem mit dem Gesetz zur Stärkung der beruflichen Aus- und Weiterbildung in der Altenpflege verfolgten Gesetzeszweck ergibt.
dreijährige Weiterbildung zur Fachkraft in der Altenpflege daher nicht mit der Begründung ablehnen, der Arbeitnehmer sei als Tankstellenverkäufer vermittelbar oder sei wegen seiner
zwischenzeitlich aufgenommenen unbefristeten Tätigkeit als Altenpflegerhelfer weder arbeitslos noch drohe ihm die Arbeitslosigkeit.
Einzelfall der Ermessensreduzierung auf Null hinsichtlich einer Bewilligungsentscheidung für die Weiterbildung zur Altenpflegefachkraft, die sich unter anderem aus dem mit dem Gesetz zur Stärkung der beruflichen Aus- und Weiterbildung in der Altenpflege verfolgten Gesetzeszweck ergibt.
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 20.7.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4.6.2012 verurteilt, dem Kläger einen Bildungsgutschein für seine am 1.10.2013 aufgenommene Weiterbildung zur Altenpflegefachkraft beim B. e.V. zu gewähren und die Kosten der Weiterbildung zu übernehmen.
2. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
3. Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe ab Antragstellung unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... bewilligt.
Tatbestand:
Der am xx.xx.1972 geborene Kläger begehrt einen Bildungsgutschein für eine Weiter¬bildung zur Altenpflegefachkraft.
Die Erwerbsbiographie des Klägers stellt sich wie folgt dar:
1.10.1995 – 31.3.2009 Studium Rechtswissenschaft Uni P. ohne Abschluss
1.3.2001 – 31.3.2009 Nebenbeschäftigung J.-Tankstelle B.
1.4.2009 – 31.8.2010 Hauptbeschäftigung J.-Tankstelle B.
Ab September 2009 bis 10.7.2011: Helfertätigkeiten, Arbeitslosigkeit, Arbeitsunfähigkeit, Eingliederungsmaßnahme
11.7.2011 bis 6.8.2011 Praktikum bei Arbeiterwohlfahrt.
1.9.2011 bis 31.7.2012 Altenpflegehelfer beim Pflegedienst B. im Umfang von 15 und mehr Stunden
1.8.2012 bis 31.8.2012 Arbeitslosigkeit und Nebenbeschäftigung als Altenpflegehelfer
1.9.2012 bis dato. unbefristete Stelle als Altenpflegehelfer beim Pflegedienst B.
1.10.2013 bis voraussichtlich Juli 2016 berufsbegleitende Ausbildung zur Altenpflegefachkraft
Einen ersten formlosen Antrag auf eine Weiterbildung im Bereich Krankenpflege stellte der Kläger am 14.6.2010.
Die Arbeitsvermittlerin der Beklagten S. hielt nach einer Vorsprache des Klägers bei ihr am 2.9.2010 in einem ausführlichen Vermerk fest, dass eine Weiterbildungsnotwendigkeit für den Kläger im Bereich Kranken¬/Altenpflege nicht gesehen werde. Wegen der Verkaufserfahrungen des Klägers sei die Vermittlung in Verkaufstätigkeiten Erfolg versprechend.
Die schriftliche Reaktion des Klägers vom 3.9.2010 auf dieses Gespräch wertete die Beklagte als Widerspruch gegen die mündliche Ablehnung der begehrten Weiterbildung. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.9.2010 als unzulässig zurück. Eine förmliche Antragsablehnung erging dann mit Bescheid vom 30.9.2010. Zur Begründung hieß es, dass keine Weiterbildung im Bereich Kranken-/Altenpflege notwendig sei, da der Kläger über ausreichende Erfahrungen im Verkaufsbereich verfüge.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 25.10.2010 Widerspruch ein. Zur Begründung brachte er vor, dass er über keinen Berufsabschluss als Verkäufer verfüge, sondern nur als Verkäufer im Tankstellenbereich tätig gewesen sei. Derartige Tätigkeiten würden üblicherweise von geringfügig Beschäftigten ausgeübt.
In einem Telefonat vom 5.11.2010 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass seine Nebentätigkeit im Laufe des Studiums ca. 16 Wochenstunden umfasst habe. Er sei in zwei Schichten gearbeitet worden. Bei einem Stundenlohn in Höhe von 6,95 EUR habe er monatlich ca. 500,00 EUR verdient.
In einem internen Antwortschreiben vom 11.11.2010 stellte die Arbeitsvermittlerin S. fest, dass die vom Kläger mitgeteilte Stundenzahl entsprechend den Durchführungsanweisungen des Beklagten ausreichend sei. Die Voraussetzungen für die Förderung der beruflichen Weiterbildung würden vorliegen. Ob dem gewünschten Antrag zugestimmt werden könne, sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht feststellbar. Vielmehr sei es erforderlich, die Eignung des Klägers über eine psychologische und auch ärztliche Begutachtung abzuklären. Erst nach Vorlage der Gutachten könne eine abschließende Entscheidung getroffen werden. Die Notwendigkeit hierzu ergebe sich insbesondere aus der ungewöhnlich langen Studienzeit ohne den Erwerb eines entsprechenden Berufsabschlusses und aus dem Anforderungsprofil der angestrebten beruflichen Weiterbildung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.1.2011 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers ohne Durchführung einer Eignungsprüfung im Wesentlichen aus den Gründen des Ausgangsbescheides zurück.
Dagegen erhob der Kläger am 10.2.2011 erstmals Klage zum Sozialgericht Chemnitz, die unter dem Aktenzeichen S 12 AL 89/11 geführt wurde. Die mündliche Verhandlung fand hierzu am 30.5.2011 statt. Der Kammervorsitzende wies im Zuge der Erörterung der Sach- und Rechtslage darauf hin, dass der angegriffene Widerspruchsbescheid nicht alle erforderlichen Ermessenserwägungen enthalte. Erforderlich sei eine ärztliche und psychologische Untersuchung des Klägers zur Feststellung seiner Eignung als Kranken- und Altenpfleger. Sodann schlossen die Beteiligten den folgenden "verfahrensbeendenden" Vergleich: "( ) Der Kläger verpflichtet sich, sich einer arbeitsmedizinischen und arbeitspsychologischen Eignungsuntersuchung zu stellen. Die Beklagte verpflichtet sich, einen Untersuchungstermin bis spätestens 31.7.2011 zu gewährleisten und bis 15.8.2011 einen rechtsbehelfsfähigen Bescheid zu erteilen, ob die Maßnahme zum Kranken- bzw. Altenpfleger gefördert wird. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass der Rechtsstreit in vollem Umfang erledigt ist. ( )"
Daraufhin erging noch vor der vereinbarten Eignungsuntersuchung ein weiterer Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 20.7.2011 in Bezug auf die Weiterbildung des Klägers in der Altenpflege. Zur Begründung hieß es: Leistungen zur beruflichen Weiterbildung könnten nur gewährt werden, wenn die Weiterbildung gemäß § 77 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - SGB III – in der bis zum 31.3.2012 gültigen Fassung notwendig sei. Arbeitslosigkeit bzw. drohende Arbeitslosigkeit allein begründe nicht die Notwendigkeit der Weiterbildung. Zu seiner Arbeitssuchendmeldung am 31.5.2011 habe der Kläger angegeben, seine berufliche Zukunft als Erzieher zu sehen. In einem Telefonat vom 2.7.2011 habe er dann seine berufliche Zukunft in der Altenpflege gesehen. Der Kläger habe bisher keine Hilfs- oder Anlerntätigkeiten in Pflegeberufen ausgeübt. Dagegen habe er fehlende fachspezifische Kenntnisse im Berufsfeld Verkauf durch eine berufliche Einglie¬derungsmaßnahme vom 7.2.2011 bis 13.5.2011 beseitigen können. Trotz des fehlenden Berufsabschlusses verfüge der Kläger über eine achtjährige Erfahrung im Verkauf. Dem Kläger könne wöchentlich eine Vielzahl von Stellenangeboten allein im Verkauf an einer Tankstelle unterbreitet werden. Bundesweit stehe eine ausreichende Anzahl von Stellenangeboten im Verkaufsbereich zur Verfügung. Bisher seien ihm 60 Vermittlungsvorschläge unterbreitet worden. Unterstützende Leistungen zur Optimierung seiner Bewerbungsunterlagen könnten durch die Agentur für Arbeit gewährt werden. Das Vorliegen der Notwendigkeit für eine Förderung zum Erwerb eines Berufsabschlusses im Bereich Altenpflege könne dem Kläger daher nicht bescheinigt werden. Die Ausgabe eines Bildungsgutscheins sei daher nicht möglich.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 26.7.2011 Widerspruch ein. Hier wies der Kläger darauf hin, dass die im sozialgerichtlichen Vergleich verabredete Eignungsuntersuchung noch ausstehe.
In der darauf folgenden ärztlichen und psychologischen Untersuchung wurde in zwei Gutachten die Eignung des Klägers für die Ausbildung zur Altenpflegefachkraft festgestellt.
Darauf sah die Mitarbeiterin der Rechtsbehelfsstelle der Beklagten G., die auch die Sitzungsvertretung in der mündlichen Verhandlung vom 30.5.2011 wahrgenommen hatte, in einer internen Stellungnahme vom 4.10.2011 die Voraussetzungen für eine Förderung des Klägers als gegeben an und bat um nochmalige Prüfung.
Dem trat die Arbeitsvermittlerin S., die für die bisherigen Ablehnungsbescheide verantwortlich zeichnete, erneut mit ihrer bisherigen Argumentation entgegen, dass die Umschulung nicht notwendig sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.3.2012, der zunächst an den Kläger persönlich ging, wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nunmehr wurde erstmals als Ablehnungsgrund genannt, dass die Ausbildung wegen unangemessener Länge von drei Jahren und nicht gesicherter Finanzierung des dritten Ausbildungsjahres nicht gefördert werden könne.
Der inhaltsgleiche Widerspruchsbescheid erging nochmals unter dem 4.6.2012 und wurde an den Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt.
Am 4.7.2012 hat der Kläger erneut Klage zum Sozialgericht Chemnitz erhoben. Er trägt im Wesentlichen vor: Der zuvor mit der Sache befasste Richter habe erklärt, dass lediglich die fehlende Eignungsuntersuchung noch der Erteilung des Bildungsgutscheins entgegenstehe. Das positive Ergebnis der Eignungsuntersuchung liege nunmehr vor. Trotzdem werde dem Kläger seit nunmehr zwei Jahren die Förderung der Weiterbildung vorenthalten. Er habe mittlerweile den Eindruck gewonnen, dass aufgrund persönlicher Antipathien versucht werde, ihm keinen Bildungsgutschein zu erteilen. Der Kläger sei zwischenzeitlich in der Altenpflege tätig. In einem Zwischenzeugnis sei ihm auch von dieser Seite aus bescheinigt worden, dass er in hohem Maße für den Beruf des Altenpflegers geeignet sei.
Der Kläger beantragt in sachdienlicher Fassung,
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 20.7.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4.6.2012 zu verurteilen, dem Kläger einen Bildungsgutschein für die Weiterbildung zur Altenpflegefachkraft zu erteilen sowie die bisher angefallenen Ausbildungskosten zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte steht abschließend auf dem Standpunkt, dass der Kläger nunmehr eine Beschäftigung als Altenpflegehelfer ausübe und damit auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung der beruflichen Aus- und Weiterbildung in der Altenpflege keinen Anspruch auf die begehrte Weiterbildung habe. Es fehle an der Notwendigkeit der Weiterbildung, weil der Kläger weder arbeitslos sei noch von Arbeitslosigkeit bedroht werde.
Am 12.6.2014 hat die mündliche Verhandlung vor der 26. Kammer des Sozialgerichts Chemnitz stattgefunden. Auf die hierüber gefertigte Niederschrift wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger ergänzend vorgetragen, dass Ausbildungsträger das B. e.V. ist. Dorthin muss er monatlich 50,00 EUR an Ausbildungskosten entrichten. Der Beklagten-Vertreter hat in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass dieser Ausbildungsträger von der Beklagten zertifiziert ist.
Im Übrigen wird wegen der näheren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand auf den Inhalt der Gerichts- sowie der beigezogenen Behördenakte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der sich daran anschließenden Kammerberatung waren. Beigezogen waren weiterhin die Gerichtsakten des Sozialgerichts Chemnitz S 12 AL 89/11 und S 12 AL 271/11.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Erteilung des begehrten Bildungsgutscheins für seine am 1.10.2013 aufgenommene Weiterbildung zur Fachkraft in der Altenpflege bzw. Erstattung der bereits angefallenen und vom Kläger selbst verauslagten Weiterbildungskosten. Der Kläger ist trotz Aufnahme der Weiterbildung weiterhin rechtsschutzbedürftig, so dass sich die Klage deswegen nicht erledigt hat. Der Bildungsgutschein ist Voraussetzung für die Übernahme der noch anfallenden Kosten. Soweit der Kläger bislang selbst Kosten übernommen hat, war der Antrag sachdienlich auf Erstattung bzw. Übernahme der bisher angefallenen Kosten auszulegen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 2.9.2005 – L 8 AL 4970/04).
Rechtsgrundlage für die Erteilung des Bildungsgutscheins für die hier in Rede stehende Weiterbil-dung ist § 81 Abs. 1 SGB III in der seit dem 1.4.2012 geltenden Fassung. Danach können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn 1. die Weiterbildung notwendig ist, um sie bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern, eine ihnen drohende Arbeitslosigkeit abzuwenden oder weil bei ihnen wegen fehlenden Berufsabschlusses die Notwendigkeit der Weiterbildung anerkannt ist, 2. die Agentur für Arbeit sie vor Beginn der Teilnahme beraten hat und 3. die Maßnahme und der Träger der Maßnahme für die Förderung zugelassen ist.
Dabei wird nach dem Absatz 2 Nr. 2 Satz 1 der genannten Vorschrift die Notwendigkeit der Weiterbildung bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wegen fehlenden Berufsabschlusses anerkannt, wenn sie nicht über einen Berufsabschluss verfügen, für den nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren festgelegt ist; Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ohne einen solchen Berufsabschluss, die noch nicht drei Jahre beruflich tätig gewesen sind, können nur gefördert werden, wenn eine Berufsausbildung oder eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme aus in ihrer Person liegenden Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar ist.
Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor. Der Kläger verfügt nicht über einen Berufsabschluss und war darüber hinaus mit seiner Tätigkeit als Verkäufer in einer Tankstelle über den Zeitraum von drei Jahren hinaus beruflich tätig. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig. Die Voraussetzung einer mindestens dreijährigen beruflichen Tätigkeit, die zur Abgrenzung der Weiterbildung von einer beruflichen Erstausbildung dient, ist weit auszulegen, so dass der Kläger diese Voraussetzung durch seine neunjährige Neben- und Haupttätigkeit als Tankstellenverkäufer ohne weiteres erfüllt (vgl. Hassel in Brand, Kommentar zum SGB III, 6. Auflage, 2012, RdNr. 26 zu § 81).
Mit dem Vorliegen dieser Voraussetzungen wird die in § 81 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III geforderte Notwendigkeit der Weiterbildung gesetzlich unterstellt. Die Notwendigkeit der Weiterbildung kann deswegen zum einen nicht mit der Begründung verneint werden, der Kläger sei weder arbeitslos noch von Arbeitslosigkeit bedroht (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 2.9.2005 – L 8 AL 4970/04). Des Weiteren kann dem Kläger die Notwendigkeit der Weiterbildung nicht mit der Begründung abgesprochen werden, dass er als Tankstellenverkäufer gut vermittelbar sei. Ziel dieser Vorschrift ist die generelle Chancenerhöhung der ungelernten Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt, um damit das besonders hohe Risiko der Arbeitslosigkeit für diese Arbeitnehmergruppe zu minimieren. Bei dieser Arbeitnehmergruppe hat der Gesetzgeber das Bedürfnis für den Erwerb eines Berufsabschlusses auch für den Fall anerkannt, dass sich der Arbeitnehmer gerade in einem Beschäftigungsverhältnis befindet. Dementsprechend eröffnet § 81 Abs. 5 SGB III die Möglichkeit von Zuschüssen zum Arbeitsentgelt, wenn die Weiterbildung im Rahmen eines bestehenden Arbeits¬verhältnisses durchgeführt wird.
Mit dem Gesetz zur Stärkung der beruflichen Aus- und Weiterbildung in der Altenpflege vom 18.3.2013 (BGBl I S. 446), das am 19.3.2013 in Kraft getreten ist, ist nunmehr auch die gesamte dreijährige Dauer der Maßnahme angemessen (vgl. § 131b SGB III). Der von der Beklagten im Widerspruchsbescheid erstmals angeführte Ablehnungsgrund ist damit entfallen. Für eine Möglichkeit der Verkürzung der Ausbildung auf zwei Jahre liegen die entsprechenden Voraussetzungen nach dem Altenpflegegesetz beim Kläger zwar nicht vor. Insofern ist der Kläger auf eine dreijährige Ausbildung verwiesen. Für diesen Fall lässt § 131b SGB III aber nunmehr als Ausnahme zu § 180 Abs. 4 Satz 1 SGB III Ausbildungen zur Fachkraft in der Altenpflege, die wie die Ausbildung des Klägers in der Zeit vom 1.4.2013 bis 31.3.2016 begonnen worden sind oder noch beginnen werden, nicht an einer nicht gesicherten Finanzierung des dritten Ausbildungsjahres scheitern. Nach der Gesetzes¬begründung kann die in der genannten Zeitspanne aufgenommene Weiterbildung durch die Beklagte voll finanziert werden, wenn die fachlichen Voraussetzungen für die Verkürzung der Ausbildung fehlen. Aus der Anwendung des § 131b SGB III folgt in Verbindung mit § 422 SGB III im Übrigen auch, dass die aktuelle Fassung des SGB III, die seit 1.4.2012 in Kraft ist, auf die Weiterbildungsmaßnahme des Klägers Anwendung findet.
Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen, d.h. die Notwendigkeit der Weiterbildung vor, steht die Entscheidung über die Weiterbildung, im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten (§ 39 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – SGB I, § 7 SGB III). Ein wesentliches Kriterium für die Ermessensausübung ist die Frage der Eignung des Arbeitnehmers für die ins Auge gefasste Weiterbildung. Dieses Kriterium erfüllt der Kläger. Ihm wurde nach zwei Eignungstests gutachterlich die Ausbildungsfähigkeit für die Ausbildung zur Altenpflegefachkraft bescheinigt.
Nachdem die Beklagte erkennbar seit dem Widerspruchsverfahren von ihrer Ermessenserwägung, der Kläger könne als Tankstellenverkäufer in den Arbeitsmarkt, integriert werden, abgerückt ist, hat die Beklagte im Gerichtsverfahren nunmehr die Erwägung nachgeschoben, die Weiterbildung sei nicht notwendig, weil der Kläger durch seine Tätigkeit als Altenpflegehelfer weder arbeitslos ist noch ihm Arbeitslosigkeit droht. Zwar sollte sich diese Erwägung auf das Fehlen bereits tatbestandlicher Voraussetzungen beziehen. Da, wie ausgeführt wurde, die Frage der Notwendigkeit der Weiterbildung indes nicht an eine bestehende oder drohende Arbeitslosigkeit geknüpft ist, handelt es sich bei dieser Erwägung letztlich um die Ausübung von Ermessen. Die erstmalige Ermessensausübung in dieser Richtung ist jedoch im laufenden Gerichtsverfahren nicht mehr möglich. Ein Nachschieben bislang – aus welchen Gründen auch immer – nicht bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens (vgl. § 78 Sozialgerichtsgesetz – SGG) eingeführter wesentlicher Ermessenserwägungen, wie es § 41 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – SGB X – für die Heilung bestimmter Mängel vorsieht, ist im Gerichtsverfahren unzulässig. Der Gesetzgeber hat eine dem § 114 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – entsprechende Regelung im Sozialgerichtsgesetz nicht geschaffen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 10. Auflage, 2012, § 54 RdNr. 36).
Überdies stünde diese Ermessenserwägung, wie schon die Argumentation der Beklagten zur Vermittelbarkeit in die Tätigkeit des Tankstellenverkäufers, in Widerspruch dazu, dass der Gesetzgeber die Frage der Notwendigkeit der Weiterbildung bei fehlendem Berufsabschluss gerade nicht von einer bestehenden oder drohenden Arbeitslosigkeit abhängig gemacht hat. Diese Gesichtspunkte können dann grundsätzlich auch kein Kriterium im Rahmen der Ermessensausübung für die Ablehnung der Weiterbildung sein. Allenfalls in einer besonderen (fast theoretischen) Ausnahmesituation kann eine besonders gesicherte berufliche Stellung trotz fehlenden Berufsabschlusses im Einzelfall zu einer Versagung einer Weiterbildung trotz vorliegender gesetzlicher Voraussetzungen im Ermessenswege führen. Eine solche Ausnahmesituation ist hier nicht gegeben. Die inzwischen aufgenommene Tätigkeit des Klägers als Altenpflegehelfer stellt insbesondere nach der eindeutigen Zielrichtung des Gesetzes zur Stärkung der beruflichen Aus- und Weiterbildung in der Altenpflege kein Hindernis dar, den qualifizierten Berufsabschluss einer Fachkraft in der Altenpflege zu erwerben. Umgekehrt sind die Altenpflegehelfer eine Zielgruppe, die der Gesetzgeber für die Qualifizierung zur Altenpflegefachkraft besonders im Auge hatte. Nach der Begründung zu diesem Gesetz (vgl. Veröffentlichung Begründung der Bundesregierung zum Gesetzesvorhaben in Juris vom 16.1.2013) sollen mit Hilfe der durch das Gesetz geschaffenen Weiterbildungs¬vereinfachung bis zu 4.000 Pflegehel¬ferinnen und Pflegehelfer für eine Nachqualifizierung gewonnen werden.
Ist somit die Ablehnungsentscheidung der Beklagten ermessensfehlerhaft und deshalb aufzuheben, folgt bereits aus den dargestellten Erwägungen, dass darüber hinaus jede andere Entscheidung als eine Bewilligung der Weiterbildung des Klägers zur Fachkraft in der Altenpflege ermessensfehlerhaft wäre. Damit liegt hier ein Fall der Ermessensreduzierung auf Null vor, der das Gericht berechtigt, die Beklagte zur Bewilligung der Maßnahme selbst und nicht nur zur Neubescheidung nach Aufhebung der bisherigen Bewilligungsentscheidung zu verurteilen (§ 54 Abs. 2 und Abs. 5 SGG, vgl. BSG, Urteil vom 8.7.2009 – B 11 AL 30/08 R – RdNr. 25). Maßgeblich hierfür ist neben der Notwendigkeit der Weiterbildung und der gegebenen Eignung des Klägers für den Beruf der Fachkraft in der Altenpflege insbesondere das mit dem Gesetz zur Stärkung der beruflichen Aus- und Weiterbildung in der Altenpflege verfolgte gesetzgeberische Anliegen. Zur Bekämpfung eines bereits bestehenden und sich durch den demographischen Wandel noch verstärkenden Fachkräftemangels in der Altenpflege soll die berufliche Aus- und Weiterbildung in der Altenpflege gestärkt und dabei für die Weiterbildung insbesondere auch Altenpflegehelfer gewonnen werden (vgl. Veröffentlichung Begründung der Bundesregierung zum Gesetzesvorhaben in Juris vom 16.1.2013; Gesetzentwurf der Bundesregierung Drucksache 17/12327, Bl. 30/31 der Gerichtsakte).
Diesem klar formulierten Gesetzeszweck würde es zuwiderlaufen, wenn dem verhältnismäßig jungen Kläger, der sich als geeignet für die Ausbildung erweist und über Berufserfahrung im Bereich Altenpflege verfügt, diese Weiterbildungsmöglichkeit vorenthalten würde. Gerade Arbeitnehmer wie der Kläger sollen von dem Gesetz zur Stärkung der beruflichen Aus- und Weiterbildung in der Altenpflege profitieren. Bei der Argumentation der Beklagten drängt sich unweigerlich die – rhetorische – Frage auf, welcher Personenkreis überhaupt noch für eine Weiterbildung zur Fachkraft in der Altenpflege in Betracht käme, wenn schon die Person des Klägers nach der Vorstellung der Beklagten hiervon ausgeschlossen bliebe.
Hinzu kommt, dass sich die Beklagte in Bezug auf ihre Ermessensausübung bereits weitgehend selbst gebunden hatte. Der Vorsitzende der 12. Kammer des Sozialgerichts Chemnitz hatte schon im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 30.5.2011 zur ersten Klage auf die Lückenhaftigkeit der Ermessensausübung der Beklagten hingewiesen und das Augenmerk für die von der Beklagten zu treffende Ermessensentscheidung auf die Klärung der gesundheitlichen und psychologischen Eignung des Klägers für den Beruf der Altenpflegefachkraft gelegt. Indem die Beteiligten sich im Vergleichswege ohne weitere Vorbehalte auf die Prüfung der Eignung des Klägers festlegten, hat die Beklagte damit zugleich ihren Ermessensspielraum für die künftige Entscheidung eingeschränkt. Damit war klar, dass sie dem Kläger in dem Folgeverfahren die bisher zur Ablehnung führenden Erwägungen nicht weiter wird entgegen halten können. Darauf durfte der Kläger aufgrund des gerichtlichen Vergleichs vertrauen und diesem Vertrauen hatte die Beklagte im Rahmen ihrer neuerlichen Ermessensentscheidung gerecht zu werden.
Wesentlich andere oder neue Gründe, die im Rahmen des Ermessens für eine Ablehnung der Weiterbildung gesprochen hätten und deren Berücksichtigung durch den Vergleich nicht ausgeschlossen gewesen wäre, sind nach Abschluss des gerichtlichen Vergleichs nicht hinzugetreten. Die Beklagte müsste daher bereits wegen dieser Bindung an den Vergleich vom 30.5.2011 eine Bewilligungsentscheidung zu Gunsten des Klägers treffen. Mit der am 1.9.2012 aufgenommenen unbefristeten Tätigkeit des Klägers als Altenpflege¬helfer ist, wie bereits ausgeführt wurde, kein neuer Gesichtspunkt hinzu getreten, der die Ablehnung der Weiterbildung im Rahmen des Ermessens rechtfertigen könnte.
Dagegen liegt im Verhalten der Beklagten nach dem Vergleichsabschluss vom 30.5.2011 ein Verstoß gegen den auch im öffentlichen Recht anwendbaren Grundsatz von Treu und Glauben vor. Dieser Verstoß schränkt das Ermessen der Beklagten in Bezug auf eine weitere Ablehnungsentscheidung zusätzlich ein. Indem die Beklagte ihren weiteren Ablehnungsbescheid vom 27.7.2011 erneut und vor allem ohne den im gerichtlichen Vergleich vom 30.5.2011 verabredeten Eignungstest abzuwarten mit der fehlenden Notwendigkeit der Weiterbildung des Klägers wegen dessen Vermittelbarkeit in eine Tätigkeit als Tankstellenverkäufer begründete, verhielt sie sich treuewidrig. Angemerkt sei in diesem Zusammenhang noch, dass die gleiche Mitarbeiterin, die für den Ablehnungsbescheid vom 27.7.2011 verantwortlich zeichnete, schon in einem internen Schreiben vom 11.11.2010 ausgeführt hatte, dass die Voraussetzungen für die Förderung der beruflichen Weiter¬bildung zwar vorlägen, die Zustimmung zum Antrag aber noch einer psycholo¬gischen und ärztlichen Begutachtung zur Klärung der Eignung des Klägers abhängig gemacht werden müsse. Umso unverständlicher wird es, wenn die Beklagte bis zuletzt keine Konsequenzen aus dem für den Kläger positiv verlaufenen Eignungstest ziehen wollte.
Zusammenfassend verbleiben keine durchgreifenden Erwägungen für eine Ablehnung der begehrten Weiterbildung. Demgegenüber sprechen die genannten Gesichtspunkte derart gewichtig für eine Bewilligung der Weiterbildung, dass das Ermessen der Beklagten hinsichtlich einer solchen Entscheidung auf Null reduziert ist. Daher war die Beklagte unmittelbar zur Gewährung der Weiterbildung zu verurteilen.
Die Kostenentscheidung nach § 193 SGG folgt der Entscheidung zur Hauptsache.
Prozesskostenhilfe war zu gewähren, weil die Rechtsverfolgung, wie sich aus den vorgenannten Gründen ergibt, hinreichende Aussicht auf Erfolg hatte und der Kläger bedürftig ist (§ 73 a SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung – ZPO).
2. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
3. Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe ab Antragstellung unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... bewilligt.
Tatbestand:
Der am xx.xx.1972 geborene Kläger begehrt einen Bildungsgutschein für eine Weiter¬bildung zur Altenpflegefachkraft.
Die Erwerbsbiographie des Klägers stellt sich wie folgt dar:
1.10.1995 – 31.3.2009 Studium Rechtswissenschaft Uni P. ohne Abschluss
1.3.2001 – 31.3.2009 Nebenbeschäftigung J.-Tankstelle B.
1.4.2009 – 31.8.2010 Hauptbeschäftigung J.-Tankstelle B.
Ab September 2009 bis 10.7.2011: Helfertätigkeiten, Arbeitslosigkeit, Arbeitsunfähigkeit, Eingliederungsmaßnahme
11.7.2011 bis 6.8.2011 Praktikum bei Arbeiterwohlfahrt.
1.9.2011 bis 31.7.2012 Altenpflegehelfer beim Pflegedienst B. im Umfang von 15 und mehr Stunden
1.8.2012 bis 31.8.2012 Arbeitslosigkeit und Nebenbeschäftigung als Altenpflegehelfer
1.9.2012 bis dato. unbefristete Stelle als Altenpflegehelfer beim Pflegedienst B.
1.10.2013 bis voraussichtlich Juli 2016 berufsbegleitende Ausbildung zur Altenpflegefachkraft
Einen ersten formlosen Antrag auf eine Weiterbildung im Bereich Krankenpflege stellte der Kläger am 14.6.2010.
Die Arbeitsvermittlerin der Beklagten S. hielt nach einer Vorsprache des Klägers bei ihr am 2.9.2010 in einem ausführlichen Vermerk fest, dass eine Weiterbildungsnotwendigkeit für den Kläger im Bereich Kranken¬/Altenpflege nicht gesehen werde. Wegen der Verkaufserfahrungen des Klägers sei die Vermittlung in Verkaufstätigkeiten Erfolg versprechend.
Die schriftliche Reaktion des Klägers vom 3.9.2010 auf dieses Gespräch wertete die Beklagte als Widerspruch gegen die mündliche Ablehnung der begehrten Weiterbildung. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.9.2010 als unzulässig zurück. Eine förmliche Antragsablehnung erging dann mit Bescheid vom 30.9.2010. Zur Begründung hieß es, dass keine Weiterbildung im Bereich Kranken-/Altenpflege notwendig sei, da der Kläger über ausreichende Erfahrungen im Verkaufsbereich verfüge.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 25.10.2010 Widerspruch ein. Zur Begründung brachte er vor, dass er über keinen Berufsabschluss als Verkäufer verfüge, sondern nur als Verkäufer im Tankstellenbereich tätig gewesen sei. Derartige Tätigkeiten würden üblicherweise von geringfügig Beschäftigten ausgeübt.
In einem Telefonat vom 5.11.2010 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass seine Nebentätigkeit im Laufe des Studiums ca. 16 Wochenstunden umfasst habe. Er sei in zwei Schichten gearbeitet worden. Bei einem Stundenlohn in Höhe von 6,95 EUR habe er monatlich ca. 500,00 EUR verdient.
In einem internen Antwortschreiben vom 11.11.2010 stellte die Arbeitsvermittlerin S. fest, dass die vom Kläger mitgeteilte Stundenzahl entsprechend den Durchführungsanweisungen des Beklagten ausreichend sei. Die Voraussetzungen für die Förderung der beruflichen Weiterbildung würden vorliegen. Ob dem gewünschten Antrag zugestimmt werden könne, sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht feststellbar. Vielmehr sei es erforderlich, die Eignung des Klägers über eine psychologische und auch ärztliche Begutachtung abzuklären. Erst nach Vorlage der Gutachten könne eine abschließende Entscheidung getroffen werden. Die Notwendigkeit hierzu ergebe sich insbesondere aus der ungewöhnlich langen Studienzeit ohne den Erwerb eines entsprechenden Berufsabschlusses und aus dem Anforderungsprofil der angestrebten beruflichen Weiterbildung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.1.2011 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers ohne Durchführung einer Eignungsprüfung im Wesentlichen aus den Gründen des Ausgangsbescheides zurück.
Dagegen erhob der Kläger am 10.2.2011 erstmals Klage zum Sozialgericht Chemnitz, die unter dem Aktenzeichen S 12 AL 89/11 geführt wurde. Die mündliche Verhandlung fand hierzu am 30.5.2011 statt. Der Kammervorsitzende wies im Zuge der Erörterung der Sach- und Rechtslage darauf hin, dass der angegriffene Widerspruchsbescheid nicht alle erforderlichen Ermessenserwägungen enthalte. Erforderlich sei eine ärztliche und psychologische Untersuchung des Klägers zur Feststellung seiner Eignung als Kranken- und Altenpfleger. Sodann schlossen die Beteiligten den folgenden "verfahrensbeendenden" Vergleich: "( ) Der Kläger verpflichtet sich, sich einer arbeitsmedizinischen und arbeitspsychologischen Eignungsuntersuchung zu stellen. Die Beklagte verpflichtet sich, einen Untersuchungstermin bis spätestens 31.7.2011 zu gewährleisten und bis 15.8.2011 einen rechtsbehelfsfähigen Bescheid zu erteilen, ob die Maßnahme zum Kranken- bzw. Altenpfleger gefördert wird. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass der Rechtsstreit in vollem Umfang erledigt ist. ( )"
Daraufhin erging noch vor der vereinbarten Eignungsuntersuchung ein weiterer Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 20.7.2011 in Bezug auf die Weiterbildung des Klägers in der Altenpflege. Zur Begründung hieß es: Leistungen zur beruflichen Weiterbildung könnten nur gewährt werden, wenn die Weiterbildung gemäß § 77 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - SGB III – in der bis zum 31.3.2012 gültigen Fassung notwendig sei. Arbeitslosigkeit bzw. drohende Arbeitslosigkeit allein begründe nicht die Notwendigkeit der Weiterbildung. Zu seiner Arbeitssuchendmeldung am 31.5.2011 habe der Kläger angegeben, seine berufliche Zukunft als Erzieher zu sehen. In einem Telefonat vom 2.7.2011 habe er dann seine berufliche Zukunft in der Altenpflege gesehen. Der Kläger habe bisher keine Hilfs- oder Anlerntätigkeiten in Pflegeberufen ausgeübt. Dagegen habe er fehlende fachspezifische Kenntnisse im Berufsfeld Verkauf durch eine berufliche Einglie¬derungsmaßnahme vom 7.2.2011 bis 13.5.2011 beseitigen können. Trotz des fehlenden Berufsabschlusses verfüge der Kläger über eine achtjährige Erfahrung im Verkauf. Dem Kläger könne wöchentlich eine Vielzahl von Stellenangeboten allein im Verkauf an einer Tankstelle unterbreitet werden. Bundesweit stehe eine ausreichende Anzahl von Stellenangeboten im Verkaufsbereich zur Verfügung. Bisher seien ihm 60 Vermittlungsvorschläge unterbreitet worden. Unterstützende Leistungen zur Optimierung seiner Bewerbungsunterlagen könnten durch die Agentur für Arbeit gewährt werden. Das Vorliegen der Notwendigkeit für eine Förderung zum Erwerb eines Berufsabschlusses im Bereich Altenpflege könne dem Kläger daher nicht bescheinigt werden. Die Ausgabe eines Bildungsgutscheins sei daher nicht möglich.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 26.7.2011 Widerspruch ein. Hier wies der Kläger darauf hin, dass die im sozialgerichtlichen Vergleich verabredete Eignungsuntersuchung noch ausstehe.
In der darauf folgenden ärztlichen und psychologischen Untersuchung wurde in zwei Gutachten die Eignung des Klägers für die Ausbildung zur Altenpflegefachkraft festgestellt.
Darauf sah die Mitarbeiterin der Rechtsbehelfsstelle der Beklagten G., die auch die Sitzungsvertretung in der mündlichen Verhandlung vom 30.5.2011 wahrgenommen hatte, in einer internen Stellungnahme vom 4.10.2011 die Voraussetzungen für eine Förderung des Klägers als gegeben an und bat um nochmalige Prüfung.
Dem trat die Arbeitsvermittlerin S., die für die bisherigen Ablehnungsbescheide verantwortlich zeichnete, erneut mit ihrer bisherigen Argumentation entgegen, dass die Umschulung nicht notwendig sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.3.2012, der zunächst an den Kläger persönlich ging, wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nunmehr wurde erstmals als Ablehnungsgrund genannt, dass die Ausbildung wegen unangemessener Länge von drei Jahren und nicht gesicherter Finanzierung des dritten Ausbildungsjahres nicht gefördert werden könne.
Der inhaltsgleiche Widerspruchsbescheid erging nochmals unter dem 4.6.2012 und wurde an den Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt.
Am 4.7.2012 hat der Kläger erneut Klage zum Sozialgericht Chemnitz erhoben. Er trägt im Wesentlichen vor: Der zuvor mit der Sache befasste Richter habe erklärt, dass lediglich die fehlende Eignungsuntersuchung noch der Erteilung des Bildungsgutscheins entgegenstehe. Das positive Ergebnis der Eignungsuntersuchung liege nunmehr vor. Trotzdem werde dem Kläger seit nunmehr zwei Jahren die Förderung der Weiterbildung vorenthalten. Er habe mittlerweile den Eindruck gewonnen, dass aufgrund persönlicher Antipathien versucht werde, ihm keinen Bildungsgutschein zu erteilen. Der Kläger sei zwischenzeitlich in der Altenpflege tätig. In einem Zwischenzeugnis sei ihm auch von dieser Seite aus bescheinigt worden, dass er in hohem Maße für den Beruf des Altenpflegers geeignet sei.
Der Kläger beantragt in sachdienlicher Fassung,
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 20.7.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4.6.2012 zu verurteilen, dem Kläger einen Bildungsgutschein für die Weiterbildung zur Altenpflegefachkraft zu erteilen sowie die bisher angefallenen Ausbildungskosten zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte steht abschließend auf dem Standpunkt, dass der Kläger nunmehr eine Beschäftigung als Altenpflegehelfer ausübe und damit auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung der beruflichen Aus- und Weiterbildung in der Altenpflege keinen Anspruch auf die begehrte Weiterbildung habe. Es fehle an der Notwendigkeit der Weiterbildung, weil der Kläger weder arbeitslos sei noch von Arbeitslosigkeit bedroht werde.
Am 12.6.2014 hat die mündliche Verhandlung vor der 26. Kammer des Sozialgerichts Chemnitz stattgefunden. Auf die hierüber gefertigte Niederschrift wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger ergänzend vorgetragen, dass Ausbildungsträger das B. e.V. ist. Dorthin muss er monatlich 50,00 EUR an Ausbildungskosten entrichten. Der Beklagten-Vertreter hat in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass dieser Ausbildungsträger von der Beklagten zertifiziert ist.
Im Übrigen wird wegen der näheren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand auf den Inhalt der Gerichts- sowie der beigezogenen Behördenakte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der sich daran anschließenden Kammerberatung waren. Beigezogen waren weiterhin die Gerichtsakten des Sozialgerichts Chemnitz S 12 AL 89/11 und S 12 AL 271/11.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Erteilung des begehrten Bildungsgutscheins für seine am 1.10.2013 aufgenommene Weiterbildung zur Fachkraft in der Altenpflege bzw. Erstattung der bereits angefallenen und vom Kläger selbst verauslagten Weiterbildungskosten. Der Kläger ist trotz Aufnahme der Weiterbildung weiterhin rechtsschutzbedürftig, so dass sich die Klage deswegen nicht erledigt hat. Der Bildungsgutschein ist Voraussetzung für die Übernahme der noch anfallenden Kosten. Soweit der Kläger bislang selbst Kosten übernommen hat, war der Antrag sachdienlich auf Erstattung bzw. Übernahme der bisher angefallenen Kosten auszulegen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 2.9.2005 – L 8 AL 4970/04).
Rechtsgrundlage für die Erteilung des Bildungsgutscheins für die hier in Rede stehende Weiterbil-dung ist § 81 Abs. 1 SGB III in der seit dem 1.4.2012 geltenden Fassung. Danach können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn 1. die Weiterbildung notwendig ist, um sie bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern, eine ihnen drohende Arbeitslosigkeit abzuwenden oder weil bei ihnen wegen fehlenden Berufsabschlusses die Notwendigkeit der Weiterbildung anerkannt ist, 2. die Agentur für Arbeit sie vor Beginn der Teilnahme beraten hat und 3. die Maßnahme und der Träger der Maßnahme für die Förderung zugelassen ist.
Dabei wird nach dem Absatz 2 Nr. 2 Satz 1 der genannten Vorschrift die Notwendigkeit der Weiterbildung bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wegen fehlenden Berufsabschlusses anerkannt, wenn sie nicht über einen Berufsabschluss verfügen, für den nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren festgelegt ist; Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ohne einen solchen Berufsabschluss, die noch nicht drei Jahre beruflich tätig gewesen sind, können nur gefördert werden, wenn eine Berufsausbildung oder eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme aus in ihrer Person liegenden Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar ist.
Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor. Der Kläger verfügt nicht über einen Berufsabschluss und war darüber hinaus mit seiner Tätigkeit als Verkäufer in einer Tankstelle über den Zeitraum von drei Jahren hinaus beruflich tätig. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig. Die Voraussetzung einer mindestens dreijährigen beruflichen Tätigkeit, die zur Abgrenzung der Weiterbildung von einer beruflichen Erstausbildung dient, ist weit auszulegen, so dass der Kläger diese Voraussetzung durch seine neunjährige Neben- und Haupttätigkeit als Tankstellenverkäufer ohne weiteres erfüllt (vgl. Hassel in Brand, Kommentar zum SGB III, 6. Auflage, 2012, RdNr. 26 zu § 81).
Mit dem Vorliegen dieser Voraussetzungen wird die in § 81 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III geforderte Notwendigkeit der Weiterbildung gesetzlich unterstellt. Die Notwendigkeit der Weiterbildung kann deswegen zum einen nicht mit der Begründung verneint werden, der Kläger sei weder arbeitslos noch von Arbeitslosigkeit bedroht (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 2.9.2005 – L 8 AL 4970/04). Des Weiteren kann dem Kläger die Notwendigkeit der Weiterbildung nicht mit der Begründung abgesprochen werden, dass er als Tankstellenverkäufer gut vermittelbar sei. Ziel dieser Vorschrift ist die generelle Chancenerhöhung der ungelernten Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt, um damit das besonders hohe Risiko der Arbeitslosigkeit für diese Arbeitnehmergruppe zu minimieren. Bei dieser Arbeitnehmergruppe hat der Gesetzgeber das Bedürfnis für den Erwerb eines Berufsabschlusses auch für den Fall anerkannt, dass sich der Arbeitnehmer gerade in einem Beschäftigungsverhältnis befindet. Dementsprechend eröffnet § 81 Abs. 5 SGB III die Möglichkeit von Zuschüssen zum Arbeitsentgelt, wenn die Weiterbildung im Rahmen eines bestehenden Arbeits¬verhältnisses durchgeführt wird.
Mit dem Gesetz zur Stärkung der beruflichen Aus- und Weiterbildung in der Altenpflege vom 18.3.2013 (BGBl I S. 446), das am 19.3.2013 in Kraft getreten ist, ist nunmehr auch die gesamte dreijährige Dauer der Maßnahme angemessen (vgl. § 131b SGB III). Der von der Beklagten im Widerspruchsbescheid erstmals angeführte Ablehnungsgrund ist damit entfallen. Für eine Möglichkeit der Verkürzung der Ausbildung auf zwei Jahre liegen die entsprechenden Voraussetzungen nach dem Altenpflegegesetz beim Kläger zwar nicht vor. Insofern ist der Kläger auf eine dreijährige Ausbildung verwiesen. Für diesen Fall lässt § 131b SGB III aber nunmehr als Ausnahme zu § 180 Abs. 4 Satz 1 SGB III Ausbildungen zur Fachkraft in der Altenpflege, die wie die Ausbildung des Klägers in der Zeit vom 1.4.2013 bis 31.3.2016 begonnen worden sind oder noch beginnen werden, nicht an einer nicht gesicherten Finanzierung des dritten Ausbildungsjahres scheitern. Nach der Gesetzes¬begründung kann die in der genannten Zeitspanne aufgenommene Weiterbildung durch die Beklagte voll finanziert werden, wenn die fachlichen Voraussetzungen für die Verkürzung der Ausbildung fehlen. Aus der Anwendung des § 131b SGB III folgt in Verbindung mit § 422 SGB III im Übrigen auch, dass die aktuelle Fassung des SGB III, die seit 1.4.2012 in Kraft ist, auf die Weiterbildungsmaßnahme des Klägers Anwendung findet.
Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen, d.h. die Notwendigkeit der Weiterbildung vor, steht die Entscheidung über die Weiterbildung, im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten (§ 39 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – SGB I, § 7 SGB III). Ein wesentliches Kriterium für die Ermessensausübung ist die Frage der Eignung des Arbeitnehmers für die ins Auge gefasste Weiterbildung. Dieses Kriterium erfüllt der Kläger. Ihm wurde nach zwei Eignungstests gutachterlich die Ausbildungsfähigkeit für die Ausbildung zur Altenpflegefachkraft bescheinigt.
Nachdem die Beklagte erkennbar seit dem Widerspruchsverfahren von ihrer Ermessenserwägung, der Kläger könne als Tankstellenverkäufer in den Arbeitsmarkt, integriert werden, abgerückt ist, hat die Beklagte im Gerichtsverfahren nunmehr die Erwägung nachgeschoben, die Weiterbildung sei nicht notwendig, weil der Kläger durch seine Tätigkeit als Altenpflegehelfer weder arbeitslos ist noch ihm Arbeitslosigkeit droht. Zwar sollte sich diese Erwägung auf das Fehlen bereits tatbestandlicher Voraussetzungen beziehen. Da, wie ausgeführt wurde, die Frage der Notwendigkeit der Weiterbildung indes nicht an eine bestehende oder drohende Arbeitslosigkeit geknüpft ist, handelt es sich bei dieser Erwägung letztlich um die Ausübung von Ermessen. Die erstmalige Ermessensausübung in dieser Richtung ist jedoch im laufenden Gerichtsverfahren nicht mehr möglich. Ein Nachschieben bislang – aus welchen Gründen auch immer – nicht bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens (vgl. § 78 Sozialgerichtsgesetz – SGG) eingeführter wesentlicher Ermessenserwägungen, wie es § 41 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – SGB X – für die Heilung bestimmter Mängel vorsieht, ist im Gerichtsverfahren unzulässig. Der Gesetzgeber hat eine dem § 114 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – entsprechende Regelung im Sozialgerichtsgesetz nicht geschaffen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 10. Auflage, 2012, § 54 RdNr. 36).
Überdies stünde diese Ermessenserwägung, wie schon die Argumentation der Beklagten zur Vermittelbarkeit in die Tätigkeit des Tankstellenverkäufers, in Widerspruch dazu, dass der Gesetzgeber die Frage der Notwendigkeit der Weiterbildung bei fehlendem Berufsabschluss gerade nicht von einer bestehenden oder drohenden Arbeitslosigkeit abhängig gemacht hat. Diese Gesichtspunkte können dann grundsätzlich auch kein Kriterium im Rahmen der Ermessensausübung für die Ablehnung der Weiterbildung sein. Allenfalls in einer besonderen (fast theoretischen) Ausnahmesituation kann eine besonders gesicherte berufliche Stellung trotz fehlenden Berufsabschlusses im Einzelfall zu einer Versagung einer Weiterbildung trotz vorliegender gesetzlicher Voraussetzungen im Ermessenswege führen. Eine solche Ausnahmesituation ist hier nicht gegeben. Die inzwischen aufgenommene Tätigkeit des Klägers als Altenpflegehelfer stellt insbesondere nach der eindeutigen Zielrichtung des Gesetzes zur Stärkung der beruflichen Aus- und Weiterbildung in der Altenpflege kein Hindernis dar, den qualifizierten Berufsabschluss einer Fachkraft in der Altenpflege zu erwerben. Umgekehrt sind die Altenpflegehelfer eine Zielgruppe, die der Gesetzgeber für die Qualifizierung zur Altenpflegefachkraft besonders im Auge hatte. Nach der Begründung zu diesem Gesetz (vgl. Veröffentlichung Begründung der Bundesregierung zum Gesetzesvorhaben in Juris vom 16.1.2013) sollen mit Hilfe der durch das Gesetz geschaffenen Weiterbildungs¬vereinfachung bis zu 4.000 Pflegehel¬ferinnen und Pflegehelfer für eine Nachqualifizierung gewonnen werden.
Ist somit die Ablehnungsentscheidung der Beklagten ermessensfehlerhaft und deshalb aufzuheben, folgt bereits aus den dargestellten Erwägungen, dass darüber hinaus jede andere Entscheidung als eine Bewilligung der Weiterbildung des Klägers zur Fachkraft in der Altenpflege ermessensfehlerhaft wäre. Damit liegt hier ein Fall der Ermessensreduzierung auf Null vor, der das Gericht berechtigt, die Beklagte zur Bewilligung der Maßnahme selbst und nicht nur zur Neubescheidung nach Aufhebung der bisherigen Bewilligungsentscheidung zu verurteilen (§ 54 Abs. 2 und Abs. 5 SGG, vgl. BSG, Urteil vom 8.7.2009 – B 11 AL 30/08 R – RdNr. 25). Maßgeblich hierfür ist neben der Notwendigkeit der Weiterbildung und der gegebenen Eignung des Klägers für den Beruf der Fachkraft in der Altenpflege insbesondere das mit dem Gesetz zur Stärkung der beruflichen Aus- und Weiterbildung in der Altenpflege verfolgte gesetzgeberische Anliegen. Zur Bekämpfung eines bereits bestehenden und sich durch den demographischen Wandel noch verstärkenden Fachkräftemangels in der Altenpflege soll die berufliche Aus- und Weiterbildung in der Altenpflege gestärkt und dabei für die Weiterbildung insbesondere auch Altenpflegehelfer gewonnen werden (vgl. Veröffentlichung Begründung der Bundesregierung zum Gesetzesvorhaben in Juris vom 16.1.2013; Gesetzentwurf der Bundesregierung Drucksache 17/12327, Bl. 30/31 der Gerichtsakte).
Diesem klar formulierten Gesetzeszweck würde es zuwiderlaufen, wenn dem verhältnismäßig jungen Kläger, der sich als geeignet für die Ausbildung erweist und über Berufserfahrung im Bereich Altenpflege verfügt, diese Weiterbildungsmöglichkeit vorenthalten würde. Gerade Arbeitnehmer wie der Kläger sollen von dem Gesetz zur Stärkung der beruflichen Aus- und Weiterbildung in der Altenpflege profitieren. Bei der Argumentation der Beklagten drängt sich unweigerlich die – rhetorische – Frage auf, welcher Personenkreis überhaupt noch für eine Weiterbildung zur Fachkraft in der Altenpflege in Betracht käme, wenn schon die Person des Klägers nach der Vorstellung der Beklagten hiervon ausgeschlossen bliebe.
Hinzu kommt, dass sich die Beklagte in Bezug auf ihre Ermessensausübung bereits weitgehend selbst gebunden hatte. Der Vorsitzende der 12. Kammer des Sozialgerichts Chemnitz hatte schon im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 30.5.2011 zur ersten Klage auf die Lückenhaftigkeit der Ermessensausübung der Beklagten hingewiesen und das Augenmerk für die von der Beklagten zu treffende Ermessensentscheidung auf die Klärung der gesundheitlichen und psychologischen Eignung des Klägers für den Beruf der Altenpflegefachkraft gelegt. Indem die Beteiligten sich im Vergleichswege ohne weitere Vorbehalte auf die Prüfung der Eignung des Klägers festlegten, hat die Beklagte damit zugleich ihren Ermessensspielraum für die künftige Entscheidung eingeschränkt. Damit war klar, dass sie dem Kläger in dem Folgeverfahren die bisher zur Ablehnung führenden Erwägungen nicht weiter wird entgegen halten können. Darauf durfte der Kläger aufgrund des gerichtlichen Vergleichs vertrauen und diesem Vertrauen hatte die Beklagte im Rahmen ihrer neuerlichen Ermessensentscheidung gerecht zu werden.
Wesentlich andere oder neue Gründe, die im Rahmen des Ermessens für eine Ablehnung der Weiterbildung gesprochen hätten und deren Berücksichtigung durch den Vergleich nicht ausgeschlossen gewesen wäre, sind nach Abschluss des gerichtlichen Vergleichs nicht hinzugetreten. Die Beklagte müsste daher bereits wegen dieser Bindung an den Vergleich vom 30.5.2011 eine Bewilligungsentscheidung zu Gunsten des Klägers treffen. Mit der am 1.9.2012 aufgenommenen unbefristeten Tätigkeit des Klägers als Altenpflege¬helfer ist, wie bereits ausgeführt wurde, kein neuer Gesichtspunkt hinzu getreten, der die Ablehnung der Weiterbildung im Rahmen des Ermessens rechtfertigen könnte.
Dagegen liegt im Verhalten der Beklagten nach dem Vergleichsabschluss vom 30.5.2011 ein Verstoß gegen den auch im öffentlichen Recht anwendbaren Grundsatz von Treu und Glauben vor. Dieser Verstoß schränkt das Ermessen der Beklagten in Bezug auf eine weitere Ablehnungsentscheidung zusätzlich ein. Indem die Beklagte ihren weiteren Ablehnungsbescheid vom 27.7.2011 erneut und vor allem ohne den im gerichtlichen Vergleich vom 30.5.2011 verabredeten Eignungstest abzuwarten mit der fehlenden Notwendigkeit der Weiterbildung des Klägers wegen dessen Vermittelbarkeit in eine Tätigkeit als Tankstellenverkäufer begründete, verhielt sie sich treuewidrig. Angemerkt sei in diesem Zusammenhang noch, dass die gleiche Mitarbeiterin, die für den Ablehnungsbescheid vom 27.7.2011 verantwortlich zeichnete, schon in einem internen Schreiben vom 11.11.2010 ausgeführt hatte, dass die Voraussetzungen für die Förderung der beruflichen Weiter¬bildung zwar vorlägen, die Zustimmung zum Antrag aber noch einer psycholo¬gischen und ärztlichen Begutachtung zur Klärung der Eignung des Klägers abhängig gemacht werden müsse. Umso unverständlicher wird es, wenn die Beklagte bis zuletzt keine Konsequenzen aus dem für den Kläger positiv verlaufenen Eignungstest ziehen wollte.
Zusammenfassend verbleiben keine durchgreifenden Erwägungen für eine Ablehnung der begehrten Weiterbildung. Demgegenüber sprechen die genannten Gesichtspunkte derart gewichtig für eine Bewilligung der Weiterbildung, dass das Ermessen der Beklagten hinsichtlich einer solchen Entscheidung auf Null reduziert ist. Daher war die Beklagte unmittelbar zur Gewährung der Weiterbildung zu verurteilen.
Die Kostenentscheidung nach § 193 SGG folgt der Entscheidung zur Hauptsache.
Prozesskostenhilfe war zu gewähren, weil die Rechtsverfolgung, wie sich aus den vorgenannten Gründen ergibt, hinreichende Aussicht auf Erfolg hatte und der Kläger bedürftig ist (§ 73 a SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung – ZPO).
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