L 4 KA 63/12

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 115/11
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 63/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 19. September 2012 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Rückforderung des Auffüllbetrages in Höhe von 10.955,52 EUR abzgl. der Verwaltungskosten nach Ziff. 7.5 Honorarverteilungsvertrag (HVV) im Rahmen einer Berichtigung der Honorarbescheide für die Quartale IV/05, I/06 und IV/06.

Der Kläger ist als Facharzt für Allgemeinmedizin mit Praxissitz in A-Stadt seit 1. Dezember 1991 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Die Beklagte setzte in den Quartalen IV/04 und I/05 sowie in den streitgegenständlichen Quartalen IV/05, I/06 und IV/06 das Honorar des Klägers mit zwischenzeitlich bestandskräftigen Honorarbescheide wie folgt fest:
IV/04 I/05
Honorarbescheid vom 18. April 2005 26. Juli 2005
Nettohonorar gesamt in EUR 20.689,86 22.139,02
Bruttohonorar PK + EK in EUR 20.996,85 22.277,93
Fallzahl PK + EK 400 421

IV/05 I/06 IV/06
Honorarbescheid vom 6. August 2007 21. Januar 2007 18. April 2007
Nettohonorar gesamt in EUR 19.116,81 19.414,39 23.046,73
Bruttohonorar PK + EK in EUR 19.120,35 19.639,40 23.271,90
Fallzahl PK + EK 374 372 438

Regelleistungsvolumen Ziff. 6.3 HVV Fallwert 728,2 726,5 720,0
Fallzahl 353 336 383
Praxisbezogenes RLV in Punkten 257.054,6 244.104,0 275.760,0
Abgerechnetes Honorarvolumen in Punkten 164.459,0 153.212,0 190.967,9
Überschreitung in Punkten 0 0 0

Ausgleichsregelung Ziff. 7.5 HVV
Referenz-Fallzahl 400 421 374
Referenz-Fallwert EUR 41,4726 40,9178 38,6704
Aktueller Fallwert EUR 25,7244 24,0081 25,3241
Auffüllbetrag je Fall EUR 12,9496 13, 9749 11,4130
Auffüllbetrag gesamt in EUR 4.843,15 5.198,67 4.268,45

Die Beklagte nahm mit Bescheid vom 18. März 2008 eine Überprüfung der Regelung nach Ziff. 7.5 HVV für die Quartale IV/05 und I/06 vor und setzte einen Rückforderungsbetrag in Höhe von 3.563,21 EUR für das Quartal IV/05 und von 4.007,19 EUR für das Quartal I/06 fest, insgesamt eine Brutto-Rückforderung (abzüglich Verwaltungskosten) von 7.570,40 EUR. Zur Begründung führte sie aus, ein Ausgleich nach Ziff. 7.5 HVV sei unter anderem dann ausgeschlossen, wenn im aktuellen Quartal im Vergleich zum Vorjahresquartal erkennbare (ausgewählte) Leistungsbereiche nicht mehr erbracht würden oder sich das Leistungsspektrum der Praxis verändere. Betrage die Fallwertminderung mehr als 15 %, sei eine praxisbezogene Prüfung durchzuführen. Eine Prüfung der Honorarbescheide habe eine Fallwertminderung von mehr als 15 % ergeben:
Ausgangsquartal Fallwert Aktuelles Quartal Fallwert
4/2004 41,4726 EUR 4/2005 25,7244 EUR
1/2005 40,9178 EUR 1/2006 24,0081 EUR

Sie habe festgestellt, dass im Bereich der Gesprächsleistungen (Nrn. 10, 11 und 18 EBM 1996 bzw. 03120 EBM 2005) ein nicht unerheblicher Leistungsrückgang zu verzeichnen sei. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass sich die Abrechnungsmöglichkeiten insofern geändert hätten, als die Leistungen nach Nrn. 10, 11 und 18 EBM 1996 bei einer Beratung von maximal 10 Minuten nicht mehr gesondert abgerechnet werden könnten, da diese bereits im Ordinationskomplex enthalten seien. Erst jeweils weitere 10 Minuten Beratung könnten jeweils nach Nr. 03120 EBM 2005 abgerechnet werden. Doch auch unter Berücksichtigung dieses Sachverhaltes ergebe sich im Bereich der Gesprächsleistungen ein nicht unerheblicher Leistungsrückgang. Eine Vergleichbarkeit des Leistungsspektrums der genannten Quartale sei aufgrund des vorstehenden Sachverhalts nicht mehr gegeben. Der prozentuale Leistungsrückgang bezüglich der Anzahl der Gesprächsleistungen betrage im Vergleich des Quartals IV/04 und IV/05 95 %, im Vergleich des Quartals I/05 und I/06 94 %. Die Fallwertminderung resultiere daraus, dass erkennbar ein ausgewählter Leistungsbereich weniger erbracht worden sei. Sie fordere deshalb die im Rahmen der Regelung nach Ziff. 7.5 HVV erfolgte Auffüllung anteilig (um den Anteil, der 15 % der Fallwertverluste überschreite) zurück. Hieraus ergäben sich die Rückforderungsbeträge. Der Rückforderungsbetrag für das Quartal IV/05 sei ebenfalls für das Quartal IV/06 zu berücksichtigen. Hieraus folgten neue Beträge für die Ausgleichsregelung:
Quartal Ausgangsfallwert vor Korrektur Ausgangsfallwert nach Korrektur Aktueller Fallwert - unverändert Auffüllung vor Korrektur Auffüllung nach Korrektur
IV/06 38,6704 EUR 29,1431 EUR 25,3241 EUR 4268,45 EUR 883,33 EUR

Hieraus ergebe sich ein zusätzlicher Rückforderungsbetrag in Höhe von 3.385,12 EUR.

Hiergegen legte der Kläger am 17. April 2008 Widerspruch ein und trug vor, es habe keine Verschiebung des Leistungsspektrums stattgefunden, die die Anwendung der Ausgleichsregelung ausschließe. Es sei insbesondere nicht nachvollziehbar, inwiefern die Gesprächsleistungen um die von der Beklagten genannten Prozentsätze zurückgegangen sein sollten. Da in den Konsultationskomplex Beratungsleistungen teilweise eingegliedert worden seien, müssten diese Ordinationskomplexe bei den Gesprächsleistungen ebenfalls in Ansatz gebracht werden. Damit resultiere ein wesentlich geringerer Rückgang, als er in dem Bescheid zum Ausdruck komme. Der Rückforderung der Ausgleichsregelung hätten die tatsächlichen Abweichungen zu Grunde gelegt werden müssen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Januar 2009 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Ergänzend zum Ausgangsbescheid führte sie aus, ein direkter Vergleich sei lediglich möglich zwischen der Nr. 18 EBM 1996 (Zuschlag zu den Leistungen nach den Nrn. 10, 11 und 17 bei einer Gesprächsdauer von mehr als 30 Minuten) und der Nr. 03120 EBM 2005. Der Kläger habe für den Bereich der Primär- und Ersatzkassen im Quartal IV/04 126 mal und im Quartal I/05 101 mal die Nr. 18 EBM 1996 abgerechnet. Im Quartal IV/05 habe er die Nr. 03120 EBM 2005 dagegen lediglich 27mal und im Quartal I/06 36mal abgerechnet. Bedenke man hierbei noch, dass für ein einmaliges Ansetzen der Nr. 18 EBM 1996 zweimal die Nr. 03120 EBM 2005 aufgewendet werden müsste, um den gleichen zeitlichen Umfang der Gesprächsleistung abzudecken, ersehe man bereits den nicht unerheblichen Leistungsrückgang im Rahmen dieser Gesprächsleistung. Prozentual errechne sich hieraus ein Leistungsrückgang von 89,68 % im Quartal IV/05 und 82,18 % im Quartal I/06, allein bezogen auf die Nr. 03120 EBM 2005, der nicht durch die Einführung des EBM 2005 bedingt sei. Im Übrigen habe sie der Tatsache, dass die Auffüllung teilweise durch die Einführung des EBM 2005 bedingt gewesen sei und keine praxisindividuellen Gründe gehabt habe, dadurch Rechnung getragen, dass eine Rückforderung der Auffüllung nur ab einem Fallwertverlust von 15 % erfolgt sei. Dies habe im Ergebnis zu der Rückforderung geführt. Im Quartal IV/06 verbleibe deshalb nur noch ein Auffüllungsbetrag in Höhe von 883,33 EUR.

Hiergegen hat der Kläger am 2. März 2009 Klage beim Sozialgericht Marburg (SG) erhoben und die Auffassung vertreten, bereits aufgrund der Neufassung des EBM 2005 und des Wegfalls von Gesprächsziffern, die jetzt im Ordinations- oder Konsultationskomplex enthalten seien, resultiere ein Honorarrückgang, der durch die Ausgleichsregelung kompensiert werden müsse. Diese Reduktion sei im Widerspruchsbescheid nicht näher spezifiziert worden. Es habe auch eine Reduzierung der Punktezahlen stattgefunden. Für die Nr. 1 EBM 1996 (Ordinationskomplex) seien 265 Punkte, für die Nr. 10 EBM 1996 300 Punkte und für die weitere Gesprächsziffer Nr. 18 EBM 1996 weitere 300 Punkte abrechenbar gewesen. Für den Ordinationskomplex nach Nr. 03110 bis 03112 EBM 2005 seien je nach Alter zwischen 145 und 225 Punkte sowie für die Nr. 03120 EBM 2005 150 Punkte vorgesehen. Damit reduziere sich das mögliche Abrechnungsvolumen massiv. Der Fallwertverlust in dieser Höhe sei noch nicht dadurch gerechtfertigt, dass der Kläger ausgehend von den Daten der Beklagten im Verhältnis zu den Vorquartalen die Nr. 03120 EBM 2005 weniger häufig abgerechnet habe. Hätte er die Nr. 03120 EBM 2005 doppelt so häufig abgerechnet wie zuvor die Nr. 18 EBM 1996, hätte dies im Quartal I/06 bedeutet, dass er die Nr. 03120 EBM 2005 202 mal zur Abrechnung gebracht hätte. Dies entspreche einem Punktzahlvolumen von 30.300 Punkten. Er habe die Leistung nur 36mal abgerechnet, was mithin 5.400 Punkten entspreche. Somit habe er 24.900 Punkte weniger abgerechnet. Bei einem Punktwert von 3,743 Cent bedeute dies einen Honorarverlust in Höhe von 932,00 EUR. Der geltend gemachte Rückforderungsbetrag belaufe sich jedoch auf 4.007,19 EUR im entsprechenden Quartal. Im Quartal IV/05 belaufe sich der Honorarverlust bei entsprechender Kalkulation auf maximal 1.193,72 EUR. Wesentlich schwerwiegender seien der Wegfall bestimmter Abrechnungsziffern und die Reduktion der Punktebewertung der Gesprächsleistungen. Wenn die Beklagte der Auffassung sei, bei Fortführung seiner bisherigen Praxistätigkeit und dem entsprechenden Leistungsspektrum hätte er im Quartal IV/05 293.460 Punkte mehr abrechnen können, so stelle sie darauf ab, dass er im gleichen Verhältnis die durchschnittlichen Leistungszahlen der Vergleichsgruppe um ebenfalls 745 % hätte überschreiten müssen. Es sei zu berücksichtigen, dass er die Nr. 03120 EBM 2005 deutlich häufiger in Ansatz gebracht habe als die bisherigen Sprechziffern. Eine relativ geringe Leistungsveränderung führe zum Verlust der Ausgleichszahlung. Dies sei rechtswidrig und unverhältnismäßig. Durch die Einbeziehung der Gesprächsleistungen in den Ordinationskomplex sei das eingetreten, was zur Stützung habe führen sollen, nämlich dass es aufgrund der Umstellung des EBM zu Honorarverlusten gekommen sei. Ein Vergleich mit der Fachgruppe führe insofern nicht weiter, als dass ggf. gestiegene Leistungsmengen der Fachgruppe, die insbesondere im Hinblick auf die Nr. 03120 EBM 2005 in der Ärzteschaft im großen Umfang festzustellen gewesen seien, zu einer ggf. höheren Frequenz geführt hätten. Angesichts der statistischen Begebenheiten hätte er bei einer auf die Fachgruppe abstellenden Betrachtung vor dem Hintergrund des Anstiegs dieser Leistungen eine nicht mehr nachvollziehbare Leistungssteigerung vornehmen müssen. Ein Vergleich mit der Fachgruppe könne keine Aussagekraft darüber entfalten, wie sich sein Leistungsspektrum verändert habe.

Der Beklagte hat hierzu ergänzend ausgeführt, im Quartal IV/04 weise der Kläger Abweichungen in der Basis-Zuordnung wie folgt auf:
Ziffer Prozentuale Abweichung in Ansatzhäufigkeit für Prüfgruppe
10 17,32
11 78,79
18 745,13

Demgegenüber liege die Ansatzhäufigkeit bezüglich der Nr. 03120 EBM 2005 im Verhältnis zur Prüfgruppe bei -89,85 %. Allein diese Auffälligkeiten innerhalb der Abrechnung dokumentierten, dass der Fallwertverlust nicht in erster Linie mit EBM-bedingten Änderungen begründet werden könne, sondern auf eine Änderung in der Leistungserbringung im Zusammenhang mit Gesprächsleistungen zurückgehe. Dies werde noch deutlicher im Hinblick auf die Leistungslegenden, da die Nr. 18 EBM 1996 eine Gesprächsdauer von mindestens 30 Minuten vorausgesetzt habe, die Nr. 03120 EBM 2005 jedoch je vollendete 10 Minuten abgerechnet werden könne. Hätte der Kläger in der Abrechnung IV/05 die Nr. 03120 EBM 2005 in einem ähnlichen Umfang abgerechnet wie im Quartal IV/04 die Nr. 18 EBM 1996, nämlich mit einer Abweichung vom Fachgruppendurchschnitt von 745 %, hätte er pro 100 Fälle 553 mal die Nr. 03120 EBM 2005 ansetzen müssen. Abgerechnet habe er sie tatsächlich siebenmal pro 100 Fälle. Gehe man nun von 536 zusätzlichen Gesprächsleistungen pro 100 Fälle aus, dies bei 365 Fällen in einer Anzahl von Gesprächsleistungen nach Nr. 03120 EBM 2005 von 1.956,4 bei einem Wert von 150 Punkten, so ergebe sich insgesamt ein Zugewinn von 293.460 Punkten. Dabei hätten noch rund 92.000 Punkte zum oberen Punktwert vergütet werden können, da das praxisindividuelle Regelleistungsvolumen nicht ausgeschöpft worden sei. Dies hätte ein zusätzliches Honorar von rund 3.036,00 EUR (bei einem gemittelten Nettopunktwert von 0,033 EUR) eingebracht. Die Vergütung der darüber hinausgehenden Forderung mit dem unteren Punktwert hätte einen zusätzlichen Honoraranspruch von 1.029,46 EUR ergeben.

Mit Urteil vom 19. September 2012 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 18. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Januar 2009 aufgehoben. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, der Bescheid sei rechtswidrig. Die Beklagte sei zwar grundsätzlich im Rahmen einer sachlich-rechnerischen Berichtigung zuständig und berechtigt, eine Überprüfung der Ausgleichszahlung nach Ziff. 7.5 HVV vorzunehmen (Hinweis auf LSG Hessen, Urteil vom 13. Juli 2011 – L 4 KA 14/10). Die Beklagte gehe aber von einer fehlerhaften Sachverhaltsermittlung aus, wenn sie bei den Gesprächsleistungen einen Leistungsrückgang von 89,68 % im Quartal IV/05 und 82,18 % im Quartal I/06 unterstelle. Zu berücksichtigen sei zunächst, dass die Leistungen nach Nr. 10 EBM 1996 (therapeutisches hausärztliches Gespräch), Nr. 11 EBM 1996 (Diagnose/Behandlung einer psychischen Krankheit durch hausärztliches Gespräch) und Nr. 18 EBM 1996 (Zusatz zu Nrn. 10, 11, 17; Gesprächsdauer 30 und mehr Minuten) weggefallen seien und für den hausärztlichen Versorgungsbereich durch die Nr. 03120 EBM 2005 (Beratung, Erörterung, Abklärung; je 10 Minuten) ersetzt worden seien. Soweit die Gesprächsleistung beim Erstkontakt, bei dem der Ordinationskomplex abgerechnet werde, anfalle, könne sie erst ab einer Gesamtgesprächsdauer von 20 Minuten angesetzt werden. Diese Leistung werde nur noch mit 150 Punkten bewertet, wohingegen die Gesprächsleistungen nach dem EBM 1996 jeweils mit 300 Punkten bewertet worden seien. Die Abrechnung des Klägers in Bezug auf die Gesprächsleistungen stelle sich wie folgt dar:

Quartal IV/04 I/05
Anzahl Praxen/Ärzte 2.508/2039 2.490/2.021
Nr. 10 therapeutisches hausärztliches Gespräch, 300 Punkte
Kläger absolut 295 409
Kläger in Punkten 88.500 122.700
Kläger/Vergleichsgruppe auf 100 Fälle 74/63 97/62
Ausführende Praxen 2.491 2.471
Vergleichsgruppe auf 100 Fälle 63 62
Abweichung Kläger + 17,32 % + 56,04 %

Nr. 11 Diagnose/Behandlung einer psychischen Krankheit durch hausärztliches Gespräch, 300 Punkte
Kläger absolut 39 16
Kläger in Punkten 11.700 4800
Kläger/Vergleichsgruppe auf 100 Fälle 10/5 4/5
Ausführende Praxen 2.177 2.142
Vergleichsgruppe auf 100 Fälle 5 5
Abweichung Kläger + 78,79 % - 25,00 %

Nr. 18 , Zuschlag , 300 Punkte
Kläger absolut 126 101
Kläger in Punkten 37.800 30.300
Kläger/Vergleichsgruppe auf 100 Fälle 32/3 24/3
Ausführende Praxen 1.910 1.884
Vergleichsgruppe auf 100 Fälle 4 3
Abweichung Kläger + 745,13 % + 606,85 %

Quartal IV/05 I/06 II/06
Anzahl Praxen/Ärzte 3.094/3.898 3.096/3.939 3.051/3.920
Anzahl PK + EK 374 372 438

Nr. 03120 EBM 20055 Beratung, Erörterung, Abklärung, 150 Punkte
Kläger absolut 27 36 56
Kläger in Punkten 4.050 5.400 8.400
Kläger/Vergleichsgruppe auf 100 Fälle 7/72 10/78 13/76
Ausführende Praxen 3.065 3.064 3.023
Vergleichsgruppe auf 100 Fälle 73 78 76
Abweichung Kläger - 89,85 % - 87,41 % - 83,03

An Gesprächsleistungen nach Nrn. 10, 11 und 18 EBM 1996 habe der Kläger in den Quartalen IV/04 und I/05 insgesamt 138.000 bzw. 157.800 Punkte abgerechnet. Nach Nr. 03120 EBM 2005 (zu Nr. 150 Punkten) habe er in den Quartalen IV/05 und I/06 4.050 bzw. 5.400 Punkte abgerechnet. Unterstelle man hypothetisch, er habe bereits bei jedem Erstkontakt ein 10 bis 19-minütiges Gespräch geführt - wie oft der Kläger das tatsächlich getan habe, hätte von der Beklagten ermittelt oder geschätzt werden müssen -, so könne er ab dem Quartal II/05 keine weiteren Leistungen abrechnen. Um eine Vergleichbarkeit mit den Vorquartalen herzustellen, sei hierfür hypothetisch die Fallzahl x 300 Punkte einzustellen, ebenso sei die Nr. 03120 EBM 2005 hypothetisch mit 300 Punkten zu veranschlagen. Diese für den Kläger günstigste Rechnung zeige immer noch einen Punktwertrückgang von hypothetisch 17.700 bzw. 30.400 Punkten (dies entspreche bei 3,5 Cent Beträgen von 619,50 EUR bzw. 1.064,00 EUR):
Quartal IV/05 I/06
Fallzahl PK +EK 374 372
Nr. Nr. 03120 EBM 20055 Beratung, Erörterung, Abklärung, 150 Punkte
Kläger in Punkten 4.050 5.400
Kläger in Punkten x 2 8.100 10.800
Fallzahl x 300 112.200 116.600
Summe 120.300 127.400
Punktmenge Vorjahresquartal zum Vergleich 138.000 157.800
Rückgang 17.700 30.400

Gehe man davon aus, dass das Gespräch nur in jedem zweiten Fall geführt worden sei, ergebe sich ein hypothetischer Punktwertrückgang vom 73.800 bzw. 88.700 Punkten (dies entspreche bei 3,5 Cent Beträgen von 2.583,00 EUR bzw. 3.104,00 EUR):
Quartal IV/05 I/06
Kläger in Punkten x 2 8.100 10.800
Fallzahl x 300 x 1/2 56.100 58.300
Summe 64.200 69.100
Punktmenge Vorjahresquartal zum Vergleich 138.000 157.800
Rückgang 73.800 88.700

Damit überlagere sich eine Neustrukturierung des EBM mit einem deutlichen Rückgang der Gesprächsleistungen, was, worauf die Beklagte insofern zutreffend darauf hingewiesen habe, im Vergleich mit der Abrechnung der Nr. 18 EBM 1996 mit der Nr. 03120 EBM 2005 deutlich werde. Gerade dann, wenn der Kläger weiterhin Gespräche von mehr als dreißigminütiger Dauer erbracht hätte, hätte die Abrechnungsfrequenz der Nr. 03120 EBM 2005 wesentlich höher ausfallen müssen. Bei ihren Tatsachenfeststellungen habe die Beklagte nicht hinreichend die doch deutliche Neustrukturierung des EBM 2005 berücksichtigt. Im Übrigen bleibe es der Beklagten im Rahmen der Ausschlussfrist unbenommen, den Kläger auf der Grundlage der Vorgaben der Kammer neu zu bescheiden.

Gegen das ihr am 28. September 2012 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 25. Oktober 2012 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht (HLSG) eingelegt und zur Begründung ausgeführt, die Überprüfung im Rahmen der Regelung nach Ziff. 7.5 HVV habe ergeben, dass die Ursache der Fallwertminderung von mehr als 15 % nicht vollständig in der Einführung des EBM 2005 begründet gewesen sei, sondern dass eine erhebliche Reduzierung der Gesprächsleistungen und somit ein nicht unerheblicher Leistungsrückgang eingetreten sei. Zurückgefordert worden sei im Rahmen der Ausgleichsregelung lediglich der Anteil, der über den 15 %igen Fallwertverlust hinausgehe, da gemäß der Regelung des Ziff. 7.5.2 HVV ausgleichsfähige Fallwertminderungen oberhalb von 15 % vollständig ihre Ursache in der Einführung des EBM 2005 haben müssten. Aufgrund der Neuberechnung des Ausgangsquartals IV/05 habe sich eine weitere Rückforderung für das Fall Quartal IV/06 ergeben. Entgegen dem Urteil des SG Marburg liege keine fehlerhafte Sachverhaltsermittlung vor. Die Neustrukturierung des EBM 2005 im Rahmen der Gesprächsleistungen sei hinreichend berücksichtigt worden. Die vom SG auf Seite 10 des Urteils vorgenommene Berechnung könne nicht nachvollzogen werden und sei für die Berechnung des Rückforderungsbetrags nicht relevant. Ein direkter Vergleich sei möglich zwischen der Nr. 18 EBM 1996 und der Nr. 03120 EBM 2005. Hier habe der Kläger für den Bereich der Primär- und Ersatzkassen im Quartal IV/04 126mal und im Quartal I/05 101mal Nr. 18 EBM 1996 abgerechnet. Im Quartal IV/2005 habe er die Nr. 03120 EBM 2005 hingegen lediglich 27mal und im Quartal I/06 lediglich 36mal abgerechnet. Bedenke man, dass für ein einmaliges Ansetzen der Nr. 18 EBM 1996 zweimal die Nr. 03120 EBM 2005 aufgewendet werden müsste, um den gleichen zeitlichen Umfang der Gesprächsleistungen abzudecken, ersehe man den nicht unerheblichen Leistungsrückgang. Prozentual errechne sich hieraus ein Leistungsrückgang in Höhe von 89,68 % im Quartal IV/05 und 82,18 % im Quartal I/06 allein bezogen auf die Nr. 03120 EBM 2005, der nicht durch die Einführung des EBM 2005 bedingt sei. Diese Veränderung schlage sich auch im Vergleich zur Fachgruppe nieder. Im Quartal IV/04 habe der Kläger den Zuschlag Nr. 18 EBM 1996 zehnmal so häufig auf 100 Fälle erbracht wie ein Facharztkollege, dagegen habe er im Quartal IV/05 auf 100 Fälle nur 1/10 der je Arzt der Fachgruppe angesetzten Gesprächsleistungen nach Nr. 03120 EBM 2005 abgerechnet. Im Quartal IV/04 seien Gesprächsleistungen überdurchschnittlich häufiger erbracht worden, im Quartal IV/05 völlig unterdurchschnittlich. Der Fallwertrückgang sei vorrangig auf die verminderten Gesprächsleistungen zurückzuführen, die Einführung des EBM 2005 als Ursache sei nahezu ausgeschlossen.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 19. September 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für rechtmäßig.

Wegen weiterer Einzelheiten sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet.

Das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 19. September 2012 war aufzuheben und die Klage abzuweisen, da die Beklagte von dem Kläger mit Bescheid vom 18. März 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Januar 2009 zu Recht Auffüllbeträge nach Ziff. 7.5 HVV in Höhe von insgesamt 10.955,52 EUR zurückforderte.

§ 45 des Bundesmantelvertrages Ärzte (BMV-Ä) bzw. § 34 des Ersatzkassenvertrages (EKV-Ä) berechtigen die Kassenärztliche Vereinigung zur Rücknahme rechtswidriger Honorarbescheide ohne zu differenzieren, in wessen Verantwortungsbereich die sachlich-rechnerische Unrichtigkeit fällt. Ein Fehler der sachlich-rechnerischen Richtigkeit des Honorarbescheides und damit seine Unrichtigkeit sind auch dann gegeben, wenn diese auf Gründen beruht, die nicht dem Verantwortungsbereich des Vertragsarztes zuzurechnen sind (vgl. BSG, Urteil vom 30. Juni 2004 – B 6 KA 34/03 R =SozR 4-2500 § 85 Nr. 11, Juris Rn. 19 m. w. N.). Vorliegend waren die Honorarbescheide für die streitgegenständlichen Quartale IV/05, I/06 und IV/06 rechtswidrig, weil die Voraussetzungen der Ausgleichsregelung nach Ziff. 7.5 HVV bei dem Kläger nicht vorlagen.

Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats verstößt nur die in Ziff. 7.5 HVV geregelte Honorarkürzung gegen zwingende Vorgaben des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 29. Oktober 2004 zur Festlegung von Regelleistungsvolumen durch die kassenärztlichen Vereinigungen gemäß § 85 Abs. 4 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch - SGB V - (BRLV) und ist nicht durch die Ermächtigungsgrundlage in § 85 Abs. 4 SGB V in Verbindung mit Art. 12 GG gedeckt (vgl. Urteile vom 29. April 2009, L 4 KA 80/08, Juris Rn. 18, und vom 4. November 2009, L 4 KA 99/08, Juris Rn. 47; BSG, Urteil vom 18. August 2010, B 6 KA 27/09 R, Juris Rn. 39). Die Regelung des Ziff. 7.5 HVV ist jedoch nicht zu beanstanden, soweit diese im Sinne einer allgemeinen Härtefallregelung bei Teilfallwertverlusten von mehr als 5 % eine Begrenzung der Honorarminderung auf den maximalen Veränderungsrahmen von 5 % vorsieht (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 2. August 2011, L 4 KA 29/11 B ER, Urteile vom 13. Juli 2011, L 4 KA 14/10 und vom 4. November 2009, L 4 KA 99/08, Juris Rn. 47). Der erkennende Senat hat ferner mit Urteil vom 13. Juli 2011, a. a. O. entschieden, dass in Fällen wie dem vorliegenden auch Vertrauensschutzgründe den Rückforderungen der Beklagten nicht entgegenstehen. Ein Vertrauen auf den Bestand des Honorarbescheids kann jedenfalls dann nicht bestehen, wenn der Vertragsarzt ausdrücklich unter Nennung der Gründe auf die Vorläufigkeit der Festsetzung hingewiesen worden ist. Dies war vorliegend der Fall. Die Beklagte hat die Vertragsärzte ab Geltung der Regelung nach Ziff. 7.5 HVV ausdrücklich auf die nachträgliche Überprüfung hingewiesen. In den Quartalen II/05 bis II/06 hat sie in Begleitschreiben zu den Honorarbescheiden jeweils darauf hingewiesen, dass sie die Überprüfung aufgrund der 15 %-Regelung erst nachträglich vornehmen werde. Ab dem Quartal III/06 hat sie an den mit "Nachweis zur Ausgleichsregelung gemäß Ziffer 7.5 des Honorarverteilungsvertrages" überschriebenen Teil des Honorarbescheids den "Hinweis" angefügt: "Honorarzahlungen aus der sog. Ausgleichsregelung stehen ausschließlich bei den Praxen bzw. MVZ unter einem Vorbehalt, bei denen (vor Durchführung der sog. "Ausgleichsregelung") die Fallwertminderung mehr als 15 % beträgt. Ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers auf den Bestand dieser Ausgleichszahlungen konnte daher nicht entstehen.

Ziff. 7.5 in der hier maßgeblichen Fassung des HVV vom 10. November 2005, die insoweit bis zum Quartal I/07 fortgeführt wurde, lautete im Einzelnen:
7.5.1 Zur Vermeidung von praxisbezogenen Honorarverwerfungen nach Einführung des EBM 2000plus erfolgt nach Feststellung der Punktwerte und Quoten gemäß Ziffer 7.2 ein Vergleich des für das aktuelle Abrechnungsquartal berechneten fallbezogenen Honoraranspruches (Fallwert in EUR) der einzelnen Praxis mit der fallbezogenen Honorarzahlung in EUR im entsprechenden Abrechnungsquartal des Jahres 2004 ausschließlich beschränkt auf Leistungen, die dem budgetierten Teil der Gesamtvergütung unterliegen und mit Ausnahme der zeitbezogenen genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen. Bei der Ermittlung des Fallwertes bleiben Fälle, die gemäß Anlage 1 bzw. 2 zu Ziffer 7.1 zur Honorierung kommen, unberücksichtigt.

Zeigt der Fallwertvergleich eine Fallwertminderung oder Fallwerterhöhung von jeweils mehr als 5 % (bezogen auf den Ausgangswert des Jahres 2004), so erfolgt eine Begrenzung auf den maximalen Veränderungsrahmen von 5 %. Die für eine Stützung bei Fallwertminderungen – Einzelheiten siehe Ziffer 7.5.2 – notwendigen Honoraranteile gehen zu Lasten der jeweiligen Honorar(unter)gruppe, der die Praxis im aktuellen Quartal zugeordnet ist, und sind gegebenenfalls durch weitergehende Quotierung der Bewertungen bzw. Punktwerte zu generieren, falls die aus der Begrenzung der Fallwerte auf einen Zuwachs von 5 % resultierende Honoraranteile hierfür nicht ausreichend sein sollten. Sollte durch eine solche Quotierung die Fallwertminderung (wieder) auf einen Wert oberhalb von 5 % steigen, führt dies zu keinem weitergehenden Ausgleich.

7.5.2 Ein Ausgleich von Fallwertminderungen bis zur Grenze von 5 % erfolgt grundsätzlich auf der Basis vergleichbarer Praxisstrukturen und maximal bis zu der Fallzahl, die im entsprechenden Quartal des Jahres 2004 zur Abrechnung gekommen ist. Ein Ausgleich ist in diesem Sinne u. a. dann ausgeschlossen, wenn im aktuellen Quartal im Vergleich zum Vorjahresquartal erkennbar (ausgewählte) Leistungsbereiche nicht mehr erbracht wurden oder sich das Leistungsspektrum der Praxis, u. a. als Folge einer geänderten personellen Zusammensetzung der Praxis, verändert hat. Er ist des Weiteren ausgeschlossen, wenn sich die Kooperationsform der Praxis entsprechend Ziffer 5.2 Buchstabe g) im Vergleich zum entsprechenden Vorjahresquartal geändert hat. Beträgt die Fallwertminderung mehr als 15 %, ist eine auf die einzelne Praxis bezogene Prüfung im Hinblick auf vorstehend aufgeführte Kriterien durchzuführen, bevor eine Ausgleichszahlung erfolgt. Ausgleichsfähige Fallwertminderungen oberhalb von 15 % müssen vollständig ihre Ursache in der Einführung des EBM 2000plus haben.

7.5.3 Die vorstehende Ausgleichsvorschrift steht im Übrigen unter dem Vorbehalt, dass von Seiten der Verbände der Krankenkassen mindestens eine gegenüber dem Ausgangsquartal vergleichbare budgetierte Gesamtvergütungszahlung geleistet wird und die aufgrund der Beschlussfassung des Bewertungsausschusses vom 29. Oktober 2004 vorzunehmenden Honorarverschiebungen nach Abschluss des Abrechnungsquartals – siehe Ziffer 2.5 der Anlage 1 bzw. 2 zu Ziffer 7.2 – noch ein ausreichendes Honorarvolumen für diese Maßnahme in der einzelnen Honorar(unter)gruppe belassen.

Bei dem Kläger ist in den Quartalen IV/05 und I/06 bezogen auf die Vorjahresquartale IV/04 und I/05 eine deutliche Abweichung im Leistungsspektrum hinsichtlich der Gesprächsleistungen festzustellen. Der Fallwertverlust ist zu einem wesentlichen Anteil durch die erhebliche Änderung des Leistungserbringungs- und Abrechnungsverhaltens des Klägers hinsichtlich der Gesprächsleistungen bedingt.

Zwar ist, wie bereits von der Beklagten und dem SG ausgeführt, zutreffend, dass mit Einführung des EBM 2005 bestimmte Gesprächsleistungen nicht mehr abrechenbar sind. Dies trifft hier insbesondere auf die Nrn. 10 EBM 1996 (therapeutisches hausärztliches Gespräch - zu komplexen erkrankungsbedingten Patientenproblemen und/oder - Beratung und Instruktion der Eltern und/oder Bezugspersonen von Kindern oder Jugendlichen mit Verhaltensstörungen oder Suchtproblemen, Dauer mindestens 10 Minuten, 300 Punkte) und 11 EBM 1996 (Diagnostik und/oder Behandlung einer psychischen Destabilisierung oder psychischen Krankheit durch hausärztliches Gespräch, Dauern mindestens 10 Minuten, 300 Punkte) sowie den Zuschlag nach Nr. 18 EBM 1996 zu den Leistungen nach Nrn. 10, 11 und 17 bei einer Gesprächsdauer von mehr als 30 Minuten (300 Punkte) zu. An deren Stelle ist im EBM 2005 die Nr. 03120 EBM 2005 getreten (Beratung, Erörterung und/oder Abklärung, Dauer mindestens 10 Minuten, 150 Punkte). Bei der Nebeneinanderberechnung der Leistungen nach Nrn. 03110 bis 03112 EBM 2005 (Ordinationskomplex) mit Nr. 01320 EBM 2005 ist eine Dauer der Arzt-Patienten-Kontaktzeit von mindestens 20 Minuten Voraussetzung für die Berechnung der Gesprächsziffer, bei der Nebeneinanderberechnung von diagnostischen und therapeutischen Leistungen mit Nr. 01320 EBM 2005 eine mindestens 10 Minuten längere Arzt-Patienten-Kontaktzeit als in den entsprechenden Leistungen angegeben.

Während der Kläger in den Bezugsquartalen IV/04 und I/05 in der weit überwiegenden Anzahl bzw. nahezu allen Fällen bezogen auf 100 Fälle Gesprächsleistungen (bezogen auf Nr. 10 EBM 1996) erbracht hat, trifft dies in den Quartalen IV/05 und I/06 bezogen auf die Gesprächsziffer Nr. 03120 EBM 2005 nur noch auf 7 bzw. 10 von 100 Fällen zu (Quartal II/06: 13 von 100). Dies lässt sich nicht überwiegend mit dem Wegfall der Gesprächsziffern Nrn. 10 und 11 EBM 1996 begründen, da auch die in den Vorjahresquartalen in nennenswertem Umfang abgerechneten Gespräche von über 30 Minuten Dauer (Nr. 18 EBM 1996 - im Quartal IV/04 in 32 von 100 Fällen, im Quartal I/05 in 24 von 100 Fällen) in den Quartalen IV/05 und I/06 in weit geringerem Umfang erbracht bzw. abgerechnet wurden. Gespräche längerer Dauer sind gerade nicht bereits vom Ordinationskomplex bzw. Konsultationskomplex mit abgedeckt, vielmehr ist für die Abrechnung eines Gesprächs von 30 Minuten Dauer oder länger mindestens 2mal der Ansatz von Ziff. 03120 EBM 2005 auch neben der Ordinationsgebühr möglich. Die Änderung im Leistungsspektrum des Klägers kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass der Kläger Gesprächsleistungen nach Nrn. 10, 11 und 18 EBM 1996 in den Vorjahresquartalen nahezu durchgehend häufiger als die Prüfgruppe abgerechnet hat, die Ziff. Nr. 18 sogar in über 7-fachem bzw. 6-fachem Umfang bezogen auf 100 Fälle, während die Ansatzhäufigkeit der Nr. 03120 nach Einführung des EBM 2005 im Verhältnis zur Prüfgruppe weit unterdurchschnittlich ist (ca. 1/10 bezogen auf 100 Fälle). Mit Blick auf die entsprechend große Prüfgruppe wäre zu erwarten gewesen, dass sich zumindest ähnliche Tendenzen in der Entwicklung der Abrechnung der Gesprächsziffern bei der Prüfgruppe und dem Kläger darstellen und nicht völlig gegenläufige, da die Prüfgruppe ebenso wie der Kläger von den Streichungen der Gesprächsziffern bzw. deren Aufgehen in Pauschalen betroffen war. Auch das SG hat in seinen Entscheidungsgründen eingeräumt, das sich im Falle des Klägers eine Neustrukturierung des EBM mit einem deutlichen Rückgang der Gesprächsleistungen überlagert habe, und dass gerade dann, wenn der Kläger weiterhin Gespräche von mehr als dreißigminütiger Dauer erbracht hätte, die Abrechnungsfrequenz der Nr. 03120 EBM 2005 hätte wesentlich höher ausfallen müssen. Überdies haben auf der Grundlage dieses Sachverhalts die über 15 % liegenden Fallwertverluste der Praxis des Klägers ihre Ursache offensichtlich nicht, wie in Ziff. 7.5.2 HVV letzter Satz gefordert, vollständig in der Einführung des EBM 2005. Dem wurde von der Beklagten bei der Rückforderung dadurch Rechnung getragen, dass die Rückforderung nur bezüglich des Anteils vorgenommen wurde, der 15 % der Fallwertverluste überschritt. Der Rückforderungsbetrag für das Quartal IV/06 in Höhe von 3.385,12 EUR ergab sich in der Folge daraus wegen der Änderung des Ausgangsfallwerts für dieses Quartal.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sowie die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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