Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 27 AS 3703/11
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 1366/12 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Allein der Umstand, dass die vom kommunalen Träger festgelegten Angemessenheitsgrenzen auf einem schlüssigen Konzept beruhen, ändert nichts daran, dass Bezugspunkt der als klärungsbedürftig angesehenen Rechtsfrage eine bestimmte Richtlinie oder Verwaltungsvorschrift ist und es somit um die Anwendung von Rechtsvorschriften im Einzelfall geht. Dies gilt selbst dann, wenn diese Frage für eine Vielzahl von Verfahren
mit einer Vielzahl von leistungsberechtigten Personen von Bedeutung ist.
Bei der rückwirkenden Anwendung einer Verwaltungsrichtlinie ist zu berücksichtigen, dass das Konzept des
Grundsicherungsträgers bereits im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung vorliegen muss (vgl. Bundessozialgericht, Urteile vom 19.10.2010 - B 14 AS 2/10 R, juris RdNr. 21 und – B 14 AS 65/09, juris
RdNr. 28).
mit einer Vielzahl von leistungsberechtigten Personen von Bedeutung ist.
Bei der rückwirkenden Anwendung einer Verwaltungsrichtlinie ist zu berücksichtigen, dass das Konzept des
Grundsicherungsträgers bereits im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung vorliegen muss (vgl. Bundessozialgericht, Urteile vom 19.10.2010 - B 14 AS 2/10 R, juris RdNr. 21 und – B 14 AS 65/09, juris
RdNr. 28).
I. Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 17. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um die Höhe der vom Beklagten an die Kläger zu zahlenden Kosten für Unterkunft und Heizung im Zeitraum vom 01.01.2011 bis 30.06.2011.
Mit Bescheid vom 25.03.2011 bewilligte der Beklagte der 1960 geborenen Klägerin zu 1. und ihrem 1986 geborenen Sohn, dem Kläger zu 2., Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum 01.01.2011 bis 30.06.2011 i.H.v. 1.043,00 EUR monatlich. Dabei erkannte er Kosten für Unterkunft und Heizung i.H.v. monatlich insgesamt 388,00 EUR an.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.07.2011 (W 2446/11) zurück. Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II würden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen seien. Die Kläger könnten monatliche tatsächliche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung i.H.v. 504,50 EUR geltend machen (Grundmiete 293,26 EUR, Heizkosten 105,62 EUR und Nebenkosten 105,62 EUR). Sie bildeten eine Bedarfsgemeinschaft und würden eine Mietwohnung mit einer Wohnfläche von 63,73 qm bewohnen. Nach der geltenden Verwaltungsvorschrift des Landkreises Zwickau liege die angemessene Wohnfläche für einen Zwei-Personen-Haushalt bei 60 qm. Nach der Verwaltungsvorschrift seien auch die Heizkosten auf einen Betrag von 1,20 EUR/qm festgeschrieben und die Nebenkosten dürften einen Betrag von 1,10 EUR/qm nicht überschreiten. Folglich ergebe sich eine maximal zu bewilligende Warmmiete für die Kläger i.H.v. 388,00 EUR (angemessene Kaltmiete 250,00 EUR, Heizkosten 72,00 EUR und Nebenkosten 66,00 EUR). Die Klägerin zu 1. sei auch mit Schreiben vom 27.06.2006 über die unangemessenen Wohnraumkosten in Kenntnis gesetzt worden.
Hiergegen erhoben die Kläger am 11.08.2011 beim Sozialgericht Chemnitz (SG) Klage. In der mündlichen Verhandlung vom 17.10.2012 erkannte der Beklagte für den streitigen Zeitraum Heizkosten i.H.v. monatlich 105,62 EUR und kalte Betriebskosten i.H.v. 105,62 monatlich an. Dieses Teilanerkenntnis haben die Kläger angenommen.
Das SG hat mit Urteil vom 17.10.2012 den Beklagten unter teilweiser Aufhebung seiner insoweit entgegenstehenden Verwaltungsentscheidungen verurteilt, dem Kläger im Zeitraum vom 01.01.2011 bis zum 30.06.2011 Leistungen nach dem SGB II für die Unterkunft in gesetzlicher Höhe unter Zugrundelegung der Wohngeldverwaltungsvorschrift (Höchstwert für ein 2-Personen-Haushalt der Wohngeldtabelle – Mietstufe II plus 10 Prozent) zu bewilligen. Die Berufung gegen das Urteil hat das SG nicht zugelassen.
Gegen dass dem Beklagten am 16.11.2012 zugestellte Urteil hat dieser mit Schriftsatz vom 28.11.2012, eingegangen beim Sächsischen Landessozialgericht (SächsLSG) am 30.11.2012, Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Eine Vielzahl gleichgelagerter Verfahren sei rechtshängig und nicht entschieden. Die Frage der schlüssigen Ermittlung einer angemessenen Netto-Kaltmiete im Zuständigkeitsbereich des Beklagten und die Frage der rückwirkenden Anwendung der Verwaltungsrichtlinie des Beklagten seien bislang nicht entschieden und stünden hierdurch zur richterlichen Überprüfung an.
Der Beklagte beantragt sinngemäß,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 17.10.2012 zuzulassen und das Verfahren als Berufungsverfahren fortzuführen.
Die Kläger beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie sind der Auffassung, es handle sich um eine Einzelfallentscheidung, welche lediglich die klägerische Bedarfsgemeinschaft betreffe.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde gemäß § 145 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des SG vom 17.10.2012 ist zulässig, insbesondere statthaft.
Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung im Urteil oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder ein hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt.
Vorliegend hat der Beklagte die tatsächlichen Aufwendungen der Kläger für Heiz- und Nebenkosten i.H.v. jeweils 105,62 EUR im Termin der mündlichen Verhandlung vom 17.10.2012 anerkannt. Streitig ist zwischen den Parteien daher vorliegend noch ein monatlicher Differenzbetrag i.H.v. 43,26 EUR, der sich aus der Gegenüberstellung der tatsächlich von den Klägern zu zahlenden Miete von 293,26 EUR und der vom Beklagten anerkannten Kaltmiete von 250,00 EUR ergibt. Bezogen auf den streitbefangenen sechsmonatigen Zeitraum errechnet sich ein Wert des Beschwerdegegenstandes i.H.v. insgesamt 259,56 EUR.
Ein höherer Wert ergibt sich auch nicht aus der Bezugnahme auf die Wohngeldverwaltungsvorschrift (WoGVwV) im Tenor des angefochtenen Urteils. Denn streitig war stets nur die Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung.
Da die Berufung nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betreffen würde (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG), verbleibt es bei der Zulassungsbedürftigkeit der Berufung gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Das SG hatte über die Zulassung des Rechtsmittels zu befinden. Es hat die Berufung nicht zugelassen.
2. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das SG im Urteil vom 17.10.2012 die Berufung nicht zugelassen.
Gemäß § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2), oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3).
a) Eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor.
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Ein Individualinteresse allein genügt nicht (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 144 RdNr. 28). Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage, wenn sie für den vorliegenden Fall entscheidungserheblich ist (Leitherer, a.a.O., § 160 RdNr. 9).
aa) Soweit der Beklagte darauf verweist, dass die Entscheidung, ob die vom kommunalen Träger festgelegten Angemessenheitsgrenzen auf einem schlüssigen Konzept beruhen, für eine Vielzahl von Verfahren mit einer Vielzahl von leistungsberechtigten Personen von Bedeutung ist, mag dies zutreffend sein. Dies ändert aber nichts daran, dass Bezugspunkt der vom Beklagten als klärungsbedürftig angesehenen Rechtsfrage eine bestimmte Richtlinie oder Verwaltungsvorschrift ist, das heißt dass es um die Anwendung von Rechtsvorschriften im Einzelfall geht (vgl. auch SächsLSG, Beschluss vom 18.12.2013 – L 3 AS 1613/13 NZB). Ferner haben die Sozialgerichte zu prüfen, ob die Anforderungen an das sogenannte schlüssige Konzept im Einzelfall eingehalten sind. Eine insoweit ungeklärte Rechtsfrage hat der Beklagte schon nicht formuliert.
bb) Soweit der Beklagte vorträgt, die Frage einer rückwirkenden Anwendung der Verwaltungsrichtlinie mit den Angemessenheitsgrenzen sei bislang nicht entschieden, besitzt die Rechtssache auch insoweit keine grundsätzliche Bedeutung. Denn abgesehen von dem Umstand, dass eine rückwirkende Anwendung der Verwaltungsrichtlinie des Beklagten für die Entscheidung des SG nicht entscheidungserheblich war, hat das Bundessozialgericht bereits mit Urteilen vom 19.10.2010 (B 14 AS 2/10 R, juris RdNr. 21 und – B 14 AS 65/09, juris RdNr. 28) entschieden, das das Konzept des Grundsicherungsträgers bereits im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung vorliegen muss.
cc) Im Übrigen liegt der vom Beklagten formulierten Frage zur Rückwirkungsthematik offenbar die Vorstellung zugrunde, dass eine leistungsberechtigte Person ein grundsätzliches Vertrauen darauf habe, dass die tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft bis zur Angemessenheitsgrenze der Tabellenwerte in § 12 des Wohngeldgesetzes (WoGG), erhöht um einen Zuschlag von 10 %, zu berücksichtigen seien (vgl. zu dieser Angemessenheitsgrenze: BSG, Urteil vom 12.12.2013 – B 4 AS 87/12 R, juris RdNr. 26 f. und Urteil vom 16.04.2013 – B 14 AS 28/12 R, juris RdNr. 27). Dies ist aber nicht zutreffend. Vielmehr werden gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen nur anerkannt, soweit diese angemessen sind. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes setzt die Prüfung der Angemessenheit eine Einzelfallprüfung voraus, für die die für die Bemessung des Wohngeldes bestimmten tabellarischen pauschalierten Höchstbeträge des § 8 WoGG a. F./§ 12 WoGG n. F. keine valide Basis bilden und allenfalls als ein gewisser Richtwert Berücksichtigung finden können, wenn alle Erkenntnismöglichkeiten erschöpft sind (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006 – B 7b AS 10/06 R, juris RdNr. 24, m.w.N.). Ein Leistungsberechtigter muss deshalb stets damit rechnen, dass seine tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft nicht in vollem Umfang zu übernehmen sind. Zudem hängt die Frage, welche Erkenntnisquellen im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes zur Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu welchem Zeitpunkt vorliegen, von den Umständen des Einzelfalles ab. Selbst wenn die Festlegungen eines kommunalen Trägers zu den Angemessenheitsgrenzen für zurückliegende Zeitraume keine Geltung beanspruchen können sollten, könnte sich der festgelegte Angemessenheitswert auf Grund anderer Erkenntnisquellen gleichwohl im Ergebnis als zutreffend erweisen (vgl. SächsLSG, Beschluss vom 18.12.2013 – L 3 AS 1613/13 NZB).
b) Auch der von Amts wegen zu prüfende Zulassungsgrund der Divergenz im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG ist im Fall nicht gegeben.
Dieser Zulassungsgrund liegt nur dann vor, wenn das Urteil des Sozialgerichts entscheidungstragend auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der von dem zur gleichen Rechtsfrage aufgestellten Rechtssatz in einer Entscheidung eines der im § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht (vgl. BSG, Beschluss vom 29.11.1989 – 7 BAr 130/88, juris RdNr. 7 und Beschluss vom 19.07.2012 – B 1 KR 65/11 B, juris RdNr. 21, m.w.N.; Leitherer, a.a.O., § 160 RdNr. 13). In der angefochtenen Entscheidung muss eine sie tragende Rechtsansicht entwickelt worden sein. Es ist nicht ausreichend, wenn nur ungenaue oder unzutreffende Rechtsausführungen oder ein Rechtsirrtum im Einzelfall die Entscheidung bestimmen (vgl. BSG, Beschluss vom 08.04.2013 – B 11 AL 137/12 B, juris RdNr. 4 m.w.N.).
Eine Divergenz in diesem Sinne ist vorliegend nicht festzustellen. Der Beklagte hat diesbezüglich auch nichts vorgetragen. Soweit das SG in seinem Urteil vom 17.10.2012 auf die WoGVwV (vom 29.04.2009, Bundesanzeiger 61 Nr. 73a vom 15.05.2009, S.1 ff.) Bezug nimmt, handelt es sich lediglich um eine allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Wohngeldgesetzes 2009 und nicht um eine eigenständige Berechnungsgrundlage zur Ermittlung von angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung im streitgegenständlichen Zeitraum.
c) Schließlich liegt auch der Zulassungsgrund des § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG nicht vor.
Ein Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen eine Vorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren regelt. Er bezieht sich begrifflich auf das prozessuale Vorgehen des Gerichts auf dem Weg zum Urteil, nicht aber auf dessen sachlichen Inhalt, das heißt seine Richtigkeit (vgl. Leitherer, a.a.O., § 144 RdNr. 32 ff.). Die Zulassung der Berufung aufgrund eines Verfahrensmangels erfordert, dass dieser Mangel nicht nur vorliegt, sondern – anders als die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und der Divergenz – auch geltend gemacht wird (vgl. § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG). Daran fehlt es hier.
Nach alledem war die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
IV.
Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (vgl. § 177 SGG).
Dr. Anders Wagner Brügmann
II. Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um die Höhe der vom Beklagten an die Kläger zu zahlenden Kosten für Unterkunft und Heizung im Zeitraum vom 01.01.2011 bis 30.06.2011.
Mit Bescheid vom 25.03.2011 bewilligte der Beklagte der 1960 geborenen Klägerin zu 1. und ihrem 1986 geborenen Sohn, dem Kläger zu 2., Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum 01.01.2011 bis 30.06.2011 i.H.v. 1.043,00 EUR monatlich. Dabei erkannte er Kosten für Unterkunft und Heizung i.H.v. monatlich insgesamt 388,00 EUR an.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.07.2011 (W 2446/11) zurück. Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II würden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen seien. Die Kläger könnten monatliche tatsächliche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung i.H.v. 504,50 EUR geltend machen (Grundmiete 293,26 EUR, Heizkosten 105,62 EUR und Nebenkosten 105,62 EUR). Sie bildeten eine Bedarfsgemeinschaft und würden eine Mietwohnung mit einer Wohnfläche von 63,73 qm bewohnen. Nach der geltenden Verwaltungsvorschrift des Landkreises Zwickau liege die angemessene Wohnfläche für einen Zwei-Personen-Haushalt bei 60 qm. Nach der Verwaltungsvorschrift seien auch die Heizkosten auf einen Betrag von 1,20 EUR/qm festgeschrieben und die Nebenkosten dürften einen Betrag von 1,10 EUR/qm nicht überschreiten. Folglich ergebe sich eine maximal zu bewilligende Warmmiete für die Kläger i.H.v. 388,00 EUR (angemessene Kaltmiete 250,00 EUR, Heizkosten 72,00 EUR und Nebenkosten 66,00 EUR). Die Klägerin zu 1. sei auch mit Schreiben vom 27.06.2006 über die unangemessenen Wohnraumkosten in Kenntnis gesetzt worden.
Hiergegen erhoben die Kläger am 11.08.2011 beim Sozialgericht Chemnitz (SG) Klage. In der mündlichen Verhandlung vom 17.10.2012 erkannte der Beklagte für den streitigen Zeitraum Heizkosten i.H.v. monatlich 105,62 EUR und kalte Betriebskosten i.H.v. 105,62 monatlich an. Dieses Teilanerkenntnis haben die Kläger angenommen.
Das SG hat mit Urteil vom 17.10.2012 den Beklagten unter teilweiser Aufhebung seiner insoweit entgegenstehenden Verwaltungsentscheidungen verurteilt, dem Kläger im Zeitraum vom 01.01.2011 bis zum 30.06.2011 Leistungen nach dem SGB II für die Unterkunft in gesetzlicher Höhe unter Zugrundelegung der Wohngeldverwaltungsvorschrift (Höchstwert für ein 2-Personen-Haushalt der Wohngeldtabelle – Mietstufe II plus 10 Prozent) zu bewilligen. Die Berufung gegen das Urteil hat das SG nicht zugelassen.
Gegen dass dem Beklagten am 16.11.2012 zugestellte Urteil hat dieser mit Schriftsatz vom 28.11.2012, eingegangen beim Sächsischen Landessozialgericht (SächsLSG) am 30.11.2012, Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Eine Vielzahl gleichgelagerter Verfahren sei rechtshängig und nicht entschieden. Die Frage der schlüssigen Ermittlung einer angemessenen Netto-Kaltmiete im Zuständigkeitsbereich des Beklagten und die Frage der rückwirkenden Anwendung der Verwaltungsrichtlinie des Beklagten seien bislang nicht entschieden und stünden hierdurch zur richterlichen Überprüfung an.
Der Beklagte beantragt sinngemäß,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 17.10.2012 zuzulassen und das Verfahren als Berufungsverfahren fortzuführen.
Die Kläger beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie sind der Auffassung, es handle sich um eine Einzelfallentscheidung, welche lediglich die klägerische Bedarfsgemeinschaft betreffe.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde gemäß § 145 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des SG vom 17.10.2012 ist zulässig, insbesondere statthaft.
Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung im Urteil oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder ein hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt.
Vorliegend hat der Beklagte die tatsächlichen Aufwendungen der Kläger für Heiz- und Nebenkosten i.H.v. jeweils 105,62 EUR im Termin der mündlichen Verhandlung vom 17.10.2012 anerkannt. Streitig ist zwischen den Parteien daher vorliegend noch ein monatlicher Differenzbetrag i.H.v. 43,26 EUR, der sich aus der Gegenüberstellung der tatsächlich von den Klägern zu zahlenden Miete von 293,26 EUR und der vom Beklagten anerkannten Kaltmiete von 250,00 EUR ergibt. Bezogen auf den streitbefangenen sechsmonatigen Zeitraum errechnet sich ein Wert des Beschwerdegegenstandes i.H.v. insgesamt 259,56 EUR.
Ein höherer Wert ergibt sich auch nicht aus der Bezugnahme auf die Wohngeldverwaltungsvorschrift (WoGVwV) im Tenor des angefochtenen Urteils. Denn streitig war stets nur die Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung.
Da die Berufung nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betreffen würde (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG), verbleibt es bei der Zulassungsbedürftigkeit der Berufung gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Das SG hatte über die Zulassung des Rechtsmittels zu befinden. Es hat die Berufung nicht zugelassen.
2. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das SG im Urteil vom 17.10.2012 die Berufung nicht zugelassen.
Gemäß § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2), oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3).
a) Eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor.
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Ein Individualinteresse allein genügt nicht (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 144 RdNr. 28). Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage, wenn sie für den vorliegenden Fall entscheidungserheblich ist (Leitherer, a.a.O., § 160 RdNr. 9).
aa) Soweit der Beklagte darauf verweist, dass die Entscheidung, ob die vom kommunalen Träger festgelegten Angemessenheitsgrenzen auf einem schlüssigen Konzept beruhen, für eine Vielzahl von Verfahren mit einer Vielzahl von leistungsberechtigten Personen von Bedeutung ist, mag dies zutreffend sein. Dies ändert aber nichts daran, dass Bezugspunkt der vom Beklagten als klärungsbedürftig angesehenen Rechtsfrage eine bestimmte Richtlinie oder Verwaltungsvorschrift ist, das heißt dass es um die Anwendung von Rechtsvorschriften im Einzelfall geht (vgl. auch SächsLSG, Beschluss vom 18.12.2013 – L 3 AS 1613/13 NZB). Ferner haben die Sozialgerichte zu prüfen, ob die Anforderungen an das sogenannte schlüssige Konzept im Einzelfall eingehalten sind. Eine insoweit ungeklärte Rechtsfrage hat der Beklagte schon nicht formuliert.
bb) Soweit der Beklagte vorträgt, die Frage einer rückwirkenden Anwendung der Verwaltungsrichtlinie mit den Angemessenheitsgrenzen sei bislang nicht entschieden, besitzt die Rechtssache auch insoweit keine grundsätzliche Bedeutung. Denn abgesehen von dem Umstand, dass eine rückwirkende Anwendung der Verwaltungsrichtlinie des Beklagten für die Entscheidung des SG nicht entscheidungserheblich war, hat das Bundessozialgericht bereits mit Urteilen vom 19.10.2010 (B 14 AS 2/10 R, juris RdNr. 21 und – B 14 AS 65/09, juris RdNr. 28) entschieden, das das Konzept des Grundsicherungsträgers bereits im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung vorliegen muss.
cc) Im Übrigen liegt der vom Beklagten formulierten Frage zur Rückwirkungsthematik offenbar die Vorstellung zugrunde, dass eine leistungsberechtigte Person ein grundsätzliches Vertrauen darauf habe, dass die tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft bis zur Angemessenheitsgrenze der Tabellenwerte in § 12 des Wohngeldgesetzes (WoGG), erhöht um einen Zuschlag von 10 %, zu berücksichtigen seien (vgl. zu dieser Angemessenheitsgrenze: BSG, Urteil vom 12.12.2013 – B 4 AS 87/12 R, juris RdNr. 26 f. und Urteil vom 16.04.2013 – B 14 AS 28/12 R, juris RdNr. 27). Dies ist aber nicht zutreffend. Vielmehr werden gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen nur anerkannt, soweit diese angemessen sind. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes setzt die Prüfung der Angemessenheit eine Einzelfallprüfung voraus, für die die für die Bemessung des Wohngeldes bestimmten tabellarischen pauschalierten Höchstbeträge des § 8 WoGG a. F./§ 12 WoGG n. F. keine valide Basis bilden und allenfalls als ein gewisser Richtwert Berücksichtigung finden können, wenn alle Erkenntnismöglichkeiten erschöpft sind (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006 – B 7b AS 10/06 R, juris RdNr. 24, m.w.N.). Ein Leistungsberechtigter muss deshalb stets damit rechnen, dass seine tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft nicht in vollem Umfang zu übernehmen sind. Zudem hängt die Frage, welche Erkenntnisquellen im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes zur Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu welchem Zeitpunkt vorliegen, von den Umständen des Einzelfalles ab. Selbst wenn die Festlegungen eines kommunalen Trägers zu den Angemessenheitsgrenzen für zurückliegende Zeitraume keine Geltung beanspruchen können sollten, könnte sich der festgelegte Angemessenheitswert auf Grund anderer Erkenntnisquellen gleichwohl im Ergebnis als zutreffend erweisen (vgl. SächsLSG, Beschluss vom 18.12.2013 – L 3 AS 1613/13 NZB).
b) Auch der von Amts wegen zu prüfende Zulassungsgrund der Divergenz im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG ist im Fall nicht gegeben.
Dieser Zulassungsgrund liegt nur dann vor, wenn das Urteil des Sozialgerichts entscheidungstragend auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der von dem zur gleichen Rechtsfrage aufgestellten Rechtssatz in einer Entscheidung eines der im § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht (vgl. BSG, Beschluss vom 29.11.1989 – 7 BAr 130/88, juris RdNr. 7 und Beschluss vom 19.07.2012 – B 1 KR 65/11 B, juris RdNr. 21, m.w.N.; Leitherer, a.a.O., § 160 RdNr. 13). In der angefochtenen Entscheidung muss eine sie tragende Rechtsansicht entwickelt worden sein. Es ist nicht ausreichend, wenn nur ungenaue oder unzutreffende Rechtsausführungen oder ein Rechtsirrtum im Einzelfall die Entscheidung bestimmen (vgl. BSG, Beschluss vom 08.04.2013 – B 11 AL 137/12 B, juris RdNr. 4 m.w.N.).
Eine Divergenz in diesem Sinne ist vorliegend nicht festzustellen. Der Beklagte hat diesbezüglich auch nichts vorgetragen. Soweit das SG in seinem Urteil vom 17.10.2012 auf die WoGVwV (vom 29.04.2009, Bundesanzeiger 61 Nr. 73a vom 15.05.2009, S.1 ff.) Bezug nimmt, handelt es sich lediglich um eine allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Wohngeldgesetzes 2009 und nicht um eine eigenständige Berechnungsgrundlage zur Ermittlung von angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung im streitgegenständlichen Zeitraum.
c) Schließlich liegt auch der Zulassungsgrund des § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG nicht vor.
Ein Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen eine Vorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren regelt. Er bezieht sich begrifflich auf das prozessuale Vorgehen des Gerichts auf dem Weg zum Urteil, nicht aber auf dessen sachlichen Inhalt, das heißt seine Richtigkeit (vgl. Leitherer, a.a.O., § 144 RdNr. 32 ff.). Die Zulassung der Berufung aufgrund eines Verfahrensmangels erfordert, dass dieser Mangel nicht nur vorliegt, sondern – anders als die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und der Divergenz – auch geltend gemacht wird (vgl. § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG). Daran fehlt es hier.
Nach alledem war die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
IV.
Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (vgl. § 177 SGG).
Dr. Anders Wagner Brügmann
Rechtskraft
Aus
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