Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 1 KA 23/09 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 KA 14/10 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
wegen einstweiliger Anordnung
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg
vom 12. Januar 2010 wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe:
I.
Der 1956 geborene Kläger ist seit November 1999 als Frauenarzt in A-Stadt, Landkreis B-Stadt zugelassen.
Auf den Antrag der Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassenverbände in Bayern vom 17. Juni 2008 hin entzog der Zulassungsausschuss Ärzte Oberfranken mit Bescheid vom 2. September 2009 dem Antragsteller die vertragsärztliche Zulassung.
Mit dem am 2. Dezember 2009 ausgefertigten Bescheid wies der Berufungsausschuss für Ärzte Bayern den Widerspruch gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses Ärzte Oberfranken zurück und ordnete die sofortige Vollziehung der Entscheidung an. Der Antragsgegner sah es als erwiesen an, dass der Kläger in einer Vielzahl von Behandlungsfällen gesetzlich versicherter Patientinnen Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen habe, die er sowohl als GKV-Leistung im Rahmen der Gesamtvergütung (rechtmäßiger Schwangerschaftsabbruch bei kriminologischer oder medizinischer Indikation) als auch im Rahmen des Schwangerschaftshilfegesetzes abgerechnet habe, das häufig die Kosten eines rechtswidrigen aber straffreien Schwangerschaftsabbruches übernehme. Die derzeitige Schadenshöhe für die Krankenkassen, also Fälle, bei denen keine medizinische und kriminologische Indikation bestanden habe, betrage für die Quartale 1/2004 bis 1/2007 insgesamt 43.697,83 EUR. Dieses jahrelange Doppeltabrechnen der gleichen Leistung sei als eine gröbliche Pflichtverletzung zu beurteilen, die eine Nichteignung zur Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit belege. Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenkassen müssten auf die ordnungsgemäße Leistungserbringung und die peinlich genaue Abrechnung vertrauen können. Durch die schwerwiegende Art und Weise des jahrelangen betrügerischen Handelns habe der Arzt das erforderliche Vertrauensverhältnis nachhaltig und tiefgreifend gestört, so dass eine weitere Zusammenarbeit mit ihm nicht mehr zumutbar sei. Angesichts der vorgetragenen hohen Schuldenlast des Arztes in Höhe von 400.000,00 EUR bestehen auch Zweifel, ob der Arzt in dem weitestgehend vertrauensbasierten System peinlich genau abrechnen werde. Dies rechtfertige auch den Sofortvollzug, zumal die KV angesichts der getrennten Zahlungsströme Gesamtvergütung einerseits und Abrechnung der Landesmittel (über Krankenkassen) andererseits eine effektive Kontrolle nicht gewährleisten könne.
Im Widerspruchsverfahren hat der Antragsteller eingeräumt, dass in objektiver Hinsicht eine fehlerhafte und falsche Abrechnung der Nr.01904 bzw. Nr.195 EBM-Ä in den fraglichen Quartalen erfolgt sei. Die fehlerhafte Abrechnung sei aber weder vorsätzlich noch in Bereicherungsabsicht erfolgt. Er habe in seiner Abrechnungsziffernkette für den Schwangerschaftsabbruch die Ziffer 01904 einmal aufgenommen. Bei jedem Schwangerschaftsabbruch habe er dann die Ziffernkette immer unreflektiert und automatisch abgerechnet. Die Vergütung nach dem Schwangerschaftshilfegesetz erfolge durch eine Pauschale. Er habe nicht gewusst, welche Leistungen diese Pauschale abgelte. Er habe den Schaden zwischenzeitlich wieder gutgemacht. Auch sei er früher disziplinarrechtlich nicht in Erscheinung getreten. Es könne davon ausgegangen werden, dass er aus diesem Vorgang seine Lehren ziehen werde, so dass eine Wiederholung nicht zu befürchten stehe. Die Zulassungsentziehung sei daher unverhältnismäßig. Es handle sich bei ihm um den Alleinverdiener einer fünfköpfigen Familie. Seine drei Kinder gingen noch zur Schule. Der Zulassungsentzug wäre für ihn und seine Familie existenzvernichtend. Er habe keine Chancen, eine Anstellung im medizinischen Sektor zu erlangen.
Gegen die durch den Antragsgegner erfolgte Zulassungsentziehung hat der Antragsteller vor dem Sozialgericht Nürnberg geklagt (S 1 KA 24/09).
Gleichzeitig hat der Antragsteller einen Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung der Entscheidung des Antragsgegners beim Sozialgerichts Nürnberg gestellt. Der Antragsgegner habe kein öffentliches Interesse substantiiert vorgetragen. Ein solches sei nicht darin zu erkennen, dass der Sachverhalt feststehe. Die Anordnung des Sofortvollzuges erfordere eine eigenständige, über die Begründung der angefochtenen Entscheidung hinausgehende Begründung. Der Sofortvollzug hätte für den Antragsteller auch irreparable Folgen, weil er über keine finanziellen Rücklagen verfüge. Bis zur Entscheidung in der Hauptsache wäre eine Insolvenz zu besorgen. Der Antragsteller müsse daher weiter Kassenpatienten behandeln dürfen. Er habe in vier Quartalen nur sieben Privatpatientinnen gehabt.
Der Antragsteller schloss im Juli 2009 mit der KVB eine Rückzahlungsvereinbarung. Darin heißt es, dass im Rahmen der durchgeführten Plausibilitätskontrolle für die Abrechungsquartale 1/04 bis 1/07 festgestellt worden sei, dass die Abrechnungen sachlich-rechnerisch zu berichtigen seien. Zur außergerichtlichen Erledigung und finanziellen Bereinigung der Honorarforderungen über die genannten Quartale erkläre sich der Antragsteller bereit, 43.697,83 EUR zur finanziellen Bereinigung der nicht ordnungsgemäßen Abrechnung an die KV zurückzuzahlen.
Der Betrag ergab sich dadurch, dass in 315 Behandlungsfällen gesetzlich Versicherter der Schwangerschaftsabbruch als Kassenleistung bei sozialer Indikation abgerechnet worden war und die Ziffern 195, 198 und 360 EBM-Ä a.F. bzw. die Ziffern 01900, 01904 und 01910 EBM n.F. abgerechnet worden waren. Die Ziffern 194 bzw. 1904 EBM-Ä vergüten den Schwangerschaftsabbruch bei medizinischer oder kriminologischer Indikation.
Mit Beschluss vom 12. Januar 2010 lehnte das Sozialgericht Nürnberg den Antrag auf Aufhebung der sofortigen Vollziehung ab. Die Kammer gehe auf Grund der Tatsache, dass der Antragsteller den Sachverhalt einräume, davon aus, dass die Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsmittels sehr unwahrscheinlich seien. Auch könne eine zwischenzeitliche Sicherung der Kassenärztlichen Vereinigung und der Kassen nicht durch sachlich-rechnerische Richtigstellung effektiv erfolgen. Ein geeignetes Instrumentarium, insbesondere ein System von Kontrollmitteilungen, mit dem die unterschiedlichen Zahlungsströme der Abrechnung von Schwangerschaftsabbrüchen nach dem Schwangerschaftshilfegesetz einerseits und als GKV-Leistung andererseits überwacht werden könnte, existiert nicht. Damit existierten keine Maßnahmen zur Verhinderung weiterer Nachteile für die Versichertengemeinschaft bis zur Entscheidung in der Hauptsache.
Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Die angegriffene Entscheidung verletze Art.12 Abs.1 GG, da sie sich auf eine summarische Prüfung der Rechtsmäßigkeit des Bescheides des Berufungsausschusses beschränke. Ein besonderes öffentliches Interesse gerade daran, dass der Antragsteller nicht noch bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens weiter als Vertragsarzt tätig sein dürfe, bestehe nicht. Eine Rechtsfolgenabwägung sei nicht vorgenommen worden.
Vorgelegt wurde eine eidesstattliche Versicherung des Antragstellers, in der dieser sich unwiderruflich verpflichtete, die GOP 01904 EBM n.F. (Durchführung eines Schwangerschaftsabbruches unter medizinischer oder kriminologischer Indikation) nicht mehr über die Kassenärztliche Vereinigung abzurechnen.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Nürnberg vom 12. Januar 2010 die Anordnung der sofortigen Vollziehung im Bescheid des Antraggegners vom 2. Dezember 2009 aufzuheben und damit die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Beigeladene zu 1. beantragt sinngemäß,
die Beschwerde zurückzuweisen (Schreiben vom 27. April 2010).
Die weiteren Beteiligten haben keinen Antrag gestellt.
Am 4. August 2010 wurde der Sachverhalt mit den Beteiligten erörtert. Der Antragsteller erklärte, dass eine Anklage im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren wegen Betrugs noch nicht erhoben worden sei. Die Vertreter der Beigeladenen zu 1. übergaben den Bescheid vom 28. Dezember 2009. Darin wurden nach Plausibilitätsprüfung die Honorarbescheide für die Quartale 3/05 bis 2/08 zurückgenommen und das Honorar der Höhe nach neu festgesetzt. Daraus ergab sich eine Rückforderung in Höhe von 31.235,46 EUR. Mit Teilabhilfebescheid vom 9. April 2010 wurde der Rückforderungsbetrag auf EUR 28.781,95 reduziert. Die Honorarneufestsetzung betrifft in den Quartalen 1 und 2/2008 auch zwei Schwangerschaftsabbrüche. Daneben betrifft sie Ziffern, die angeblich unter Verstoß gegen Altersgrenzen abgerechnet worden seien oder in denen die Abrechungsintervalle nicht beachtet worden seien.
Antragsteller und Antragsgegner erklärten übereinstimmend, dass der Antragsteller beabsichtige, seine Praxis zu verkaufen. Ein Praxisübernahmevertrag sei bereits mit einer potenziellen Nachfolgerin abgeschlossen worden. Der Zulassungsausschuss entscheide über die Nachfolgezulassung gemäß § 103 Abs.4 SGB V noch am heutigen Tage. Andere Bewerber gebe es nicht.
Auf Nachfrage trug der Antragsteller erneut vor, dass er die Doppelabbrechung niemals bemerkt habe. Die Abrechungskette sei einmal definiert worden. Nach jedem Schwangerschaftsabbruch habe er sie ausgelöst, ohne die Unrichtigkeit zu bemerken. Er verkaufe seine Praxis jetzt, weil er unter diesem System nicht mehr arbeiten könne und wolle. Einen neuen Arbeitsplatz habe er noch nicht gefunden. Der Erörterungstermin wurde dann unter Hinweis auf einen Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses im Falle der Zulassung eines Nachfolgers geschlossen. Mit am 9. August eingegangenem Schreiben ließ der Antragsteller mitteilen, dass der Zulassungsausschuss am Abend des 4. August 2010 die Praxisbewerberin nicht zu Nachfolgerin bestimmt habe. Man bitte nunmehr um Entscheidung. Die Beigeladene zu 1. teilte mit, dass die Entscheidung vertagt worden sei, weil die Bewerberin die erforderlichen Unterlagen nicht vollständig vorgelegt hatte.
Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten des Antragsgegners, der Verfahrensakte des Sozialgerichts Nürnberg sowie der Akte des Bayerischen Landessozialgerichts Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde erweist sich als nicht begründet. Der angefochtene Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 12. Januar 2010, mit dem die Aufhebung der durch den Antragsgegner gemäß § 97 Abs.4 SGB V angeordneten sofortigen Vollziehung abgelehnt wird, erscheint rechtmäßig.
Nach § 86b Abs.1 Satz 1 Nr.2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Voraussetzung für eine solche Anordnung ist dabei, dass die Abwägung der Interessen der Beteiligten zu dem Ergebnis führt, dass dem angeordneten Sofortvollzug der umstrittenen Verwaltungsentscheidung kein Vorrang gegenüber der Notwendigkeit der abschließenden Klärung der Rechtmäßigkeit zugebilligt werden muss. Ausgangspunkt dieser Abwägung ist zunächst die Betrachtung der voraussichtlichen Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsmittels. Daran schließt sich die Prüfung an, ob die Interessen der Beteiligten eine sofortige Umsetzung notwendig machen oder es diesen eher entspricht, den rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens abzuwarten. Erfolgsaussichten und Interessenabwägung sind keine isoliert zu prüfenden Merkmale, sondern stehen in einem unauflöslichen Zusammenhang. Je geringer die Erfolgsaussichten in der Hauptsache, desto höhere Anforderungen sind an das Sofortvollziehungsinteresse zustellen.
Dabei ist das Regel-Ausnahme-Verhältnis von aufschiebender Wirkung und ausnahmsweiser Sofortvollzugsanordnung zu beachten. Aus der Grundregel des Eintritts der aufschiebenden Wirkung durch Klageerhebung und der gemäß § 97 Abs.4 SGB V bestehenden Befugnis, diese im öffentlichen Interesse außer Kraft zu setzen, ist zu schließen, dass im Zweifel das öffentliche Vollzugsinteresse zurückzustehen hat (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 9. Auflage § 86b Nr.12d).
Daraus ergibt sich eine weitgehende Deckungsgleichheit des Begriffes des öffentlichen Interesses in § 97 Abs.4 SGB V mit dem gerichtlichen Prüfungsmaßstab. Die sofortige Vollziehung setzt das Bestehen eines besonderen Interesses voraus, das über das allgemeine Vollzugsinteresse hinaus geht, welches sich aus der angenommenen Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes rechtfertigt. Ein solches besonderes Interesse liegt im Falle einer unmittelbar drohenden, konkreten Gefährdung der Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung vor, die eine sofortige Abwehr gebietet und ein Zuwarten auf die rechtskräftige Entscheidung verbietet. Angesichts der zu besorgenden irreparablen Folgen einer Sofortvollzugsanordnung gilt dies im besonderen Maße im Falle der Zulassungsentziehung, die letztlich zu einer Schließung der Praxis und zu einer Verflüchtigung des Praxiswertes oder einem Praxisverkauf führt, was im Falle der späteren Aufhebung der Zulassungsentziehung nicht mehr rückgängig zu machen ist (BVerfG vom 26. Januar 1995, 1 BvR 2438/94). Generalpräventive Gesichtspunkte erscheinen insoweit nicht ausreichend (LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 3. November 2005, L 5 ER 91/05 KA). Ein Fall der Notwendigkeit einer sofortigen Beendigung der vertragsärztlichen Tätigkeit liegt dann vor, wenn das Verhalten des Arztes während des Entziehungsverfahrens die ihm anvertrauten Patienten konkret gefährden könnte (BayLSG, Beschluss vom 10. Mai 2006, L 12 B 12/05 KA ER). Anhaltspunkte für eine derartige Patientengefährdung sind vom Antragsgegner nicht dargetan und auch nicht erkennbar.
Ein besonderes Interesse ist grundsätzlich nicht gegeben, wenn die Ungeeignetheit auf wirtschaftlichen Schäden beruht (BayLSG, Beschluss vom 10. Mai 2006 a.a.O., LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. Januar 2004, L 5 KA 4663/03 ER B). Der Senat hält zwar nicht für daran zumindest für Fallgestaltungen fest, in denen eine Schadenskompensation durch entsprechende Prüf- und Kontrollverfahren nachträglich nicht möglich und gegebenenfalls durch Einbehalte nicht durchsetzbar ist und es sich um Varianten der Falschabrechnung handelt, die sich einer Abrechnungskontrolle entziehen.
Besteht aufgrund der Art des Fehlverhaltens kein besonderes Vollzugsinteresse, werden auch die fehlenden Erfolgsaussichten einer Klage angesichts der nur summarischen Prüfung und der Grundrechtsinvasivität einer Zulassungsentziehung nicht zu einer sofortigen Vollziehung führen dürfen.
Bei Betrachtung der Erfolgsaussicht in der Hauptsache ist von einer Erfolglosigkeit des Rechtsmittels gegen den Zulassungsentziehungsbescheid des Antragsgegners auszugehen. Der Antragsteller selbst räumt ein, dass er in objektiver Hinsicht den Tatbestand des Verstoßes gegen die peinlich genaue Leistungsabrechung erfüllt hat, indem er rechtswidrige, aber straffreie Schwangerschaftsabbrüche als GKV-Leistungen in Gestalt der Schwangerschaftsabbrüche bei Vorliegen einer medizinischen oder kriminologischen Indikation abgerechnet hat. Das Verteidigungsvorbringen erschöpft sich darin, die Vorsätzlichkeit des Handelns in Abrede zu stellen, weil die Dokumentation eines Schwangerschaftsabbruches in der EDV eine dort hinterlegte Abrechnungskette ausgelöst habe, die die Abrechnung eines Schwangerschaftsabbruches als GKV-Leistung beinhaltete. Es erscheint unglaubhaft, dass der Antragsteller diese Quasi-Selbstabrechnung des Schwangerschaftsabbruches über 20 Quartalsabrechungen hinweg nicht bemerkt haben will. Dies als Frauenarzt mit Praxisschwerpunkt Schwangerschaftsabbrüchen, dem die Unterscheidung zwischen kriminologischer und medizinischer Indikation einerseits und anderen rechtswidrigen aber straffreien Schwangerschaftsabbrüchen (aus sozialer Indikation) wohl bekannt ist. Letztlich wurde der nicht als GKV-Leistung abrechungsfähige, aber gleichwohl abgerechnete Schwangerschaftsabbruch auch noch - insoweit korrekt - über das Bayerische Schwangerschaftshilfegesetz abgerechnet. Letztlich müsste bemerkt worden sein, dass die gleiche Leistung nicht zweifach vergütungsfähig ist. Die Einlassung des Antragstellers, er habe nicht gewusst, dass die durch den Freistaat Bayern bezahlte Pauschale den Schwangerschaftsabbruch selbst beinhalte, wirkt in keiner Weise glaubhaft.
Anzufügen bleibt, dass auch dann, wenn dem Vortrag der sich selbst auslösenden Abrechungsketten, die zu einer außergewöhnlich hohen Abrechnung von Schwangerschaftsabbrüchen geführt haben, aber dennoch nicht bemerkt worden sind, Glauben zu schenken wäre, die Erfolgsaussichten nicht positiver zu beurteilen wären. Ein Arzt, der einer "Selbstabrechung" von Gebührenordnungspositionen in ungewöhnlich hoher Anzahl über Jahre hinweg derart hilflos gegenübersteht, erscheint absolut ungeeignet für eine Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung.
Darüber hinaus sieht der Senat die Gefahr, dass der Kläger, was die Korrektheit der Abrechnung und die Wirtschaftlichkeit der Leistungen betrifft, bis zur Entscheidung in der Hauptsache weiterhin ein unkorrektes Verhalten zeigt und diesbezüglich eine Schadenskompensation durch entsprechende Kontrollverfahren nachträglich nicht möglich oder nicht durchsetzbar ist. Denn letztlich erscheint es nicht effektiv kontrollierbar, dass im Zusammenhang mit Schwangerschaftsabbrüchen Leistungsziffern abgerechnet werden, obwohl die Voraussetzungen der Leistungslegende nicht vorliegen. Eine entsprechende Kontrolle des Vorliegens einer kriminologischen oder medizinischen Indikation lässt sich nur durch eine Prüfung im Einzelfall in Gestalt einer Nachfrage bei der durch den Eingriff psychisch belasteten Patientin klären. Der angebotene Verzicht auf die Abrechnung der Leistungsziffer 01904 EBM-Ä erscheint in diesem Zusammenhang unbehelflich. Als zugelassener Frauenarzt hat der Antragsteller die Pflicht übernommen, ambulante GKV-Leistungen als Sachleistungen zu erbringen. Das bedeutet nicht, dass jeder Vertragsarzt sämtliche Leistungen seines Fachgebietes anbieten muss. Jedoch darf der Antragsteller die Durchführung eines Schwangerschaftsabbruches bei Vorliegen einer kriminologischen oder medizinischen Indikation als Sachleistung der GKV nicht verweigern, wenn er gleichzeitig Schwangerschaftsabbrüche als Privatleistung oder als Leistung anderer Kostenträger in seiner Praxis anbietet.
Dieses Angebot einer Sachleistungsverweigerung bestätigt den im Erörterungstermin gewonnen Eindruck, dass der Antragsteller dem Pflichtenkanon des Vertragsarztes nicht treu gegenübersteht und dazu neigt, seine Pflichten durch eigene Auffassungen über die Leistungserbringung und Abrechnung zu ersetzen. Dieser Eindruck wird bestätigt dadurch, dass der Kläger auch im 1. und im 2. Quartal, also nach Entdeckung, jeweils einmal einen Schwangerschaftsabbruch bei sozialer Indikation als GKV-Leistung abgerechnet hat. Der Widerspruch beanstandet ausdrücklich diese Richtigstellung nicht (Schreiben der Rechtsanwälte Preisler und Partner vom 22. März 2010 an die KVB). Der Senat sieht auch in den als erdrückend geschilderten Schulden in Höhe von 400.000,00 EUR eine starke Triebfeder, sich bis zur zu erwartenden Bestandskraft der Zulassungsentziehung ungerechtfertigte finanzielle Vorteile zu verschaffen. Insgesamt bejaht der Senat daher ein Sofortvollzugsinteresse, das ein Abwarten der Rechtskraft der Zulassungsentziehungsentscheidung verbietet.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
vom 12. Januar 2010 wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe:
I.
Der 1956 geborene Kläger ist seit November 1999 als Frauenarzt in A-Stadt, Landkreis B-Stadt zugelassen.
Auf den Antrag der Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassenverbände in Bayern vom 17. Juni 2008 hin entzog der Zulassungsausschuss Ärzte Oberfranken mit Bescheid vom 2. September 2009 dem Antragsteller die vertragsärztliche Zulassung.
Mit dem am 2. Dezember 2009 ausgefertigten Bescheid wies der Berufungsausschuss für Ärzte Bayern den Widerspruch gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses Ärzte Oberfranken zurück und ordnete die sofortige Vollziehung der Entscheidung an. Der Antragsgegner sah es als erwiesen an, dass der Kläger in einer Vielzahl von Behandlungsfällen gesetzlich versicherter Patientinnen Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen habe, die er sowohl als GKV-Leistung im Rahmen der Gesamtvergütung (rechtmäßiger Schwangerschaftsabbruch bei kriminologischer oder medizinischer Indikation) als auch im Rahmen des Schwangerschaftshilfegesetzes abgerechnet habe, das häufig die Kosten eines rechtswidrigen aber straffreien Schwangerschaftsabbruches übernehme. Die derzeitige Schadenshöhe für die Krankenkassen, also Fälle, bei denen keine medizinische und kriminologische Indikation bestanden habe, betrage für die Quartale 1/2004 bis 1/2007 insgesamt 43.697,83 EUR. Dieses jahrelange Doppeltabrechnen der gleichen Leistung sei als eine gröbliche Pflichtverletzung zu beurteilen, die eine Nichteignung zur Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit belege. Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenkassen müssten auf die ordnungsgemäße Leistungserbringung und die peinlich genaue Abrechnung vertrauen können. Durch die schwerwiegende Art und Weise des jahrelangen betrügerischen Handelns habe der Arzt das erforderliche Vertrauensverhältnis nachhaltig und tiefgreifend gestört, so dass eine weitere Zusammenarbeit mit ihm nicht mehr zumutbar sei. Angesichts der vorgetragenen hohen Schuldenlast des Arztes in Höhe von 400.000,00 EUR bestehen auch Zweifel, ob der Arzt in dem weitestgehend vertrauensbasierten System peinlich genau abrechnen werde. Dies rechtfertige auch den Sofortvollzug, zumal die KV angesichts der getrennten Zahlungsströme Gesamtvergütung einerseits und Abrechnung der Landesmittel (über Krankenkassen) andererseits eine effektive Kontrolle nicht gewährleisten könne.
Im Widerspruchsverfahren hat der Antragsteller eingeräumt, dass in objektiver Hinsicht eine fehlerhafte und falsche Abrechnung der Nr.01904 bzw. Nr.195 EBM-Ä in den fraglichen Quartalen erfolgt sei. Die fehlerhafte Abrechnung sei aber weder vorsätzlich noch in Bereicherungsabsicht erfolgt. Er habe in seiner Abrechnungsziffernkette für den Schwangerschaftsabbruch die Ziffer 01904 einmal aufgenommen. Bei jedem Schwangerschaftsabbruch habe er dann die Ziffernkette immer unreflektiert und automatisch abgerechnet. Die Vergütung nach dem Schwangerschaftshilfegesetz erfolge durch eine Pauschale. Er habe nicht gewusst, welche Leistungen diese Pauschale abgelte. Er habe den Schaden zwischenzeitlich wieder gutgemacht. Auch sei er früher disziplinarrechtlich nicht in Erscheinung getreten. Es könne davon ausgegangen werden, dass er aus diesem Vorgang seine Lehren ziehen werde, so dass eine Wiederholung nicht zu befürchten stehe. Die Zulassungsentziehung sei daher unverhältnismäßig. Es handle sich bei ihm um den Alleinverdiener einer fünfköpfigen Familie. Seine drei Kinder gingen noch zur Schule. Der Zulassungsentzug wäre für ihn und seine Familie existenzvernichtend. Er habe keine Chancen, eine Anstellung im medizinischen Sektor zu erlangen.
Gegen die durch den Antragsgegner erfolgte Zulassungsentziehung hat der Antragsteller vor dem Sozialgericht Nürnberg geklagt (S 1 KA 24/09).
Gleichzeitig hat der Antragsteller einen Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung der Entscheidung des Antragsgegners beim Sozialgerichts Nürnberg gestellt. Der Antragsgegner habe kein öffentliches Interesse substantiiert vorgetragen. Ein solches sei nicht darin zu erkennen, dass der Sachverhalt feststehe. Die Anordnung des Sofortvollzuges erfordere eine eigenständige, über die Begründung der angefochtenen Entscheidung hinausgehende Begründung. Der Sofortvollzug hätte für den Antragsteller auch irreparable Folgen, weil er über keine finanziellen Rücklagen verfüge. Bis zur Entscheidung in der Hauptsache wäre eine Insolvenz zu besorgen. Der Antragsteller müsse daher weiter Kassenpatienten behandeln dürfen. Er habe in vier Quartalen nur sieben Privatpatientinnen gehabt.
Der Antragsteller schloss im Juli 2009 mit der KVB eine Rückzahlungsvereinbarung. Darin heißt es, dass im Rahmen der durchgeführten Plausibilitätskontrolle für die Abrechungsquartale 1/04 bis 1/07 festgestellt worden sei, dass die Abrechnungen sachlich-rechnerisch zu berichtigen seien. Zur außergerichtlichen Erledigung und finanziellen Bereinigung der Honorarforderungen über die genannten Quartale erkläre sich der Antragsteller bereit, 43.697,83 EUR zur finanziellen Bereinigung der nicht ordnungsgemäßen Abrechnung an die KV zurückzuzahlen.
Der Betrag ergab sich dadurch, dass in 315 Behandlungsfällen gesetzlich Versicherter der Schwangerschaftsabbruch als Kassenleistung bei sozialer Indikation abgerechnet worden war und die Ziffern 195, 198 und 360 EBM-Ä a.F. bzw. die Ziffern 01900, 01904 und 01910 EBM n.F. abgerechnet worden waren. Die Ziffern 194 bzw. 1904 EBM-Ä vergüten den Schwangerschaftsabbruch bei medizinischer oder kriminologischer Indikation.
Mit Beschluss vom 12. Januar 2010 lehnte das Sozialgericht Nürnberg den Antrag auf Aufhebung der sofortigen Vollziehung ab. Die Kammer gehe auf Grund der Tatsache, dass der Antragsteller den Sachverhalt einräume, davon aus, dass die Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsmittels sehr unwahrscheinlich seien. Auch könne eine zwischenzeitliche Sicherung der Kassenärztlichen Vereinigung und der Kassen nicht durch sachlich-rechnerische Richtigstellung effektiv erfolgen. Ein geeignetes Instrumentarium, insbesondere ein System von Kontrollmitteilungen, mit dem die unterschiedlichen Zahlungsströme der Abrechnung von Schwangerschaftsabbrüchen nach dem Schwangerschaftshilfegesetz einerseits und als GKV-Leistung andererseits überwacht werden könnte, existiert nicht. Damit existierten keine Maßnahmen zur Verhinderung weiterer Nachteile für die Versichertengemeinschaft bis zur Entscheidung in der Hauptsache.
Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Die angegriffene Entscheidung verletze Art.12 Abs.1 GG, da sie sich auf eine summarische Prüfung der Rechtsmäßigkeit des Bescheides des Berufungsausschusses beschränke. Ein besonderes öffentliches Interesse gerade daran, dass der Antragsteller nicht noch bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens weiter als Vertragsarzt tätig sein dürfe, bestehe nicht. Eine Rechtsfolgenabwägung sei nicht vorgenommen worden.
Vorgelegt wurde eine eidesstattliche Versicherung des Antragstellers, in der dieser sich unwiderruflich verpflichtete, die GOP 01904 EBM n.F. (Durchführung eines Schwangerschaftsabbruches unter medizinischer oder kriminologischer Indikation) nicht mehr über die Kassenärztliche Vereinigung abzurechnen.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Nürnberg vom 12. Januar 2010 die Anordnung der sofortigen Vollziehung im Bescheid des Antraggegners vom 2. Dezember 2009 aufzuheben und damit die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Beigeladene zu 1. beantragt sinngemäß,
die Beschwerde zurückzuweisen (Schreiben vom 27. April 2010).
Die weiteren Beteiligten haben keinen Antrag gestellt.
Am 4. August 2010 wurde der Sachverhalt mit den Beteiligten erörtert. Der Antragsteller erklärte, dass eine Anklage im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren wegen Betrugs noch nicht erhoben worden sei. Die Vertreter der Beigeladenen zu 1. übergaben den Bescheid vom 28. Dezember 2009. Darin wurden nach Plausibilitätsprüfung die Honorarbescheide für die Quartale 3/05 bis 2/08 zurückgenommen und das Honorar der Höhe nach neu festgesetzt. Daraus ergab sich eine Rückforderung in Höhe von 31.235,46 EUR. Mit Teilabhilfebescheid vom 9. April 2010 wurde der Rückforderungsbetrag auf EUR 28.781,95 reduziert. Die Honorarneufestsetzung betrifft in den Quartalen 1 und 2/2008 auch zwei Schwangerschaftsabbrüche. Daneben betrifft sie Ziffern, die angeblich unter Verstoß gegen Altersgrenzen abgerechnet worden seien oder in denen die Abrechungsintervalle nicht beachtet worden seien.
Antragsteller und Antragsgegner erklärten übereinstimmend, dass der Antragsteller beabsichtige, seine Praxis zu verkaufen. Ein Praxisübernahmevertrag sei bereits mit einer potenziellen Nachfolgerin abgeschlossen worden. Der Zulassungsausschuss entscheide über die Nachfolgezulassung gemäß § 103 Abs.4 SGB V noch am heutigen Tage. Andere Bewerber gebe es nicht.
Auf Nachfrage trug der Antragsteller erneut vor, dass er die Doppelabbrechung niemals bemerkt habe. Die Abrechungskette sei einmal definiert worden. Nach jedem Schwangerschaftsabbruch habe er sie ausgelöst, ohne die Unrichtigkeit zu bemerken. Er verkaufe seine Praxis jetzt, weil er unter diesem System nicht mehr arbeiten könne und wolle. Einen neuen Arbeitsplatz habe er noch nicht gefunden. Der Erörterungstermin wurde dann unter Hinweis auf einen Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses im Falle der Zulassung eines Nachfolgers geschlossen. Mit am 9. August eingegangenem Schreiben ließ der Antragsteller mitteilen, dass der Zulassungsausschuss am Abend des 4. August 2010 die Praxisbewerberin nicht zu Nachfolgerin bestimmt habe. Man bitte nunmehr um Entscheidung. Die Beigeladene zu 1. teilte mit, dass die Entscheidung vertagt worden sei, weil die Bewerberin die erforderlichen Unterlagen nicht vollständig vorgelegt hatte.
Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten des Antragsgegners, der Verfahrensakte des Sozialgerichts Nürnberg sowie der Akte des Bayerischen Landessozialgerichts Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde erweist sich als nicht begründet. Der angefochtene Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 12. Januar 2010, mit dem die Aufhebung der durch den Antragsgegner gemäß § 97 Abs.4 SGB V angeordneten sofortigen Vollziehung abgelehnt wird, erscheint rechtmäßig.
Nach § 86b Abs.1 Satz 1 Nr.2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Voraussetzung für eine solche Anordnung ist dabei, dass die Abwägung der Interessen der Beteiligten zu dem Ergebnis führt, dass dem angeordneten Sofortvollzug der umstrittenen Verwaltungsentscheidung kein Vorrang gegenüber der Notwendigkeit der abschließenden Klärung der Rechtmäßigkeit zugebilligt werden muss. Ausgangspunkt dieser Abwägung ist zunächst die Betrachtung der voraussichtlichen Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsmittels. Daran schließt sich die Prüfung an, ob die Interessen der Beteiligten eine sofortige Umsetzung notwendig machen oder es diesen eher entspricht, den rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens abzuwarten. Erfolgsaussichten und Interessenabwägung sind keine isoliert zu prüfenden Merkmale, sondern stehen in einem unauflöslichen Zusammenhang. Je geringer die Erfolgsaussichten in der Hauptsache, desto höhere Anforderungen sind an das Sofortvollziehungsinteresse zustellen.
Dabei ist das Regel-Ausnahme-Verhältnis von aufschiebender Wirkung und ausnahmsweiser Sofortvollzugsanordnung zu beachten. Aus der Grundregel des Eintritts der aufschiebenden Wirkung durch Klageerhebung und der gemäß § 97 Abs.4 SGB V bestehenden Befugnis, diese im öffentlichen Interesse außer Kraft zu setzen, ist zu schließen, dass im Zweifel das öffentliche Vollzugsinteresse zurückzustehen hat (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 9. Auflage § 86b Nr.12d).
Daraus ergibt sich eine weitgehende Deckungsgleichheit des Begriffes des öffentlichen Interesses in § 97 Abs.4 SGB V mit dem gerichtlichen Prüfungsmaßstab. Die sofortige Vollziehung setzt das Bestehen eines besonderen Interesses voraus, das über das allgemeine Vollzugsinteresse hinaus geht, welches sich aus der angenommenen Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes rechtfertigt. Ein solches besonderes Interesse liegt im Falle einer unmittelbar drohenden, konkreten Gefährdung der Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung vor, die eine sofortige Abwehr gebietet und ein Zuwarten auf die rechtskräftige Entscheidung verbietet. Angesichts der zu besorgenden irreparablen Folgen einer Sofortvollzugsanordnung gilt dies im besonderen Maße im Falle der Zulassungsentziehung, die letztlich zu einer Schließung der Praxis und zu einer Verflüchtigung des Praxiswertes oder einem Praxisverkauf führt, was im Falle der späteren Aufhebung der Zulassungsentziehung nicht mehr rückgängig zu machen ist (BVerfG vom 26. Januar 1995, 1 BvR 2438/94). Generalpräventive Gesichtspunkte erscheinen insoweit nicht ausreichend (LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 3. November 2005, L 5 ER 91/05 KA). Ein Fall der Notwendigkeit einer sofortigen Beendigung der vertragsärztlichen Tätigkeit liegt dann vor, wenn das Verhalten des Arztes während des Entziehungsverfahrens die ihm anvertrauten Patienten konkret gefährden könnte (BayLSG, Beschluss vom 10. Mai 2006, L 12 B 12/05 KA ER). Anhaltspunkte für eine derartige Patientengefährdung sind vom Antragsgegner nicht dargetan und auch nicht erkennbar.
Ein besonderes Interesse ist grundsätzlich nicht gegeben, wenn die Ungeeignetheit auf wirtschaftlichen Schäden beruht (BayLSG, Beschluss vom 10. Mai 2006 a.a.O., LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. Januar 2004, L 5 KA 4663/03 ER B). Der Senat hält zwar nicht für daran zumindest für Fallgestaltungen fest, in denen eine Schadenskompensation durch entsprechende Prüf- und Kontrollverfahren nachträglich nicht möglich und gegebenenfalls durch Einbehalte nicht durchsetzbar ist und es sich um Varianten der Falschabrechnung handelt, die sich einer Abrechnungskontrolle entziehen.
Besteht aufgrund der Art des Fehlverhaltens kein besonderes Vollzugsinteresse, werden auch die fehlenden Erfolgsaussichten einer Klage angesichts der nur summarischen Prüfung und der Grundrechtsinvasivität einer Zulassungsentziehung nicht zu einer sofortigen Vollziehung führen dürfen.
Bei Betrachtung der Erfolgsaussicht in der Hauptsache ist von einer Erfolglosigkeit des Rechtsmittels gegen den Zulassungsentziehungsbescheid des Antragsgegners auszugehen. Der Antragsteller selbst räumt ein, dass er in objektiver Hinsicht den Tatbestand des Verstoßes gegen die peinlich genaue Leistungsabrechung erfüllt hat, indem er rechtswidrige, aber straffreie Schwangerschaftsabbrüche als GKV-Leistungen in Gestalt der Schwangerschaftsabbrüche bei Vorliegen einer medizinischen oder kriminologischen Indikation abgerechnet hat. Das Verteidigungsvorbringen erschöpft sich darin, die Vorsätzlichkeit des Handelns in Abrede zu stellen, weil die Dokumentation eines Schwangerschaftsabbruches in der EDV eine dort hinterlegte Abrechnungskette ausgelöst habe, die die Abrechnung eines Schwangerschaftsabbruches als GKV-Leistung beinhaltete. Es erscheint unglaubhaft, dass der Antragsteller diese Quasi-Selbstabrechnung des Schwangerschaftsabbruches über 20 Quartalsabrechungen hinweg nicht bemerkt haben will. Dies als Frauenarzt mit Praxisschwerpunkt Schwangerschaftsabbrüchen, dem die Unterscheidung zwischen kriminologischer und medizinischer Indikation einerseits und anderen rechtswidrigen aber straffreien Schwangerschaftsabbrüchen (aus sozialer Indikation) wohl bekannt ist. Letztlich wurde der nicht als GKV-Leistung abrechungsfähige, aber gleichwohl abgerechnete Schwangerschaftsabbruch auch noch - insoweit korrekt - über das Bayerische Schwangerschaftshilfegesetz abgerechnet. Letztlich müsste bemerkt worden sein, dass die gleiche Leistung nicht zweifach vergütungsfähig ist. Die Einlassung des Antragstellers, er habe nicht gewusst, dass die durch den Freistaat Bayern bezahlte Pauschale den Schwangerschaftsabbruch selbst beinhalte, wirkt in keiner Weise glaubhaft.
Anzufügen bleibt, dass auch dann, wenn dem Vortrag der sich selbst auslösenden Abrechungsketten, die zu einer außergewöhnlich hohen Abrechnung von Schwangerschaftsabbrüchen geführt haben, aber dennoch nicht bemerkt worden sind, Glauben zu schenken wäre, die Erfolgsaussichten nicht positiver zu beurteilen wären. Ein Arzt, der einer "Selbstabrechung" von Gebührenordnungspositionen in ungewöhnlich hoher Anzahl über Jahre hinweg derart hilflos gegenübersteht, erscheint absolut ungeeignet für eine Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung.
Darüber hinaus sieht der Senat die Gefahr, dass der Kläger, was die Korrektheit der Abrechnung und die Wirtschaftlichkeit der Leistungen betrifft, bis zur Entscheidung in der Hauptsache weiterhin ein unkorrektes Verhalten zeigt und diesbezüglich eine Schadenskompensation durch entsprechende Kontrollverfahren nachträglich nicht möglich oder nicht durchsetzbar ist. Denn letztlich erscheint es nicht effektiv kontrollierbar, dass im Zusammenhang mit Schwangerschaftsabbrüchen Leistungsziffern abgerechnet werden, obwohl die Voraussetzungen der Leistungslegende nicht vorliegen. Eine entsprechende Kontrolle des Vorliegens einer kriminologischen oder medizinischen Indikation lässt sich nur durch eine Prüfung im Einzelfall in Gestalt einer Nachfrage bei der durch den Eingriff psychisch belasteten Patientin klären. Der angebotene Verzicht auf die Abrechnung der Leistungsziffer 01904 EBM-Ä erscheint in diesem Zusammenhang unbehelflich. Als zugelassener Frauenarzt hat der Antragsteller die Pflicht übernommen, ambulante GKV-Leistungen als Sachleistungen zu erbringen. Das bedeutet nicht, dass jeder Vertragsarzt sämtliche Leistungen seines Fachgebietes anbieten muss. Jedoch darf der Antragsteller die Durchführung eines Schwangerschaftsabbruches bei Vorliegen einer kriminologischen oder medizinischen Indikation als Sachleistung der GKV nicht verweigern, wenn er gleichzeitig Schwangerschaftsabbrüche als Privatleistung oder als Leistung anderer Kostenträger in seiner Praxis anbietet.
Dieses Angebot einer Sachleistungsverweigerung bestätigt den im Erörterungstermin gewonnen Eindruck, dass der Antragsteller dem Pflichtenkanon des Vertragsarztes nicht treu gegenübersteht und dazu neigt, seine Pflichten durch eigene Auffassungen über die Leistungserbringung und Abrechnung zu ersetzen. Dieser Eindruck wird bestätigt dadurch, dass der Kläger auch im 1. und im 2. Quartal, also nach Entdeckung, jeweils einmal einen Schwangerschaftsabbruch bei sozialer Indikation als GKV-Leistung abgerechnet hat. Der Widerspruch beanstandet ausdrücklich diese Richtigstellung nicht (Schreiben der Rechtsanwälte Preisler und Partner vom 22. März 2010 an die KVB). Der Senat sieht auch in den als erdrückend geschilderten Schulden in Höhe von 400.000,00 EUR eine starke Triebfeder, sich bis zur zu erwartenden Bestandskraft der Zulassungsentziehung ungerechtfertigte finanzielle Vorteile zu verschaffen. Insgesamt bejaht der Senat daher ein Sofortvollzugsinteresse, das ein Abwarten der Rechtskraft der Zulassungsentziehungsentscheidung verbietet.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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