Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
166
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 166 KR 1739/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Dem Aufnahmeanspruch eines Herstellers in das Hilfsmittelverzeichnis eines Gerätes zur kontinuierlichen Glukosemessung im Unterhautfettgewebe steht entgegen, dass es sich bei der kontinuierlichen Glukosemessung um eine neue Behandlungsmethode handelt, die mangels Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses gegenwärtig grundsätzlich nicht von der Leistungspflicht der GKV umfasst ist.
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Tatbestand:
Streitig ist die Aufnahme des Guardian REAL Time Systems in das Hilfsmittelverzeichnis ge-mäß § 139 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).
Die Klägerin, eine GmbH, welche als konzernverbundenes Unternehmen zu der Firma Inc., in Kalifornien, USA, gehört, vertreibt in Deutschland Medizinprodukte unter anderem im Bereich Diabetes. Die Firma Inc., USA, stellt das Guardian REAL Time Sys-tem, ein Messsystem zu kontinuierlichen Glukosemessung, her. Die Klägerin bietet dieses Gerät unter anderem in Deutschland an. Das Guardian REAL Time System richtet sich an Di-abetiker und dient der Bestimmung des Glukosewertes. Hierbei wird unter Verwendung eines Glukosesensors die Glukosekonzentration in der interstitiellen Flüssigkeit im Unterhautfettge-webe gemessen. Dies erfolgt dadurch, dass in der Gewebsflüssigkeit alle zehn Sekunden ein Strom gemessen wird, der dann auf einem z.B. am Gürtel zu tragenden Empfänger mit Moni-tor in Gewebsglukosewerte umgerechnet wird. Alle fünf Minuten wird auf dem Monitor ein Glukosedurchschnittswert (bis zu 288 Werte pro Tag) sowie ein Trendpfeil in Bezug auf die Entwicklung des Glukosewertes angezeigt. Weiter besteht die Möglichkeit, Glukosegrenzwer-te einzugeben, bei deren Über- oder Unterschreitung ein akustischer Warnton ertönt. Zur Be-nutzung des Gerätes ist es erforderlich, das Gerät täglich durch Eingabe der nach einer bluti-gen Messung erfolgten Glukosewertbestimmung zu kalibrieren.
Das Guardian REAL Time System besteht aus dem • Glukosesensor: Bei dem Glukosesensor handelt es sich um eine kleine Sonde, die unter Verwendung einer Einführhilfe unter der Haut platziert wird. Der Glukosesensor misst den Glukosespiegel in der Gewebsflüssigkeit unter der Haut. • MiniLink REAL Time Transmitter: Bei dem Transmitter handelt es sich um eine 5 g leich-te Scheibe, die an den Glukosesensor angeschlossen wird. Der Transmitter erfasst die Daten vom Glukosesensor und sendet diese drahtlos an den Monitor. • Monitor: Der Guardian Monitor stellt für den Anwender die durch das System gewonnen Informationen grafisch zur Verfügung.
Bestandteil des Guardian REAL Time Systems ist auch der ComLink zur Verbindung des Gu-ardian REAL Time System Monitors mit einem PC sowie die Therapiemanagement-Software "Medtronic CareLink". Letztere ist eine internetbasierte Eingabe- und Übertragungsmöglichkeit der durch den Guardian REAL Time System Monitor aufgezeichneten Werte an einen Server. Auf die dort hinterlegten Werte kann dem behandelnden Arzt durch Freigabe des Patienten Zugriff zur Auswertung eingeräumt werden. Der Arzt nutzt hierfür eine festinstallierte Software.
Die Klägerin beantragte am 10. Januar 2008 die Aufnahme des Guardian REAL Time Sys-tems (damalige Artikelnummer CSS 72 WSM, nunmehr CSS 73 WSMA) in das von dem Be-klagten geführte Hilfsmittelverzeichnis. Hierbei legte sie unter Vorlage einer von der weiteren konzernverbundenen Firma , Niederlanden, für die Inc., USA, ab-gegeben Erklärung offen, dass in dem Antragsverfahren das Recht der Herstellerin auf Auf-nahme in das Hilfsmittelverzeichnis in eigenem Namen geltend gemacht werde.
Die Klägerin beantragte die Aufnahme des Guardian REAL Time Systems in das Hilfsmittel-verzeichnis in der Produktgruppe 21 "Messgeräte für Körperzustände/-funktionen" in der Pro-duktart "kontinuierliche Glukosemessung". Als Indikation wurde angegeben: "Patienten mit Diabetes mellitus und einer blutzuckersenkenden Therapie, die zu lebensbedrohlichen Unter-zuckerungen führen kann, besonders bei bereits eingeschränkter Hypoglykämiewahrneh-mung. Dies sind insbesondere 1. Patienten, die bereits mindestens ein hypoglykämisches Ereignis Grad II oder III ge-habt haben. 2. Patienten mit diagnostizierter Hypoglykämiewahrnehmungsstörung. 3. Patienten mit Brittle Diabetes, welche bereits einer Notfallbehandlung bzw. einer Not-fallaufnahme im Krankenhaus bedurften. 4. Patientinnen mit Diabetes Typ I vor und während der Schwangerschaft."
Nachdem während des Antragsverfahrens zahlreiche Unterlagen vorgelegt und auch Stel-lungnahmen seitens Dritter, insbesondere des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. vom 29. Januar 2009, eingeholt wurden, lehnte der Beklagte die Aufnahme des Guardian REAL Time Systems in das Hilfsmittelverzeichnis mit Bescheid vom 21. Juli 2010 ab. Bei dem Gerät handele es sich um ein Gerät zum kontinuierlichen Moni-toring der Glukosekonzentration (continous glucose monitoring (CGM)) im Interstitium. Aus den Ergebnissen dieses Messverfahrens, das kontinuierlich die Glukosekonzentration im Un-terhautgewebe messe, werde ein Trend berechnet. Dabei korreliere die Glukosekonzentration im Unterhautgewebe weder zeitlich noch mengenmäßig eng mit einer gleichzeitig gemesse-nen Blutzuckerkonzentration. Zur Sicherstellung der Verwertbarkeit der CGM-Messwerte sei das Gerät daher regelmäßig mittels Blutzuckerbestimmungen zu kalibrieren. Gemäß Herstel-lererklärung könnten die CGM-Messwerte für direkte Therapieentscheidungen die Messung der Blutzuckerkonzentration nicht ersetzen, sondern nur ergänzen. Das CGM stelle somit im Rahmen der Behandlung von Diabetikern eine neue zusätzliche Intervention dar, die im Ein-heitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) bislang nicht abgebildet sei. Insgesamt handele es sich bei CGM um ein Verfahren zur Behandlung einer Krankheit, weil von dem gemessenen Pa-rameter Therapieentscheidungen abhängig gemacht werden würden. Insofern verfolge ein Hilfsmittel, das anhand dieses neuen Parameters Therapieentscheidungen ermögliche, die möglicherweise einen Zusatznutzen für den Patienten haben, sich aber vom konventionellen Therapiekonzept unterscheiden, einen therapeutischen Zweck und sei deshalb kein Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich. Die Abweichung der interstitiellen Glukosekonzentration von der Glukosekonzentration im Blut spreche für eine neue diagnostische Methode, die hinsichtlich ihrer Eignung zur zuverlässigen Absicherung der Blutzuckerwerte zu evaluieren sei. Auf der Basis der derzeit vorliegenden Unterlagen komme der Beklagte zu dem Ergebnis, dass das CGM als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode einzustufen sei. Gemäß der Recht-sprechung des Bundessozialgerichts setze die Aufnahme eines Hilfsmittels in das Hilfsmittel-verzeichnis die vorherige Anerkennung der zu Grunde liegenden Methode durch den Gemein-samen Bundesausschuss (GBA) voraus. Da eine solche Entscheidung bisher nicht vorliege, scheide eine Aufnahme des Guardian REAL Time Systems in das Hilfsmittelverzeichnis aus, weil der Aufnahme die Sperrwirkung des § 135 SGB V entgegenstehe.
Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin mit Schreiben vom 23. August 2010 Wider-spruch ein. Das Guardian REAL Time System werde nicht selbst zu therapeutischen oder di-agnostischen Zwecken eingesetzt. Es handele sich um ein Hilfsmittel zum Behinderungsaus-gleich. Auch sei es nicht Teil einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode, weil es weder im Rahmen einer ärztlichen Diagnose eingesetzt werde noch Teil einer therapeutischen Maßnahme sei. Der jeweilige – an eingeschränkter Hypoglykämiewahrnehmung leidende – Patient setze dieses Hilfsmittel nur dazu ein, die Glukosekonzentration zu kontrollieren, um hier gegebenenfalls nach einem entsprechenden Test mittels eines herkömmlichen Blutzu-ckermessgeräts (im Rahmen einer blutigen Messung) durch Verabreichung von Insulin oder Zufuhr von Kohlenhydrate zu reagieren. Es handele sich lediglich um ein Warngerät zur An-zeige des optimalen Zeitpunktes für eine Blutzuckermessung. Es nehme keinen direkten Ein-fluss auf die Behandlung des Diabetes-Patienten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Januar 2011 wies der Beklagte den Widerspruch als unbe-gründet zurück. Das Guardian REAL Time System diene der Behandlung der Krankheit Dia-betes mellitus bzw. der Optimierung der Behandlung durch Vermeidung von zum Teil thera-pieinduzierten Stoffwechselentgleisungen im Rahmen der Insulintherapie. Es diene nicht dem Behinderungsausgleich.
Hiergegen hat die Klägerin am 10. Februar 2011 Klage erhoben.
Zwischenzeitlich hat der Beklagte Mitte 2011 beim beigeladenen GBA einen Antrag auf "Be-wertung der kontinuierlichen interstitiellen Glukosemessung mit RealTime Messgeräten zur Therapiesteuerung bei Patientinnen und Patienten mit insulinpflichtigem Diabetes mellitus" gestellt. Mit Beschluss vom 24. November 2011 hat der Beigeladene entschieden, ein ent-sprechendes Bewertungsverfahren einzuleiten und am 22. November 2012 beschlossen, das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) mit der Bewertung der kontinuierlichen interstitiellen Glukosemessung mit RealTime Messgeräten zu beauftra-gen. Das Verfahren ist gegenwärtig noch nicht abgeschlossen.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Aufnahme des Guardian REAL Time Systems in das Hilfsmittelverzeichnis nicht das Bewertungsverfahren nach § 135 SGB V entgegenstehe, weil das Guardian REAL Time System ein Gerät zum Behinderungsausgleich darstelle. Es sei un-zulässig, dass der Beklagte die Sperrwirkung mit einer außerhalb der beantragten Aufnahme liegenden Verwendungsmöglichkeit des Systems begründe. Das Gerät solle lediglich die Hy-poglykämiewahrnehmungsstörungen von Diabetikern ausgleichen. Das Gerät lasse das be-stehende Behandlungs- und Messregime (Blutzuckermessung mit anschließender Zuführung von Kohlenhydraten bzw. Insulin) unberührt. Das Gerät werde auch nicht innerhalb einer neu-en Behandlungsmethode eingesetzt. Es besitze auch keine therapeutische Zweckbestim-mung, weil auf Grundlage des Produktes keine Therapieentscheidungen getroffen werden sol-len. Es werde nicht in ein bestehendes Behandlungsregime eingegriffen. Es handele sich auch nicht um eine gesonderte vertragsärztliche Leistung im Rahmen einer neuen Behand-lungsmethode.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 21. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Januar 2011 zu verpflichten, das Produkt Guardian REAL Time System (Artikel-Nr. CSS 73 WSMA) in das Hilfsmittelverzeichnis der GKV aufzunehmen.
Hilfsweise,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 21. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Januar 2011 zu verpflichten, das Produkt Guardian REAL Time System (Artikel-Nr. CSS 73 WSMA) in das Hilfsmittelverzeichnis der GKV insoweit aufzunehmen, als es um die Eigenanwendung der CGM-Werte durch Patien-ten mit eingeschränkter Hypoglykämiewahrnehmung geht; dies sind insbesondere:
1. Patienten, die bereits mindestens ein hypoglykämisches Ereignis Grad II oder III gehabt haben. 2. Patienten mit diagnostizierter Hypoglykämiewahrnehmungsstörung 3. Patienten mit Brittle Diabetes, welche bereits einer Notfallbehandlung bzw. einer Notfallaufnahme im Krankenhaus bedurften. 4. Patientinnen mit Diabetes Typ I vor und während der Schwangerschaft.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor, der Einsatz des Guardian REAL Time Systems erfolge im Rahmen ei-ner neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode im Sinne von § 135 SGB V. Das CGM könne Einfluss auf die Messfrequenz des Blutzuckerspiegels und damit auch auf die Thera-pieführung des Patienten nehmen. CGM stelle ein eigenständiges theoretisch-wissenschaftliches Konzept dar, welches sich wesentlich von den etablierten Formen der Blutzuckermessung mittels Teststreifen unterscheide. Es sei eine medizinische Vorgehens-weise im Rahmen der ärztlichen Behandlung und bislang nicht im EBM aufgeführt. Auch han-dele es sich bei dem Guardian REAL Time System nicht um ein Hilfsmittel zum (bloßen) Be-hinderungsausgleich.
Der Beigeladene beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach Ansicht des Beigeladenen ist das Guardian REAL Time System untrennbar mit einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode verbunden. Ein nur in der Gesamtheit auf die Erreichung des therapeutischen Ziels angelegtes therapeutisches Konzept könne einer auf den patientenrelevanten Nutzen seiner Einzelteile jeweils gesondert bezogenen Bewertung nicht zugänglich sein. Das Guardian REAL Time System solle im Rahmen einer Krankenbe-handlung deren Erfolg sichern. Es stelle auch kein Hilfsmittel zum bloßen Behinderungsaus-gleich dar, weil es dem Hilfsmittel nicht an jeglicher therapeutischen Zielsetzung fehle.
In der mündlichen Verhandlung hat sich die Kammer das Guardian REAL Time System sowie des ComLink zur Verbindung des Guardian REAL Time System Monitors mit einem PC sowie die Funktionsweise Therapiemanagement-Software "Medtronic CareLink" umfassend vorfüh-ren lassen. Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Beklagte hat die Aufnahme des Guardian REAL Time Systems in das Hilfsmittelverzeichnis zu Recht abgelehnt, weil gegenwärtig ohne positi-ves Votum des Beigeladenen zur CGM kein Anspruch auf Aufnahme der entsprechenden Anwendungsgeräte in das Hilfsmittelverzeichnis besteht.
Die erhobene kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist die dem Streitgegenstand entsprechende Klageart. Die Entscheidung des Beklagten nach § 139 SGB V über den Antrag eines Hilfsmittelherstellers auf Aufnahme eines neuen medizinischen Produkts in das Hilfsmittelverzeichnis stellt einen Verwaltungsakt dar. Über die Entscheidung ist dem Antragsteller ein Bescheid zu erteilen, und zwar unabhängig davon, ob dem Antrag stattgegeben oder ob er abgelehnt wird (BSG, Urteil vom 28. September 2006 – B 3 KR 28/05 R)
Der Gemeinsame Bundesausschuss war zu dem Verfahren notwendig beizuladen (§ 75 SGG). Er ist dann beizuladen, wenn in dem Verfahren über die Eintragung eines Hilfsmittels in das Hilfsmittelverzeichnis strittig ist, ob das Hilfsmittel im Rahmen einer neuen Untersu-chungs- oder Behandlungsmethode eingesetzt werden soll, zu der sich der GBA bisher nicht positiv geäußert hat und deshalb auch ihm gegenüber die Bindungswirkung einer einheitlichen Entscheidung herbeizuführen ist (BSG, Urteil vom 22. April 2009 – B 3 KR 11/07 R).
Die Klägerin ist unter dem Blickwinkel einer gewillkürten Prozessstandschaft klagebefugt. Nach § 139 Abs. 3 Satz 1 SGB V erfolgt die Aufnahme eines Hilfsmittels in das Hilfsmittelver-zeichnis "auf Antrag des Herstellers". Das Aufnahmeverfahren wird danach durch einen An-trag des Herstellers eingeleitet und kann grundsätzlich auch nur vom Hersteller betrieben werden. Reine Vertriebsunternehmen – wie die Klägerin – können hiernach weder selbst die Eintragung eines Hilfsmittels in das Hilfsmittelverzeichnis beantragen noch das Aufnahmever-fahren betreiben. Vorliegend hat die Klägerin jedoch bereits im Verwaltungsverfahren die ge-willkürte Verfahrensstandschaft offen gelegt (siehe Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Februar 2010 – L 9 KR 54/06). Die Klägerin hat auch das für die gewillkürte Prozessstandschaft eigene Rechtsschutzinteresse. Zwar kann die Klägerin ausschließlich ein wirtschaftliches Interesse im Sinne einer Absatzsteigerung geltend machen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass auch das Rechtsschutzinteresse der Herstellerin M. M. Inc. an der Auf-nahme in das Hilfsmittelverzeichnis ausschließlich wirtschaftlicher Natur wäre. In diesem Fall und unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Klägerin als konzernverbundes Unter-nehmen der M M. Inc. gehört, ist die Geltendmachung des Anspruchs im Wege der gewillkür-ten Prozessstandschaft zulässig.
Die Klage ist jedoch unbegründet.
Rechtsgrundlage des Anspruchs auf Aufnahme von Hilfsmitteln in das Hilfsmittelverzeichnis ist § 139 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 4 SGB V. Demgemäß erstellt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen ein systematisch strukturiertes Hilfsmittelverzeichnis, in dem "von der Leis-tungspflicht umfasste Hilfsmittel aufzuführen" sind. Hiernach ist ein Hilfsmittel in das Hilfsmit-telverzeichnis der GKV aufzunehmen, soweit es den gesetzlichen Anforderungen entspricht (BSGE 87, 105, 108 f = SozR 3-2500 § 139 Nr 1 S 5; BSGE 97, 133 = SozR 4-2500 § 139 Nr. 2 - jeweils RdNr 21).
Nicht den gesetzlichen Anforderungen in diesem Sinne entspricht ein Hilfsmittel nach der Rechtsprechung des BSG unter anderem dann, soweit sein Einsatz im Rahmen einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode im Sinne von § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V erfolgt und die Methode durch die unter anderem auf § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V gestützte Richt-linie des GBA zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versor-gung ("Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung") nicht zur ambulanten Versorgung in der GKV zugelassen ist.
Dem Guardian REAL Time System liegt in seiner Anwendung das System der kontinuierlichen Glukosemessung in der interstitiellen Gewebsflüssigkeit zugrunde. Zum CGM hat der Beige-ladene gegenwärtig kein positives Votum abgegeben. Das Bewertungsverfahren läuft.
Generell ist der Anspruch auf Krankenbehandlung nach § 27 Abs. 1 SGB V gemäß den all-gemeinen Bestimmungen der §§ 2 Abs. 1 Satz 3, 12 Abs. 1 SGB V auf solche Leistungen be-schränkt, die die Gewähr für Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit bieten, und zwar je-weils nach Maßgabe des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse (stRspr; vgl etwa BSGE 95, 132 RdNr 18 f = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 25 f mwN). Dazu muss es grundsätzlich zuverlässige wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen in dem Sinne geben, dass der Erfolg der Behandlungsmethode in einer für die sichere Beurteilung ausrei-chenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt ist (vgl zuletzt BSGE 93, 1 f = SozR 4-2500 § 31 Nr 1, jeweils RdNr 7 mwN). Diese Feststellung obliegt im Bereich ärztlicher Behandlun-gen grundsätzlich dem Beigeladenen im Verfahren nach § 135 Abs. 1 SGB V. Hiernach ist eine Therapie bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nur dann von der Leis-tungspflicht der GKV umfasst, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V bereits eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode und die notwendige Qualifikation der Ärzte sowie die dabei zu beachtenden ap-parativen Anforderungen abgegeben hat (stRspr; vgl BSGE 81, 54, 59 ff = SozR 3-2500 § 135 Nr. 4 S 14 ff; BSGE 86, 54, 56 = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 61 f mwN; BSG SozR 3-2500 § 92 Nr 12 S 69; BSG SozR 4-2500 § 135 Nr 1 RdNr 7; BSGE 94, 221 = SozR 4-2400 § 89 Nr. 3, jeweils RdNr 23 mwN). Voraussetzung dafür ist der Beleg von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Behandlungsmethoden anhand sogenannter randomisierter, dop-pelblind durchgeführter und placebokontrollierter Studien (vgl. Richtlinie Methoden vertrags-ärztliche Versorgung iVm §§ 7 ff des 2. Kapitels der Verfahrensordnung des GBA).
Diese Anforderungen gelten auch für die Aufnahme eines Hilfsmittels in das Hilfsmittelver-zeichnis der GKV, wie das BSG bereits entschieden hat. Soll ein Hilfsmittel im Rahmen der Krankenbehandlung (§ 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB V) deren "Erfolg sichern" (§ 33 Abs 1 SGB V), ist seine Verwendung – anders als etwa bei Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich – nicht von dem zugrunde liegenden Behandlungskonzept und den dafür geltenden Anforde-rungen nach §§ 2 Abs. 1 Satz 3, 12 Abs. 1 SGB V i.V.m. § 135 Abs. 1 SGB V zu trennen. In-soweit erfasst die Sperrwirkung des in § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V begründeten Leistungsver-bots mit Erlaubnisvorbehalt jegliche Maßnahme im Rahmen einer bei einem bestimmten Krankheitsbild systematisch angewandten "Methode" (stRspr seit BSGE 82, 233, 237 = SozR 3-2500 § 31 Nr 5 S 19; vgl auch BSGE 88, 51, 60 = SozR 3-2500 § 27a Nr 2 S 19 mwN; BSG SozR 3-5533 Nr 2449 Nr 2 S 9 f; BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1 - jeweils RdNr 22). Solange die Therapie als neue Behandlungsmethode nicht zur Versorgung in der GKV zuge-lassen ist, stellen auch die dabei eingesetzten Geräte keine in der GKV "von der Leistungs-pflicht umfasste Hilfsmittel" iS von § 139 Abs. 1 Satz 2 SGB V dar (so bereits BSGE 87, 105, 110 = SozR 3-2500 § 139 Nr. 1 S 7; BSGE 97, 133 = SozR 4-2500 § 139 Nr. 2 - jeweils RdNr. 32; ebenso für die Arzneimitteltherapie BSGE 82, 233, 238 = SozR 3-2500 § 31 Nr. 5 S 19; BSGE 86, 54, 58 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 63 f, vgl auch bei neuartiger Kombination einzeln bereits zugelassener Maßnahmen im Rahmen der Arzneimittelversorgung BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1, jeweils RdNr 15 f; entsprechend für Heilmittel BSG SozR 3-2500 § 138 Nr 2 S 26, 28; BSGE 94, 221 RdNr 24 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3 RdNr 25; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 10 RdNr 15 f, siehe auch SG Leipzig, Urteil vom 24. April 2012, S 8 KR 391/09).
Das Guardian REAL Time System soll im Rahmen der Krankenbehandlung deren "Erfolg sichern". Anders als die Klägerin meint, wird das Guardian REAL Time System auch im Rah-men der Krankenbehandlung eingesetzt (so auch SG Trier, Urteil vom 22. August 2013, S 1 KR 116/12, dies bestätigend, Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 6. März 2014 – L 5 KR 253/13 –, Revision anhängig B 3 KR 5/14 R; SG Hamburg, Beschluss vom 12. April 2013, S 23 KR 338/13 ER). Es handelt sich nicht lediglich um ein Gerät, welches ausschließ-lich als Hilfsmittel zum bloßen Behinderungsausgleich seinen Einsatz finden soll (und damit über den Ausgleich der ausgefallenen Körperfunktion hinaus keinen eigenen (nachzuweisen-den) therapeutischen Nutzen erfüllen müsste und dementsprechend ein Votum des GBA nicht erforderlich wäre). Es ist nicht zulässig, das Guardian REAL Time System lediglich in seiner Funktion als Warngerät für hypoglykämiewahrnehmungsgestörte Patienten anzusehen ohne auch die weitere – aus Sicht der Kammer wichtigere – Funktion als Einsatz des Guardian RE-AL Time System bei dem Einsatz in der Krankenbehandlung zu beurteilen.
Insgesamt stellt die Kammer auf den gesamten Funktionsumfang des Guardian REAL Time Systems ab. Der Beklagte hat gemäß des gestellten Antrags im Verwaltungsverfahren über die Aufnahme des Guardian REAL Time Systems in das Hilfsmittelverzeichnis zu entschei-den. Anderes ergibt sich auch nicht dadurch, dass der Antrag im Verwaltungsverfahren bereits für Diabetiker mit der Indikation "eingeschränkter Hypoglykämiewahrnehmung" gestellt wurde. Hiermit kann der Antrag lediglich dahingehend beschränkt werden, für welche Patientengrup-pe das Gerät eingesetzt werden soll. Diese Patientengruppe erhält jedoch den vollen Funkti-onsumfang des Geräts. Es ist nach Überzeugung der Kammer nicht möglich, lediglich den Aspekt in der Anwendung des Geräts herauszustellen, dass damit Patienten mit einge-schränkter Hypoglykämiewahrnehmung in die Lage versetzt werden, rechtzeitig Hypoglykä-mien zu erkennen. Beantragt wird eben die Aufnahme des Hilfsmittel als Ganzes und nicht lediglich eine bestimmte Funktion.
Das Guardian REAL Time System im Zusammenspiel mit der inhärent dazugehörenden Aus-wertungsmöglichkeit der erhobenen Messwerte durch das Therapiemanagementsystem Ca-reLink ermöglicht es dem Patienten und seinem behandelnden Arzt bzw. Diabetologen, den Zusammenhang zwischen Blutzuckermessungen, Glukoseverläufen, der Insulintherapie und alltäglichen und besonderen Aktivitäten zu verstehen. Ziel des Einsatzes des Guardian REAL Time Systems ist die Optimierung der Diabetestherapie. Hierbei ist der Therapiebegriff auch weiter zu ziehen, als dies die Klägerin tut. Zwar sollen direkte Handlungs- bzw. Therapieent-scheidungen nicht von dem Guardian REAL Time System selbst abhängig gemacht werden, sondern erst nachdem eine weitere blutige Messung durchgeführt wurde. Unter Therapie ist nach Ansicht der Kammer aber auch die langfristige Entscheidung über die weitere Behand-lung des Diabetikers zu fassen. Von dem von dem Guardian REAL Time System gemessenen Parameter werden hiernach Therapieentscheidungen abhängig gemacht. Gegenwärtig kann ein z.B. ein hypoglykämiewahrnehmungsgestörter Patient Hypoglykämien nur durch sehr häu-figes (bis zu zehn Mal am Tag) Messen mittels blutiger Messung vermeiden. Auf Grundlage des CGM sind diese häufigen blutigen Messungen nicht erforderlich und es kann sich auf die Messungen vor den Mahlzeiten beschränkt werden. Hierdurch wird ganz konkret ein beste-hendes Behandlungsregime abgeändert. Ohne das CGM und den Einsatz des Guardian RE-AL Time System hierbei wäre es nicht möglich, bei einem hypoglykämiewahrnehmungsgestör-ten Patienten Hypoglykämien rechtzeitig zu erkennen und wenn möglich zu verhindern.
Das Guardian REAL Time System wird auch im Rahmen einer neuen Behandlungsmethode eingesetzt.
Das BSG versteht unter einer Behandlungsmethode eine medizinische Vorgehensweise, der ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zu Grunde liegt, das sie von anderen Therapieverfahren unterscheidet und das ihre systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll (so LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29. Januar 2013, L 4 KR 89/12 B ER Rdnr. 33ff, juris) unter Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 23. Juli 1998 – B 1 KR 19/96 R-, Rdnr. 17 juris). Der Begriff der Untersuchungs- und Behandlungsme-thode ist umfassender als der der ärztlichen Leistung im Sinne von § 87 SGB V. Eine Metho-de betrifft nicht nur die ärztliche Leistung im engeren Sinne, sondern alle für die vertragsärztli-che Versorgung relevanten diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen. Auch Arznei-mittel und Medizinprodukte können darunter fallen.
Bei der kontinuierlichen Glukosemessung handelt es sich um eine solche Behandlungsme-thode, da ihr ein theoretisch-wissenschaftliches Konzept zu Grunde liegt (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. November 2013 – L 1 KR 265/13 ER –, juris). Es stellt auch ein anderes Konzept als bei der konventionellen Blutzuckermessung dar. Die Glu-kosekonzentration wird mit Hilfe des Transmitters und der Sensoren nicht im Blut, sondern in der Gewebeflüssigkeit im Unterhautfettgewebe gemessen. Der mittels CGM bestimmte Wert entspricht nicht dem Wert der Blutzuckerkonzentration, weil im Interstitium des Unterhautfett-gewebes in der Regel eine leicht erniedrigte Zuckerkonzentration vorliegt. Des Weiteren findet bei der Änderung des Blutzuckers eine Veränderung im interstitiellen Gewebe erst mit einer Verzögerung von 5 bis 30 Minuten statt. Nur bei einer über längeren Zeit stabilen Glukose-konzentration in den Kompartimenten ohne signifikante und rasche Änderungen sind identi-sche Konzentrationen zum gleichen Zeitpunkt zu erwarten.
Die Methode ist auch "neu". Neu ist eine Methode, wenn sie sich bewusst von den bisher in der vertragsärztlichen Versorgung angewandten Diagnostik- und Therapieverfahren abgrenzt und sich darüber hinaus auf nicht weitgehend einhellig anerkannte wissenschaftliche Erkennt-nisse beruft, die gerade deshalb der Prüfung auf Qualitätssicherung unterzogen werden sol-len. In formeller Hinsicht ist eine Methode als neu qualifizieren, wenn sie noch nicht als ab-rechnungsfähige (zahn)ärztliche Leistung im EBM enthalten ist oder wenn sie zwar dort aufge-führt ist, ihre Indikation aber wesentliche Änderungen oder Erweiterungen erfährt (Joussen, in Rolfs/ Giesen/ Kreikebohm/ Udsching Beck scher Online-Kommentar Sozialrecht, § 135 Rn. 2, m.w.N.). Eine Methode ist auch dann neu, wenn sie sich aus einer neuartigen Kombination verschiedener, für sich allein jeweils anerkannter oder zugelassener Maßnahmen zusammen-setzt (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 11. Februar 2011, L 4 KR 256/10). Dies ist vorliegend der Fall. Das Guardian REAL Time System misst durch Erfassung eines Stromwertes in der interstitiellen Flüssigkeit in einem anderen Kompartiment als dem Blut-kreislauf einen Wert, der (nach Kalibrierung nach blutiger Messung) zu einem Glukosewert umgerechnet wird. Anders als eine blutige Messung, die eine Momentaufnahme des Gluko-sewertes im Blut darstellt, ist das Ergebnis CGM quasi ein fortlaufender "Film"
Das Gerät wird auch im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung eingesetzt. Soweit die Klägerin darauf abstellt, dass das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 27. November 2013, L 1 KR 265/13 ER) anderes ausgeführt habe, ist dem entgegen zu hal-ten, dass das LSG dabei davon ausgeht, dass dies nur soweit gilt, als dass der Patient "die Glukosesensoren in erster Linie selbst und eigenständig nutzen [soll], um Hypoglykämien rechtzeitig entgegenwirken zu können". Es führt weiter aus: "Eine darüber hinausgehende Nutzung der Aufzeichnungen aus der kontinuierlichen Glukosemessung ist nichts bekannt." Vorliegend verhält es sich jedoch gerade so, dass die mithilfe des Guardian REAL Time Sys-tem gewonnenen Werte, welche aufgezeichnet und auch durch die Software zu Auswertung und Einsichtnahme durch den behandelnden Arzt zur Verfügung gestellt werden, genutzt wer-den sollen. Diesen Vorzug stellt die Klägerin selbst in den Unterlagen zur Anwendung des Guardian REAL Time Systems hervor. Auch wenn das Messgerät in seinem täglichen Einsatz selbst bedient wird, erfüllt es seinen Zweck nur, wenn die mittels CGM gewonnen Daten durch den behandelnden Arzt entsprechend ausgewertet werden, der die weitere Behandlung unter Berücksichtigung dieser Analyse entsprechend anpassen und gegebenenfalls optimieren kann (siehe LSG Hamburg, Beschluss vom 22. Juli 2013, L 1 KR 38/13 B ER).
Der Hilfsantrag ist aus den dargestellten Gründen ebenfalls unbegründet. Eine Aufspaltung der Funktionalität des Guardian REAL Time Systems ist nicht möglich. Die Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis für eine bestimmte Indikation kann begehrt werden. Der Einsatz für die-se Indikation macht eine Prüfung der neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode durch den Beigeladenen nicht entbehrlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG, 154 ff. VwGO.
Tatbestand:
Streitig ist die Aufnahme des Guardian REAL Time Systems in das Hilfsmittelverzeichnis ge-mäß § 139 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).
Die Klägerin, eine GmbH, welche als konzernverbundenes Unternehmen zu der Firma Inc., in Kalifornien, USA, gehört, vertreibt in Deutschland Medizinprodukte unter anderem im Bereich Diabetes. Die Firma Inc., USA, stellt das Guardian REAL Time Sys-tem, ein Messsystem zu kontinuierlichen Glukosemessung, her. Die Klägerin bietet dieses Gerät unter anderem in Deutschland an. Das Guardian REAL Time System richtet sich an Di-abetiker und dient der Bestimmung des Glukosewertes. Hierbei wird unter Verwendung eines Glukosesensors die Glukosekonzentration in der interstitiellen Flüssigkeit im Unterhautfettge-webe gemessen. Dies erfolgt dadurch, dass in der Gewebsflüssigkeit alle zehn Sekunden ein Strom gemessen wird, der dann auf einem z.B. am Gürtel zu tragenden Empfänger mit Moni-tor in Gewebsglukosewerte umgerechnet wird. Alle fünf Minuten wird auf dem Monitor ein Glukosedurchschnittswert (bis zu 288 Werte pro Tag) sowie ein Trendpfeil in Bezug auf die Entwicklung des Glukosewertes angezeigt. Weiter besteht die Möglichkeit, Glukosegrenzwer-te einzugeben, bei deren Über- oder Unterschreitung ein akustischer Warnton ertönt. Zur Be-nutzung des Gerätes ist es erforderlich, das Gerät täglich durch Eingabe der nach einer bluti-gen Messung erfolgten Glukosewertbestimmung zu kalibrieren.
Das Guardian REAL Time System besteht aus dem • Glukosesensor: Bei dem Glukosesensor handelt es sich um eine kleine Sonde, die unter Verwendung einer Einführhilfe unter der Haut platziert wird. Der Glukosesensor misst den Glukosespiegel in der Gewebsflüssigkeit unter der Haut. • MiniLink REAL Time Transmitter: Bei dem Transmitter handelt es sich um eine 5 g leich-te Scheibe, die an den Glukosesensor angeschlossen wird. Der Transmitter erfasst die Daten vom Glukosesensor und sendet diese drahtlos an den Monitor. • Monitor: Der Guardian Monitor stellt für den Anwender die durch das System gewonnen Informationen grafisch zur Verfügung.
Bestandteil des Guardian REAL Time Systems ist auch der ComLink zur Verbindung des Gu-ardian REAL Time System Monitors mit einem PC sowie die Therapiemanagement-Software "Medtronic CareLink". Letztere ist eine internetbasierte Eingabe- und Übertragungsmöglichkeit der durch den Guardian REAL Time System Monitor aufgezeichneten Werte an einen Server. Auf die dort hinterlegten Werte kann dem behandelnden Arzt durch Freigabe des Patienten Zugriff zur Auswertung eingeräumt werden. Der Arzt nutzt hierfür eine festinstallierte Software.
Die Klägerin beantragte am 10. Januar 2008 die Aufnahme des Guardian REAL Time Sys-tems (damalige Artikelnummer CSS 72 WSM, nunmehr CSS 73 WSMA) in das von dem Be-klagten geführte Hilfsmittelverzeichnis. Hierbei legte sie unter Vorlage einer von der weiteren konzernverbundenen Firma , Niederlanden, für die Inc., USA, ab-gegeben Erklärung offen, dass in dem Antragsverfahren das Recht der Herstellerin auf Auf-nahme in das Hilfsmittelverzeichnis in eigenem Namen geltend gemacht werde.
Die Klägerin beantragte die Aufnahme des Guardian REAL Time Systems in das Hilfsmittel-verzeichnis in der Produktgruppe 21 "Messgeräte für Körperzustände/-funktionen" in der Pro-duktart "kontinuierliche Glukosemessung". Als Indikation wurde angegeben: "Patienten mit Diabetes mellitus und einer blutzuckersenkenden Therapie, die zu lebensbedrohlichen Unter-zuckerungen führen kann, besonders bei bereits eingeschränkter Hypoglykämiewahrneh-mung. Dies sind insbesondere 1. Patienten, die bereits mindestens ein hypoglykämisches Ereignis Grad II oder III ge-habt haben. 2. Patienten mit diagnostizierter Hypoglykämiewahrnehmungsstörung. 3. Patienten mit Brittle Diabetes, welche bereits einer Notfallbehandlung bzw. einer Not-fallaufnahme im Krankenhaus bedurften. 4. Patientinnen mit Diabetes Typ I vor und während der Schwangerschaft."
Nachdem während des Antragsverfahrens zahlreiche Unterlagen vorgelegt und auch Stel-lungnahmen seitens Dritter, insbesondere des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. vom 29. Januar 2009, eingeholt wurden, lehnte der Beklagte die Aufnahme des Guardian REAL Time Systems in das Hilfsmittelverzeichnis mit Bescheid vom 21. Juli 2010 ab. Bei dem Gerät handele es sich um ein Gerät zum kontinuierlichen Moni-toring der Glukosekonzentration (continous glucose monitoring (CGM)) im Interstitium. Aus den Ergebnissen dieses Messverfahrens, das kontinuierlich die Glukosekonzentration im Un-terhautgewebe messe, werde ein Trend berechnet. Dabei korreliere die Glukosekonzentration im Unterhautgewebe weder zeitlich noch mengenmäßig eng mit einer gleichzeitig gemesse-nen Blutzuckerkonzentration. Zur Sicherstellung der Verwertbarkeit der CGM-Messwerte sei das Gerät daher regelmäßig mittels Blutzuckerbestimmungen zu kalibrieren. Gemäß Herstel-lererklärung könnten die CGM-Messwerte für direkte Therapieentscheidungen die Messung der Blutzuckerkonzentration nicht ersetzen, sondern nur ergänzen. Das CGM stelle somit im Rahmen der Behandlung von Diabetikern eine neue zusätzliche Intervention dar, die im Ein-heitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) bislang nicht abgebildet sei. Insgesamt handele es sich bei CGM um ein Verfahren zur Behandlung einer Krankheit, weil von dem gemessenen Pa-rameter Therapieentscheidungen abhängig gemacht werden würden. Insofern verfolge ein Hilfsmittel, das anhand dieses neuen Parameters Therapieentscheidungen ermögliche, die möglicherweise einen Zusatznutzen für den Patienten haben, sich aber vom konventionellen Therapiekonzept unterscheiden, einen therapeutischen Zweck und sei deshalb kein Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich. Die Abweichung der interstitiellen Glukosekonzentration von der Glukosekonzentration im Blut spreche für eine neue diagnostische Methode, die hinsichtlich ihrer Eignung zur zuverlässigen Absicherung der Blutzuckerwerte zu evaluieren sei. Auf der Basis der derzeit vorliegenden Unterlagen komme der Beklagte zu dem Ergebnis, dass das CGM als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode einzustufen sei. Gemäß der Recht-sprechung des Bundessozialgerichts setze die Aufnahme eines Hilfsmittels in das Hilfsmittel-verzeichnis die vorherige Anerkennung der zu Grunde liegenden Methode durch den Gemein-samen Bundesausschuss (GBA) voraus. Da eine solche Entscheidung bisher nicht vorliege, scheide eine Aufnahme des Guardian REAL Time Systems in das Hilfsmittelverzeichnis aus, weil der Aufnahme die Sperrwirkung des § 135 SGB V entgegenstehe.
Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin mit Schreiben vom 23. August 2010 Wider-spruch ein. Das Guardian REAL Time System werde nicht selbst zu therapeutischen oder di-agnostischen Zwecken eingesetzt. Es handele sich um ein Hilfsmittel zum Behinderungsaus-gleich. Auch sei es nicht Teil einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode, weil es weder im Rahmen einer ärztlichen Diagnose eingesetzt werde noch Teil einer therapeutischen Maßnahme sei. Der jeweilige – an eingeschränkter Hypoglykämiewahrnehmung leidende – Patient setze dieses Hilfsmittel nur dazu ein, die Glukosekonzentration zu kontrollieren, um hier gegebenenfalls nach einem entsprechenden Test mittels eines herkömmlichen Blutzu-ckermessgeräts (im Rahmen einer blutigen Messung) durch Verabreichung von Insulin oder Zufuhr von Kohlenhydrate zu reagieren. Es handele sich lediglich um ein Warngerät zur An-zeige des optimalen Zeitpunktes für eine Blutzuckermessung. Es nehme keinen direkten Ein-fluss auf die Behandlung des Diabetes-Patienten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Januar 2011 wies der Beklagte den Widerspruch als unbe-gründet zurück. Das Guardian REAL Time System diene der Behandlung der Krankheit Dia-betes mellitus bzw. der Optimierung der Behandlung durch Vermeidung von zum Teil thera-pieinduzierten Stoffwechselentgleisungen im Rahmen der Insulintherapie. Es diene nicht dem Behinderungsausgleich.
Hiergegen hat die Klägerin am 10. Februar 2011 Klage erhoben.
Zwischenzeitlich hat der Beklagte Mitte 2011 beim beigeladenen GBA einen Antrag auf "Be-wertung der kontinuierlichen interstitiellen Glukosemessung mit RealTime Messgeräten zur Therapiesteuerung bei Patientinnen und Patienten mit insulinpflichtigem Diabetes mellitus" gestellt. Mit Beschluss vom 24. November 2011 hat der Beigeladene entschieden, ein ent-sprechendes Bewertungsverfahren einzuleiten und am 22. November 2012 beschlossen, das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) mit der Bewertung der kontinuierlichen interstitiellen Glukosemessung mit RealTime Messgeräten zu beauftra-gen. Das Verfahren ist gegenwärtig noch nicht abgeschlossen.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Aufnahme des Guardian REAL Time Systems in das Hilfsmittelverzeichnis nicht das Bewertungsverfahren nach § 135 SGB V entgegenstehe, weil das Guardian REAL Time System ein Gerät zum Behinderungsausgleich darstelle. Es sei un-zulässig, dass der Beklagte die Sperrwirkung mit einer außerhalb der beantragten Aufnahme liegenden Verwendungsmöglichkeit des Systems begründe. Das Gerät solle lediglich die Hy-poglykämiewahrnehmungsstörungen von Diabetikern ausgleichen. Das Gerät lasse das be-stehende Behandlungs- und Messregime (Blutzuckermessung mit anschließender Zuführung von Kohlenhydraten bzw. Insulin) unberührt. Das Gerät werde auch nicht innerhalb einer neu-en Behandlungsmethode eingesetzt. Es besitze auch keine therapeutische Zweckbestim-mung, weil auf Grundlage des Produktes keine Therapieentscheidungen getroffen werden sol-len. Es werde nicht in ein bestehendes Behandlungsregime eingegriffen. Es handele sich auch nicht um eine gesonderte vertragsärztliche Leistung im Rahmen einer neuen Behand-lungsmethode.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 21. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Januar 2011 zu verpflichten, das Produkt Guardian REAL Time System (Artikel-Nr. CSS 73 WSMA) in das Hilfsmittelverzeichnis der GKV aufzunehmen.
Hilfsweise,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 21. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Januar 2011 zu verpflichten, das Produkt Guardian REAL Time System (Artikel-Nr. CSS 73 WSMA) in das Hilfsmittelverzeichnis der GKV insoweit aufzunehmen, als es um die Eigenanwendung der CGM-Werte durch Patien-ten mit eingeschränkter Hypoglykämiewahrnehmung geht; dies sind insbesondere:
1. Patienten, die bereits mindestens ein hypoglykämisches Ereignis Grad II oder III gehabt haben. 2. Patienten mit diagnostizierter Hypoglykämiewahrnehmungsstörung 3. Patienten mit Brittle Diabetes, welche bereits einer Notfallbehandlung bzw. einer Notfallaufnahme im Krankenhaus bedurften. 4. Patientinnen mit Diabetes Typ I vor und während der Schwangerschaft.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor, der Einsatz des Guardian REAL Time Systems erfolge im Rahmen ei-ner neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode im Sinne von § 135 SGB V. Das CGM könne Einfluss auf die Messfrequenz des Blutzuckerspiegels und damit auch auf die Thera-pieführung des Patienten nehmen. CGM stelle ein eigenständiges theoretisch-wissenschaftliches Konzept dar, welches sich wesentlich von den etablierten Formen der Blutzuckermessung mittels Teststreifen unterscheide. Es sei eine medizinische Vorgehens-weise im Rahmen der ärztlichen Behandlung und bislang nicht im EBM aufgeführt. Auch han-dele es sich bei dem Guardian REAL Time System nicht um ein Hilfsmittel zum (bloßen) Be-hinderungsausgleich.
Der Beigeladene beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach Ansicht des Beigeladenen ist das Guardian REAL Time System untrennbar mit einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode verbunden. Ein nur in der Gesamtheit auf die Erreichung des therapeutischen Ziels angelegtes therapeutisches Konzept könne einer auf den patientenrelevanten Nutzen seiner Einzelteile jeweils gesondert bezogenen Bewertung nicht zugänglich sein. Das Guardian REAL Time System solle im Rahmen einer Krankenbe-handlung deren Erfolg sichern. Es stelle auch kein Hilfsmittel zum bloßen Behinderungsaus-gleich dar, weil es dem Hilfsmittel nicht an jeglicher therapeutischen Zielsetzung fehle.
In der mündlichen Verhandlung hat sich die Kammer das Guardian REAL Time System sowie des ComLink zur Verbindung des Guardian REAL Time System Monitors mit einem PC sowie die Funktionsweise Therapiemanagement-Software "Medtronic CareLink" umfassend vorfüh-ren lassen. Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Beklagte hat die Aufnahme des Guardian REAL Time Systems in das Hilfsmittelverzeichnis zu Recht abgelehnt, weil gegenwärtig ohne positi-ves Votum des Beigeladenen zur CGM kein Anspruch auf Aufnahme der entsprechenden Anwendungsgeräte in das Hilfsmittelverzeichnis besteht.
Die erhobene kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist die dem Streitgegenstand entsprechende Klageart. Die Entscheidung des Beklagten nach § 139 SGB V über den Antrag eines Hilfsmittelherstellers auf Aufnahme eines neuen medizinischen Produkts in das Hilfsmittelverzeichnis stellt einen Verwaltungsakt dar. Über die Entscheidung ist dem Antragsteller ein Bescheid zu erteilen, und zwar unabhängig davon, ob dem Antrag stattgegeben oder ob er abgelehnt wird (BSG, Urteil vom 28. September 2006 – B 3 KR 28/05 R)
Der Gemeinsame Bundesausschuss war zu dem Verfahren notwendig beizuladen (§ 75 SGG). Er ist dann beizuladen, wenn in dem Verfahren über die Eintragung eines Hilfsmittels in das Hilfsmittelverzeichnis strittig ist, ob das Hilfsmittel im Rahmen einer neuen Untersu-chungs- oder Behandlungsmethode eingesetzt werden soll, zu der sich der GBA bisher nicht positiv geäußert hat und deshalb auch ihm gegenüber die Bindungswirkung einer einheitlichen Entscheidung herbeizuführen ist (BSG, Urteil vom 22. April 2009 – B 3 KR 11/07 R).
Die Klägerin ist unter dem Blickwinkel einer gewillkürten Prozessstandschaft klagebefugt. Nach § 139 Abs. 3 Satz 1 SGB V erfolgt die Aufnahme eines Hilfsmittels in das Hilfsmittelver-zeichnis "auf Antrag des Herstellers". Das Aufnahmeverfahren wird danach durch einen An-trag des Herstellers eingeleitet und kann grundsätzlich auch nur vom Hersteller betrieben werden. Reine Vertriebsunternehmen – wie die Klägerin – können hiernach weder selbst die Eintragung eines Hilfsmittels in das Hilfsmittelverzeichnis beantragen noch das Aufnahmever-fahren betreiben. Vorliegend hat die Klägerin jedoch bereits im Verwaltungsverfahren die ge-willkürte Verfahrensstandschaft offen gelegt (siehe Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Februar 2010 – L 9 KR 54/06). Die Klägerin hat auch das für die gewillkürte Prozessstandschaft eigene Rechtsschutzinteresse. Zwar kann die Klägerin ausschließlich ein wirtschaftliches Interesse im Sinne einer Absatzsteigerung geltend machen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass auch das Rechtsschutzinteresse der Herstellerin M. M. Inc. an der Auf-nahme in das Hilfsmittelverzeichnis ausschließlich wirtschaftlicher Natur wäre. In diesem Fall und unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Klägerin als konzernverbundes Unter-nehmen der M M. Inc. gehört, ist die Geltendmachung des Anspruchs im Wege der gewillkür-ten Prozessstandschaft zulässig.
Die Klage ist jedoch unbegründet.
Rechtsgrundlage des Anspruchs auf Aufnahme von Hilfsmitteln in das Hilfsmittelverzeichnis ist § 139 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 4 SGB V. Demgemäß erstellt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen ein systematisch strukturiertes Hilfsmittelverzeichnis, in dem "von der Leis-tungspflicht umfasste Hilfsmittel aufzuführen" sind. Hiernach ist ein Hilfsmittel in das Hilfsmit-telverzeichnis der GKV aufzunehmen, soweit es den gesetzlichen Anforderungen entspricht (BSGE 87, 105, 108 f = SozR 3-2500 § 139 Nr 1 S 5; BSGE 97, 133 = SozR 4-2500 § 139 Nr. 2 - jeweils RdNr 21).
Nicht den gesetzlichen Anforderungen in diesem Sinne entspricht ein Hilfsmittel nach der Rechtsprechung des BSG unter anderem dann, soweit sein Einsatz im Rahmen einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode im Sinne von § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V erfolgt und die Methode durch die unter anderem auf § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V gestützte Richt-linie des GBA zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versor-gung ("Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung") nicht zur ambulanten Versorgung in der GKV zugelassen ist.
Dem Guardian REAL Time System liegt in seiner Anwendung das System der kontinuierlichen Glukosemessung in der interstitiellen Gewebsflüssigkeit zugrunde. Zum CGM hat der Beige-ladene gegenwärtig kein positives Votum abgegeben. Das Bewertungsverfahren läuft.
Generell ist der Anspruch auf Krankenbehandlung nach § 27 Abs. 1 SGB V gemäß den all-gemeinen Bestimmungen der §§ 2 Abs. 1 Satz 3, 12 Abs. 1 SGB V auf solche Leistungen be-schränkt, die die Gewähr für Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit bieten, und zwar je-weils nach Maßgabe des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse (stRspr; vgl etwa BSGE 95, 132 RdNr 18 f = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 25 f mwN). Dazu muss es grundsätzlich zuverlässige wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen in dem Sinne geben, dass der Erfolg der Behandlungsmethode in einer für die sichere Beurteilung ausrei-chenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt ist (vgl zuletzt BSGE 93, 1 f = SozR 4-2500 § 31 Nr 1, jeweils RdNr 7 mwN). Diese Feststellung obliegt im Bereich ärztlicher Behandlun-gen grundsätzlich dem Beigeladenen im Verfahren nach § 135 Abs. 1 SGB V. Hiernach ist eine Therapie bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nur dann von der Leis-tungspflicht der GKV umfasst, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V bereits eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode und die notwendige Qualifikation der Ärzte sowie die dabei zu beachtenden ap-parativen Anforderungen abgegeben hat (stRspr; vgl BSGE 81, 54, 59 ff = SozR 3-2500 § 135 Nr. 4 S 14 ff; BSGE 86, 54, 56 = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 61 f mwN; BSG SozR 3-2500 § 92 Nr 12 S 69; BSG SozR 4-2500 § 135 Nr 1 RdNr 7; BSGE 94, 221 = SozR 4-2400 § 89 Nr. 3, jeweils RdNr 23 mwN). Voraussetzung dafür ist der Beleg von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Behandlungsmethoden anhand sogenannter randomisierter, dop-pelblind durchgeführter und placebokontrollierter Studien (vgl. Richtlinie Methoden vertrags-ärztliche Versorgung iVm §§ 7 ff des 2. Kapitels der Verfahrensordnung des GBA).
Diese Anforderungen gelten auch für die Aufnahme eines Hilfsmittels in das Hilfsmittelver-zeichnis der GKV, wie das BSG bereits entschieden hat. Soll ein Hilfsmittel im Rahmen der Krankenbehandlung (§ 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB V) deren "Erfolg sichern" (§ 33 Abs 1 SGB V), ist seine Verwendung – anders als etwa bei Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich – nicht von dem zugrunde liegenden Behandlungskonzept und den dafür geltenden Anforde-rungen nach §§ 2 Abs. 1 Satz 3, 12 Abs. 1 SGB V i.V.m. § 135 Abs. 1 SGB V zu trennen. In-soweit erfasst die Sperrwirkung des in § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V begründeten Leistungsver-bots mit Erlaubnisvorbehalt jegliche Maßnahme im Rahmen einer bei einem bestimmten Krankheitsbild systematisch angewandten "Methode" (stRspr seit BSGE 82, 233, 237 = SozR 3-2500 § 31 Nr 5 S 19; vgl auch BSGE 88, 51, 60 = SozR 3-2500 § 27a Nr 2 S 19 mwN; BSG SozR 3-5533 Nr 2449 Nr 2 S 9 f; BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1 - jeweils RdNr 22). Solange die Therapie als neue Behandlungsmethode nicht zur Versorgung in der GKV zuge-lassen ist, stellen auch die dabei eingesetzten Geräte keine in der GKV "von der Leistungs-pflicht umfasste Hilfsmittel" iS von § 139 Abs. 1 Satz 2 SGB V dar (so bereits BSGE 87, 105, 110 = SozR 3-2500 § 139 Nr. 1 S 7; BSGE 97, 133 = SozR 4-2500 § 139 Nr. 2 - jeweils RdNr. 32; ebenso für die Arzneimitteltherapie BSGE 82, 233, 238 = SozR 3-2500 § 31 Nr. 5 S 19; BSGE 86, 54, 58 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 63 f, vgl auch bei neuartiger Kombination einzeln bereits zugelassener Maßnahmen im Rahmen der Arzneimittelversorgung BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1, jeweils RdNr 15 f; entsprechend für Heilmittel BSG SozR 3-2500 § 138 Nr 2 S 26, 28; BSGE 94, 221 RdNr 24 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3 RdNr 25; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 10 RdNr 15 f, siehe auch SG Leipzig, Urteil vom 24. April 2012, S 8 KR 391/09).
Das Guardian REAL Time System soll im Rahmen der Krankenbehandlung deren "Erfolg sichern". Anders als die Klägerin meint, wird das Guardian REAL Time System auch im Rah-men der Krankenbehandlung eingesetzt (so auch SG Trier, Urteil vom 22. August 2013, S 1 KR 116/12, dies bestätigend, Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 6. März 2014 – L 5 KR 253/13 –, Revision anhängig B 3 KR 5/14 R; SG Hamburg, Beschluss vom 12. April 2013, S 23 KR 338/13 ER). Es handelt sich nicht lediglich um ein Gerät, welches ausschließ-lich als Hilfsmittel zum bloßen Behinderungsausgleich seinen Einsatz finden soll (und damit über den Ausgleich der ausgefallenen Körperfunktion hinaus keinen eigenen (nachzuweisen-den) therapeutischen Nutzen erfüllen müsste und dementsprechend ein Votum des GBA nicht erforderlich wäre). Es ist nicht zulässig, das Guardian REAL Time System lediglich in seiner Funktion als Warngerät für hypoglykämiewahrnehmungsgestörte Patienten anzusehen ohne auch die weitere – aus Sicht der Kammer wichtigere – Funktion als Einsatz des Guardian RE-AL Time System bei dem Einsatz in der Krankenbehandlung zu beurteilen.
Insgesamt stellt die Kammer auf den gesamten Funktionsumfang des Guardian REAL Time Systems ab. Der Beklagte hat gemäß des gestellten Antrags im Verwaltungsverfahren über die Aufnahme des Guardian REAL Time Systems in das Hilfsmittelverzeichnis zu entschei-den. Anderes ergibt sich auch nicht dadurch, dass der Antrag im Verwaltungsverfahren bereits für Diabetiker mit der Indikation "eingeschränkter Hypoglykämiewahrnehmung" gestellt wurde. Hiermit kann der Antrag lediglich dahingehend beschränkt werden, für welche Patientengrup-pe das Gerät eingesetzt werden soll. Diese Patientengruppe erhält jedoch den vollen Funkti-onsumfang des Geräts. Es ist nach Überzeugung der Kammer nicht möglich, lediglich den Aspekt in der Anwendung des Geräts herauszustellen, dass damit Patienten mit einge-schränkter Hypoglykämiewahrnehmung in die Lage versetzt werden, rechtzeitig Hypoglykä-mien zu erkennen. Beantragt wird eben die Aufnahme des Hilfsmittel als Ganzes und nicht lediglich eine bestimmte Funktion.
Das Guardian REAL Time System im Zusammenspiel mit der inhärent dazugehörenden Aus-wertungsmöglichkeit der erhobenen Messwerte durch das Therapiemanagementsystem Ca-reLink ermöglicht es dem Patienten und seinem behandelnden Arzt bzw. Diabetologen, den Zusammenhang zwischen Blutzuckermessungen, Glukoseverläufen, der Insulintherapie und alltäglichen und besonderen Aktivitäten zu verstehen. Ziel des Einsatzes des Guardian REAL Time Systems ist die Optimierung der Diabetestherapie. Hierbei ist der Therapiebegriff auch weiter zu ziehen, als dies die Klägerin tut. Zwar sollen direkte Handlungs- bzw. Therapieent-scheidungen nicht von dem Guardian REAL Time System selbst abhängig gemacht werden, sondern erst nachdem eine weitere blutige Messung durchgeführt wurde. Unter Therapie ist nach Ansicht der Kammer aber auch die langfristige Entscheidung über die weitere Behand-lung des Diabetikers zu fassen. Von dem von dem Guardian REAL Time System gemessenen Parameter werden hiernach Therapieentscheidungen abhängig gemacht. Gegenwärtig kann ein z.B. ein hypoglykämiewahrnehmungsgestörter Patient Hypoglykämien nur durch sehr häu-figes (bis zu zehn Mal am Tag) Messen mittels blutiger Messung vermeiden. Auf Grundlage des CGM sind diese häufigen blutigen Messungen nicht erforderlich und es kann sich auf die Messungen vor den Mahlzeiten beschränkt werden. Hierdurch wird ganz konkret ein beste-hendes Behandlungsregime abgeändert. Ohne das CGM und den Einsatz des Guardian RE-AL Time System hierbei wäre es nicht möglich, bei einem hypoglykämiewahrnehmungsgestör-ten Patienten Hypoglykämien rechtzeitig zu erkennen und wenn möglich zu verhindern.
Das Guardian REAL Time System wird auch im Rahmen einer neuen Behandlungsmethode eingesetzt.
Das BSG versteht unter einer Behandlungsmethode eine medizinische Vorgehensweise, der ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zu Grunde liegt, das sie von anderen Therapieverfahren unterscheidet und das ihre systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll (so LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29. Januar 2013, L 4 KR 89/12 B ER Rdnr. 33ff, juris) unter Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 23. Juli 1998 – B 1 KR 19/96 R-, Rdnr. 17 juris). Der Begriff der Untersuchungs- und Behandlungsme-thode ist umfassender als der der ärztlichen Leistung im Sinne von § 87 SGB V. Eine Metho-de betrifft nicht nur die ärztliche Leistung im engeren Sinne, sondern alle für die vertragsärztli-che Versorgung relevanten diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen. Auch Arznei-mittel und Medizinprodukte können darunter fallen.
Bei der kontinuierlichen Glukosemessung handelt es sich um eine solche Behandlungsme-thode, da ihr ein theoretisch-wissenschaftliches Konzept zu Grunde liegt (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. November 2013 – L 1 KR 265/13 ER –, juris). Es stellt auch ein anderes Konzept als bei der konventionellen Blutzuckermessung dar. Die Glu-kosekonzentration wird mit Hilfe des Transmitters und der Sensoren nicht im Blut, sondern in der Gewebeflüssigkeit im Unterhautfettgewebe gemessen. Der mittels CGM bestimmte Wert entspricht nicht dem Wert der Blutzuckerkonzentration, weil im Interstitium des Unterhautfett-gewebes in der Regel eine leicht erniedrigte Zuckerkonzentration vorliegt. Des Weiteren findet bei der Änderung des Blutzuckers eine Veränderung im interstitiellen Gewebe erst mit einer Verzögerung von 5 bis 30 Minuten statt. Nur bei einer über längeren Zeit stabilen Glukose-konzentration in den Kompartimenten ohne signifikante und rasche Änderungen sind identi-sche Konzentrationen zum gleichen Zeitpunkt zu erwarten.
Die Methode ist auch "neu". Neu ist eine Methode, wenn sie sich bewusst von den bisher in der vertragsärztlichen Versorgung angewandten Diagnostik- und Therapieverfahren abgrenzt und sich darüber hinaus auf nicht weitgehend einhellig anerkannte wissenschaftliche Erkennt-nisse beruft, die gerade deshalb der Prüfung auf Qualitätssicherung unterzogen werden sol-len. In formeller Hinsicht ist eine Methode als neu qualifizieren, wenn sie noch nicht als ab-rechnungsfähige (zahn)ärztliche Leistung im EBM enthalten ist oder wenn sie zwar dort aufge-führt ist, ihre Indikation aber wesentliche Änderungen oder Erweiterungen erfährt (Joussen, in Rolfs/ Giesen/ Kreikebohm/ Udsching Beck scher Online-Kommentar Sozialrecht, § 135 Rn. 2, m.w.N.). Eine Methode ist auch dann neu, wenn sie sich aus einer neuartigen Kombination verschiedener, für sich allein jeweils anerkannter oder zugelassener Maßnahmen zusammen-setzt (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 11. Februar 2011, L 4 KR 256/10). Dies ist vorliegend der Fall. Das Guardian REAL Time System misst durch Erfassung eines Stromwertes in der interstitiellen Flüssigkeit in einem anderen Kompartiment als dem Blut-kreislauf einen Wert, der (nach Kalibrierung nach blutiger Messung) zu einem Glukosewert umgerechnet wird. Anders als eine blutige Messung, die eine Momentaufnahme des Gluko-sewertes im Blut darstellt, ist das Ergebnis CGM quasi ein fortlaufender "Film"
Das Gerät wird auch im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung eingesetzt. Soweit die Klägerin darauf abstellt, dass das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 27. November 2013, L 1 KR 265/13 ER) anderes ausgeführt habe, ist dem entgegen zu hal-ten, dass das LSG dabei davon ausgeht, dass dies nur soweit gilt, als dass der Patient "die Glukosesensoren in erster Linie selbst und eigenständig nutzen [soll], um Hypoglykämien rechtzeitig entgegenwirken zu können". Es führt weiter aus: "Eine darüber hinausgehende Nutzung der Aufzeichnungen aus der kontinuierlichen Glukosemessung ist nichts bekannt." Vorliegend verhält es sich jedoch gerade so, dass die mithilfe des Guardian REAL Time Sys-tem gewonnenen Werte, welche aufgezeichnet und auch durch die Software zu Auswertung und Einsichtnahme durch den behandelnden Arzt zur Verfügung gestellt werden, genutzt wer-den sollen. Diesen Vorzug stellt die Klägerin selbst in den Unterlagen zur Anwendung des Guardian REAL Time Systems hervor. Auch wenn das Messgerät in seinem täglichen Einsatz selbst bedient wird, erfüllt es seinen Zweck nur, wenn die mittels CGM gewonnen Daten durch den behandelnden Arzt entsprechend ausgewertet werden, der die weitere Behandlung unter Berücksichtigung dieser Analyse entsprechend anpassen und gegebenenfalls optimieren kann (siehe LSG Hamburg, Beschluss vom 22. Juli 2013, L 1 KR 38/13 B ER).
Der Hilfsantrag ist aus den dargestellten Gründen ebenfalls unbegründet. Eine Aufspaltung der Funktionalität des Guardian REAL Time Systems ist nicht möglich. Die Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis für eine bestimmte Indikation kann begehrt werden. Der Einsatz für die-se Indikation macht eine Prüfung der neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode durch den Beigeladenen nicht entbehrlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG, 154 ff. VwGO.
Rechtskraft
Aus
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