Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 47 R 3094/11
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 R 202/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 10 LW 2/14 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zu den Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erwerbsminderungsrente
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 22. Januar 2013 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Der im April 1967 geborene Kläger hat nach seinen eigenen Angaben von September 1982 bis Juli 1984 eine Ausbildung zum Energieanlagentechniker absolviert, jedoch nicht abgeschlossen. Er war im Anschluss daran bis 1992 als Fliesenleger und Arbeiter im Trockenbau versicherungspflichtig beschäftigt. Von 2000 bis 2006 betreute er sozialversicherungspflichtig eine behinderte Frau 3 Stunden pro Tag an 13 Tagen im Monat. Bis April 2011 verrichtete der Kläger diese Tätigkeit noch auf 400.- Euro-Basis. Seitdem ist er arbeitslos mit Bezug von Arbeitslosengeld II, wobei er nach wie vor stundenweise die Pflegetätigkeit im Privathaushalt verrichtet.
Der Kläger begehrte mit Antrag vom 24. Mai 2011 Rente wegen Erwerbsminderung von der Beklagten. Er legte einen Bescheid des Versorgungsamts Landshut vor, wonach er einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 (u.a. Einzel-GdB von 80 für Tochtergeschwülste einer Hodenerkrankung, Heilungsbewährung, Einzel-GdB von 50 für Herzleistungsminderung, Herzmuskelerkrankung, Herzrhythmusstörungen und Bluthochdruck) hat.
Die Beklagte zog diverse Befundberichte bei und holte ein Gutachten der Allgemeinärztin Dr. S. vom 26. Juli 2011 ein. Dr. S. stellte beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen fest:
1. Hodentumor, Erstdiagnose 1991, Zustand nach Semicastratio links und Chemotherapie. 2009 Diagnose eines reifen Teratoms, operative Behandlung cervikaler und abdomineller Lymphknoten, bislang kein Anhalt für Rezidiv, Narbenbeschwerden
2. Rezidivierende Lumbalgien bei Fehlstatik und LWK 5-Sakralisation ohne Funktionseinschränkung und ohne Anhalt für neurologische Reiz- oder Ausfallserscheinungen
3. Alkoholkrankheit, Abstinenz seit 2008
4. Vorbeschriebene alkoholbedingte dilatative Kardiomyopathie, echocardiographisch aktuell kein Anhalt für eine höhergradige Einschränkung der linksventriculären Funktion. Asymptomatische Bradykardie
5. Äthyltoxische Polyneuropathie ohne Funktionseinschränkung
6. Arterielle Hypertonie, medikamentös gut eingestellt
7. Leichte obstruktive Ventilationsstörung bei Nikotinabusus
8. Varikosis.
Der Kläger sei noch in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts vollschichtig zu verrichten. Die Wegefähigkeit sei erhalten.
Daraufhin lehnte die Beklagte mit angefochtenem Bescheid vom 2. August 2011 den Antrag ab.
Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, die psychische Erkrankung, die orthopädischen Beeinträchtigungen sowie die massive Herzleistungsminderung seien nicht hinreichend berücksichtigt worden. Allein die im Herz-Kreislauf-Bereich vorliegenden Erkrankungen seien mit einem Einzel-GdB von 50 bewertet. Der Kläger sei kaum noch in der Lage, seinen Haushalt zu versorgen.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 25. November 2011 zurückgewiesen.
Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht München erhoben und um Überprüfung der Entscheidung der Beklagten gebeten. Er legte ein ärztliches Attest der praktischen Ärztin E. vor, wonach der Kläger nicht mehr als drei Stunden täglich arbeitsfähig sei. Das SG hat diverse Befundberichte beigezogen und gemäß § 106 Sozialgerichtsgesetz - SGG - Beweis erhoben durch Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens von Dr. E. und eines internistischen Gutachtens von Dr. D ...
Dr. E. hat in seinem Gutachten vom 23. Juni 2012 beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen festgestellt:
1. Zustand nach Alkoholabhängigkeit (stabile Abstinenz seit dem Jahr 2008)
2. Akzentuierte Persönlichkeitsstruktur mit dependenten Zügen und Zügen einer mangelnden sozialen Anpassung
3. Andernorts diagnostizierte Kardiomyopathie
4. Zustand nach Operation eines linksseitigen Hodenkrebses im Jahr 1991 mit Rezidiv im Jahr 2009.
Der Kläger sei noch in der Lage, leichte körperliche Arbeiten im Gehen, Stehen und Sitzen im Freien und in geschlossenen Räumen 6 Stunden täglich mit den arbeitsüblichen Unterbrechungen zu verrichten. Zu vermeiden seien schwere und mittelschwere Tätigkeiten. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt.
Dr. D. hat in ihrem Gutachten vom 5. September 2012 beim Kläger Narbenbeschwerden im Bereich des Halses und des Bauches bei Zustand nach operativer Entfernung des linken Hodens und Chemotherapie wegen einer bösartigen Erkrankung 1991 und operativer Entfernung von Lymphknotenmetastasen im Bereich des Halses und des Bauches Juni und August 2009, eine Alkoholkrankheit mit Abstinenz seit 2008 ohne Nachweis eines Leberparenchymschadens, einen Bluthochdruck ohne Nachweis einer strukturellen Herzerkrankung sowie eine beginnende chronisch obstruktive Atemwegserkrankung bei anhaltendem Nikotinabusus diagnostiziert.
Der Kläger sei noch in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten im Stehen, Gehen und Sitzen im Freien und in geschlossenen Räumen 6 Stunden täglich mit den üblichen Arbeitspausen zu verrichten. Zu vermeiden seien schwere und mittelschwere Tätigkeiten sowie häufiges Bücken und dauernd nach vorne gebeugte Haltung. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt. Der Kläger habe geäußert, Probleme zu haben mit der U- und S-Bahn zu fahren, nachdem er beobachtet habe, wie sich jemand vor eine S-Bahn gestürzt habe.
In der mündlichen Verhandlung am 22. Januar 2013 hat der Kläger Befundberichte des Klinikums G. der LMU A-Stadt sowie der Radiologie A-Stadt überreicht. Das SG hat daraufhin die Klage mit Urteil vom 22. Januar 2013 unter Berufung auf die Gutachten von Dr. E. und Dr. D. abgewiesen. Den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Befunden lasse sich keine gravierende Verschlechterung des Gesundheitszustandes auf Dauer entnehmen.
Hiergegen hat der Kläger Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt und auf die Stellungnahme der behandelnden Ärztin E. verwiesen, wonach der Kläger psychisch schwer krank sei und unter der bestehenden Symptomatik die Aufnahme einer Arbeitstätigkeit undenkbar sei. Auch sei aufgrund erheblicher körperlicher Beschwerden eine dauerhafte orthopädische Behandlung notwendig. Es werde daher beantragt, ein weiteres Gutachten einzuholen, namentlich von Dr. K ...
Der Senat hat einen Befundbericht der praktischen Ärztin E., ein einseitiges Gutachten der Bundesagentur für Arbeit vom 1. August 2013, wonach aufgrund der komplexen gesundheitlichen Problematik keine Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe, sowie eine Auskunft der schwerbehinderten Frau F., bei der der Kläger noch dreieinhalb Stunden täglich Haushaltstätigkeiten (kochen, einkaufen, waschen, putzen) verrichtet, eingeholt.
Der Senat hat gemäß § 106 SGG Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens von Dr. C. vom 21. November 2013. Dr. C. hat beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen festgestellt:
1. Degeneratives Lumbalsyndrom mit lumbosacralbetontem Verschleiß, lumbosacraler Übergangsstörung, Bandscheibenschäden L 3 bis S 1, Ausschluss einer Stenose, pseudoradikuläres Ausstrahlen des Lumbalsyndroms beidseits, Ausschluss neurologischer Ausfälle
2. Initiale Arthrose vorderes unteres Sprunggelenk rechts talonavicular, Ausschluss einer OSG-Arthrose beidseits, Ausschluss einer OSG-Instabilität beidseits
3. Initiale Protrusionscoxarthrose beidseits mit noch geringgradigen Funktionseinschränkungen.
Der Kläger sei noch in der Lage, leichte körperliche Arbeiten gehend, stehend und sitzend unter Vermeidung ausschließlichen Gehens und Stehens und unter Gewährung von sitzenden Arbeitsanteile von etwa 1/3 der Arbeitsschicht im Freien und in geschlossenen Räumen vollschichtig mit den arbeitsüblichen Unterbrechungen zu verrichten. Zu vermeiden seien das Heben und Tragen von schweren Lasten, Arbeiten aus vorgeneigter Position sowie ungünstigen Wirbelsäulenpositionen heraus und häufiges Bücken. Eine relevante Einschränkung der Wegefähigkeit bestehe nicht. Weitere Gutachten seien nicht erforderlich.
Der Kläger hat daraufhin um Einholung einer ergänzenden Stellungnahme von Dr. C. gebeten, ob der Sachverständige tatsächlich eine Wirbelfraktur im Lendenwirbelsäulenbereich festgestellt und welche Auswirkungen diese ggf. auf die Arbeitsfähigkeit des Klägers habe. Außerdem lägen nach den Ausführungen von Dr. C. die wesentlichen Diagnosen außerhalb des orthopädischen Fachgebiets.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 18. Februar 2014 hat Dr. C. ausgeführt, eine Lendenwirbelfraktur sei weder anamnestisch noch bildgebend erkennbar. Beim Kläger liege ein degeneratives Lumbalsyndrom mit einem Klopfschmerz über der unteren Lendenwirbelsäule vor. Daraus resultierten die im Gutachten wiedergegebenen qualitativen Leistungsbeeinträchtigungen. Bei den wesentlichen Gesundheitsstörungen außerhalb des orthopädischen Fachgebietes handele es sich um das 1991 behandelte Hodenkarzinom mit cervikaler Lymphknotenausräumung im Jahr 2009. Allerdings sei hier bis dato ein Tumorrezidiv ausgeschlossen worden. Eine Zusatzbegutachtung erbringe wohl keine neuen Aspekte.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 22. Januar 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 2. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. November 2011 aufzuheben und dem Kläger Rente wegen Erwerbsminderung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Akten des SG sowie der Beklagten verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage gegen den angefochtenen Bescheid vom 2. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. November 2011 abgewiesen. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 2, 1 SGB VI zu. Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß §§ 43 Abs. 1, 240 Abs. 1, 2 SGB VI scheidet von vornherein aus, da der Kläger nicht vor dem 2. Januar 1961 geboren ist (vgl. § 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI).
Gem. § 43 Abs. 1, 2 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie
1. teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs bzw. drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist gem. § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem SG und dem LSG steht für den erkennenden Senat nicht mit der erforderlichen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit fest, dass die Leistungsfähigkeit des Klägers in einem einen Rentenanspruch begründenden Umfang eingeschränkt ist. Zwar ist seine Leistungsfähigkeit qualitativ hinsichtlich der Art und Schwere der noch möglichen Tätigkeiten gemindert. Die qualitativen Leistungseinschränkungen haben jedoch noch keinen rentenerheblichen Umfang angenommen. Eine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens liegt nach den Feststellungen aller Sachverständigen beim Kläger nicht vor.
Der Kläger leidet unter Gesundheitsstörungen auf nervenärztlichem, internistischem und orthopädischem Fachgebiet.
Bei der Untersuchung durch Dr. E. war der Kläger in einem altersentsprechenden Allgemeinzustand. Der neurologische Befund an Kopf und Hirnnerven erbrachte keine wesentlichen Auffälligkeiten. Der Muskeltonus war seitengleich locker, die Muskulatur kräftig dimensioniert. Paresen konnte der Sachverständige nicht feststellen. Das Reflexniveau war seitengleich untermittellebhaft ohne pathologische Reflexe. Die Sensibilität war ungestört, das Zeichen nach Laségue negativ.
In psychischer Hinsicht war der Kläger wach, bewusstseinsklar und zu allen Qualitäten orientiert. Eine höhergradige hirnorganische Einschränkung konnte der Sachverständige Dr. E. nicht feststellen. Die Stimmungslage war moros-dysphorisch. Der Kläger war im Affekt nur wenig auslenkbar. Eine Vordergründigkeit der Beschwerden war nicht zu übersehen. Die technischen Zusatzuntersuchungen erbrachten einen Normalbefund ohne Hinweise auf Hirnfunktionsstörungen.
Der erfahrene Sachverständige hat darauf hingewiesen, dass der Kläger in einer sog. "broken home Situation" groß geworden sei, was zu erheblichen Defiziten der emotionalen Entwicklung geführt habe. Zudem seien durch die Krebserkrankung im Jahr 1991 mit Rezidiv im Jahr 2009 beim Kläger verständlicherweise Ängste, Verbitterung und Verzweiflung entstanden. Dies führe auch nachvollziehbar zu einer Wahrnehmung verstärkter körperlicher Beschwerden. Auf der anderen Seite habe sich jedoch ein direkter Leidensdruck nur partiell erschlossen. Demonstrative Mechanismen vor allem bei der körperlichen Untersuchung seien unverkennbar gewesen. Der Kläger sei auch durchaus durchsetzungsfähig und selbstsicher aufgetreten. Es bestünde auch noch eine positive Indikation für die jetzige psychosomatische Behandlung.
Aus alledem hat Dr. E. für den Senat nachvollziehbar abgeleitet, dass dem Kläger noch 6 Stunden täglich zumindest leichte körperliche Arbeiten zumutbar sind.
In internistischer Hinsicht imponiert vor allem der Zustand nach operiertem Hodenkarzinom 1991 mit Rezidivoperation (Entfernung von Lymphknotenmetastasen) im Jahr 2009. Hinweise für ein weiteres Rezidiv lagen nach Einschätzung von Dr. D. nicht vor. Die Tumormarker hielten sich durchwegs im Normbereich. Daran hat sich bis jetzt nichts geändert. Auch nach den Feststellungen von Dr. C. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 18. Februar 2014 ist bisher ein erneutes Rezidiv nicht festgestellt worden.
Bei der Untersuchung des Klägers durch Dr. D. war der Kläger in einem guten Ernährungs- und Allgemeinzustand. Es zeigten sich keine generalisierten Lymphknotenschwellungen oder Ödeme. Die Untersuchung von Kopf und Hals erbrachte keine Auffälligkeiten. Der Thorax war symmetrisch und seitengleich belüftet bei normal stehenden Lungengrenzen. Es zeigte sich ein sonorer Klopfschall bei vesikulärem Atemgeräusch ohne Nebengeräusche. Die Herztöne waren rein und regelmäßig ohne vitientypisches Geräusch. Der Blutdruck war mit 130/70 mmHg unauffällig. Bei dem von Dr. D. vorgenommenen EKG zeigten sich keine Erregungs- oder Rückbildungsstörungen. Aus einem von Dr. D. beigezogenen kardiologischen Befund von Dr. H. geht eine normale linksventrikuläre Funktion hervor. Ein Nachweis einer manifesten strukturellen Herzerkrankung insbesondere in Form einer Hypertrophie oder Dilatation liegt danach nicht vor. Dr. D. hat darauf hingewiesen, dass auch der Bluthochdruck beim Kläger medikamentös gut eingestellt ist und noch nicht zu einer Verdickung der Herzmuskulatur geführt hat. Eine Herzminderleistung oder Herzerweiterung besteht beim Kläger nicht. Die vom Kläger geklagte Ermüdbarkeit und Atemnot bei größerer Anstrengung sind daher als Folge eines unzureichenden körperlichen Trainingszustandes einzuschätzen.
Der Kläger ist nach jahrelanger erheblicher Alkoholproblematik seit 2008 als abstinent anzusehen. Die Blutuntersuchung erbrachte insoweit (Leberwerte) sowie auch im Übrigen keine Auffälligkeiten.
Alle Bewegungsabläufe gingen beim Kläger gemächlich, aber flüssig und ohne Schonhaltung vonstatten. Der Kläger konnte problemlos auf dem Stuhl sitzen, ohne Positionswechsel vorzunehmen. Die Wirbelsäule war lotgerecht aufgebaut bei leicht rechtskonvexer Skoliose. Die paravertebrale Muskulatur war gut ausgebildet und nicht verspannt. Die Funktion der HWS war nicht eingeschränkt, die der BWS und LWS wurde als mittel- bis schwergradig eingeschränkt demonstriert. Bei den alltagsrelevanten Verrichtungen wie dem Be- und Entkleiden ergab sich jedoch eine allenfalls geringgradige Funktionseinschränkung in diesem Bereich. An den oberen Extremitäten zeigte sich eine normale Handbeschwielung bei seitengleich gut ausgebildeter Muskulatur. Die Beweglichkeit der Schulter-, Ellbogen- und Handgelenke war frei. Sämtliche Funktionsgriffe gelangen dem Kläger beidseits problemlos. Auch an den unteren Extremitäten war die Muskulatur seitengleich gut ausgebildet. Sämtliche Gelenke waren frei beweglich ohne Deformierungen, Schwellungen oder Instabilitäten.
Hieraus hat Dr. D. nachvollziehbar abgeleitet, dass der Kläger noch zumindest leichte Tätigkeiten 6 Stunden täglich verrichten kann.
Diese Einschätzung wurde auch von Dr. C. im Rahmen seiner vom Senat veranlassten orthopädischen Begutachtung bestätigt. Hier zeigte sich der Kläger in einem etwas reduzierten Allgemein- und normalen Ernährungszustand. Es fanden sich kein Ikterus, keine Zyanose und keine allgemeinen Gewebswassereinlagerungen. Die Pulse waren seitengleich gut tastbar, die periphere Muskulatur war normal tonisiert.
Bei der Untersuchung der Wirbelsäule ergab sich ein Beckengeradstand bei physiologischer Rückenform und normalen Schwingungsverhältnissen. Die Bewegungen beim Lagewechsel waren noch ausreichend flüssig ohne Ausweichmanöver. Die paravertebrale Muskulatur war zwar lumbal verspannt, jedoch im gesamten Wirbelsäulenverlauf unauffällig und regulär ausgebildet. Die Halswirbelsäule war bei physiologischer Kopfhaltung in allen Freiheitsgraden frei beweglich. Das Vornüberneigen der Wirbelsäule führte der Kläger mäßig zügig durch, wobei das Wiederaufrichten aus der Vorneige dem Kläger aus eigener Kraft ohne Zuhilfenahme der Arme gelang. Der Finger-Boden-Abstand betrug minimal 15 cm. Fersen-, Zehenspitzen- und Einbeinstand waren dem Kläger möglich. Das Zeichen nach Laségue war beidseits negativ. Der Kläger konnte auch noch den Langsitz schmerzfrei einnehmen.
An den oberen Extremitäten waren die Gelenkskonturen symmetrisch ohne Muskelathropien, Ergussbildungen und Weichteilschwellungen. An den Schultergelenken war die grobe Kraft beidseits nicht gemindert. Die Bewegungsabläufe waren harmonisch. Die Funktionsgriffe waren dem Kläger beidseits frei durchführbar. Hinweise für eine Rotatorenmanschettenruptur lagen nicht vor. Die Ellbogengelenke waren völlig unauffällig. An den Handgelenken zeigten sich ebenfalls regelrechte Konturen ohne Schwellungen oder Ergüsse. Die Hände waren seitengleich normal beschwielt bei normaler Kraftentfaltung. Sämtliche Funktionsgriffe waren beidseits frei möglich.
Die Hüftgelenke des Klägers waren im Wesentlichen frei beweglich. Röntgenologisch zeigten sich Hinweise auf eine initiale Protrusionscoxarthrose, die auch zu einer Innenrotationseinschränkung beider Hüften führt. Das Gangbild war aber noch ausreichend raumgreifend und hinkfrei ohne Stockbenutzung. Die Kniegelenke waren regelrecht konturiert. Das Zeichen nach Zohlen war beidseits negativ. Die Bandführung beider Kniegelenke war stabil und die Meniskuszeichen waren negativ. Der Kläger konnte die tiefe Hocke noch einnehmen. Das Wiederaufrichten gelang ihm ohne Abstützung mit den Armen. An den Sprunggelenken zeigte sich nur rechts eine minimale konzentrische Bewegungseinschränkung. Die Beschwielung der Fußsohlen war seitengleich normal ausgeprägt.
Aus diesem Befund lässt sich nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. C., die sich der Senat zu Eigen macht, eine quantitative Leistungseinschränkung für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts nicht überzeugend ableiten. Die von Dr. C. genannten qualitativen Leistungseinschränkungen und hierbei insbesondere der Ausschluss von mittelschweren und schweren Arbeiten sowie wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten genügen, um der gesundheitlichen Situation des Klägers gerecht zu werden.
Der Kläger ist nach alledem zur Überzeugung des Senats noch in der Lage, mindestens
6 Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Arbeiten zu verrichten.
Trotz dieses festgestellten Leistungsvermögens des Klägers von 6 Stunden und mehr für leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wäre ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung jedoch dann gegeben, wenn bei ihm eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen bzw. eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegen würde und dem Kläger keine Tätigkeit benannt werden könnte, die er trotz der qualitativen Leistungseinschränkungen noch mindestens 6 Stunden täglich verrichten kann. Der Senat geht dabei von den qualitativen Leistungseinschränkungen aus, die Dr. D., Dr. E. und Dr. C. festgestellt haben und die oben im Sachverhalt wiedergegeben worden sind. Hierbei handelt es sich nur um eine geringe Anzahl von gewöhnlichen qualitativen Leistungseinschränkungen, so dass die Annahme einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung oder Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen nicht in Betracht kommt. Dr. C. hat darüber hinaus dem Kläger bescheinigt, dass er noch in der Lage ist, Tätigkeiten zu verrichten, die üblicherweise in ungelernten Tätigkeiten gefordert werden. Die Annahme einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen kommt damit nicht in Betracht.
Schließlich liegt nach der nachvollziehbaren Einschätzung sämtlicher Gerichtssachverständigen auch keine rentenrelevante Einschränkung der Wegefähigkeit des Klägers vor. Es ist auch kein Grund ersichtlich, warum den Kläger nicht die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln möglich sein sollte.
Damit hat der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung.
Die Kostenentscheidung (§ 193 SGG) beruht auf der Erwägung, dass der Kläger im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. § 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Der im April 1967 geborene Kläger hat nach seinen eigenen Angaben von September 1982 bis Juli 1984 eine Ausbildung zum Energieanlagentechniker absolviert, jedoch nicht abgeschlossen. Er war im Anschluss daran bis 1992 als Fliesenleger und Arbeiter im Trockenbau versicherungspflichtig beschäftigt. Von 2000 bis 2006 betreute er sozialversicherungspflichtig eine behinderte Frau 3 Stunden pro Tag an 13 Tagen im Monat. Bis April 2011 verrichtete der Kläger diese Tätigkeit noch auf 400.- Euro-Basis. Seitdem ist er arbeitslos mit Bezug von Arbeitslosengeld II, wobei er nach wie vor stundenweise die Pflegetätigkeit im Privathaushalt verrichtet.
Der Kläger begehrte mit Antrag vom 24. Mai 2011 Rente wegen Erwerbsminderung von der Beklagten. Er legte einen Bescheid des Versorgungsamts Landshut vor, wonach er einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 (u.a. Einzel-GdB von 80 für Tochtergeschwülste einer Hodenerkrankung, Heilungsbewährung, Einzel-GdB von 50 für Herzleistungsminderung, Herzmuskelerkrankung, Herzrhythmusstörungen und Bluthochdruck) hat.
Die Beklagte zog diverse Befundberichte bei und holte ein Gutachten der Allgemeinärztin Dr. S. vom 26. Juli 2011 ein. Dr. S. stellte beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen fest:
1. Hodentumor, Erstdiagnose 1991, Zustand nach Semicastratio links und Chemotherapie. 2009 Diagnose eines reifen Teratoms, operative Behandlung cervikaler und abdomineller Lymphknoten, bislang kein Anhalt für Rezidiv, Narbenbeschwerden
2. Rezidivierende Lumbalgien bei Fehlstatik und LWK 5-Sakralisation ohne Funktionseinschränkung und ohne Anhalt für neurologische Reiz- oder Ausfallserscheinungen
3. Alkoholkrankheit, Abstinenz seit 2008
4. Vorbeschriebene alkoholbedingte dilatative Kardiomyopathie, echocardiographisch aktuell kein Anhalt für eine höhergradige Einschränkung der linksventriculären Funktion. Asymptomatische Bradykardie
5. Äthyltoxische Polyneuropathie ohne Funktionseinschränkung
6. Arterielle Hypertonie, medikamentös gut eingestellt
7. Leichte obstruktive Ventilationsstörung bei Nikotinabusus
8. Varikosis.
Der Kläger sei noch in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts vollschichtig zu verrichten. Die Wegefähigkeit sei erhalten.
Daraufhin lehnte die Beklagte mit angefochtenem Bescheid vom 2. August 2011 den Antrag ab.
Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, die psychische Erkrankung, die orthopädischen Beeinträchtigungen sowie die massive Herzleistungsminderung seien nicht hinreichend berücksichtigt worden. Allein die im Herz-Kreislauf-Bereich vorliegenden Erkrankungen seien mit einem Einzel-GdB von 50 bewertet. Der Kläger sei kaum noch in der Lage, seinen Haushalt zu versorgen.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 25. November 2011 zurückgewiesen.
Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht München erhoben und um Überprüfung der Entscheidung der Beklagten gebeten. Er legte ein ärztliches Attest der praktischen Ärztin E. vor, wonach der Kläger nicht mehr als drei Stunden täglich arbeitsfähig sei. Das SG hat diverse Befundberichte beigezogen und gemäß § 106 Sozialgerichtsgesetz - SGG - Beweis erhoben durch Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens von Dr. E. und eines internistischen Gutachtens von Dr. D ...
Dr. E. hat in seinem Gutachten vom 23. Juni 2012 beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen festgestellt:
1. Zustand nach Alkoholabhängigkeit (stabile Abstinenz seit dem Jahr 2008)
2. Akzentuierte Persönlichkeitsstruktur mit dependenten Zügen und Zügen einer mangelnden sozialen Anpassung
3. Andernorts diagnostizierte Kardiomyopathie
4. Zustand nach Operation eines linksseitigen Hodenkrebses im Jahr 1991 mit Rezidiv im Jahr 2009.
Der Kläger sei noch in der Lage, leichte körperliche Arbeiten im Gehen, Stehen und Sitzen im Freien und in geschlossenen Räumen 6 Stunden täglich mit den arbeitsüblichen Unterbrechungen zu verrichten. Zu vermeiden seien schwere und mittelschwere Tätigkeiten. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt.
Dr. D. hat in ihrem Gutachten vom 5. September 2012 beim Kläger Narbenbeschwerden im Bereich des Halses und des Bauches bei Zustand nach operativer Entfernung des linken Hodens und Chemotherapie wegen einer bösartigen Erkrankung 1991 und operativer Entfernung von Lymphknotenmetastasen im Bereich des Halses und des Bauches Juni und August 2009, eine Alkoholkrankheit mit Abstinenz seit 2008 ohne Nachweis eines Leberparenchymschadens, einen Bluthochdruck ohne Nachweis einer strukturellen Herzerkrankung sowie eine beginnende chronisch obstruktive Atemwegserkrankung bei anhaltendem Nikotinabusus diagnostiziert.
Der Kläger sei noch in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten im Stehen, Gehen und Sitzen im Freien und in geschlossenen Räumen 6 Stunden täglich mit den üblichen Arbeitspausen zu verrichten. Zu vermeiden seien schwere und mittelschwere Tätigkeiten sowie häufiges Bücken und dauernd nach vorne gebeugte Haltung. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt. Der Kläger habe geäußert, Probleme zu haben mit der U- und S-Bahn zu fahren, nachdem er beobachtet habe, wie sich jemand vor eine S-Bahn gestürzt habe.
In der mündlichen Verhandlung am 22. Januar 2013 hat der Kläger Befundberichte des Klinikums G. der LMU A-Stadt sowie der Radiologie A-Stadt überreicht. Das SG hat daraufhin die Klage mit Urteil vom 22. Januar 2013 unter Berufung auf die Gutachten von Dr. E. und Dr. D. abgewiesen. Den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Befunden lasse sich keine gravierende Verschlechterung des Gesundheitszustandes auf Dauer entnehmen.
Hiergegen hat der Kläger Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt und auf die Stellungnahme der behandelnden Ärztin E. verwiesen, wonach der Kläger psychisch schwer krank sei und unter der bestehenden Symptomatik die Aufnahme einer Arbeitstätigkeit undenkbar sei. Auch sei aufgrund erheblicher körperlicher Beschwerden eine dauerhafte orthopädische Behandlung notwendig. Es werde daher beantragt, ein weiteres Gutachten einzuholen, namentlich von Dr. K ...
Der Senat hat einen Befundbericht der praktischen Ärztin E., ein einseitiges Gutachten der Bundesagentur für Arbeit vom 1. August 2013, wonach aufgrund der komplexen gesundheitlichen Problematik keine Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe, sowie eine Auskunft der schwerbehinderten Frau F., bei der der Kläger noch dreieinhalb Stunden täglich Haushaltstätigkeiten (kochen, einkaufen, waschen, putzen) verrichtet, eingeholt.
Der Senat hat gemäß § 106 SGG Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens von Dr. C. vom 21. November 2013. Dr. C. hat beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen festgestellt:
1. Degeneratives Lumbalsyndrom mit lumbosacralbetontem Verschleiß, lumbosacraler Übergangsstörung, Bandscheibenschäden L 3 bis S 1, Ausschluss einer Stenose, pseudoradikuläres Ausstrahlen des Lumbalsyndroms beidseits, Ausschluss neurologischer Ausfälle
2. Initiale Arthrose vorderes unteres Sprunggelenk rechts talonavicular, Ausschluss einer OSG-Arthrose beidseits, Ausschluss einer OSG-Instabilität beidseits
3. Initiale Protrusionscoxarthrose beidseits mit noch geringgradigen Funktionseinschränkungen.
Der Kläger sei noch in der Lage, leichte körperliche Arbeiten gehend, stehend und sitzend unter Vermeidung ausschließlichen Gehens und Stehens und unter Gewährung von sitzenden Arbeitsanteile von etwa 1/3 der Arbeitsschicht im Freien und in geschlossenen Räumen vollschichtig mit den arbeitsüblichen Unterbrechungen zu verrichten. Zu vermeiden seien das Heben und Tragen von schweren Lasten, Arbeiten aus vorgeneigter Position sowie ungünstigen Wirbelsäulenpositionen heraus und häufiges Bücken. Eine relevante Einschränkung der Wegefähigkeit bestehe nicht. Weitere Gutachten seien nicht erforderlich.
Der Kläger hat daraufhin um Einholung einer ergänzenden Stellungnahme von Dr. C. gebeten, ob der Sachverständige tatsächlich eine Wirbelfraktur im Lendenwirbelsäulenbereich festgestellt und welche Auswirkungen diese ggf. auf die Arbeitsfähigkeit des Klägers habe. Außerdem lägen nach den Ausführungen von Dr. C. die wesentlichen Diagnosen außerhalb des orthopädischen Fachgebiets.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 18. Februar 2014 hat Dr. C. ausgeführt, eine Lendenwirbelfraktur sei weder anamnestisch noch bildgebend erkennbar. Beim Kläger liege ein degeneratives Lumbalsyndrom mit einem Klopfschmerz über der unteren Lendenwirbelsäule vor. Daraus resultierten die im Gutachten wiedergegebenen qualitativen Leistungsbeeinträchtigungen. Bei den wesentlichen Gesundheitsstörungen außerhalb des orthopädischen Fachgebietes handele es sich um das 1991 behandelte Hodenkarzinom mit cervikaler Lymphknotenausräumung im Jahr 2009. Allerdings sei hier bis dato ein Tumorrezidiv ausgeschlossen worden. Eine Zusatzbegutachtung erbringe wohl keine neuen Aspekte.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 22. Januar 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 2. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. November 2011 aufzuheben und dem Kläger Rente wegen Erwerbsminderung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Akten des SG sowie der Beklagten verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage gegen den angefochtenen Bescheid vom 2. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. November 2011 abgewiesen. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 2, 1 SGB VI zu. Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß §§ 43 Abs. 1, 240 Abs. 1, 2 SGB VI scheidet von vornherein aus, da der Kläger nicht vor dem 2. Januar 1961 geboren ist (vgl. § 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI).
Gem. § 43 Abs. 1, 2 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie
1. teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs bzw. drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist gem. § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem SG und dem LSG steht für den erkennenden Senat nicht mit der erforderlichen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit fest, dass die Leistungsfähigkeit des Klägers in einem einen Rentenanspruch begründenden Umfang eingeschränkt ist. Zwar ist seine Leistungsfähigkeit qualitativ hinsichtlich der Art und Schwere der noch möglichen Tätigkeiten gemindert. Die qualitativen Leistungseinschränkungen haben jedoch noch keinen rentenerheblichen Umfang angenommen. Eine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens liegt nach den Feststellungen aller Sachverständigen beim Kläger nicht vor.
Der Kläger leidet unter Gesundheitsstörungen auf nervenärztlichem, internistischem und orthopädischem Fachgebiet.
Bei der Untersuchung durch Dr. E. war der Kläger in einem altersentsprechenden Allgemeinzustand. Der neurologische Befund an Kopf und Hirnnerven erbrachte keine wesentlichen Auffälligkeiten. Der Muskeltonus war seitengleich locker, die Muskulatur kräftig dimensioniert. Paresen konnte der Sachverständige nicht feststellen. Das Reflexniveau war seitengleich untermittellebhaft ohne pathologische Reflexe. Die Sensibilität war ungestört, das Zeichen nach Laségue negativ.
In psychischer Hinsicht war der Kläger wach, bewusstseinsklar und zu allen Qualitäten orientiert. Eine höhergradige hirnorganische Einschränkung konnte der Sachverständige Dr. E. nicht feststellen. Die Stimmungslage war moros-dysphorisch. Der Kläger war im Affekt nur wenig auslenkbar. Eine Vordergründigkeit der Beschwerden war nicht zu übersehen. Die technischen Zusatzuntersuchungen erbrachten einen Normalbefund ohne Hinweise auf Hirnfunktionsstörungen.
Der erfahrene Sachverständige hat darauf hingewiesen, dass der Kläger in einer sog. "broken home Situation" groß geworden sei, was zu erheblichen Defiziten der emotionalen Entwicklung geführt habe. Zudem seien durch die Krebserkrankung im Jahr 1991 mit Rezidiv im Jahr 2009 beim Kläger verständlicherweise Ängste, Verbitterung und Verzweiflung entstanden. Dies führe auch nachvollziehbar zu einer Wahrnehmung verstärkter körperlicher Beschwerden. Auf der anderen Seite habe sich jedoch ein direkter Leidensdruck nur partiell erschlossen. Demonstrative Mechanismen vor allem bei der körperlichen Untersuchung seien unverkennbar gewesen. Der Kläger sei auch durchaus durchsetzungsfähig und selbstsicher aufgetreten. Es bestünde auch noch eine positive Indikation für die jetzige psychosomatische Behandlung.
Aus alledem hat Dr. E. für den Senat nachvollziehbar abgeleitet, dass dem Kläger noch 6 Stunden täglich zumindest leichte körperliche Arbeiten zumutbar sind.
In internistischer Hinsicht imponiert vor allem der Zustand nach operiertem Hodenkarzinom 1991 mit Rezidivoperation (Entfernung von Lymphknotenmetastasen) im Jahr 2009. Hinweise für ein weiteres Rezidiv lagen nach Einschätzung von Dr. D. nicht vor. Die Tumormarker hielten sich durchwegs im Normbereich. Daran hat sich bis jetzt nichts geändert. Auch nach den Feststellungen von Dr. C. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 18. Februar 2014 ist bisher ein erneutes Rezidiv nicht festgestellt worden.
Bei der Untersuchung des Klägers durch Dr. D. war der Kläger in einem guten Ernährungs- und Allgemeinzustand. Es zeigten sich keine generalisierten Lymphknotenschwellungen oder Ödeme. Die Untersuchung von Kopf und Hals erbrachte keine Auffälligkeiten. Der Thorax war symmetrisch und seitengleich belüftet bei normal stehenden Lungengrenzen. Es zeigte sich ein sonorer Klopfschall bei vesikulärem Atemgeräusch ohne Nebengeräusche. Die Herztöne waren rein und regelmäßig ohne vitientypisches Geräusch. Der Blutdruck war mit 130/70 mmHg unauffällig. Bei dem von Dr. D. vorgenommenen EKG zeigten sich keine Erregungs- oder Rückbildungsstörungen. Aus einem von Dr. D. beigezogenen kardiologischen Befund von Dr. H. geht eine normale linksventrikuläre Funktion hervor. Ein Nachweis einer manifesten strukturellen Herzerkrankung insbesondere in Form einer Hypertrophie oder Dilatation liegt danach nicht vor. Dr. D. hat darauf hingewiesen, dass auch der Bluthochdruck beim Kläger medikamentös gut eingestellt ist und noch nicht zu einer Verdickung der Herzmuskulatur geführt hat. Eine Herzminderleistung oder Herzerweiterung besteht beim Kläger nicht. Die vom Kläger geklagte Ermüdbarkeit und Atemnot bei größerer Anstrengung sind daher als Folge eines unzureichenden körperlichen Trainingszustandes einzuschätzen.
Der Kläger ist nach jahrelanger erheblicher Alkoholproblematik seit 2008 als abstinent anzusehen. Die Blutuntersuchung erbrachte insoweit (Leberwerte) sowie auch im Übrigen keine Auffälligkeiten.
Alle Bewegungsabläufe gingen beim Kläger gemächlich, aber flüssig und ohne Schonhaltung vonstatten. Der Kläger konnte problemlos auf dem Stuhl sitzen, ohne Positionswechsel vorzunehmen. Die Wirbelsäule war lotgerecht aufgebaut bei leicht rechtskonvexer Skoliose. Die paravertebrale Muskulatur war gut ausgebildet und nicht verspannt. Die Funktion der HWS war nicht eingeschränkt, die der BWS und LWS wurde als mittel- bis schwergradig eingeschränkt demonstriert. Bei den alltagsrelevanten Verrichtungen wie dem Be- und Entkleiden ergab sich jedoch eine allenfalls geringgradige Funktionseinschränkung in diesem Bereich. An den oberen Extremitäten zeigte sich eine normale Handbeschwielung bei seitengleich gut ausgebildeter Muskulatur. Die Beweglichkeit der Schulter-, Ellbogen- und Handgelenke war frei. Sämtliche Funktionsgriffe gelangen dem Kläger beidseits problemlos. Auch an den unteren Extremitäten war die Muskulatur seitengleich gut ausgebildet. Sämtliche Gelenke waren frei beweglich ohne Deformierungen, Schwellungen oder Instabilitäten.
Hieraus hat Dr. D. nachvollziehbar abgeleitet, dass der Kläger noch zumindest leichte Tätigkeiten 6 Stunden täglich verrichten kann.
Diese Einschätzung wurde auch von Dr. C. im Rahmen seiner vom Senat veranlassten orthopädischen Begutachtung bestätigt. Hier zeigte sich der Kläger in einem etwas reduzierten Allgemein- und normalen Ernährungszustand. Es fanden sich kein Ikterus, keine Zyanose und keine allgemeinen Gewebswassereinlagerungen. Die Pulse waren seitengleich gut tastbar, die periphere Muskulatur war normal tonisiert.
Bei der Untersuchung der Wirbelsäule ergab sich ein Beckengeradstand bei physiologischer Rückenform und normalen Schwingungsverhältnissen. Die Bewegungen beim Lagewechsel waren noch ausreichend flüssig ohne Ausweichmanöver. Die paravertebrale Muskulatur war zwar lumbal verspannt, jedoch im gesamten Wirbelsäulenverlauf unauffällig und regulär ausgebildet. Die Halswirbelsäule war bei physiologischer Kopfhaltung in allen Freiheitsgraden frei beweglich. Das Vornüberneigen der Wirbelsäule führte der Kläger mäßig zügig durch, wobei das Wiederaufrichten aus der Vorneige dem Kläger aus eigener Kraft ohne Zuhilfenahme der Arme gelang. Der Finger-Boden-Abstand betrug minimal 15 cm. Fersen-, Zehenspitzen- und Einbeinstand waren dem Kläger möglich. Das Zeichen nach Laségue war beidseits negativ. Der Kläger konnte auch noch den Langsitz schmerzfrei einnehmen.
An den oberen Extremitäten waren die Gelenkskonturen symmetrisch ohne Muskelathropien, Ergussbildungen und Weichteilschwellungen. An den Schultergelenken war die grobe Kraft beidseits nicht gemindert. Die Bewegungsabläufe waren harmonisch. Die Funktionsgriffe waren dem Kläger beidseits frei durchführbar. Hinweise für eine Rotatorenmanschettenruptur lagen nicht vor. Die Ellbogengelenke waren völlig unauffällig. An den Handgelenken zeigten sich ebenfalls regelrechte Konturen ohne Schwellungen oder Ergüsse. Die Hände waren seitengleich normal beschwielt bei normaler Kraftentfaltung. Sämtliche Funktionsgriffe waren beidseits frei möglich.
Die Hüftgelenke des Klägers waren im Wesentlichen frei beweglich. Röntgenologisch zeigten sich Hinweise auf eine initiale Protrusionscoxarthrose, die auch zu einer Innenrotationseinschränkung beider Hüften führt. Das Gangbild war aber noch ausreichend raumgreifend und hinkfrei ohne Stockbenutzung. Die Kniegelenke waren regelrecht konturiert. Das Zeichen nach Zohlen war beidseits negativ. Die Bandführung beider Kniegelenke war stabil und die Meniskuszeichen waren negativ. Der Kläger konnte die tiefe Hocke noch einnehmen. Das Wiederaufrichten gelang ihm ohne Abstützung mit den Armen. An den Sprunggelenken zeigte sich nur rechts eine minimale konzentrische Bewegungseinschränkung. Die Beschwielung der Fußsohlen war seitengleich normal ausgeprägt.
Aus diesem Befund lässt sich nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. C., die sich der Senat zu Eigen macht, eine quantitative Leistungseinschränkung für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts nicht überzeugend ableiten. Die von Dr. C. genannten qualitativen Leistungseinschränkungen und hierbei insbesondere der Ausschluss von mittelschweren und schweren Arbeiten sowie wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten genügen, um der gesundheitlichen Situation des Klägers gerecht zu werden.
Der Kläger ist nach alledem zur Überzeugung des Senats noch in der Lage, mindestens
6 Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Arbeiten zu verrichten.
Trotz dieses festgestellten Leistungsvermögens des Klägers von 6 Stunden und mehr für leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wäre ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung jedoch dann gegeben, wenn bei ihm eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen bzw. eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegen würde und dem Kläger keine Tätigkeit benannt werden könnte, die er trotz der qualitativen Leistungseinschränkungen noch mindestens 6 Stunden täglich verrichten kann. Der Senat geht dabei von den qualitativen Leistungseinschränkungen aus, die Dr. D., Dr. E. und Dr. C. festgestellt haben und die oben im Sachverhalt wiedergegeben worden sind. Hierbei handelt es sich nur um eine geringe Anzahl von gewöhnlichen qualitativen Leistungseinschränkungen, so dass die Annahme einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung oder Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen nicht in Betracht kommt. Dr. C. hat darüber hinaus dem Kläger bescheinigt, dass er noch in der Lage ist, Tätigkeiten zu verrichten, die üblicherweise in ungelernten Tätigkeiten gefordert werden. Die Annahme einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen kommt damit nicht in Betracht.
Schließlich liegt nach der nachvollziehbaren Einschätzung sämtlicher Gerichtssachverständigen auch keine rentenrelevante Einschränkung der Wegefähigkeit des Klägers vor. Es ist auch kein Grund ersichtlich, warum den Kläger nicht die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln möglich sein sollte.
Damit hat der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung.
Die Kostenentscheidung (§ 193 SGG) beruht auf der Erwägung, dass der Kläger im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. § 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
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