Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 13 R 1190/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 3513/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 19.07.2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.
Die 1955 in Kasachstan geborene Klägerin absolvierte dort eine Ausbildung zur Meisterin für das ländliche Bauwesen. Anschließend war sie in verschiedenen Bereichen berufstätig, zuletzt als Reinigungskraft. Am 07.05.2000 übersiedelte sie in die Bundesrepublik Deutschland. Sie hat die deutsche Staatsangehörigkeit. Nach Arbeitslosigkeit war sie von 2003 bis 2005 als Reinigungskraft beschäftigt, nach weiterer Arbeitslosigkeit erneut ab 2007. Im Versicherungskonto der Klägerin sind von Juni 2003 bis Dezember 2010 durchgehend Pflichtversicherungszeiten enthalten, seit 01.01.2011 bezieht sie Grundsicherungsleistungen für Arbeitssuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 vH ist anerkannt (Bescheid vom 12.08.2010).
Im März 2010 erlitt die Klägerin einen Herzinfarkt, ihr wurden zwei Stents eingesetzt. Vom 29.04. bis 25.05.2010 befand sie sich sodann in stationärer Rehabilitation in der Reha-Klinik H.-K ... Im Entlassungsbericht wurde ausgeführt, dass erst mit erneuter Koronarangiographie am 25.05.2010 über die weitere Arbeitsfähigkeit entschieden werden könne. Wahrscheinlich könnten ab Juli 2010 leichte bis mittelschwere Tätigkeiten wieder ausgeübt werden. Am 25.05.2010 wurde der Klägerin ein weiterer Stent implantiert. Im Oktober 2010 erfolgte eine dreifache Bypass-Operation in der Herzchirurgie H ... Anschließend wurde eine weitere stationäre Rehabilitationsmaßnahme vom 05. bis 26.11.2010 im S. Gesundheitszentrum B. W. durchgeführt. Im Entlassungsbericht wurde eingeschätzt, dass nach vollständiger Rekonvaleszenz die Klägerin wieder leichte bis mittelschwere Arbeiten verrichten können sollte.
Am 24.08.2011 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Die Beklagte zog ärztliche Berichte bei und ließ die Klägerin durch die Ärztin für Innere Medizin - Sozialmedizin Dr. D. untersuchen und begutachten. Im Gutachten vom 21.11.2011 kam Dr. D. zu der Einschätzung, dass die Klägerin bei Vorliegen einer koronaren Drei-Gefäßerkrankung mit erfolgter Koronarangiographie und Stenting und Herzbypass-Operation ohne wesentliche Beeinträchtigung der Herzfunktion sowie arterieller Hypertonie die Tätigkeit als Reinigungskraft weiterhin sechs Stunden und mehr verrichten könne. Mit Bescheid vom 22.11.2011 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab.
Am 29.11.2011 erhob die Klägerin Widerspruch. Die Herzerkrankung habe sich keinesfalls soweit gebessert, dass ein 6-Stunden-Tag zu bewältigen sei. Hierzu legte die Klägerin ein ärztliches Attest ihrer Hausärztin Dr. P. vom 25.07.2011 vor. Mit Widerspruchsbescheid vom 29.03.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach den medizinischen Unterlagen ergäben sich folgende Gesundheitsstörungen: koronare Drei-Gefäßerkrankung ohne wesentliche Beeinträchtigung der Herzfunktion, arterielle Hypertonie, belastungsabhängige Fußbeschwerden beidseits bei erfolgten Zehenkorrektur-Operationen zuletzt 2009, belastungsabhängig wechselnde Gelenksbeschwerden, insbesondere Schulter- und Kniebeschwerden bei mäßig fortgeschrittenen Verschleißerscheinungen ohne relevante Funktionseinschränkung, chronisch-rezidivierendes degeneratives Wirbelsäulensyndrom ohne neurologische Ausfälle und substituierte Hashimoto-Thyreoiditis. Es seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Ausübung einer Berufstätigkeit durch die genannten Gesundheitsstörungen wesentlich eingeschränkt sei.
Hiergegen richtet sich die am 13.04.2012 zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhobene Klage. Die Klägerin verweist darauf, dass ein komplikationsloser Verlauf nicht zu verzeichnen sei und die Tätigkeit als Reinigungskraft bereits aufgrund der orthopädischen Beschwerden ausgeschlossen sei.
Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen. Die Hausärztin Dr. P. sieht die Klägerin aufgrund einer Verschlechterung der Kreislaufsituation sowie einer Gehstörung für nicht in der Lage, auch nur zwei Stunden einer Tätigkeit nachzugehen (Schreiben vom 21.05.2012). Der Internist Dr. O. hält aufgrund der schweren koronaren Herzkrankheit leichte Tätigkeiten für halbschichtig zumutbar (Schreiben vom 22.05.2012 und 09.07.2012). Die Orthopädin Dr. M. hat mit Schreiben vom 18.06.2012 mitgeteilt, seit Februar 2010 bestehe keine wesentliche Änderung, Beschwerden bestünden hauptsächlich an Knien und Schultern. Leichte Tätigkeiten seien mehr als sechs Stunden täglich möglich. Der Orthopäde Dr. B. sieht die Klägerin auch als Reinigungskraft für mehr als sechs Stunden leistungsfähig (Schreiben vom 14.06.2012). Ergänzend hat das SG ein internistisches Gutachten bei Dr. B. eingeholt. In dem Gutachten vom 30.05.2013 werden folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: koronare Herzerkrankung mit Zustand nach Hinterwandinfarkt, dreifacher Bypass-Operation und mehrfacher Stent-Implantation mit noch guter linksventrikulärer Funktion, arterielle Hypertonie, chronisches BWS-LWS-Syndrom, Funktionsbeeinträchtigung der linken Schulter bei AC-Gelenksarthrose und Teilruptur der Supraspinatussehne, Retropatellararthrose beidseits, Fußfehlform beidseits, Zustand nach mehrfachen Vorfußoperationen links und kompensierte Hypothyreose bei Hashimoto-Thyreoiditis. Leichte und gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten könne die Klägerin mehr als sechs Stunden pro Tag verrichten, Tätigkeiten unter ständigem Zeitdruck, überdurchschnittlicher Stressbelastung, mit erhöhter Unfallgefährdung, mit regelmäßigen Zwangshaltungen der Wirbelsäule, häufigem Treppensteigen, regelmäßigem Bewältigen von sehr langen Gehstrecken oder Einwirken widriger Klimaeinflüsse seien nicht mehr zumutbar.
Mit Gerichtsbescheid vom 19.07.2013 hat das SG die Klage abgewiesen, da eine Erwerbsminderung nicht vorliege und sich dabei im Wesentlichen auf die Gutachten von Dr. B. und Dr. D. gestützt. Die maßgebenden Einschränkungen lägen auf internistischem Gebiet. Wie den Aussagen der sachverständigen Zeugen Dr. M. und Dr. B. zu entnehmen sei, führten auch die orthopädischen Beeinträchtigungen nicht zu einer zeitlichen Einschränkung des Leistungsvermögens. Ihren erlernten Beruf habe die Klägerin aufgegeben. Aufgrund der zuletzt ausgeübten ungelernten Tätigkeiten könne sie auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden. Es bestehe daher auch kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.
Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 24.07.2013 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 14.08.2013 eingelegte Berufung der Klägerin. Sie könne die Einschätzung des Gutachters Dr. B. keinesfalls nachvollziehen. Ihre neue Kardiologin könne bestätigen, dass sich ihr Gesundheitszustand weiter verschlechtert habe. Sie habe zudem einen äußerst niedrigen Blutdruck.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 19.07.2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.03.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung ab 01.08.2011 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat zunächst die Fachärztin für Innere Medizin R. als sachverständige Zeugin befragt. Diese hat mit Schreiben vom 24.11.2013 mitgeteilt, dass der Verdacht auf eine progrediente koronare Drei-Gefäßerkrankung bestehe, die Klägerin leide unter Atemnot bei Belastung. Ihres Erachtens könne die Klägerin leichte Tätigkeiten nicht mehr erledigen.
Ergänzend hat der Senat ein internistisch-arbeitsmedizinisches Gutachten bei Dr. S. eingeholt. In dem Gutachten vom 03.03.2014 werden folgende Diagnosen gestellt: koronare Herzerkrankung, Hypertonie, Hashimoto-Thyreoiditis und Hypercholesterinämie. Im Leistungsbereich leichter körperlicher Arbeiten liege keine Einschränkung vor. Das bei der Klägerin bestehende Bluthochdruckleiden sei medikamentös adäquat beeinflusst, die Werte seien im Normbereich gewesen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und auf die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheidet, hat keinen Erfolg.
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig, jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 22.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.03.2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch - (SGB VI) in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I, 554). Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).
Nach dem Ergebnis der vom SG und vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme sowie unter Berücksichtigung des im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachtens von Dr. D., dass der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet, steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin noch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne besondere Stressbelastung, ohne Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten, Zwangshaltungen der Wirbelsäule oder unter Einfluss von Nässe, Kälte und Zugluft mindestens sechs Stunden an fünf Tagen in der Woche ausüben kann. Die Klägerin ist damit weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Dieses Leistungsvermögen besteht nach Überzeugung des Senats seit Rentenantragstellung im August 2011 und seither durchgehend. Bei diesem Leistungsvermögen ist die Klägerin nicht erwerbsgemindert.
Im Vordergrund stehen Einschränkungen, die auf internistischem Gebiet liegen. Die Klägerin leidet an einer koronaren Herzerkrankung und hat im März 2010 einen Myokardinfarkt erlitten, der mit zweifachen Stents versorgt wurde, einem weiteren Stent im Mai 2010 und durch eine dreifache Bypass-Operation im Oktober 2010. Während der Rehabilitation in der Klinik H.-K. konnte die Klägerin bei der Fahrrad-Ergometrie über je zwei Minuten mit 50, 75 und 100 Watt belastet werden, ohne dass eine Angina-pectoris-Symptomatik, Dyspnoe oder ischämietypische EKG-Veränderungen auftraten. Der Abbruch erfolgte wegen muskulärer Erschöpfung. Während der Rehabilitation konnte eine Steigerung der Leistungsfähigkeit erreicht werden. Bei der Rehabilitation in B. W., die nach der Bypass-Operation durchgeführt worden war, konnte die Klägerin bis 75 Watt belastet werden ohne Hinweis auf eine belastungsinduzierte Ischämie. Nach dem Bericht des Dr. W. vom 20.10.2011 war die Belastung ein Jahr nach Beendigung der Reha bis 100 Watt möglich. Es bestand nach seiner Beurteilung ein stabiler kardialer Zustand. Der Gutachter Dr. B. konnte bei der Ergometrie eine Belastungskoronarinsuffizienz nicht nachweisen, bei der Belastung mit 75 Watt zeigten sich keine pathologischen EKG-Veränderungen. Es lag eine gute linksventrikuläre Pumpfunktion vor. Bei der Spirometrie konnte Dr. B. keine obstruktive oder restriktive Ventilationsstörung feststellen. Bei einer Herzkatheteruntersuchung im Mai 2013 fanden sich zwei verschlossene Bypässe sowie eine hochgradige LAD-Stenose, die erfolgreich ausgedehnt werden konnte. Die von der Klägerin gegenüber dem Sachverständigen geklagten Schwindelbeschwerden beruhten nach den Ausführungen von Dr. B. auf der straffen Blutdruckmedikation mit teilweise erniedrigten Blutdruckwerten. Eine Verschlechterung der kardialen Leistungsfähigkeit ist seither nicht eingetreten, wie der Senat dem Gutachten von Dr. S. entnimmt. Auch im Rahmen seiner Untersuchung konnte die Klägerin beim Belastungs-EKG ohne Hinweise auf Koronarinsuffizienz bis 75 Watt belastet werden, die Lungenfunktion war unauffällig, der Blutdruck lag im Normbereich und eine Pumpfunktionsstörung konnte ausgeschlossen werden. Die übereinstimmende Beurteilung durch die Gutachter Dr. D., Dr. B. und Dr. S., dass noch körperlich leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden arbeitstäglich zumutbar sind, ist nach alledem schlüssig und nachvollziehbar. Der Senat stützt sich auf diese Beurteilungen und macht sie zur Grundlage seiner Entscheidung.
Daneben bestehen Beeinträchtigungen der Klägerin auf orthopädischem Gebiet. Es liegt ein chronisches BWS-LWS-Syndrom, eine Funktionsbeeinträchtigung der linken Schulter bei AC-Gelenksarthrose und Teilruptur der Supraspinatussehne, eine Retropatellararthrose beidseits und Fußfehlform beidseits bei Zustand nach mehrfachen Vorfuß-Operationen links vor. Aufgrund dieser Gesundheitsstörungen ist das Leistungsvermögen der Klägerin jedoch nicht zusätzlich in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt. Der Senat stützt sich insoweit auf die Beurteilungen der behandelnden Orthopäden Dr. M. und Dr. B. sowie die Ausführungen des Sachverständigen Dr. B ... Dieser hatte im Rahmen der klinischen Untersuchung festgestellt, dass die Beweglichkeit des linken Schultergelenkes nur endgradig eingeschränkt war, das rechte Schultergelenk war frei beweglich; Nacken- und Schürzengriff waren beidseits durchführbar. Bücken und wieder aufrichten gelang der Klägerin relativ flüssig bis zu einem Finger-Boden-Abstand von null Zentimeter, der Lasègue war beidseits negativ, Hüft-, Knie- und Sprunggelenke zeigten sich weitgehend frei beweglich, das Gangbild war flüssig. Bei der orientierenden neurologischen Untersuchung fanden sich keine gröberen Störungen der Motorik, Sensibilität und Koordination. Über die bereits genannten qualitativen Einschränkungen wie Vermeidung von Zwangshaltungen der Wirbelsäule, häufiges Treppensteigen und Bewältigen sehr langer Gehstrecken hinaus bestehen keine weiteren Einschränkungen.
Der Einschätzung der behandelnden Ärzte Dr. P., Dr. O. und Frau R., die ein zeitlich eingeschränktes Leistungsvermögen der Klägerin angenommen haben, kann der Senat dagegen nicht folgen. Die genannten Ärzte haben keine Befunde mitgeteilt, die eine derartige Einschränkung ergeben würden. Insbesondere ist durch die gerichtlichen Sachverständigengutachten geklärt, dass die koronare Herzkrankheit keine derart gravierende Auswirkung hat. Die Leistungseinschätzung der behandelnden Ärzte ist damit widerlegt. Der Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit eines Versicherten durch gerichtliche Sachverständige kommt nach st Rspr des Senats (vgl Urteil vom 17.01.2012, L 11 R 4953/10) grundsätzlich ein höherer Beweiswert zu als der Einschätzung der behandelnden Ärzte. Bei der Untersuchung von Patienten unter therapeutischen Gesichtspunkten spielt die Frage nach der Einschätzung des beruflichen Leistungsvermögens idR keine Rolle. Dagegen ist es die Aufgabe des gerichtlichen Sachverständigen, die Untersuchung gerade im Hinblick darauf vorzunehmen, ob und in welchem Ausmaß gesundheitliche Beschwerden zu einer Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens führen. In diesem Zusammenhang muss der Sachverständige auch die Beschwerdeangaben eines Versicherten danach überprüfen, ob und inwieweit sie sich mit dem klinischen Befund erklären lassen.
Bei der noch vorhandenen Leistungsfähigkeit der Klägerin - leichte Arbeiten mindestens sechsstündig - muss der Klägerin eine konkrete Tätigkeit, die sie noch verrichten kann, nicht benannt werden. Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit, die der Versicherte mit seinem Leistungsvermögen noch auszuüben vermag, wird von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) jedenfalls in den Fällen für erforderlich gehalten, in denen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG Großer Senat GS BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8). Für die Prüfung, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt, gibt es keinen konkreten Beurteilungsmaßstab. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Die Pflicht zur konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit hängt von der Anzahl, Art und Schwere der bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen ab. Je mehr diese geeignet erscheinen, gerade auch typische Arbeitsplätze für körperlich leichte Tätigkeiten zu versperren, umso eingehender und konkreter muss dargelegt werden, welche Tätigkeiten der Versicherte noch verrichten kann.
Die Klägerin kann leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung noch ausüben. Die weiteren Einschränkungen wie Tätigkeiten auf Leitern oder Gerüsten und Zwangshaltungen der Wirbelsäule stellen bereits keine leichten Tätigkeiten mehr dar und bewirken daher keine darüber hinausgehende Einschränkung. Körperlich leichte Tätigkeiten sind auch nicht üblicherweise mit einer erhöhten Stressbelastung verbunden. Auch die Vermeidung von Nässe, Kälte und Zugluft engt die in Betracht kommenden Möglichkeiten für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht wesentlich ein. Ihr Restleistungsvermögen erlaubt der Klägerin ohne weiteres noch körperliche Verrichtungen, wie sie in ungelernten Tätigkeiten gefordert zu werden pflegen (wie zB Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw). Die bei der Klägerin bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen lassen deshalb keine ernstlichen Zweifel daran aufkommen, dass diese noch wettbewerbsfähig in einem Betrieb einsetzbar ist. Aus den bestehenden Einschränkungen ergeben sich damit weder schwere spezifische Leistungsbehinderungen, noch stellen die qualitativen Leistungseinschränkungen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen dar (vgl BSG 09.05.2012, B 5 R68/11 R, juris).
Die Klägerin ist auch in der Lage, täglich viermal eine Wegstrecke von 500 Metern innerhalb von jeweils 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen sowie öffentliche Verkehrsmittel zu Hauptverkehrszeiten zweimal am Tag zu benutzen. Dies ergibt sich ausdrücklich aus dem Gutachten von Dr. B. und Dr. S ... Die dort erhobenen Befunde haben keine Einschränkung der Wegefähigkeit erbracht.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI). Voraussetzung eines solchen Rentenanspruchs ist, dass sie vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig ist. Die Klägerin ist 1955 und damit vor dem Stichtag geboren, sie ist jedoch nicht berufsunfähig. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs 2 Satz 1 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 240 Abs 2 Satz 2 SGB VI). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs 2 Satz 4 SGB VI). Die Klägerin hat ihren erlernten Beruf schon in Kasachstan aufgegeben und war zuletzt als Reinigungskraft versicherungspflichtig beschäftigt. Dies ist daher der maßgebende Bezugsberuf. Aufgrund dieser ungelernten Tätigkeit kann die Klägerin auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden (zum Stufenschema des BSG vgl BSG 22.10.1996, 13 RJ 35/96, SozR 3-2200 § 1246 Nr 55; BSG 18.02.1998, E 5 RJ 34/97 R, SozR 3-2200 § 1246 Nr 61, jeweils mwN).
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Die vorhandenen Gutachten und Arztauskünfte bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Senats. Insbesondere die vorliegenden Gutachten von Dr. B. und Dr. S. haben dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Rücklagen vermittelt (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs 1 Zivilprozessordnung). Die Gutachten gehen von zutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus, enthalten keine unlösbaren inhaltlichen Widersprüche und geben auch keinen Anlass, an der Sachkunde oder Unparteilichkeit der Gutachter zu zweifeln; weitere Beweiserhebungen waren daher von Amts wegen nicht mehr notwendig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.
Die 1955 in Kasachstan geborene Klägerin absolvierte dort eine Ausbildung zur Meisterin für das ländliche Bauwesen. Anschließend war sie in verschiedenen Bereichen berufstätig, zuletzt als Reinigungskraft. Am 07.05.2000 übersiedelte sie in die Bundesrepublik Deutschland. Sie hat die deutsche Staatsangehörigkeit. Nach Arbeitslosigkeit war sie von 2003 bis 2005 als Reinigungskraft beschäftigt, nach weiterer Arbeitslosigkeit erneut ab 2007. Im Versicherungskonto der Klägerin sind von Juni 2003 bis Dezember 2010 durchgehend Pflichtversicherungszeiten enthalten, seit 01.01.2011 bezieht sie Grundsicherungsleistungen für Arbeitssuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 vH ist anerkannt (Bescheid vom 12.08.2010).
Im März 2010 erlitt die Klägerin einen Herzinfarkt, ihr wurden zwei Stents eingesetzt. Vom 29.04. bis 25.05.2010 befand sie sich sodann in stationärer Rehabilitation in der Reha-Klinik H.-K ... Im Entlassungsbericht wurde ausgeführt, dass erst mit erneuter Koronarangiographie am 25.05.2010 über die weitere Arbeitsfähigkeit entschieden werden könne. Wahrscheinlich könnten ab Juli 2010 leichte bis mittelschwere Tätigkeiten wieder ausgeübt werden. Am 25.05.2010 wurde der Klägerin ein weiterer Stent implantiert. Im Oktober 2010 erfolgte eine dreifache Bypass-Operation in der Herzchirurgie H ... Anschließend wurde eine weitere stationäre Rehabilitationsmaßnahme vom 05. bis 26.11.2010 im S. Gesundheitszentrum B. W. durchgeführt. Im Entlassungsbericht wurde eingeschätzt, dass nach vollständiger Rekonvaleszenz die Klägerin wieder leichte bis mittelschwere Arbeiten verrichten können sollte.
Am 24.08.2011 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Die Beklagte zog ärztliche Berichte bei und ließ die Klägerin durch die Ärztin für Innere Medizin - Sozialmedizin Dr. D. untersuchen und begutachten. Im Gutachten vom 21.11.2011 kam Dr. D. zu der Einschätzung, dass die Klägerin bei Vorliegen einer koronaren Drei-Gefäßerkrankung mit erfolgter Koronarangiographie und Stenting und Herzbypass-Operation ohne wesentliche Beeinträchtigung der Herzfunktion sowie arterieller Hypertonie die Tätigkeit als Reinigungskraft weiterhin sechs Stunden und mehr verrichten könne. Mit Bescheid vom 22.11.2011 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab.
Am 29.11.2011 erhob die Klägerin Widerspruch. Die Herzerkrankung habe sich keinesfalls soweit gebessert, dass ein 6-Stunden-Tag zu bewältigen sei. Hierzu legte die Klägerin ein ärztliches Attest ihrer Hausärztin Dr. P. vom 25.07.2011 vor. Mit Widerspruchsbescheid vom 29.03.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach den medizinischen Unterlagen ergäben sich folgende Gesundheitsstörungen: koronare Drei-Gefäßerkrankung ohne wesentliche Beeinträchtigung der Herzfunktion, arterielle Hypertonie, belastungsabhängige Fußbeschwerden beidseits bei erfolgten Zehenkorrektur-Operationen zuletzt 2009, belastungsabhängig wechselnde Gelenksbeschwerden, insbesondere Schulter- und Kniebeschwerden bei mäßig fortgeschrittenen Verschleißerscheinungen ohne relevante Funktionseinschränkung, chronisch-rezidivierendes degeneratives Wirbelsäulensyndrom ohne neurologische Ausfälle und substituierte Hashimoto-Thyreoiditis. Es seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Ausübung einer Berufstätigkeit durch die genannten Gesundheitsstörungen wesentlich eingeschränkt sei.
Hiergegen richtet sich die am 13.04.2012 zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhobene Klage. Die Klägerin verweist darauf, dass ein komplikationsloser Verlauf nicht zu verzeichnen sei und die Tätigkeit als Reinigungskraft bereits aufgrund der orthopädischen Beschwerden ausgeschlossen sei.
Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen. Die Hausärztin Dr. P. sieht die Klägerin aufgrund einer Verschlechterung der Kreislaufsituation sowie einer Gehstörung für nicht in der Lage, auch nur zwei Stunden einer Tätigkeit nachzugehen (Schreiben vom 21.05.2012). Der Internist Dr. O. hält aufgrund der schweren koronaren Herzkrankheit leichte Tätigkeiten für halbschichtig zumutbar (Schreiben vom 22.05.2012 und 09.07.2012). Die Orthopädin Dr. M. hat mit Schreiben vom 18.06.2012 mitgeteilt, seit Februar 2010 bestehe keine wesentliche Änderung, Beschwerden bestünden hauptsächlich an Knien und Schultern. Leichte Tätigkeiten seien mehr als sechs Stunden täglich möglich. Der Orthopäde Dr. B. sieht die Klägerin auch als Reinigungskraft für mehr als sechs Stunden leistungsfähig (Schreiben vom 14.06.2012). Ergänzend hat das SG ein internistisches Gutachten bei Dr. B. eingeholt. In dem Gutachten vom 30.05.2013 werden folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: koronare Herzerkrankung mit Zustand nach Hinterwandinfarkt, dreifacher Bypass-Operation und mehrfacher Stent-Implantation mit noch guter linksventrikulärer Funktion, arterielle Hypertonie, chronisches BWS-LWS-Syndrom, Funktionsbeeinträchtigung der linken Schulter bei AC-Gelenksarthrose und Teilruptur der Supraspinatussehne, Retropatellararthrose beidseits, Fußfehlform beidseits, Zustand nach mehrfachen Vorfußoperationen links und kompensierte Hypothyreose bei Hashimoto-Thyreoiditis. Leichte und gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten könne die Klägerin mehr als sechs Stunden pro Tag verrichten, Tätigkeiten unter ständigem Zeitdruck, überdurchschnittlicher Stressbelastung, mit erhöhter Unfallgefährdung, mit regelmäßigen Zwangshaltungen der Wirbelsäule, häufigem Treppensteigen, regelmäßigem Bewältigen von sehr langen Gehstrecken oder Einwirken widriger Klimaeinflüsse seien nicht mehr zumutbar.
Mit Gerichtsbescheid vom 19.07.2013 hat das SG die Klage abgewiesen, da eine Erwerbsminderung nicht vorliege und sich dabei im Wesentlichen auf die Gutachten von Dr. B. und Dr. D. gestützt. Die maßgebenden Einschränkungen lägen auf internistischem Gebiet. Wie den Aussagen der sachverständigen Zeugen Dr. M. und Dr. B. zu entnehmen sei, führten auch die orthopädischen Beeinträchtigungen nicht zu einer zeitlichen Einschränkung des Leistungsvermögens. Ihren erlernten Beruf habe die Klägerin aufgegeben. Aufgrund der zuletzt ausgeübten ungelernten Tätigkeiten könne sie auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden. Es bestehe daher auch kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.
Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 24.07.2013 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 14.08.2013 eingelegte Berufung der Klägerin. Sie könne die Einschätzung des Gutachters Dr. B. keinesfalls nachvollziehen. Ihre neue Kardiologin könne bestätigen, dass sich ihr Gesundheitszustand weiter verschlechtert habe. Sie habe zudem einen äußerst niedrigen Blutdruck.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 19.07.2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.03.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung ab 01.08.2011 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat zunächst die Fachärztin für Innere Medizin R. als sachverständige Zeugin befragt. Diese hat mit Schreiben vom 24.11.2013 mitgeteilt, dass der Verdacht auf eine progrediente koronare Drei-Gefäßerkrankung bestehe, die Klägerin leide unter Atemnot bei Belastung. Ihres Erachtens könne die Klägerin leichte Tätigkeiten nicht mehr erledigen.
Ergänzend hat der Senat ein internistisch-arbeitsmedizinisches Gutachten bei Dr. S. eingeholt. In dem Gutachten vom 03.03.2014 werden folgende Diagnosen gestellt: koronare Herzerkrankung, Hypertonie, Hashimoto-Thyreoiditis und Hypercholesterinämie. Im Leistungsbereich leichter körperlicher Arbeiten liege keine Einschränkung vor. Das bei der Klägerin bestehende Bluthochdruckleiden sei medikamentös adäquat beeinflusst, die Werte seien im Normbereich gewesen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und auf die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheidet, hat keinen Erfolg.
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig, jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 22.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.03.2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch - (SGB VI) in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I, 554). Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).
Nach dem Ergebnis der vom SG und vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme sowie unter Berücksichtigung des im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachtens von Dr. D., dass der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet, steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin noch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne besondere Stressbelastung, ohne Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten, Zwangshaltungen der Wirbelsäule oder unter Einfluss von Nässe, Kälte und Zugluft mindestens sechs Stunden an fünf Tagen in der Woche ausüben kann. Die Klägerin ist damit weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Dieses Leistungsvermögen besteht nach Überzeugung des Senats seit Rentenantragstellung im August 2011 und seither durchgehend. Bei diesem Leistungsvermögen ist die Klägerin nicht erwerbsgemindert.
Im Vordergrund stehen Einschränkungen, die auf internistischem Gebiet liegen. Die Klägerin leidet an einer koronaren Herzerkrankung und hat im März 2010 einen Myokardinfarkt erlitten, der mit zweifachen Stents versorgt wurde, einem weiteren Stent im Mai 2010 und durch eine dreifache Bypass-Operation im Oktober 2010. Während der Rehabilitation in der Klinik H.-K. konnte die Klägerin bei der Fahrrad-Ergometrie über je zwei Minuten mit 50, 75 und 100 Watt belastet werden, ohne dass eine Angina-pectoris-Symptomatik, Dyspnoe oder ischämietypische EKG-Veränderungen auftraten. Der Abbruch erfolgte wegen muskulärer Erschöpfung. Während der Rehabilitation konnte eine Steigerung der Leistungsfähigkeit erreicht werden. Bei der Rehabilitation in B. W., die nach der Bypass-Operation durchgeführt worden war, konnte die Klägerin bis 75 Watt belastet werden ohne Hinweis auf eine belastungsinduzierte Ischämie. Nach dem Bericht des Dr. W. vom 20.10.2011 war die Belastung ein Jahr nach Beendigung der Reha bis 100 Watt möglich. Es bestand nach seiner Beurteilung ein stabiler kardialer Zustand. Der Gutachter Dr. B. konnte bei der Ergometrie eine Belastungskoronarinsuffizienz nicht nachweisen, bei der Belastung mit 75 Watt zeigten sich keine pathologischen EKG-Veränderungen. Es lag eine gute linksventrikuläre Pumpfunktion vor. Bei der Spirometrie konnte Dr. B. keine obstruktive oder restriktive Ventilationsstörung feststellen. Bei einer Herzkatheteruntersuchung im Mai 2013 fanden sich zwei verschlossene Bypässe sowie eine hochgradige LAD-Stenose, die erfolgreich ausgedehnt werden konnte. Die von der Klägerin gegenüber dem Sachverständigen geklagten Schwindelbeschwerden beruhten nach den Ausführungen von Dr. B. auf der straffen Blutdruckmedikation mit teilweise erniedrigten Blutdruckwerten. Eine Verschlechterung der kardialen Leistungsfähigkeit ist seither nicht eingetreten, wie der Senat dem Gutachten von Dr. S. entnimmt. Auch im Rahmen seiner Untersuchung konnte die Klägerin beim Belastungs-EKG ohne Hinweise auf Koronarinsuffizienz bis 75 Watt belastet werden, die Lungenfunktion war unauffällig, der Blutdruck lag im Normbereich und eine Pumpfunktionsstörung konnte ausgeschlossen werden. Die übereinstimmende Beurteilung durch die Gutachter Dr. D., Dr. B. und Dr. S., dass noch körperlich leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden arbeitstäglich zumutbar sind, ist nach alledem schlüssig und nachvollziehbar. Der Senat stützt sich auf diese Beurteilungen und macht sie zur Grundlage seiner Entscheidung.
Daneben bestehen Beeinträchtigungen der Klägerin auf orthopädischem Gebiet. Es liegt ein chronisches BWS-LWS-Syndrom, eine Funktionsbeeinträchtigung der linken Schulter bei AC-Gelenksarthrose und Teilruptur der Supraspinatussehne, eine Retropatellararthrose beidseits und Fußfehlform beidseits bei Zustand nach mehrfachen Vorfuß-Operationen links vor. Aufgrund dieser Gesundheitsstörungen ist das Leistungsvermögen der Klägerin jedoch nicht zusätzlich in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt. Der Senat stützt sich insoweit auf die Beurteilungen der behandelnden Orthopäden Dr. M. und Dr. B. sowie die Ausführungen des Sachverständigen Dr. B ... Dieser hatte im Rahmen der klinischen Untersuchung festgestellt, dass die Beweglichkeit des linken Schultergelenkes nur endgradig eingeschränkt war, das rechte Schultergelenk war frei beweglich; Nacken- und Schürzengriff waren beidseits durchführbar. Bücken und wieder aufrichten gelang der Klägerin relativ flüssig bis zu einem Finger-Boden-Abstand von null Zentimeter, der Lasègue war beidseits negativ, Hüft-, Knie- und Sprunggelenke zeigten sich weitgehend frei beweglich, das Gangbild war flüssig. Bei der orientierenden neurologischen Untersuchung fanden sich keine gröberen Störungen der Motorik, Sensibilität und Koordination. Über die bereits genannten qualitativen Einschränkungen wie Vermeidung von Zwangshaltungen der Wirbelsäule, häufiges Treppensteigen und Bewältigen sehr langer Gehstrecken hinaus bestehen keine weiteren Einschränkungen.
Der Einschätzung der behandelnden Ärzte Dr. P., Dr. O. und Frau R., die ein zeitlich eingeschränktes Leistungsvermögen der Klägerin angenommen haben, kann der Senat dagegen nicht folgen. Die genannten Ärzte haben keine Befunde mitgeteilt, die eine derartige Einschränkung ergeben würden. Insbesondere ist durch die gerichtlichen Sachverständigengutachten geklärt, dass die koronare Herzkrankheit keine derart gravierende Auswirkung hat. Die Leistungseinschätzung der behandelnden Ärzte ist damit widerlegt. Der Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit eines Versicherten durch gerichtliche Sachverständige kommt nach st Rspr des Senats (vgl Urteil vom 17.01.2012, L 11 R 4953/10) grundsätzlich ein höherer Beweiswert zu als der Einschätzung der behandelnden Ärzte. Bei der Untersuchung von Patienten unter therapeutischen Gesichtspunkten spielt die Frage nach der Einschätzung des beruflichen Leistungsvermögens idR keine Rolle. Dagegen ist es die Aufgabe des gerichtlichen Sachverständigen, die Untersuchung gerade im Hinblick darauf vorzunehmen, ob und in welchem Ausmaß gesundheitliche Beschwerden zu einer Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens führen. In diesem Zusammenhang muss der Sachverständige auch die Beschwerdeangaben eines Versicherten danach überprüfen, ob und inwieweit sie sich mit dem klinischen Befund erklären lassen.
Bei der noch vorhandenen Leistungsfähigkeit der Klägerin - leichte Arbeiten mindestens sechsstündig - muss der Klägerin eine konkrete Tätigkeit, die sie noch verrichten kann, nicht benannt werden. Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit, die der Versicherte mit seinem Leistungsvermögen noch auszuüben vermag, wird von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) jedenfalls in den Fällen für erforderlich gehalten, in denen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG Großer Senat GS BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8). Für die Prüfung, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt, gibt es keinen konkreten Beurteilungsmaßstab. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Die Pflicht zur konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit hängt von der Anzahl, Art und Schwere der bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen ab. Je mehr diese geeignet erscheinen, gerade auch typische Arbeitsplätze für körperlich leichte Tätigkeiten zu versperren, umso eingehender und konkreter muss dargelegt werden, welche Tätigkeiten der Versicherte noch verrichten kann.
Die Klägerin kann leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung noch ausüben. Die weiteren Einschränkungen wie Tätigkeiten auf Leitern oder Gerüsten und Zwangshaltungen der Wirbelsäule stellen bereits keine leichten Tätigkeiten mehr dar und bewirken daher keine darüber hinausgehende Einschränkung. Körperlich leichte Tätigkeiten sind auch nicht üblicherweise mit einer erhöhten Stressbelastung verbunden. Auch die Vermeidung von Nässe, Kälte und Zugluft engt die in Betracht kommenden Möglichkeiten für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht wesentlich ein. Ihr Restleistungsvermögen erlaubt der Klägerin ohne weiteres noch körperliche Verrichtungen, wie sie in ungelernten Tätigkeiten gefordert zu werden pflegen (wie zB Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw). Die bei der Klägerin bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen lassen deshalb keine ernstlichen Zweifel daran aufkommen, dass diese noch wettbewerbsfähig in einem Betrieb einsetzbar ist. Aus den bestehenden Einschränkungen ergeben sich damit weder schwere spezifische Leistungsbehinderungen, noch stellen die qualitativen Leistungseinschränkungen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen dar (vgl BSG 09.05.2012, B 5 R68/11 R, juris).
Die Klägerin ist auch in der Lage, täglich viermal eine Wegstrecke von 500 Metern innerhalb von jeweils 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen sowie öffentliche Verkehrsmittel zu Hauptverkehrszeiten zweimal am Tag zu benutzen. Dies ergibt sich ausdrücklich aus dem Gutachten von Dr. B. und Dr. S ... Die dort erhobenen Befunde haben keine Einschränkung der Wegefähigkeit erbracht.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI). Voraussetzung eines solchen Rentenanspruchs ist, dass sie vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig ist. Die Klägerin ist 1955 und damit vor dem Stichtag geboren, sie ist jedoch nicht berufsunfähig. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs 2 Satz 1 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 240 Abs 2 Satz 2 SGB VI). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs 2 Satz 4 SGB VI). Die Klägerin hat ihren erlernten Beruf schon in Kasachstan aufgegeben und war zuletzt als Reinigungskraft versicherungspflichtig beschäftigt. Dies ist daher der maßgebende Bezugsberuf. Aufgrund dieser ungelernten Tätigkeit kann die Klägerin auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden (zum Stufenschema des BSG vgl BSG 22.10.1996, 13 RJ 35/96, SozR 3-2200 § 1246 Nr 55; BSG 18.02.1998, E 5 RJ 34/97 R, SozR 3-2200 § 1246 Nr 61, jeweils mwN).
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Die vorhandenen Gutachten und Arztauskünfte bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Senats. Insbesondere die vorliegenden Gutachten von Dr. B. und Dr. S. haben dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Rücklagen vermittelt (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs 1 Zivilprozessordnung). Die Gutachten gehen von zutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus, enthalten keine unlösbaren inhaltlichen Widersprüche und geben auch keinen Anlass, an der Sachkunde oder Unparteilichkeit der Gutachter zu zweifeln; weitere Beweiserhebungen waren daher von Amts wegen nicht mehr notwendig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved