S 13 R 409/09

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Cottbus (BRB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 13 R 409/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beklagten werden die Kosten für die Einholung der schriftlichen Aussage des arbeitsmarkt- und berufskundigen Sachverständigen Manfred Langhoff vom 21.04.2011 zugunsten der Staatskasse auferlegt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten stritten um Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Beklagte vertrat die Auffassung, der am 1952 geborene Kläger, der eine Berufsausbildung zum Koch absolvier-te, sei auf eine Tätigkeit als Büroassistent (sozial) zumutbar verweisbar. Das Sozialgericht C wies die Beklagte im Schriftsatz des Kammervorsitzenden vom 29.03.2011 darauf hin, daß dies rechtlichen Bedenken begegnet und dem Kläger eine Rente wegen teilweiser Erwerbsmin-derung bei Berufsunfähigkeit auf Dauer zu gewähren sein dürfte. Die Beklagte hielt desunge-achtet an ihrem Abweisungsantrag einschränkungslos fest. Nach Einholung der schriftlichen Aussage des arbeitsmarkt- und berufskundigen Sachverständigen L vom 21.4.2011 anerkannte die Beklagte eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab Antrag-stellung; der Kläger nahm dieses Anerkenntnis an und erklärte den Rechtsstreit im Übrigen für erledigt.

II.

Nach § 192 Abs. 4 SGG kann das Gericht der Behörde ganz oder teilweise die Kosten auferle-gen, die dadurch verursacht werden, dass sie erkennbare und notwendige Ermittlungen im Verwaltungsverfahren unterlassen hat, die im gerichtlichen Verfahren nachgeholt wurden; die Entscheidung ergeht durch gesonderten Beschluss.

Diese Voraussetzungen sind nach Überzeugung des Sozialgerichts Cottbus vorliegend erfüllt, weshalb es der Beklagten die Kosten für die Einholung der schriftlichen Aussage des arbeits-markt- und berufskundigen Sachverständigen L vom 21.4.2011 zugunsten der Staatskasse auf-erlegt.

Das Sozialgericht Cottbus ist insbesondere der Überzeugung, dass die Beklagte bereits im Verwaltungsverfahren hätte ermitteln müssen, ob bzw. unter welchen Umständen der am 1952 geborene Kläger, der eine Berufsausbildung ("nur") zum Koch absolvierte, auf eine Tätigkeit als Büroassistent (sozial) zumutbar verweisbar wäre bzw. welche sozial zumutbare Verwei-sungstätigkeit alternativ in Frage käme. Solche Ermittlungen hat die Beklagte bereits im Ver-waltungsverfahren unterlassen. Auf die diesbezüglich dezidierten Hinweise des Sozialgerichts Cottbus im Schriftsatz des Kammervorsitzenden vom 29.03.2011 hin hielt die Beklagte erneut ohne fundierte Prüfung einschränkungslos an ihrem Abweisungsantrag fest.

Da dem Sozialgericht Cottbus seinerseits die Anmaßung arbeitsmarkt- und berufskundigen Sachverstands verwehrt ist, war es gehalten, die entsprechenden Ermittlungen im gerichtlichen Verfahren hier durch Einholung der schriftlichen Aussage des arbeitsmarkt- und berufskundi-gen Sachverständigen L vom 21.4.2011 nachzuholen, um der im Verwaltungsverfahren – zu dem auch das Widerspruchsverfahren zählt – der Beklagten, sodann dem Sozialgericht Cottbus obliegenden Arbeitsermittlungspflicht gerecht werden zu können.

Die Unverzichtbarkeit von erkennbaren und notwendigen Ermittlungen bzw. deren Verzicht-barkeit unter Zugrundelegung einer fernliegenden Auffassung zur Sach- und Rechtslage ist nach dem insoweit eindeutigen Gesetzwortlaut mitnichten Voraussetzung für eine Entschei-dung zugunsten der Staatskasse nach § 192 Abs. 4 SGG i. d. 01.04.2008 gültigen Fassung. So wie von einem Rechtsanwalt auf Klägerseite im Rahmen des § 192 SGG auch nach der Recht-sprechung des LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25.11.2010 – Az.: L 22 LW 1/09 – zu verlangen ist, dass er sich mit der Materie auseinandersetzt, die Rechtsprechung zu den aufge-worfenen Fragen – hier insbesondere der sozial zumutbaren Verweisbarkeit – fundiert prüft und die Erfolgsaussichten eines Klagebegehrens eingehend abwägt, so ist auch die Beklagte gehalten, die danach erforderlichen Ermittlungen anzustellen und sich fundiert mit der Sach- und Rechtslage auseinanderzusetzen. Dieser Verpflichtung ist die zumal an Gesetz und Recht gebundene Beklagte vorliegend nicht gerecht geworden.

Gründe dafür, der zumal an Gesetz und Recht gebundenen Beklagten, die ohne fundierte Prü-fung der sozial zumutbaren Verweisbarkeit dem Kläger die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung wegen Berufsunfähigkeit verweigerte und daran auch noch nach den dezidierten Hinweisen des Sozialgerichts Cottbus im Schriftsatz des Kammervorsitzenden vom 29.03.2011 festhielt und dadurch letztlich Ermittlungsarbeit und –kosten auf den Justiz-haushalt verlagerte, die dadurch verursachten Kosten nur teilweise aufzuerlegen, wurden von der Beklagten nicht angeführt und sind auch sonst nicht ersichtlich.

Nach Überzeugung des Sozialgerichts Cottbus ist dem mit der Einfügung des § 192 Abs. 4 SGG mit Wirkung ab 01.04.2008 verfolgten Gesetzeszweck – s. BT Drucksache 16/7716, dort S. 28 – Rechnung zu tragen. Insbesondere ist die Vorschrift vorliegend auch temporal anwend-bar.
Rechtskraft
Aus
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