Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 SF 4/12 EK KR
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 10 ÜG 5/14 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Das beklagte Land wird verurteilt, die Klägerin von den außergerichtlichen Kosten des Verfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (Nr. 12550/09) in gesetzlicher Höhe zu einem Anteil von 1/8 freizustellen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin, eine juristische Person in Liquidation, begehrt eine Entschädigung für die Dauer einer krankenversicherungsrechtlichen Leistungserbringerstreitigkeit vor dem Sozialgericht Wiesbaden und dem Hessischen Landessozialgericht.
Die Klägerin betrieb vom 23. November 1998 bis zum 21. Juli 2002 in C./C-Stadt eine Fachklinik für onkologische Akutbehandlungen. Das Regierungspräsidium Darmstadt erteilte ihr am 23. März 1999 eine Gewerbeerlaubnis zum Betrieb einer Privatkrankenanstalt. Sie behandelte seit 1999 in erheblichem Umfang jedoch auch Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Ein Antrag der Klägerin auf Aufnahme in den Krankenhausplan des Landes Hessen wurde letztlich mit Bescheid vom 28. Juni 2002 abgelehnt; die dagegen gerichtete Klage zum Verwaltungsgericht Gießen wurde zurückgenommen. Den Antrag der Klägerin vom 25. Februar 1999 auf Abschluss eines Versorgungsvertrags nach § 109 SGB V zwischen den Verbänden der Krankenkassen in Hessen mit ihr lehnten diese mit Bescheid vom 1. Juni 1999 und Widerspruchsbescheid vom 11. Oktober 1999 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin biete nicht die Gewähr für eine leistungsfähige Krankenhausbehandlung. Ihr Krankenhaus sei für eine bedarfsgerechte Krankenhausbehandlung der Versicherten nicht erforderlich. Die Wirksamkeit der komplementär-onkologischen Therapieverfahren sei nach klinisch-wissenschaftlichen Kriterien nicht belegt.
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin wurde mangels Masse abgelehnt (Beschluss des Amtsgerichts Friedberg vom 23. Januar 2002 – xxx1). Rechtsmittel hiergegen (Beschluss des Landgerichts Gießen vom 11. November 2002; Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 10. April 2003) blieben erfolglos. Ihre Auflösung wurde mit Datum vom 16. Juni 2003 in das Handelsregister eingetragen (Handelsregisterauszug des Amtsgerichts Friedberg Nr. xxx2). Die Klägerin befindet sich seitdem im Stadium der Liquidation.
Die gegen die Ablehnung des Abschlusses eines Versorgungsvertrages gerichtete Klage ging am 11. November 1999 bei dem Sozialgericht Wiesbaden (SG) ein. Die Verwaltungsvorgänge der dortigen Beklagten lagen dem Sozialgericht am 23. Dezember 1999 vor. Mit Beschluss vom 25. April 2000 wurde das beklagte Land beigeladen. Zunächst erfolgte Schriftwechsel zur Frage der Vollständigkeit der Verwaltungsvorgänge. Zur Klagebegründung vom 30. Januar 2000 erfolgte eine Klageerwiderung unter dem Datum vom 14. Juni 2000. Mit Beschluss vom 30. August 2000 wurde das Verfahren ausgesetzt wegen der Vorgreiflichkeit der Entscheidung über die Aufnahme in den Krankenhausplan des beigeladenen Landes. Der Aussetzungsbeschluss wurde nach Wechsel im Kammervorsitz mit Beschluss vom 18. Januar 2001 aufgehoben, da die Klägerin ihr Ziel nunmehr im Rahmen des bestehenden Krankenhausplanes im Wege des sog. Bettentausches angestrebt habe. Zuvor hatte mit dem Bundestagsabgeordneten Dr. D. von Juni 2000 bis September 2000 parallel zum Rechtsstreit ein Mediationsverfahren stattgefunden; Ergebnis sei gewesen, dass durch einen Abbau von 50 Betten in einem Krankenhaus eines bestimmten Klinikbetreibers eine Kompensation bei der Klägerin erfolgen könne. Bei einem Gespräch am 24. November 2000 hätten die Verbände nach den Angaben der Klägerin mitgeteilt, dass ein Versorgungsvertrag gleichwohl nicht abgeschlossen werden könne. Mit Verfügung vom 20. März 2001 wurde zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid unter Fristsetzung bis 20. April 2001 angehört. Die Anhörungsfrist wurde zunächst von Amts wegen der Frage der Rechtskraft der Entscheidung im parallel geführten Eilverfahren verlängert, sodann auf Antrag der Klägerin wegen laufender Verhandlungen. Vom 27. August 2001 bis 5. November 2001 waren die Akten an die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Gießen versandt. Zwischenzeitlich wurde der Erlass einer einstweiligen Anordnung vom SG mit Beschluss vom 9. April 2001 abgelehnt (S 12 KR 1326/00 ER); die hiergegen gerichtete Beschwerde wurde mit Beschluss vom 23. November 2001 zurückgewiesen (L 14 KR 542/01 B ER). Bitten der Klägerin auf zeitnahe Entscheidung, Hinweise auf die Dringlichkeit bzw. "Überlebenswichtigkeit" der Sache und Sachstandsanfragen sind unter dem Datum vom 16. November 2001, 19. April 2002 und 8. Oktober 2002 zur Akte gelangt. Mit Verfügung vom 22. April 2002 teilte der Kammervorsitzende mit, dass der Rechtstreit zur Sitzung vorgesehen sei. Am 22. November 2001 erfolgte eine Klageerweiterung um ein Feststellungsbegehren. Das Sozialgericht fragte mit diversen Verfügungen ab 18. Oktober 2002 und Anfang 2003 zur Vorlage eines aktuellen Handelsregisterauszugs, zum Stand des Insolvenzverfahrens und zum Sachstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sowie zur Behauptung ausstehender Forderungen gegenüber den Krankenkassen an. Zuletzt mit Schriftsatz vom 9. April 2003 trug der Prozessbevollmächtigte der Klägerin umfangreich zu Insolvenzverfahren, verwaltungsgerichtlichem Verfahren und zur Frage der Außenstände der Behandlungskosten vor. Es folgte Korrespondenz mit der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Gießen und unter den Beteiligten zu den Konsequenzen des Abschlusses des Insolvenzverfahrens Mit Verfügung vom 15. Oktober 2003 erfolgte die Ladung zur mündlichen Verhandlung. Durch Urteil vom 13. November 2003, der Klägerin zugestellt am 9. März 2004, wurde die Klage abgewiesen.
Die hiergegen gerichtete Berufung ging am 6. April 2004 bei dem Hessischen Landessozialgericht ein. Die Berufungsbegründung erfolgte mit Schriftsatz vom 16. Juni 2004, eingegangen am 18. Juni 2004. Nach Akteneinsicht gingen die Akten am 23. September 2004 wieder am Landessozialgericht ein. Die Begründung des Berufungszurückweisungsantrags der Beklagten datiert vom 13. Dezember 2004. Vom 24. März 2005 bis zum 20. Februar 2006 erfolgten wechselseitige Vertiefungen des bisherigen Vortrages. Vom 3. bis 17. März 2006 waren die Akten an die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Gießen versandt. Am 31. Mai 2006 fand ein Erörterungstermin vor der Berichterstatterin statt. Die Klägerin wurde aufgefordert, die weiterhin bestehende Rechtspersönlichkeit darzulegen und gegebenenfalls nachzuweisen. Zudem erging ein richterlicher Hinweis zu prozessualen Fragen. Ab dem Schriftsatz der Klägerin vom 29. August 2006 bis 18. Dezember 2006 wurde der Vortrag zum richterlichen Hinweis wechselseitig erörtert. Mit Verfügung der Berichterstatterin vom 2. Februar 2007 wurde die Klägerin zur Vorlage eines aktuellen Handelsregisterauszuges aufgefordert, der am 15. Februar 2007 vorgelegt wurde. Mit Verfügung vom 22. Juni 2007 wurde zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung angefragt, der die Klägerin mit Schriftsatz vom 9. Juli 2007 unter Hinweis auf einen Beweisantrag widersprach. Mit Verfügung vom 13. Juli 2007 kündigte die Berichterstatterin eine Terminierung am 20. September 2007 an. Zum Beweisantrag und zu den ergänzenden Ausführungen zum Fortsetzungsfeststellungsinteresse forderte die Berichterstatterin mit Verfügung vom 15. August 2007 die Beklagten zur Stellungnahme auf. Mit Verfügung vom 24. August 2007 wurde eine Terminierung für den 22. November 2007 angekündigt. Unter dem Datum vom 27. August 2007 erfolgte eine ausführliche Stellungnahme der Beklagten zur Verfügung vom 15. August 2007. Mit Schriftsatz vom 26. Oktober 2007 vertiefte die Klägerin wiederum ihren Vortrag und präzisierte der Beweisantrag. Mit Verfügung vom 1. November 2007 wurde darauf hingewiesen, dass eine Terminierung erst am 17. Dezember 2007 erfolgen könne. Die Ladung zur mündlichen Verhandlung am 17. Dezember 2007 erfolgte mit Verfügung vom 13. November 2007. Mit Urteil vom 17. Dezember 2007 wurde die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 13. November 2003 zurückgewiesen. Das Urteil wurde der Klägerin am 3. März 2008 zugestellt.
Die hiergegen gerichtete Revision zum Bundessozialgericht wurde mit Urteil vom 28. Juli 2008 zurückgewiesen. Eine Urteilsverfassungsbeschwerde vom 23. September 2008 blieb nach den Angaben der Klägerin erfolglos zurück. Nach dem Vortrag der Klägerin im Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte habe das Bundesverfassungsgericht die Unzulässigkeit der Beschwerde im Beschluss vom 22. Januar 2009 daraus abgeleitet, dass die dortige Antragstellerin die Stellungnahme des medizinischen Dienstes der Krankenkassen vom 6. Oktober 2000 nicht beigefügt habe. Die Klägerin erhob daraufhin Individualbeschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) mit Schriftsatz vom 24. Februar 2009, die dort unter der Beschwerdenummer 12550/09 geführt wurde. Mit Schreiben vom 27 Januar 2012 wies die Kanzlei des EGMR den Prozessbevollmächtigten der Klägerin darauf hin, dass am 3. Dezember 2011 das Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren in Kraft getreten sei. Nach Art. 23 dieses Gesetzes sei dies auch auf innerstaatlich abgeschlossene Verfahren anzuwenden, deren Dauer Gegenstand einer Beschwerde beim EGMR sei. Es bestehe daher die Möglichkeit, dass der Gerichtshof die Beschwerde wegen Nichterschöpfung des innerstaatlichen Rechtswegs zurückweise. Der Prozessbevollmächtigte wurde aufgefordert mitzuteilen, ob er von dem innerstaatlichen Rechtsbehelf Gebrauch mache.
Daraufhin hat die Klägerin die vorliegende Klage zum Hessischen Landessozialgericht am 1. Juni 2012 erhoben. Ursprünglich hat die Klägerin über die Entschädigung in Geld und die Feststellung der unangemessenen Dauer hinaus begehrt, das beklagte Land zu verpflichten, darauf hinzuwirken, dass als angemessene Entschädigung gemäß § 198 Abs. 1 GVG mit der Klägerin ein Versorgungsvertrag gemäß § 109 Abs. 5 SGB V abgeschlossen werde; dieser Antrag ist in der mündlichen Verhandlung am 22. Januar 2014 zurückgenommen worden.
Die Klägerin trägt vor, die Verfahrensdauer sei unangemessen, da das Verfahren von der Antragstellung bei dem Beklagten im Februar 1999 bis Dezember 2007 gedauert habe. Es sei auf die Einleitung des Verfahrens bei der Verwaltung abzustellen; eine Orientierung am Wortlaut der Definition in § 198 Abs. 6 Nr. 2 GVG sei mit der Konvention und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht vereinbar, der vielfach auf den Zeitpunkt der Antragstellung bei der Behörde abstelle. Die Bedeutung des Verfahrens, die für die Bestimmung der Unangemessenheit in erster Linie bedeutsam sei, sei durch die wirtschaftlich existenzielle Bedeutung eines Versorgungsvertrages geprägt. Hierbei sei auf die Bedeutung für die Verantwortung für die Patienten abzustellen. Das existenzielle Interesse habe sich durch die Einleitung eines Insolvenzverfahrens im Jahr 2001 noch vergrößert. Weiterhin sei auch die öffentliche Bedeutung des Verfahrens zu berücksichtigen. Die Vorgänge um die Klinik hätten auch zu einer breiten Presseberichterstattung geführt. Besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten des Verfahrens seien nicht ersichtlich; mit der Verfügung des Sozialgerichts vom 20. März 2001 habe das Gericht angekündigt, durch Gerichtsbescheid entscheiden zu wollen, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweise und der Sachverhalt geklärt sei. Allein das erstinstanzliche Verfahren habe von Erhebung der Klage bis Zustellung des Urteils etwa 4 Jahre und 4 Monate gedauert. Gegenüber dem Sozialgericht sei mit Schriftsatz vom 31. Januar 2000 auf die existenzielle Bedeutung des Verfahrens hingewiesen worden. Bis April 2000 habe der Prozessbevollmächtigte wiederholt um Beschleunigung gebeten und auf Übersendung weiterer Verwaltungsvorgänge durch die Beklagten gedrängt. Später hätten die Insolvenzgerichte in ihren Beschlüssen immer wieder auf die Notwendigkeit einer Entscheidung durch die Sozialgerichte verwiesen. Obwohl der Ausgang des Insolvenzverfahrens vom Rechtsstreit abgehängt habe, habe das Sozialgericht den Ausgang des Insolvenzverfahrens abgewartet, um nicht mehr in der Sache entscheiden zu müssen, sondern aus verfahrensrechtlichen Gründen den Antrag ablehnen zu können. Das Fehlen von Maßnahmen zur Verfahrensbeschleunigung betreffe zum Beispiel die Anforderung der Verwaltungsvorgänge ohne Fristsetzung. Die Vorlage der Verwaltungsvorgänge habe letztlich 7 Monate gedauert. Auch die Überlassung der Gerichtsakte an die Staatsanwaltschaft Gießen habe allein zu einer weiteren Verzögerung von einem halben Jahr geführt. Nach der Rechtsprechung des EGMR wäre es erforderlich gewesen, eine Kopie zu fertigen, um Verzögerungen zu vermeiden. Die Klägerin hat ursprünglich die Rechtsauffassung vertreten, sie könne eine Kompensation dadurch erlangen, dass das beklagte Land darauf hinwirke, dass noch ein Versorgungsvertrag zu Stande komme. Sie ist nunmehr noch der Auffassung, sie habe einen Anspruch auf Ersatz des materiellen Nachteils in Gestalt der Verfahrenskosten sowie eines Ausgleiches dahingehend, dass ein Versorgungsvertrag nicht mit Rückwirkung abgeschlossen werden könne. Die Klägerin habe schließlich Anspruch auf Entschädigung der Nachteile, die nicht Vermögensnachteile seien. Sie ist darüber hinaus der Rechtsauffassung, dass die Aufspaltung der Entschädigungsansprüche entsprechend des Rechtswegs zu Landes- und Bundesgerichten unvereinbar mit Art. 6 Abs. 1 und Art. 13 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) sei. Dies sei jedenfalls bei der Auslegung des § 198 Abs. 1 GVG zu berücksichtigen. Die Klägerin sehe allein deshalb von einer zusätzlichen Klage gegen die Bundesgebiet Deutschland ab, weil die dortigen Verfahren vor dem Bundessozialgericht und dem Bundesverfassungsgericht nicht isoliert als übermäßig lang angesehen werden könnten, sondern nur im Zusammenhang mit den vorangegangenen Verfahren beim Sozialgericht und Landessozialgericht. Die Klägerin habe Außenstände an Behandlungskosten für GKV-Patienten in Höhe von 6.169.430,36 EUR aufgewandt. Ginge man von einem angemessenen Verfahrensabschluss ab dem 30. September 2000 aus, so hätten bis 2002 2.067.280,79 EUR erwirtschaftet werden können. Für die innerstaatlichen Verfahren habe die Klägerin Verfahrenskosten von 205.858,77 EUR aufgewendet. Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens vor dem EGMR seien vorläufig mit 32.173,60 EUR ohne Umsatzsteuer zu beziffern.
Die Klägerin beantragt,
1. das beklagte Land zu verpflichten, als angemessene Entschädigung gemäß § 198 Abs. 1 GVG an die Klägerin einen vom Gericht festzusetzenden angemessenen Geldbetrag zum Ersatz des materiellen Schadens nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
2. das beklagte Land zu verpflichten, an die Klägerin eine vom Gericht festzusetzenden höhere Entschädigung als 1.200 EUR für jedes Jahr der Verzögerung nebst 5 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen, hilfsweise, das beklagte Land zu verpflichten, eine entsprechende Entschädigung von 1.200 EUR für jedes Jahr der Verzögerung nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz zu zahlen und
3. festzustellen, dass die Verfahrensdauer unangemessen lang war.
Das beklagte Land beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es trägt vor, der Rechtsstreit sei durch eine hohe Komplexität der Materie (Verweis auf EGMR, Urteil vom 26. März 2009 – Nr. 20271/05) und der durch das Verhalten der Klägerin selbst herbeigeführten erheblichen Verzögerungen geprägt. Es ist der Rechtsauffassung, die Dauer des Vorverfahrens habe außer Betracht zu bleiben. Jedenfalls hinsichtlich des ursprünglichen, auf Naturalrestitution gerichteten Klageantrages sei die Klägerin als in Liquidation befindliche juristische Person schon nicht beteiligtenfähig. Die Klägerin habe es unterlassen, einen Auftrag der Gläubigerversammlung gem. § 157 Insolvenzordnung (InsO) vorzulegen, aus dem sich eine von der allgemeinen Zielsetzung des Insolvenzverfahrens abweichende Regelung ergebe, die den Abschluss neuer Versorgungsverträge ermöglichen würde. Die weiteren Anträge seien als unbegründet abzuweisen, da die Dauer des Verfahrens nicht unangemessen lang gewesen sei. Hauptursache für die lange Verfahrensdauer sei das mehrgleisige Vorgehen der Klägerin auch außerhalb des hier zu Grunde liegenden Gerichtsverfahrens. Der Antrag auf Aufnahme in den Krankenhausplan sei gegenüber einem Antrag auf Abschluss eines Versorgungsvertrages vorgreiflich. Eine weitere Verzögerung des Verfahrens zur Aufnahme in den Krankenhausplan des Landes Hessen und damit mittelbar auch des zu diesem Zeitpunkt bereits anhängigen sozialgerichtlichen Verfahrens habe sich durch den zwischenzeitlichen Versuch der Klägerin ergeben, in Zusammenarbeit mit den E-Kliniken ein Versorgungsvertrag abzuschließen, der schließlich in einem Mediationsverfahren mündete, das am 24. November 2000 erfolglos beendet worden sei. Die Beiziehung der Verwaltungsakten sei vom Sozialgericht Wiesbaden nicht zögerlich gehandhabt worden. Erst mit Schriftsatz vom 31. Januar 2000 habe die Klägerin gemutmaßt, dass die Beklagte über weitere Unterlagen verfügen müsse. Es habe insoweit keiner Fristsetzung bedurft, deren Nichteinhaltung auch keine weiteren unmittelbaren Folgen gehabt hätte. Auch soweit es um die mehrfache Beiziehung der Gerichtsakten durch die Staatsanwaltschaft Gießen im Zusammenhang mit dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen die Geschäftsführerin der Klägerin gehe, sei dies der Klägerin selbst zuzurechnen, die mit ihrem Verhalten hinreichend Veranlassung zu einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegeben habe. Soweit die Klägerin den Eindruck zu erwecken versuche, ihre Insolvenz sei auf die lange Dauer des Gerichtsverfahrens zurückzuführen, sei dem entgegenzutreten. Richtig sei doch vielmehr, dass die Klägerin die Ursachen für ihre Zahlungsunfähigkeit selbst gesetzt habe, weil sie unter Verstoß gegen wesentliche Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung ihre Tätigkeit als Krankenhausträger in großer Zahl auch gegenüber Patienten der gesetzlichen Krankenversicherung entfaltet habe, ohne über eine entsprechende Zulassung zu verfügen. Das Bundesozialgericht habe in der Entscheidung vom 28. Juli 2008 hierzu ausgeführt, dass eine Krankenhausbehandlung, die nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolge und deshalb für den Patienten Schadensersatzansprüche sowie für den Krankenhausarzt strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehe, nicht von den Krankenkassen bezahlt werden müssten.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes sowie des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung vom 22. Januar 2014 wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Gerichtsakten des der Klage zu Grunde liegenden Verfahrens Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig.
Die Klägerin, die zwar aufgelöst ist, sich aber noch im Stadium der Liquidation befindet, ist hinsichtlich der nunmehr noch geltend gemachten Ansprüche beteiligtenfähig. Bei juristischen Personen endet die Beteiligtenfähigkeit nach § 70 Nr. 1 1 2. Var. Sozialgerichtsgesetz (SGG) noch nicht mit der Auflösung, sondern im Aktivprozess in der Regel erst mit der Vollbeendigung. Ist eine GmbH infolge Zurückweisung eines Insolvenzantrags wegen Masselosigkeit aufgelöst worden, kann die Gesellschaft gleichwohl mit der Behauptung, ihr stehe ein vermögensrechtlicher Anspruch zu, einen Aktivprozeß führen; insoweit gilt sie weiterhin als partei- bzw. beteiligtenfähig (zu § 50 Zivilprozessordnung (ZPO): BGH, Urteil vom 3. April 2003 – IX ZR 287/99 – juris Rn. 7 m.w.N.). Ein solcher vermögensrechtlicher Anspruch ist auch der Anspruch auf eine Entschädigung in Geld wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist (vgl. § 253 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB).
Die Klage ist fristgemäß am 1. Juni 2012 erhoben worden. Nach Art. 23 Sätze 5 und 6 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24. November 2011 (ÜberlVfRSchG) sind auf im Zeitpunkt des Inkrafttretens am 3. Dezember 2011 abgeschlossene Verfahren im Sinne des Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG die Regelungen des § 198 Abs. 3 GVG – der die Obliegenheit zur Erhebung der Verzögerungsrüge regelt – und des § 193 Abs. 5 GVG Klagefristen – nicht anzuwenden. Die Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach § 198 Abs. 1 GVG kann stattdessen bei abgeschlossenen Verfahren sofort erhoben werden und muss spätestens am 3. Juni 2012 erhoben werden. Nach Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG ist die Vorschrift indes nur auf solche abgeschlossenen Verfahren anwendbar, deren Dauer bei seinem Inkrafttreten Gegenstand von anhängigen Beschwerden beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist oder noch werden kann. Die Klägerin erhob wegen der Länge des streitgegenständlichen Rechtsstreits um den Abschluss eines Versorgungsvertrages Individualbeschwerde zum EGMR mit Schriftsatz vom 24. Februar 2009, die dort unter der Beschwerdenummer 12550/09 geführt wurde. Mit Schreiben vom 27 Januar 2012 wies die Kanzlei des EGMR den Prozessbevollmächtigten der Klägerin daraufhin, dass am 3. Dezember 2011 das Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren in Kraft getreten sei.
Die Klage ist jedoch nur zu einem geringen Teil begründet.
Dem Antrag zu 1) (früherer Antrag zu 2) auf Entschädigung des materiellen Schadens ist nur hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten des Verfahrens vor dem EGMR anteilig zu 1/8 zu entsprechen. Der Entschädigungsanspruch der Klägerin findet seine Grundlage in § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG. Hiernach wird derjenige angemessen entschädigt, der infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet.
Die Dauer des Gerichtsverfahrens vor dem Sozialgericht Wiesbaden und vor dem Hessischen Landessozialgericht war unangemessen.
Nach § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG richtet sich die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. Eine generelle Festlegung, wann ein Verfahren unverhältnismäßig lange dauert, ist nicht möglich (am Maßstab von Art. 19 Abs. 4 GG: BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 27. September 2011 – 1 BvR 232/11 – juris), zumal Zügigkeit oder Verfahrensbeschleunigung keine absoluten Werte sind, sondern stets im Zusammenhang mit den übrigen Verfahrensgrundsätzen, insbesondere dem Amtsermittlungsgrundsatz und dem damit korrespondierenden Interesse der Verfahrensbeteiligten an einer gründlichen und zutreffenden Bearbeitung durch das Gericht zu sehen sind (im Erg. ebenso für den Zivilprozess: OLG Frankfurt, Beschluss vom 13. September 2012 - 4 EntV 7/12). § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ist nach Entstehungsgeschichte und Zielsetzung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG sowie des EGMR zu Art. 6, 13 EMRK auszulegen (Schenke, NVwZ 2012, 257, 258). § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benennt insoweit nur beispielhaft und ohne abschließenden Charakter Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind. Maßgebend bei der Beurteilung der Verfahrensdauer sind danach Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. Während die rechtliche wie tatsächliche Schwierigkeit, der Umfang und die Komplexität des Falls sowie die Bedeutung des Rechtsstreits Faktoren für eine notwendige Dauer angemessener Sachbehandlung und Verfahrensförderung sind, ist insbesondere das Verhalten des Entschädigungsklägers für die Frage relevant, welche Dauer der Kläger aufgrund eigenen Verhaltens als noch angemessen hinzunehmen hat. Auf der anderen Seite kann sich der Staat nicht auf solche Umstände berufen, die in seinem Verantwortungsbereich liegen (st. Rspr. des BVerfG, aus jüngerer Zeit z.B. Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10 – zitiert nach juris m.w.N. in Rn. 11). Überlastungstypische Verfahrensweisen können ebensowenig gegen eine Unangemessenheit angeführt werden wie die durchschnittliche Verfahrensdauer einer überlasteten Gerichtsbarkeit (vgl. zur Sozialgerichtsbarkeit, BVerfG, vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10 – a.a.O.). Die Beurteilung der Angemessenheit erfolgt daher im Rahmen einer Zurechnung, ob eine Verzögerung überwiegend auf das Verhalten der Beteiligten oder auf eine Untätigkeit des Gerichts zurückzuführen ist (Magnus, ZZP 125 (2012), 75, 81 m.w.N.). Ungeachtet dessen haben die Gerichte aber auch die Gesamtdauer des Verfahrens zu berücksichtigen und sich mit zunehmender Dauer nachhaltig um eine Beschleunigung des Verfahrens zu bemühen (BVerfG, vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10 – a.a.O.). Insoweit beeinflusst die absolute Verfahrensdauer die Würdigung der Verfahrensförderung in einzelnen Abschnitten des Gerichtsverfahrens: Einerseits kann bei ungewöhnlich langen Laufzeiten im Einzelfall eine Vermutung für die Unangemessenheit ohne weitere Würdigung des Verhaltens der Beteiligten oder der Verfahrensförderung durch das Gericht sprechen (EGMR, Urteil vom 5. Oktober 2006 – 66491/01); andererseits kann eine (relative) Verzögerung in einem bestimmten Verfahrensstadium vertretbar sein, wenn die Gesamtverfahrensdauer nicht als unangemessen erachtet werden kann (EGMR, Urteil vom 2. Juni 2009 – 36853/05 – juris Rn. 45 m.w.N.). Die Prüfung der Unangemessenheit hat demnach in zwei Schritten zu erfolgen (vgl. zum Folgenden: Ott in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, 2013, § 198 GVG Rn. 97 ff.; ähnl. Breitkreuz in: Breitkreuz/Fichte, SGG, Ergänzung zu § 202 SGG, Rn. 32, beide m.w.N.). Zunächst ist das Verfahren nach Feststellung der Schwierigkeit und Bedeutung daraufhin zu untersuchen, ob in den einzelnen Verfahrensabschnitten eine angemessene Sachbehandlung im Sinne der Gewährung effektiven Rechtsschutzes stattgefunden hat und im Wege der Abwägung der o.g. Faktoren festzustellen, ob der Entschädigungskläger diese Dauer aufgrund einer Zurechnung der Verfahrensdauer, insbesondere wegen des Verhaltens der Verfahrensbeteiligten, im jeweiligen Abschnitt hinzunehmen hat oder aber dem Staat als unzureichende Verfahrensförderung zuzurechnen ist. Im Rahmen einer umfassenden Abwägung vor dem Hintergrund der Gesamtverfahrensdauer ist sodann zu prüfen, ob Verzögerungen kompensiert wurden oder aber eine unangemessene Gesamtverfahrensdauer ohne relative Verzögerungen eingetreten ist. Zutreffend weist die Klägerin darauf hin, dass die bundesstaatsbedingte Aufspaltung in zwei Entschädigungsschuldner nicht dazu führen darf, dass gleichsam anspruchsmindernde Überkompensationen dadurch eintreten, dass die jeweilige Verfahrensdauer in Verantwortung des anderen Rechtsträgers außer Betracht zu bleiben hat. Dies kann allerdings durch die Maßstabsbildung für die o.g. Gesamtbetrachtung verhindert werden.
Hinsichtlich Schwierigkeit und Bedeutung ist festzustellen, dass die überdurchschnittliche Schwierigkeit und die jedenfalls subjektiv existenzielle Bedeutung im Laufe der Verfahrenslaufzeit jeweils deutlich relativiert wurden. Mit der Einstellung des Klinikbetriebes im Juli 2002 entfielen offensichtlich eine Reihe von Rechtsfragen, wie aus den Entscheidungen aller Instanzen hervorgeht. Gleichermaßen erschöpfte sich die Bedeutung einer Entscheidung gegen Ende der Verfahrenslaufzeit weitgehend im Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Die am 22. Dezember 2001 erfolgte Klageerweiterung um ein Feststellungsbegehren veränderte die Schwierigkeit nicht erheblich. Vor diesem Hintergrund kann zwar u.a. wegen des Versuches einer außergerichtlichen Mediation und des parallel geführten Eilverfahrens vor November 2001 noch nicht von einer unangemessenen Sachbehandlung ausgegangen werden. Insbesondere die Konzentration des Kammervorsitzenden auf das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kann nicht zur Begründung der Überlänge angeführt werden. Indes sind danach weiterhin Bitten der Klägerin auf zeitnahe Entscheidung, Hinweise auf die Dringlichkeit bzw. "Überlebenswichtigkeit" der Sache und Sachstandsanfragen unter dem Datum vom 16. November 2001, 19. April 2002 und 8. Oktober 2002 zur Akte gelangt. Nach Erwiderung zur Klagerweiterung mit Beklagtenschriftsatz vom 4. Februar 2002 teilte der Kammervorsitzende mit Verfügung vom 22. April 2002 mit, dass der Rechtstreit zur Sitzung vorgesehen sei, wobei ein Jahr zuvor bereits zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört worden war. Im nachfolgenden Zeitraum beschränkten sich die Ermittlungen im Wesentlichen auf Verfügungen zum Stand des Insolvenzverfahrens. Zwischen dem Ende des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes und der Auflösung der Klägerin mit Datum vom 16. Juni 2003 sind mithin Verfahrensabschnitte des Stillstandes insbesondere im Verlauf des Jahres 2002 festzustellen; für diesen Zeitraum fallen eine Verfahrenslaufzeit von bereits mehr als zwei Jahren sowie eine noch nicht vernachlässigbare Bedeutung der Sache ins Gewicht, letzteres jedenfalls für den Zeitraum bis zur Einstellung des Klinikbetriebes im Juli 2002. Jedenfalls nicht zu Lasten der Klägerin kann das von der Beklagten so genannte "mehrgleisige" Vorgehen – u.a. vor dem Verwaltungsgericht – gewertet werden. Eine Vorgreiflichkeit eines bestimmten Weges zum Leistungserbringerstatus im GKV-System nach §§ 108, 109 SGB V a.F. vermag der Senat nicht zu erkennen. Ohne weitere Ermittlungen zur materielle Rechtslage erging erst 13. November 2003 ein Urteil, welches der Klägerin erst am 9. März 2004 zugestellt wurde. Diese mehrmonatigen Phasen des Verfahrensstillstandes nach einer Verfahrenslaufzeit von mehr als zwei Jahren wurden angesichts einer Verfahrensdauer in der ersten Instanz von 4 Jahren und 4 Monaten nicht kompensiert. Auch die addierte Dauer von 8 Jahren 2 Monaten und 20 Tagen in den ersten beiden Instanzen ist nach einer Gesamtbetrachtung unangemessen, da in der zweiten Instanz angesichts der dortigen Konzentration der Verfahrensleitung auf prozessrechtliche Fragen bei einer Laufzeit der Berufung von 3 Jahren und knapp 11 Monate keine Kompensation eingetreten ist.
Die Erhebung einer Verzögerungsrüge war nach Art. 23 Satz 4 ÜberlVfRSchG entbehrlich.
In der Rechtsfolge sind allerdings nur die außergerichtlichen Kosten für die Individualbeschwerde vor dem EGMR anteilig zu entschädigen. Der Anspruch aus § 198 GVG umfasst auch den Ausgleich einer durch die überlange Verfahrensdauer haftungsausfüllend verursachten materiellen Vermögenseinbuße. Da es sich nicht um einen Schadensersatzanspruch handelt, ist indes entgangener Gewinn nicht zu ersetzen; eine "angemessene" Entschädigung zielt nicht auf vollständige Restitution (vgl. BT Drs. 17/7217, S. 1 u. 27; Althammer/Schäuble, NJW 2012, 1, 3). Im Gesetzgebungsverfahren wurde diese Frage diskutiert; eine Verweisung auf die Rechtsfolgen des allgemeinen Schadensersatzrechts wurde verworfen. Auch unterliegt die Höhe der Entschädigung einer Billigkeitsabwägung (Ott in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott, a.a.O. § 198 GVG Rn. 222).
Soweit die Klägerin ihren Anspruch auf Entschädigung darauf stützt, dass ihr ein materieller Schaden dadurch entstanden sei, dass ein Versorgungsvertrag rückwirkend nicht mehr abgeschlossen werden könne, handelt es sich der Sache nach um die Geltendmachung entgangenen Gewinns, der aus den o.g. Gründen nicht beansprucht werden kann. Zudem ist nach Beginn der Liquidation nicht mehr ersichtlich, dass die Klägerin das Ziel des Abschlusses eines Versorgungsvertrages noch verfolgte. Schließlich ist nicht erkennbar, dass die Verfahrensdauer kausal dazu beigetragen hat, dass der Versorgungsvertrag nicht abgeschlossen worden ist. Dies geschah vielmehr aus anderen Gründen, wie aus der rechtskräftigen Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 28. Juli 2008 hervorgeht. Die außergerichtlichen Kosten sowie die Gerichtskosten des Rechtsstreits um den Versorgungsvertrag aller Instanzen sind nicht kausal auf die Verzögerung zurückzuführen. Vielmehr handelt es sich um sog. "Sowieso-Kosten", die ohnehin durch das Betreiben des Rechtsstreits angefallen sind und die sich durch Länge des Rechtsstreits nicht erhöht haben. Dies entspricht den vom EGMR angewendeten Grundsätzen, wonach im Rahmen von Art. 41 EMRK nur solche Verfahrenskosten erstattet werden, die entstanden sind, um die Konventionsverletzung abzuwehren (vgl. Meyer-Ladewig, EMRK, 3. Aufl., Art. 41 Rn. 30 m.w.N.) Aus den im vorherigen Absatz genannten Gründen können die Kosten auch nicht unter dem Gesichtspunkt vergeblich gewordener Aufwendungen verlangt werden. Die Kosten des bundesverfassungsgerichtlichen Verfahrens sind nicht zu entschädigen, da die Urteilsverfassungsbeschwerde unzulässig war. Eine Kausalität ist nicht erkennbar.
Zu entschädigen sind hingegen die außergerichtlichen Kosten für das Verfahren vor dem EGMR, soweit sich das dortige Verfahren auf die Rüge der Verfahrensdauer bezog. Der EGMR behandelt die außergerichtlichen Kosten im Sinne eines materiellen Kostenerstattungsanspruchs nach der Rechtsfolge des Art. 41 EMRK (vgl. Meyer-Ladewig, EMRK, 3. Aufl., Art. 41 Rn. 29 ff.). Deshalb ist über diese Kosten nicht aufgrund der "Überleitung" des Rechtsstreits vor dem EGMR in das vorliegende Verfahren im Rahmen der hiesigen Kostenentscheidung zu entscheiden, sondern von einem materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch auszugehen, wobei die Rechtsfolge des § 198 GVG im Rahmen der Rückwirkung über Art. 23 ÜberlVfRSchG an die des Art. 41 EMRK getreten ist. Mangels einer förmlichen Verweisungsmöglichkeit vom EGMR an das LSG kann auch nicht von einer Identität der Kosten ausgegangen werden. Die Klägerin verfolgte allerdings mit ihrer Individualbeschwerde zum EGMR (Schriftsatz vom 24. Februar 2009, Beschwerdenummer 12550/09) nicht nur die Rüge der Überlänge des Verfahrens um den Abschluss eines Versorgungsvertrages; sie rügte vielmehr auch die Verletzung von Art. 6 EMRK durch das Bundesverfassungsgericht sowie die Verletzung des konventionsrechtlichen Eigentumsschutzes und eine Diskriminierung als Privatklinik durch das bundessozialgerichtliche Urteil. Vor diesem Hintergrund erscheint die Bemessung des entschädigungsfähigen Anteils der außergerichtlichen Verfahrenskosten – auch im Hinblick auf die Erfolglosigkeit der Klage auf Entschädigung des Nichtvermögensschadens (dazu unten) – mit 1/8 angemessen. Da der Prozessbevollmächtigte nach seinen Angaben die entsprechende Vergütung noch nicht in Rechnung gestellt hat, war ein Freistellungsanspruch zu tenorieren.
Der Antrag zu 2) ist unbegründet. Eine weitergehende Wiedergutmachung durch Entschädigung eines Nichtvermögensschadens ist bei einer bereits aufgelösten GmbH ausgeschlossen. Zwar ist auch bei juristischen Personen ist eine Entschädigung in Geld für einen Nichtvermögensschaden nicht grundsätzlich ausgeschlossen (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 29. November 2012 - L 10 SF 5/12 ÜG – juris Rn. 231, unter Verweis auf EGMR, Urteil vom 6. April 2000, 35382/97 Comingersoll./.Portugal). Auf die wesentlich engere hergebrachte Schadensdogmatik des deutschen Zivilrechts insbesondere bei der Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts (dazu BGH, Urteil vom 8. Juli 1980 - VI ZR 177/78 - juris Rn. 44 - BGHZ 78, 24-28 - Medizinsyndikat I; Vieweg/Lorz in: jurisPK-BGB, § 253 BGB, Rn. 46 f.), wonach ein Genugtuungsbedürfnis nicht bei einem Personen- oder Kapitalzusammenschluss als solchem auftritt, kann nicht zurückgegriffen werden, da § 198 GVG nach seiner Entstehungsgeschichte im Lichte der vom EGMR herausgearbeiteten Entschädigungsgrundsätze auszulegen ist (so wohl auch BT-Drs. 17/3802, S. 40f.). Der EGMR weist in der genannten Entscheidung in Tz. 32 zunächst darauf hin, dass es in der bisherigen Rechtsprechung keinen generellen Ausschluss des Ersatzes eines Nichtvermögensschadens für juristische Personen gibt. Sodann führt er aus (amtliche Übersetzung nicht vorhanden): "33. Under the former Convention system, the Committee of Ministers, acting on proposals put forward by the European Commission of Human Rights, has in a number of cases awarded compensation for the non-pecuniary damage sustained by commercial companies as a result of the excessive length of proceedings. ( ) 34. The Court has also taken into account the practice of the member States of the Council of Europe in such cases. Although it is difficult to identify a precise rule common to all the member States, judicial practice in several of the States shows that the possibility that a juristic person may be awarded compensation for non-pecuniary damage cannot be ruled out. 35. In the light of its own case-law and that practice, the Court cannot therefore exclude the possibility that a commercial company may be awarded pecuniary compensation for non-pecuniary damage. The Court reiterates that the Convention must be interpreted and applied in such a way as to guarantee rights that are practical and effective. Accordingly, since the principal form of redress which the Court may order is pecuniary compensation, it must necessarily be empowered, if the right guaranteed by Article 6 of the Convention is to be effective, to award pecuniary compensation for non-pecuniary damage to commercial companies, too. Non-pecuniary damage suffered by such companies may include heads of claim that are to a greater or lesser extent "objective” or "subjective”. Among these, account should be taken of the company s reputation, uncertainty in decision-planning, disruption in the management of the company (for which there is no precise method of calculating the consequences) and lastly, albeit to a lesser degree, the anxiety and inconvenience caused to the members of the management team.”
Der Senat geht hiernach davon aus, dass juristische Personen bei der Entschädigung von Nichtvermögensschäden natürlichen Personen nicht schlechthin gleichzustellen sind. Im Einzelfall kommt es darauf an, ob die praktische Wirksamkeit des Rechtsschutzes gerade die Entschädigung auch eines Nichtvermögensschadens erfordert. Dies ist jedenfalls in einer Situation der Fall, in der eine Beeinträchtigung der Reputation des Unternehmens, eine Unsicherheit in der Planung von Unternehmensentscheidungen oder eine Störung der Geschäftsführung festzustellen ist, die der Beeinträchtigung einer natürlichen Person vergleichbar ist. Da aber auch nach der Rechtsprechung des EGMR die Entschädigung in Geld für einen Nichtvermögensschaden nur im Hinblick auf die eben beschriebene Schutzrichtung zu gewähren ist, ist die Wiedergutmachungs- oder Genugtuungsfunktion durch die Zahlung der pauschalierten Entschädigung nur zu verwirklichen, wenn sie nicht nur die Gesellschaft als Hülle, sondern das gelebte Unternehmen im Sinne einer werbenden Gesellschaft noch erreicht. Hat die Gesellschaft nur noch den Zweck der Durchführung der Liquidation, so ist eine Wiedergutmachung oder Genugtuung in Bezug auf Beeinträchtigungen der Reputation des Unternehmens, Unsicherheiten in der Planung von Unternehmensentscheidungen und Störungen der Geschäftsführung von vornherein unmöglich. Eine gegenteilige Ansicht würde letztlich dazu führen, ein mittelbares Genugtuungsinteresse der Gesellschafter – in ihrer Eigenschaft als Gläubiger der Vermögensverteilung in der Liquidation nach § 72 GmbHG – an die Stelle des vom EGMR vorausgesetzten Interesses der Gesellschaft zu setzen. Dies wäre mit dem Gedanken der Höchstpersönlichkeit des Anspruchs nicht vereinbar. Die Klägerin ist bereits aufgelöst (§ 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG), aber noch nicht beendet. Die GmbH i.L. ist zwar – gesellschaftsrechtlich gesprochen – mit der vor Auflösung existierenden, "werbenden" Gesellschaft personenidentisch, sie hat aber einen anderen Gesellschaftszweck erhalten, nämlich allein die Durchführung der Liquidation (vgl. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 7. Aufl., § 69 Rn. 3). Bestrebungen zu einer Rückkehr zur "werbenden" Gesellschaft – so sie überhaupt rechtlich möglich sein sollte – sind weder seitens der Klägerin vorgetragen noch sonst erkennbar. Damit ist ein werbendes Unternehmen, das eine Wiedergutmachung in seiner Reputation des Unternehmens, einer Unsicherheit in der Planung von Unternehmensentscheidungen und der erlittenen Störungen der Geschäftsführung seit Auflösung zweckbedingt nicht mehr existent und eine Wiedergutmachung ausgeschlossen.
Auch der Antrag zu 3) ist unbegründet. Da die Unangemessenheit bereits inzident bei der Entscheidung über den Antrag zu 1) festgestellt worden ist, ist eine gesonderte Feststellung nicht geboten. Ein weitergehendes Wiedergutmachungsinteresse ist auch im Hinblick auf die Erwägungen, die die Unbegründetheit des Antrages zu 2) tragen, nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Satz 6, 197a SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Das Obsiegen der Klägerin – 1/8 der außergerichtlichen Kosten des Verfahrens vor dem EGMR – ist angesichts des Unterliegens in Höhe bezifferter Verfahrenskosten von 205.858,77 EUR bis zum Bundesverfassungsgericht zuzüglich der beanspruchten Entschädigung für die Unmöglichkeit der rückwirkenden Zulassung, der beanspruchten Entschädigung des Nichtvermögensschadens und der durch den ursprünglichen Antrag zu 1) verursachten Mehrkosten zu vernachlässigen.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin, eine juristische Person in Liquidation, begehrt eine Entschädigung für die Dauer einer krankenversicherungsrechtlichen Leistungserbringerstreitigkeit vor dem Sozialgericht Wiesbaden und dem Hessischen Landessozialgericht.
Die Klägerin betrieb vom 23. November 1998 bis zum 21. Juli 2002 in C./C-Stadt eine Fachklinik für onkologische Akutbehandlungen. Das Regierungspräsidium Darmstadt erteilte ihr am 23. März 1999 eine Gewerbeerlaubnis zum Betrieb einer Privatkrankenanstalt. Sie behandelte seit 1999 in erheblichem Umfang jedoch auch Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Ein Antrag der Klägerin auf Aufnahme in den Krankenhausplan des Landes Hessen wurde letztlich mit Bescheid vom 28. Juni 2002 abgelehnt; die dagegen gerichtete Klage zum Verwaltungsgericht Gießen wurde zurückgenommen. Den Antrag der Klägerin vom 25. Februar 1999 auf Abschluss eines Versorgungsvertrags nach § 109 SGB V zwischen den Verbänden der Krankenkassen in Hessen mit ihr lehnten diese mit Bescheid vom 1. Juni 1999 und Widerspruchsbescheid vom 11. Oktober 1999 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin biete nicht die Gewähr für eine leistungsfähige Krankenhausbehandlung. Ihr Krankenhaus sei für eine bedarfsgerechte Krankenhausbehandlung der Versicherten nicht erforderlich. Die Wirksamkeit der komplementär-onkologischen Therapieverfahren sei nach klinisch-wissenschaftlichen Kriterien nicht belegt.
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin wurde mangels Masse abgelehnt (Beschluss des Amtsgerichts Friedberg vom 23. Januar 2002 – xxx1). Rechtsmittel hiergegen (Beschluss des Landgerichts Gießen vom 11. November 2002; Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 10. April 2003) blieben erfolglos. Ihre Auflösung wurde mit Datum vom 16. Juni 2003 in das Handelsregister eingetragen (Handelsregisterauszug des Amtsgerichts Friedberg Nr. xxx2). Die Klägerin befindet sich seitdem im Stadium der Liquidation.
Die gegen die Ablehnung des Abschlusses eines Versorgungsvertrages gerichtete Klage ging am 11. November 1999 bei dem Sozialgericht Wiesbaden (SG) ein. Die Verwaltungsvorgänge der dortigen Beklagten lagen dem Sozialgericht am 23. Dezember 1999 vor. Mit Beschluss vom 25. April 2000 wurde das beklagte Land beigeladen. Zunächst erfolgte Schriftwechsel zur Frage der Vollständigkeit der Verwaltungsvorgänge. Zur Klagebegründung vom 30. Januar 2000 erfolgte eine Klageerwiderung unter dem Datum vom 14. Juni 2000. Mit Beschluss vom 30. August 2000 wurde das Verfahren ausgesetzt wegen der Vorgreiflichkeit der Entscheidung über die Aufnahme in den Krankenhausplan des beigeladenen Landes. Der Aussetzungsbeschluss wurde nach Wechsel im Kammervorsitz mit Beschluss vom 18. Januar 2001 aufgehoben, da die Klägerin ihr Ziel nunmehr im Rahmen des bestehenden Krankenhausplanes im Wege des sog. Bettentausches angestrebt habe. Zuvor hatte mit dem Bundestagsabgeordneten Dr. D. von Juni 2000 bis September 2000 parallel zum Rechtsstreit ein Mediationsverfahren stattgefunden; Ergebnis sei gewesen, dass durch einen Abbau von 50 Betten in einem Krankenhaus eines bestimmten Klinikbetreibers eine Kompensation bei der Klägerin erfolgen könne. Bei einem Gespräch am 24. November 2000 hätten die Verbände nach den Angaben der Klägerin mitgeteilt, dass ein Versorgungsvertrag gleichwohl nicht abgeschlossen werden könne. Mit Verfügung vom 20. März 2001 wurde zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid unter Fristsetzung bis 20. April 2001 angehört. Die Anhörungsfrist wurde zunächst von Amts wegen der Frage der Rechtskraft der Entscheidung im parallel geführten Eilverfahren verlängert, sodann auf Antrag der Klägerin wegen laufender Verhandlungen. Vom 27. August 2001 bis 5. November 2001 waren die Akten an die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Gießen versandt. Zwischenzeitlich wurde der Erlass einer einstweiligen Anordnung vom SG mit Beschluss vom 9. April 2001 abgelehnt (S 12 KR 1326/00 ER); die hiergegen gerichtete Beschwerde wurde mit Beschluss vom 23. November 2001 zurückgewiesen (L 14 KR 542/01 B ER). Bitten der Klägerin auf zeitnahe Entscheidung, Hinweise auf die Dringlichkeit bzw. "Überlebenswichtigkeit" der Sache und Sachstandsanfragen sind unter dem Datum vom 16. November 2001, 19. April 2002 und 8. Oktober 2002 zur Akte gelangt. Mit Verfügung vom 22. April 2002 teilte der Kammervorsitzende mit, dass der Rechtstreit zur Sitzung vorgesehen sei. Am 22. November 2001 erfolgte eine Klageerweiterung um ein Feststellungsbegehren. Das Sozialgericht fragte mit diversen Verfügungen ab 18. Oktober 2002 und Anfang 2003 zur Vorlage eines aktuellen Handelsregisterauszugs, zum Stand des Insolvenzverfahrens und zum Sachstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sowie zur Behauptung ausstehender Forderungen gegenüber den Krankenkassen an. Zuletzt mit Schriftsatz vom 9. April 2003 trug der Prozessbevollmächtigte der Klägerin umfangreich zu Insolvenzverfahren, verwaltungsgerichtlichem Verfahren und zur Frage der Außenstände der Behandlungskosten vor. Es folgte Korrespondenz mit der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Gießen und unter den Beteiligten zu den Konsequenzen des Abschlusses des Insolvenzverfahrens Mit Verfügung vom 15. Oktober 2003 erfolgte die Ladung zur mündlichen Verhandlung. Durch Urteil vom 13. November 2003, der Klägerin zugestellt am 9. März 2004, wurde die Klage abgewiesen.
Die hiergegen gerichtete Berufung ging am 6. April 2004 bei dem Hessischen Landessozialgericht ein. Die Berufungsbegründung erfolgte mit Schriftsatz vom 16. Juni 2004, eingegangen am 18. Juni 2004. Nach Akteneinsicht gingen die Akten am 23. September 2004 wieder am Landessozialgericht ein. Die Begründung des Berufungszurückweisungsantrags der Beklagten datiert vom 13. Dezember 2004. Vom 24. März 2005 bis zum 20. Februar 2006 erfolgten wechselseitige Vertiefungen des bisherigen Vortrages. Vom 3. bis 17. März 2006 waren die Akten an die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Gießen versandt. Am 31. Mai 2006 fand ein Erörterungstermin vor der Berichterstatterin statt. Die Klägerin wurde aufgefordert, die weiterhin bestehende Rechtspersönlichkeit darzulegen und gegebenenfalls nachzuweisen. Zudem erging ein richterlicher Hinweis zu prozessualen Fragen. Ab dem Schriftsatz der Klägerin vom 29. August 2006 bis 18. Dezember 2006 wurde der Vortrag zum richterlichen Hinweis wechselseitig erörtert. Mit Verfügung der Berichterstatterin vom 2. Februar 2007 wurde die Klägerin zur Vorlage eines aktuellen Handelsregisterauszuges aufgefordert, der am 15. Februar 2007 vorgelegt wurde. Mit Verfügung vom 22. Juni 2007 wurde zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung angefragt, der die Klägerin mit Schriftsatz vom 9. Juli 2007 unter Hinweis auf einen Beweisantrag widersprach. Mit Verfügung vom 13. Juli 2007 kündigte die Berichterstatterin eine Terminierung am 20. September 2007 an. Zum Beweisantrag und zu den ergänzenden Ausführungen zum Fortsetzungsfeststellungsinteresse forderte die Berichterstatterin mit Verfügung vom 15. August 2007 die Beklagten zur Stellungnahme auf. Mit Verfügung vom 24. August 2007 wurde eine Terminierung für den 22. November 2007 angekündigt. Unter dem Datum vom 27. August 2007 erfolgte eine ausführliche Stellungnahme der Beklagten zur Verfügung vom 15. August 2007. Mit Schriftsatz vom 26. Oktober 2007 vertiefte die Klägerin wiederum ihren Vortrag und präzisierte der Beweisantrag. Mit Verfügung vom 1. November 2007 wurde darauf hingewiesen, dass eine Terminierung erst am 17. Dezember 2007 erfolgen könne. Die Ladung zur mündlichen Verhandlung am 17. Dezember 2007 erfolgte mit Verfügung vom 13. November 2007. Mit Urteil vom 17. Dezember 2007 wurde die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 13. November 2003 zurückgewiesen. Das Urteil wurde der Klägerin am 3. März 2008 zugestellt.
Die hiergegen gerichtete Revision zum Bundessozialgericht wurde mit Urteil vom 28. Juli 2008 zurückgewiesen. Eine Urteilsverfassungsbeschwerde vom 23. September 2008 blieb nach den Angaben der Klägerin erfolglos zurück. Nach dem Vortrag der Klägerin im Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte habe das Bundesverfassungsgericht die Unzulässigkeit der Beschwerde im Beschluss vom 22. Januar 2009 daraus abgeleitet, dass die dortige Antragstellerin die Stellungnahme des medizinischen Dienstes der Krankenkassen vom 6. Oktober 2000 nicht beigefügt habe. Die Klägerin erhob daraufhin Individualbeschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) mit Schriftsatz vom 24. Februar 2009, die dort unter der Beschwerdenummer 12550/09 geführt wurde. Mit Schreiben vom 27 Januar 2012 wies die Kanzlei des EGMR den Prozessbevollmächtigten der Klägerin darauf hin, dass am 3. Dezember 2011 das Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren in Kraft getreten sei. Nach Art. 23 dieses Gesetzes sei dies auch auf innerstaatlich abgeschlossene Verfahren anzuwenden, deren Dauer Gegenstand einer Beschwerde beim EGMR sei. Es bestehe daher die Möglichkeit, dass der Gerichtshof die Beschwerde wegen Nichterschöpfung des innerstaatlichen Rechtswegs zurückweise. Der Prozessbevollmächtigte wurde aufgefordert mitzuteilen, ob er von dem innerstaatlichen Rechtsbehelf Gebrauch mache.
Daraufhin hat die Klägerin die vorliegende Klage zum Hessischen Landessozialgericht am 1. Juni 2012 erhoben. Ursprünglich hat die Klägerin über die Entschädigung in Geld und die Feststellung der unangemessenen Dauer hinaus begehrt, das beklagte Land zu verpflichten, darauf hinzuwirken, dass als angemessene Entschädigung gemäß § 198 Abs. 1 GVG mit der Klägerin ein Versorgungsvertrag gemäß § 109 Abs. 5 SGB V abgeschlossen werde; dieser Antrag ist in der mündlichen Verhandlung am 22. Januar 2014 zurückgenommen worden.
Die Klägerin trägt vor, die Verfahrensdauer sei unangemessen, da das Verfahren von der Antragstellung bei dem Beklagten im Februar 1999 bis Dezember 2007 gedauert habe. Es sei auf die Einleitung des Verfahrens bei der Verwaltung abzustellen; eine Orientierung am Wortlaut der Definition in § 198 Abs. 6 Nr. 2 GVG sei mit der Konvention und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht vereinbar, der vielfach auf den Zeitpunkt der Antragstellung bei der Behörde abstelle. Die Bedeutung des Verfahrens, die für die Bestimmung der Unangemessenheit in erster Linie bedeutsam sei, sei durch die wirtschaftlich existenzielle Bedeutung eines Versorgungsvertrages geprägt. Hierbei sei auf die Bedeutung für die Verantwortung für die Patienten abzustellen. Das existenzielle Interesse habe sich durch die Einleitung eines Insolvenzverfahrens im Jahr 2001 noch vergrößert. Weiterhin sei auch die öffentliche Bedeutung des Verfahrens zu berücksichtigen. Die Vorgänge um die Klinik hätten auch zu einer breiten Presseberichterstattung geführt. Besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten des Verfahrens seien nicht ersichtlich; mit der Verfügung des Sozialgerichts vom 20. März 2001 habe das Gericht angekündigt, durch Gerichtsbescheid entscheiden zu wollen, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweise und der Sachverhalt geklärt sei. Allein das erstinstanzliche Verfahren habe von Erhebung der Klage bis Zustellung des Urteils etwa 4 Jahre und 4 Monate gedauert. Gegenüber dem Sozialgericht sei mit Schriftsatz vom 31. Januar 2000 auf die existenzielle Bedeutung des Verfahrens hingewiesen worden. Bis April 2000 habe der Prozessbevollmächtigte wiederholt um Beschleunigung gebeten und auf Übersendung weiterer Verwaltungsvorgänge durch die Beklagten gedrängt. Später hätten die Insolvenzgerichte in ihren Beschlüssen immer wieder auf die Notwendigkeit einer Entscheidung durch die Sozialgerichte verwiesen. Obwohl der Ausgang des Insolvenzverfahrens vom Rechtsstreit abgehängt habe, habe das Sozialgericht den Ausgang des Insolvenzverfahrens abgewartet, um nicht mehr in der Sache entscheiden zu müssen, sondern aus verfahrensrechtlichen Gründen den Antrag ablehnen zu können. Das Fehlen von Maßnahmen zur Verfahrensbeschleunigung betreffe zum Beispiel die Anforderung der Verwaltungsvorgänge ohne Fristsetzung. Die Vorlage der Verwaltungsvorgänge habe letztlich 7 Monate gedauert. Auch die Überlassung der Gerichtsakte an die Staatsanwaltschaft Gießen habe allein zu einer weiteren Verzögerung von einem halben Jahr geführt. Nach der Rechtsprechung des EGMR wäre es erforderlich gewesen, eine Kopie zu fertigen, um Verzögerungen zu vermeiden. Die Klägerin hat ursprünglich die Rechtsauffassung vertreten, sie könne eine Kompensation dadurch erlangen, dass das beklagte Land darauf hinwirke, dass noch ein Versorgungsvertrag zu Stande komme. Sie ist nunmehr noch der Auffassung, sie habe einen Anspruch auf Ersatz des materiellen Nachteils in Gestalt der Verfahrenskosten sowie eines Ausgleiches dahingehend, dass ein Versorgungsvertrag nicht mit Rückwirkung abgeschlossen werden könne. Die Klägerin habe schließlich Anspruch auf Entschädigung der Nachteile, die nicht Vermögensnachteile seien. Sie ist darüber hinaus der Rechtsauffassung, dass die Aufspaltung der Entschädigungsansprüche entsprechend des Rechtswegs zu Landes- und Bundesgerichten unvereinbar mit Art. 6 Abs. 1 und Art. 13 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) sei. Dies sei jedenfalls bei der Auslegung des § 198 Abs. 1 GVG zu berücksichtigen. Die Klägerin sehe allein deshalb von einer zusätzlichen Klage gegen die Bundesgebiet Deutschland ab, weil die dortigen Verfahren vor dem Bundessozialgericht und dem Bundesverfassungsgericht nicht isoliert als übermäßig lang angesehen werden könnten, sondern nur im Zusammenhang mit den vorangegangenen Verfahren beim Sozialgericht und Landessozialgericht. Die Klägerin habe Außenstände an Behandlungskosten für GKV-Patienten in Höhe von 6.169.430,36 EUR aufgewandt. Ginge man von einem angemessenen Verfahrensabschluss ab dem 30. September 2000 aus, so hätten bis 2002 2.067.280,79 EUR erwirtschaftet werden können. Für die innerstaatlichen Verfahren habe die Klägerin Verfahrenskosten von 205.858,77 EUR aufgewendet. Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens vor dem EGMR seien vorläufig mit 32.173,60 EUR ohne Umsatzsteuer zu beziffern.
Die Klägerin beantragt,
1. das beklagte Land zu verpflichten, als angemessene Entschädigung gemäß § 198 Abs. 1 GVG an die Klägerin einen vom Gericht festzusetzenden angemessenen Geldbetrag zum Ersatz des materiellen Schadens nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
2. das beklagte Land zu verpflichten, an die Klägerin eine vom Gericht festzusetzenden höhere Entschädigung als 1.200 EUR für jedes Jahr der Verzögerung nebst 5 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen, hilfsweise, das beklagte Land zu verpflichten, eine entsprechende Entschädigung von 1.200 EUR für jedes Jahr der Verzögerung nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz zu zahlen und
3. festzustellen, dass die Verfahrensdauer unangemessen lang war.
Das beklagte Land beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es trägt vor, der Rechtsstreit sei durch eine hohe Komplexität der Materie (Verweis auf EGMR, Urteil vom 26. März 2009 – Nr. 20271/05) und der durch das Verhalten der Klägerin selbst herbeigeführten erheblichen Verzögerungen geprägt. Es ist der Rechtsauffassung, die Dauer des Vorverfahrens habe außer Betracht zu bleiben. Jedenfalls hinsichtlich des ursprünglichen, auf Naturalrestitution gerichteten Klageantrages sei die Klägerin als in Liquidation befindliche juristische Person schon nicht beteiligtenfähig. Die Klägerin habe es unterlassen, einen Auftrag der Gläubigerversammlung gem. § 157 Insolvenzordnung (InsO) vorzulegen, aus dem sich eine von der allgemeinen Zielsetzung des Insolvenzverfahrens abweichende Regelung ergebe, die den Abschluss neuer Versorgungsverträge ermöglichen würde. Die weiteren Anträge seien als unbegründet abzuweisen, da die Dauer des Verfahrens nicht unangemessen lang gewesen sei. Hauptursache für die lange Verfahrensdauer sei das mehrgleisige Vorgehen der Klägerin auch außerhalb des hier zu Grunde liegenden Gerichtsverfahrens. Der Antrag auf Aufnahme in den Krankenhausplan sei gegenüber einem Antrag auf Abschluss eines Versorgungsvertrages vorgreiflich. Eine weitere Verzögerung des Verfahrens zur Aufnahme in den Krankenhausplan des Landes Hessen und damit mittelbar auch des zu diesem Zeitpunkt bereits anhängigen sozialgerichtlichen Verfahrens habe sich durch den zwischenzeitlichen Versuch der Klägerin ergeben, in Zusammenarbeit mit den E-Kliniken ein Versorgungsvertrag abzuschließen, der schließlich in einem Mediationsverfahren mündete, das am 24. November 2000 erfolglos beendet worden sei. Die Beiziehung der Verwaltungsakten sei vom Sozialgericht Wiesbaden nicht zögerlich gehandhabt worden. Erst mit Schriftsatz vom 31. Januar 2000 habe die Klägerin gemutmaßt, dass die Beklagte über weitere Unterlagen verfügen müsse. Es habe insoweit keiner Fristsetzung bedurft, deren Nichteinhaltung auch keine weiteren unmittelbaren Folgen gehabt hätte. Auch soweit es um die mehrfache Beiziehung der Gerichtsakten durch die Staatsanwaltschaft Gießen im Zusammenhang mit dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen die Geschäftsführerin der Klägerin gehe, sei dies der Klägerin selbst zuzurechnen, die mit ihrem Verhalten hinreichend Veranlassung zu einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegeben habe. Soweit die Klägerin den Eindruck zu erwecken versuche, ihre Insolvenz sei auf die lange Dauer des Gerichtsverfahrens zurückzuführen, sei dem entgegenzutreten. Richtig sei doch vielmehr, dass die Klägerin die Ursachen für ihre Zahlungsunfähigkeit selbst gesetzt habe, weil sie unter Verstoß gegen wesentliche Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung ihre Tätigkeit als Krankenhausträger in großer Zahl auch gegenüber Patienten der gesetzlichen Krankenversicherung entfaltet habe, ohne über eine entsprechende Zulassung zu verfügen. Das Bundesozialgericht habe in der Entscheidung vom 28. Juli 2008 hierzu ausgeführt, dass eine Krankenhausbehandlung, die nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolge und deshalb für den Patienten Schadensersatzansprüche sowie für den Krankenhausarzt strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehe, nicht von den Krankenkassen bezahlt werden müssten.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes sowie des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung vom 22. Januar 2014 wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Gerichtsakten des der Klage zu Grunde liegenden Verfahrens Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig.
Die Klägerin, die zwar aufgelöst ist, sich aber noch im Stadium der Liquidation befindet, ist hinsichtlich der nunmehr noch geltend gemachten Ansprüche beteiligtenfähig. Bei juristischen Personen endet die Beteiligtenfähigkeit nach § 70 Nr. 1 1 2. Var. Sozialgerichtsgesetz (SGG) noch nicht mit der Auflösung, sondern im Aktivprozess in der Regel erst mit der Vollbeendigung. Ist eine GmbH infolge Zurückweisung eines Insolvenzantrags wegen Masselosigkeit aufgelöst worden, kann die Gesellschaft gleichwohl mit der Behauptung, ihr stehe ein vermögensrechtlicher Anspruch zu, einen Aktivprozeß führen; insoweit gilt sie weiterhin als partei- bzw. beteiligtenfähig (zu § 50 Zivilprozessordnung (ZPO): BGH, Urteil vom 3. April 2003 – IX ZR 287/99 – juris Rn. 7 m.w.N.). Ein solcher vermögensrechtlicher Anspruch ist auch der Anspruch auf eine Entschädigung in Geld wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist (vgl. § 253 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB).
Die Klage ist fristgemäß am 1. Juni 2012 erhoben worden. Nach Art. 23 Sätze 5 und 6 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24. November 2011 (ÜberlVfRSchG) sind auf im Zeitpunkt des Inkrafttretens am 3. Dezember 2011 abgeschlossene Verfahren im Sinne des Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG die Regelungen des § 198 Abs. 3 GVG – der die Obliegenheit zur Erhebung der Verzögerungsrüge regelt – und des § 193 Abs. 5 GVG Klagefristen – nicht anzuwenden. Die Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach § 198 Abs. 1 GVG kann stattdessen bei abgeschlossenen Verfahren sofort erhoben werden und muss spätestens am 3. Juni 2012 erhoben werden. Nach Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG ist die Vorschrift indes nur auf solche abgeschlossenen Verfahren anwendbar, deren Dauer bei seinem Inkrafttreten Gegenstand von anhängigen Beschwerden beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist oder noch werden kann. Die Klägerin erhob wegen der Länge des streitgegenständlichen Rechtsstreits um den Abschluss eines Versorgungsvertrages Individualbeschwerde zum EGMR mit Schriftsatz vom 24. Februar 2009, die dort unter der Beschwerdenummer 12550/09 geführt wurde. Mit Schreiben vom 27 Januar 2012 wies die Kanzlei des EGMR den Prozessbevollmächtigten der Klägerin daraufhin, dass am 3. Dezember 2011 das Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren in Kraft getreten sei.
Die Klage ist jedoch nur zu einem geringen Teil begründet.
Dem Antrag zu 1) (früherer Antrag zu 2) auf Entschädigung des materiellen Schadens ist nur hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten des Verfahrens vor dem EGMR anteilig zu 1/8 zu entsprechen. Der Entschädigungsanspruch der Klägerin findet seine Grundlage in § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG. Hiernach wird derjenige angemessen entschädigt, der infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet.
Die Dauer des Gerichtsverfahrens vor dem Sozialgericht Wiesbaden und vor dem Hessischen Landessozialgericht war unangemessen.
Nach § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG richtet sich die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. Eine generelle Festlegung, wann ein Verfahren unverhältnismäßig lange dauert, ist nicht möglich (am Maßstab von Art. 19 Abs. 4 GG: BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 27. September 2011 – 1 BvR 232/11 – juris), zumal Zügigkeit oder Verfahrensbeschleunigung keine absoluten Werte sind, sondern stets im Zusammenhang mit den übrigen Verfahrensgrundsätzen, insbesondere dem Amtsermittlungsgrundsatz und dem damit korrespondierenden Interesse der Verfahrensbeteiligten an einer gründlichen und zutreffenden Bearbeitung durch das Gericht zu sehen sind (im Erg. ebenso für den Zivilprozess: OLG Frankfurt, Beschluss vom 13. September 2012 - 4 EntV 7/12). § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ist nach Entstehungsgeschichte und Zielsetzung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG sowie des EGMR zu Art. 6, 13 EMRK auszulegen (Schenke, NVwZ 2012, 257, 258). § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benennt insoweit nur beispielhaft und ohne abschließenden Charakter Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind. Maßgebend bei der Beurteilung der Verfahrensdauer sind danach Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. Während die rechtliche wie tatsächliche Schwierigkeit, der Umfang und die Komplexität des Falls sowie die Bedeutung des Rechtsstreits Faktoren für eine notwendige Dauer angemessener Sachbehandlung und Verfahrensförderung sind, ist insbesondere das Verhalten des Entschädigungsklägers für die Frage relevant, welche Dauer der Kläger aufgrund eigenen Verhaltens als noch angemessen hinzunehmen hat. Auf der anderen Seite kann sich der Staat nicht auf solche Umstände berufen, die in seinem Verantwortungsbereich liegen (st. Rspr. des BVerfG, aus jüngerer Zeit z.B. Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10 – zitiert nach juris m.w.N. in Rn. 11). Überlastungstypische Verfahrensweisen können ebensowenig gegen eine Unangemessenheit angeführt werden wie die durchschnittliche Verfahrensdauer einer überlasteten Gerichtsbarkeit (vgl. zur Sozialgerichtsbarkeit, BVerfG, vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10 – a.a.O.). Die Beurteilung der Angemessenheit erfolgt daher im Rahmen einer Zurechnung, ob eine Verzögerung überwiegend auf das Verhalten der Beteiligten oder auf eine Untätigkeit des Gerichts zurückzuführen ist (Magnus, ZZP 125 (2012), 75, 81 m.w.N.). Ungeachtet dessen haben die Gerichte aber auch die Gesamtdauer des Verfahrens zu berücksichtigen und sich mit zunehmender Dauer nachhaltig um eine Beschleunigung des Verfahrens zu bemühen (BVerfG, vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10 – a.a.O.). Insoweit beeinflusst die absolute Verfahrensdauer die Würdigung der Verfahrensförderung in einzelnen Abschnitten des Gerichtsverfahrens: Einerseits kann bei ungewöhnlich langen Laufzeiten im Einzelfall eine Vermutung für die Unangemessenheit ohne weitere Würdigung des Verhaltens der Beteiligten oder der Verfahrensförderung durch das Gericht sprechen (EGMR, Urteil vom 5. Oktober 2006 – 66491/01); andererseits kann eine (relative) Verzögerung in einem bestimmten Verfahrensstadium vertretbar sein, wenn die Gesamtverfahrensdauer nicht als unangemessen erachtet werden kann (EGMR, Urteil vom 2. Juni 2009 – 36853/05 – juris Rn. 45 m.w.N.). Die Prüfung der Unangemessenheit hat demnach in zwei Schritten zu erfolgen (vgl. zum Folgenden: Ott in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, 2013, § 198 GVG Rn. 97 ff.; ähnl. Breitkreuz in: Breitkreuz/Fichte, SGG, Ergänzung zu § 202 SGG, Rn. 32, beide m.w.N.). Zunächst ist das Verfahren nach Feststellung der Schwierigkeit und Bedeutung daraufhin zu untersuchen, ob in den einzelnen Verfahrensabschnitten eine angemessene Sachbehandlung im Sinne der Gewährung effektiven Rechtsschutzes stattgefunden hat und im Wege der Abwägung der o.g. Faktoren festzustellen, ob der Entschädigungskläger diese Dauer aufgrund einer Zurechnung der Verfahrensdauer, insbesondere wegen des Verhaltens der Verfahrensbeteiligten, im jeweiligen Abschnitt hinzunehmen hat oder aber dem Staat als unzureichende Verfahrensförderung zuzurechnen ist. Im Rahmen einer umfassenden Abwägung vor dem Hintergrund der Gesamtverfahrensdauer ist sodann zu prüfen, ob Verzögerungen kompensiert wurden oder aber eine unangemessene Gesamtverfahrensdauer ohne relative Verzögerungen eingetreten ist. Zutreffend weist die Klägerin darauf hin, dass die bundesstaatsbedingte Aufspaltung in zwei Entschädigungsschuldner nicht dazu führen darf, dass gleichsam anspruchsmindernde Überkompensationen dadurch eintreten, dass die jeweilige Verfahrensdauer in Verantwortung des anderen Rechtsträgers außer Betracht zu bleiben hat. Dies kann allerdings durch die Maßstabsbildung für die o.g. Gesamtbetrachtung verhindert werden.
Hinsichtlich Schwierigkeit und Bedeutung ist festzustellen, dass die überdurchschnittliche Schwierigkeit und die jedenfalls subjektiv existenzielle Bedeutung im Laufe der Verfahrenslaufzeit jeweils deutlich relativiert wurden. Mit der Einstellung des Klinikbetriebes im Juli 2002 entfielen offensichtlich eine Reihe von Rechtsfragen, wie aus den Entscheidungen aller Instanzen hervorgeht. Gleichermaßen erschöpfte sich die Bedeutung einer Entscheidung gegen Ende der Verfahrenslaufzeit weitgehend im Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Die am 22. Dezember 2001 erfolgte Klageerweiterung um ein Feststellungsbegehren veränderte die Schwierigkeit nicht erheblich. Vor diesem Hintergrund kann zwar u.a. wegen des Versuches einer außergerichtlichen Mediation und des parallel geführten Eilverfahrens vor November 2001 noch nicht von einer unangemessenen Sachbehandlung ausgegangen werden. Insbesondere die Konzentration des Kammervorsitzenden auf das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kann nicht zur Begründung der Überlänge angeführt werden. Indes sind danach weiterhin Bitten der Klägerin auf zeitnahe Entscheidung, Hinweise auf die Dringlichkeit bzw. "Überlebenswichtigkeit" der Sache und Sachstandsanfragen unter dem Datum vom 16. November 2001, 19. April 2002 und 8. Oktober 2002 zur Akte gelangt. Nach Erwiderung zur Klagerweiterung mit Beklagtenschriftsatz vom 4. Februar 2002 teilte der Kammervorsitzende mit Verfügung vom 22. April 2002 mit, dass der Rechtstreit zur Sitzung vorgesehen sei, wobei ein Jahr zuvor bereits zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört worden war. Im nachfolgenden Zeitraum beschränkten sich die Ermittlungen im Wesentlichen auf Verfügungen zum Stand des Insolvenzverfahrens. Zwischen dem Ende des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes und der Auflösung der Klägerin mit Datum vom 16. Juni 2003 sind mithin Verfahrensabschnitte des Stillstandes insbesondere im Verlauf des Jahres 2002 festzustellen; für diesen Zeitraum fallen eine Verfahrenslaufzeit von bereits mehr als zwei Jahren sowie eine noch nicht vernachlässigbare Bedeutung der Sache ins Gewicht, letzteres jedenfalls für den Zeitraum bis zur Einstellung des Klinikbetriebes im Juli 2002. Jedenfalls nicht zu Lasten der Klägerin kann das von der Beklagten so genannte "mehrgleisige" Vorgehen – u.a. vor dem Verwaltungsgericht – gewertet werden. Eine Vorgreiflichkeit eines bestimmten Weges zum Leistungserbringerstatus im GKV-System nach §§ 108, 109 SGB V a.F. vermag der Senat nicht zu erkennen. Ohne weitere Ermittlungen zur materielle Rechtslage erging erst 13. November 2003 ein Urteil, welches der Klägerin erst am 9. März 2004 zugestellt wurde. Diese mehrmonatigen Phasen des Verfahrensstillstandes nach einer Verfahrenslaufzeit von mehr als zwei Jahren wurden angesichts einer Verfahrensdauer in der ersten Instanz von 4 Jahren und 4 Monaten nicht kompensiert. Auch die addierte Dauer von 8 Jahren 2 Monaten und 20 Tagen in den ersten beiden Instanzen ist nach einer Gesamtbetrachtung unangemessen, da in der zweiten Instanz angesichts der dortigen Konzentration der Verfahrensleitung auf prozessrechtliche Fragen bei einer Laufzeit der Berufung von 3 Jahren und knapp 11 Monate keine Kompensation eingetreten ist.
Die Erhebung einer Verzögerungsrüge war nach Art. 23 Satz 4 ÜberlVfRSchG entbehrlich.
In der Rechtsfolge sind allerdings nur die außergerichtlichen Kosten für die Individualbeschwerde vor dem EGMR anteilig zu entschädigen. Der Anspruch aus § 198 GVG umfasst auch den Ausgleich einer durch die überlange Verfahrensdauer haftungsausfüllend verursachten materiellen Vermögenseinbuße. Da es sich nicht um einen Schadensersatzanspruch handelt, ist indes entgangener Gewinn nicht zu ersetzen; eine "angemessene" Entschädigung zielt nicht auf vollständige Restitution (vgl. BT Drs. 17/7217, S. 1 u. 27; Althammer/Schäuble, NJW 2012, 1, 3). Im Gesetzgebungsverfahren wurde diese Frage diskutiert; eine Verweisung auf die Rechtsfolgen des allgemeinen Schadensersatzrechts wurde verworfen. Auch unterliegt die Höhe der Entschädigung einer Billigkeitsabwägung (Ott in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott, a.a.O. § 198 GVG Rn. 222).
Soweit die Klägerin ihren Anspruch auf Entschädigung darauf stützt, dass ihr ein materieller Schaden dadurch entstanden sei, dass ein Versorgungsvertrag rückwirkend nicht mehr abgeschlossen werden könne, handelt es sich der Sache nach um die Geltendmachung entgangenen Gewinns, der aus den o.g. Gründen nicht beansprucht werden kann. Zudem ist nach Beginn der Liquidation nicht mehr ersichtlich, dass die Klägerin das Ziel des Abschlusses eines Versorgungsvertrages noch verfolgte. Schließlich ist nicht erkennbar, dass die Verfahrensdauer kausal dazu beigetragen hat, dass der Versorgungsvertrag nicht abgeschlossen worden ist. Dies geschah vielmehr aus anderen Gründen, wie aus der rechtskräftigen Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 28. Juli 2008 hervorgeht. Die außergerichtlichen Kosten sowie die Gerichtskosten des Rechtsstreits um den Versorgungsvertrag aller Instanzen sind nicht kausal auf die Verzögerung zurückzuführen. Vielmehr handelt es sich um sog. "Sowieso-Kosten", die ohnehin durch das Betreiben des Rechtsstreits angefallen sind und die sich durch Länge des Rechtsstreits nicht erhöht haben. Dies entspricht den vom EGMR angewendeten Grundsätzen, wonach im Rahmen von Art. 41 EMRK nur solche Verfahrenskosten erstattet werden, die entstanden sind, um die Konventionsverletzung abzuwehren (vgl. Meyer-Ladewig, EMRK, 3. Aufl., Art. 41 Rn. 30 m.w.N.) Aus den im vorherigen Absatz genannten Gründen können die Kosten auch nicht unter dem Gesichtspunkt vergeblich gewordener Aufwendungen verlangt werden. Die Kosten des bundesverfassungsgerichtlichen Verfahrens sind nicht zu entschädigen, da die Urteilsverfassungsbeschwerde unzulässig war. Eine Kausalität ist nicht erkennbar.
Zu entschädigen sind hingegen die außergerichtlichen Kosten für das Verfahren vor dem EGMR, soweit sich das dortige Verfahren auf die Rüge der Verfahrensdauer bezog. Der EGMR behandelt die außergerichtlichen Kosten im Sinne eines materiellen Kostenerstattungsanspruchs nach der Rechtsfolge des Art. 41 EMRK (vgl. Meyer-Ladewig, EMRK, 3. Aufl., Art. 41 Rn. 29 ff.). Deshalb ist über diese Kosten nicht aufgrund der "Überleitung" des Rechtsstreits vor dem EGMR in das vorliegende Verfahren im Rahmen der hiesigen Kostenentscheidung zu entscheiden, sondern von einem materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch auszugehen, wobei die Rechtsfolge des § 198 GVG im Rahmen der Rückwirkung über Art. 23 ÜberlVfRSchG an die des Art. 41 EMRK getreten ist. Mangels einer förmlichen Verweisungsmöglichkeit vom EGMR an das LSG kann auch nicht von einer Identität der Kosten ausgegangen werden. Die Klägerin verfolgte allerdings mit ihrer Individualbeschwerde zum EGMR (Schriftsatz vom 24. Februar 2009, Beschwerdenummer 12550/09) nicht nur die Rüge der Überlänge des Verfahrens um den Abschluss eines Versorgungsvertrages; sie rügte vielmehr auch die Verletzung von Art. 6 EMRK durch das Bundesverfassungsgericht sowie die Verletzung des konventionsrechtlichen Eigentumsschutzes und eine Diskriminierung als Privatklinik durch das bundessozialgerichtliche Urteil. Vor diesem Hintergrund erscheint die Bemessung des entschädigungsfähigen Anteils der außergerichtlichen Verfahrenskosten – auch im Hinblick auf die Erfolglosigkeit der Klage auf Entschädigung des Nichtvermögensschadens (dazu unten) – mit 1/8 angemessen. Da der Prozessbevollmächtigte nach seinen Angaben die entsprechende Vergütung noch nicht in Rechnung gestellt hat, war ein Freistellungsanspruch zu tenorieren.
Der Antrag zu 2) ist unbegründet. Eine weitergehende Wiedergutmachung durch Entschädigung eines Nichtvermögensschadens ist bei einer bereits aufgelösten GmbH ausgeschlossen. Zwar ist auch bei juristischen Personen ist eine Entschädigung in Geld für einen Nichtvermögensschaden nicht grundsätzlich ausgeschlossen (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 29. November 2012 - L 10 SF 5/12 ÜG – juris Rn. 231, unter Verweis auf EGMR, Urteil vom 6. April 2000, 35382/97 Comingersoll./.Portugal). Auf die wesentlich engere hergebrachte Schadensdogmatik des deutschen Zivilrechts insbesondere bei der Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts (dazu BGH, Urteil vom 8. Juli 1980 - VI ZR 177/78 - juris Rn. 44 - BGHZ 78, 24-28 - Medizinsyndikat I; Vieweg/Lorz in: jurisPK-BGB, § 253 BGB, Rn. 46 f.), wonach ein Genugtuungsbedürfnis nicht bei einem Personen- oder Kapitalzusammenschluss als solchem auftritt, kann nicht zurückgegriffen werden, da § 198 GVG nach seiner Entstehungsgeschichte im Lichte der vom EGMR herausgearbeiteten Entschädigungsgrundsätze auszulegen ist (so wohl auch BT-Drs. 17/3802, S. 40f.). Der EGMR weist in der genannten Entscheidung in Tz. 32 zunächst darauf hin, dass es in der bisherigen Rechtsprechung keinen generellen Ausschluss des Ersatzes eines Nichtvermögensschadens für juristische Personen gibt. Sodann führt er aus (amtliche Übersetzung nicht vorhanden): "33. Under the former Convention system, the Committee of Ministers, acting on proposals put forward by the European Commission of Human Rights, has in a number of cases awarded compensation for the non-pecuniary damage sustained by commercial companies as a result of the excessive length of proceedings. ( ) 34. The Court has also taken into account the practice of the member States of the Council of Europe in such cases. Although it is difficult to identify a precise rule common to all the member States, judicial practice in several of the States shows that the possibility that a juristic person may be awarded compensation for non-pecuniary damage cannot be ruled out. 35. In the light of its own case-law and that practice, the Court cannot therefore exclude the possibility that a commercial company may be awarded pecuniary compensation for non-pecuniary damage. The Court reiterates that the Convention must be interpreted and applied in such a way as to guarantee rights that are practical and effective. Accordingly, since the principal form of redress which the Court may order is pecuniary compensation, it must necessarily be empowered, if the right guaranteed by Article 6 of the Convention is to be effective, to award pecuniary compensation for non-pecuniary damage to commercial companies, too. Non-pecuniary damage suffered by such companies may include heads of claim that are to a greater or lesser extent "objective” or "subjective”. Among these, account should be taken of the company s reputation, uncertainty in decision-planning, disruption in the management of the company (for which there is no precise method of calculating the consequences) and lastly, albeit to a lesser degree, the anxiety and inconvenience caused to the members of the management team.”
Der Senat geht hiernach davon aus, dass juristische Personen bei der Entschädigung von Nichtvermögensschäden natürlichen Personen nicht schlechthin gleichzustellen sind. Im Einzelfall kommt es darauf an, ob die praktische Wirksamkeit des Rechtsschutzes gerade die Entschädigung auch eines Nichtvermögensschadens erfordert. Dies ist jedenfalls in einer Situation der Fall, in der eine Beeinträchtigung der Reputation des Unternehmens, eine Unsicherheit in der Planung von Unternehmensentscheidungen oder eine Störung der Geschäftsführung festzustellen ist, die der Beeinträchtigung einer natürlichen Person vergleichbar ist. Da aber auch nach der Rechtsprechung des EGMR die Entschädigung in Geld für einen Nichtvermögensschaden nur im Hinblick auf die eben beschriebene Schutzrichtung zu gewähren ist, ist die Wiedergutmachungs- oder Genugtuungsfunktion durch die Zahlung der pauschalierten Entschädigung nur zu verwirklichen, wenn sie nicht nur die Gesellschaft als Hülle, sondern das gelebte Unternehmen im Sinne einer werbenden Gesellschaft noch erreicht. Hat die Gesellschaft nur noch den Zweck der Durchführung der Liquidation, so ist eine Wiedergutmachung oder Genugtuung in Bezug auf Beeinträchtigungen der Reputation des Unternehmens, Unsicherheiten in der Planung von Unternehmensentscheidungen und Störungen der Geschäftsführung von vornherein unmöglich. Eine gegenteilige Ansicht würde letztlich dazu führen, ein mittelbares Genugtuungsinteresse der Gesellschafter – in ihrer Eigenschaft als Gläubiger der Vermögensverteilung in der Liquidation nach § 72 GmbHG – an die Stelle des vom EGMR vorausgesetzten Interesses der Gesellschaft zu setzen. Dies wäre mit dem Gedanken der Höchstpersönlichkeit des Anspruchs nicht vereinbar. Die Klägerin ist bereits aufgelöst (§ 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG), aber noch nicht beendet. Die GmbH i.L. ist zwar – gesellschaftsrechtlich gesprochen – mit der vor Auflösung existierenden, "werbenden" Gesellschaft personenidentisch, sie hat aber einen anderen Gesellschaftszweck erhalten, nämlich allein die Durchführung der Liquidation (vgl. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 7. Aufl., § 69 Rn. 3). Bestrebungen zu einer Rückkehr zur "werbenden" Gesellschaft – so sie überhaupt rechtlich möglich sein sollte – sind weder seitens der Klägerin vorgetragen noch sonst erkennbar. Damit ist ein werbendes Unternehmen, das eine Wiedergutmachung in seiner Reputation des Unternehmens, einer Unsicherheit in der Planung von Unternehmensentscheidungen und der erlittenen Störungen der Geschäftsführung seit Auflösung zweckbedingt nicht mehr existent und eine Wiedergutmachung ausgeschlossen.
Auch der Antrag zu 3) ist unbegründet. Da die Unangemessenheit bereits inzident bei der Entscheidung über den Antrag zu 1) festgestellt worden ist, ist eine gesonderte Feststellung nicht geboten. Ein weitergehendes Wiedergutmachungsinteresse ist auch im Hinblick auf die Erwägungen, die die Unbegründetheit des Antrages zu 2) tragen, nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Satz 6, 197a SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Das Obsiegen der Klägerin – 1/8 der außergerichtlichen Kosten des Verfahrens vor dem EGMR – ist angesichts des Unterliegens in Höhe bezifferter Verfahrenskosten von 205.858,77 EUR bis zum Bundesverfassungsgericht zuzüglich der beanspruchten Entschädigung für die Unmöglichkeit der rückwirkenden Zulassung, der beanspruchten Entschädigung des Nichtvermögensschadens und der durch den ursprünglichen Antrag zu 1) verursachten Mehrkosten zu vernachlässigen.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
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