L 8 U 5006/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 17 U 6708/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 5006/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 31.10.2013 wird zurückgewiesen.

Dem Kläger werden Verschuldenskosten auferlegt. Er trägt Gerichtskosten in Höhe von 225 EUR und hat außerdem der Beklagten die zu entrichtende Pauschgebühr zur Hälfte - in Höhe von 112,50 EUR - zu erstatten. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger im Wege einer Zugunstenentscheidung Anspruch auf Feststellung einer Berufskrankheit hat.

Der 1956 geborene Kläger war von September 1990 bis 1998 bei der Firma R. , die Fleischereimaschinen herstellte, als Metallarbeiter in der Produktion beschäftigt. Wegen Beschwerden Hand und Ellenbogen machte er 1997 bei der Süddeutschen Metall Berufsgenossenschaft, eine Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden Beklagte), das Vorliegen der Berufskrankheiten (BK) Nr. 2101 (Erkrankung der Sehnenscheiden oder Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- oder Muskelansätze) und 2103 (Erkrankung durch Erschütterung bei Arbeit mit Druckluftwerkzeugen et cetera) der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) geltend. Die Beklagte trat in Ermittlungen ein, in deren Verlauf sie u.a. den Bericht ihres Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) vom 05.05.1998 (gesundheitsgefährdende Exposition durch vibrationsbedingte Erschütterungen von Werkzeugen oder Maschinen habe nur von September 1990 bis Juni 1994 und länger dauernde mechanische Beanspruchung bis 1997 vorgelegen) sowie das Gutachten von Dr. Schw. vom 12.06.1998 einholte. Der Gutachter verneinte das Vorliegen einer BK, denn bezüglich der Handgelenke und des Ellenbogens seien auch nach Ende der Exposition keine pathologischen Veränderungen, wie bei vibrationsbedingten Erkrankungen zu erwarten, in der Kur 1995 beschrieben worden. Die operativ beseitigte Kompression des nervus ulnaris hätte ihre Ursache in einem komprimierenden Muskelbauch gehabt, weshalb auch hier eine Berufskrankheit ausscheide. Der Einschätzung stimmte die staatliche Gewerbeärztin G. in ihrer Stellungnahme 27.07.1998 zu. Mit Bescheid vom 10.09.1998 lehnte die Beklagte die Feststellung einer BK ab. Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 25.11.1998), ebenso die Klage vor dem Sozialgericht Freiburg (Urteil vom 06.08.1999 – S 10 U 3658/98 –). Im Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht (LSG) wurde - u.a. - ein ergänzender Bericht des TAD der Beklagten vom 11.04.2000 (eine tatsächlich belastende Tätigkeit sei lediglich von September 1990 bis Juni 1994 durchgeführt worden) und auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetzt (SGG) das Gutachten von Prof. Dr. H. vom 20.04.2001 eingeholt. Der Sachverständige verneint ebenso das Vorliegen der geltend gemachten BK. Berufskrankheitstypische Erkrankungen der Sehnenansätze oder Erkrankungen der Sehnen oder Sehnenscheiden hätten nicht vorgelegen. Typische Arthrosen, Osteochondrose oder Knochennekrosen seien beim Kläger radiologisch nicht nachweisbar. Darüber hinaus habe die Exposition durch Schlagmaschinen im Juni 1994 geendet, während Beschwerden an Ellbogen und Unterarmen aber erstmals 1996 aufgetreten seien. Mit Urteil vom 10.10.2001 wies das LSG die Berufung zurück (L 2 U 3734/99), die hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hatte keinen Erfolg (BSG, Beschluss vom 29.01.2002 – B 2 U 355/01 B -).

Der Kläger erhob Restitutionsklage gegen die Entscheidung des LSG (L 2 U 3071/03), die er in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG am 16.06.2004 zurücknahm.

Anträge des Klägers nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) vom 23.10.2003 und vom 25.06.2008 blieben erfolglos (Bescheid der Beklagten 15.01.2004 und Widerspruchsbescheid vom 31.03.2004 bezüglich Antrag aus 2003, Bescheid der Beklagten vom 21.07.2008 und Widerspruchsbescheid vom 09.10.2008 bezüglich Antrag aus 2008).

Am 06.06.2011 stellte der Kläger erneut einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X und legte hierzu den Arztbrief der Rheumatologischen Ambulanz der Universitätsklinik F. vom 22.06.2010 (Diagnose einer fortgeschrittenen Polyarthrose, ätiologisch sei diese sicherlich im Zusammenhang mit der früheren Arbeit am Presslufthammer zu interpretieren) und der radiologischen Praxis Dr. He. und Kollegen vom 12.04.2010 vor. Mit Bescheid vom 15.09.2011 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Aus dem vorgelegten Befundbericht des Universitätsklinikums F. könne lediglich entnommen werden, dass nunmehr eine Polyarthrose vorliege. Ein Zusammenhang mit der Exposition von September 1990 bis Juli 1994 könne nicht zwangsläufig angenommen werden, da zeitnah zur Berufsaufgabe keine pathologischen Veränderungen nachzuweisen gewesen seien. Mit Widerspruchsbescheid vom 17.11.2011 – zur Post gegeben am 18.11.2011 – wies die Beklagte den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers zurück.

Der Kläger erhob am 19.12.2011 Klage vor dem SG. Er bezog sich auf den Arztbrief des Universitätsklinikums F. vom 22.06.2010, außerdem auf die Unternehmeranzeige vom 12.03.1998, in der bereits auf seit 5 Jahren bestehende Beschwerden hingewiesen worden sei. Außerdem habe Dr. Schw. in seiner Stellungnahme vom 12.06.1998 die bereits 1996 gestellte Diagnose einer ulnarbetonten Arthrose mitgeteilt. Darüber hinaus habe sein früherer Kollege Dienstberger, sein Nachfolger bei der Firma R. , ebenso wie er Beschwerden gehabt.

Das SG holte von Dr. R. dessen Gutachten vom 07.09.2012 ein. Danach habe sich die Beschwerdesymptomatik des Klägers nicht wesentlich geändert. Die beschriebenen Schmerzen seien allein durch eine klinische Untersuchung schwer einzuordnen, weshalb es auf die bildgebende Diagnostik ankomme. Bei vibrationsbedingten Erkrankungen des Handgelenks unterscheide man zwischen Erkrankung des Knochen- und Gelenkssystems sowie dem vibrationsbedingten vasospatischen Syndrom. Zu unterscheiden sei eine generalisierte Arthrosis der Hand von der bk-bedingten isolierten Veränderungen einzelner Handwurzelknochen. Solche isolierten Veränderungen seien weder in seinen aktuellen Aufnahmen noch in den von ihm ausgewerteten früheren Aufnahmen ersichtlich geworden. Ebenso gäbe es keine Hinweis für eine Arthrose im distalen Radioulnargelenk, was ein gewichtiger Hinweis für eine BK 2103 wäre. Arthrotische Veränderungen im Radiocarpalgelenk seien nicht beweisend für ein vibrationsbedingtes Trauma. Für ein vibrationsbedingtes vasospastisches Syndrom sei klinisch und anamnestischen kein Hinweis zu erheben gewesen. Im Bereich der Ellbogengelenke habe sich radiologisch kein diagnoseweisender pathologischer Befund ergeben. Auch im Bereich der Schultergelenke seien nur degenerative Veränderungen der Rotatorenmanschette gegeben, geringe Verkalkungen im Supraspinatssehnenansatzbereich stünden nicht im Zusammenhang mit der vom Kläger angeschuldigten Tätigkeit.

Mit Gerichtsbescheid vom 31.10.2013 wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen stützte es sich auf das Gutachten von Prof. Dr. H. und auf das Gutachten von Dr. R ...

Der Kläger hat am 20.11.2013 beim LSG Berufung eingelegt und vertiefend zu seinem Vorbringen vor dem SG ausgeführt, Dr. Schw. habe in seinem Gutachten vom 12.06.1998 eine ulnarbetonte Arthrose sowie eine Insertionstendopathie beschrieben. Langjährige Beschwerden an Armen und Händen seien durch Dr. W. bestätigt worden, die vom Gericht im Urteil vom 06.08.1999 wegen des geäußerten Verdachts einer Fibromyalgie nicht berücksichtigt worden seien. Nach den Gutachten von Dr. R. seien die Beschwerden und Gelenkschäden in Form von Arthrosis deformans und zystische Veränderungen an den Handgelenken wegen der Art der Beschäftigung bei der Firma R. zu erwarten gewesen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 31.10.2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15.09.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.11.2011 aufzuheben und unter Aufhebung des Bescheids vom 10.09.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.11.1998 bei ihm das Vorliegen einer BK Nr. 2101 und Nr. 2103 der Anlage 1 zur BKV festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist zur Begründung auf ihre Ausführungen vor dem SG und auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Gerichtsbescheids.

Im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 07.04.2014 ist der Kläger vom Vorsitzenden darauf hingewiesen worden, dass nach den gutachtlichen Beurteilungen sein Begehren keine Stütze findet. Es ist ein Hinweis auf die Möglichkeit der Verhängung von Verschuldenskosten nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGG erteilt worden. In der Terminsladung des Vorsitzenden vom 13.05.2014 ist der rechtliche Hinweis wiederholt und hier hinsichtlich der voraussichtlichen Kosten konkretisiert worden.

Ein Antrag des Klägers vom 20.05.2014 wegen Besorgnis der Befangenheit des Senatsvorsitzenden ist mit Beschluss vom 04.06.2014 zurückgewiesen worden.

Der Senat hat die Verwaltungsakten der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts beigezogen. Auf diese Unterlagen und die vor dem Senat angefangene Berufungsakte wird wegen weiterer Einzelheiten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und insgesamt zulässig.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 15.09.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.11.2011 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme des bestandskräftigen Bescheids vom 10.09.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.11.1998 und auf Feststellung der begehrten BK.

Richtige Klageart ist die Anfechtungs- und Feststellungsklage. Einer Verpflichtungsklage, mit der die Beklagte verpflichtet werden soll, ihren früheren, dem Anspruch entgegenstehenden Bescheid selbst aufzuheben, bedarf es in einem Gerichtsverfahren zur Überprüfung eines Verwaltungsakts nach § 44 SGB X nicht. Dass ein Verwaltungsakt nach Eintritt der Bindungswirkung nicht mehr vor Gericht angefochten, sondern nur noch im Zugunstenverfahren zurückgenommen werden kann und dass hierüber nach § 44 Abs. 3 SGB X die zuständige Verwaltungsbehörde entscheidet, rechtfertigt nicht den Schluss, dass auch im Prozess über die Ablehnung des Zugunstenantrags die Rücknahmeentscheidung nicht vom Gericht ersetzt werden kann. Vielmehr kann mit der Anfechtungsklage gegen den eine Zugunstenentscheidung ablehnenden Bescheid zugleich die Aufhebung des früheren, dem Klageanspruch entgegenstehenden (Ausgangs-)Bescheides unmittelbar durch das Gericht verlangt werden (vgl. zum Vorstehenden insgesamt BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 18). Der Senat hat den Antrag des Klägers dementsprechend nach seinem erkennbaren Begehren sachdienlich gefasst.

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

Ist ein Verwaltungsakt rechtswidrig, hat der betroffene Bürger einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsaktes unabhängig davon, ob der Verwaltungsakt durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde (BSGE 51, 139, 141 = SozR 3900 § 40 Nr 15; BSG SozR 2200 § 1268 Nr. 29). Auch wenn der Versicherte schon wiederholt Überprüfungsanträge nach § 44 SGB X gestellt hat, darf die Verwaltung einen erneuten Antrag nicht ohne Rücksicht auf die wirkliche Sach- und Rechtslage zurückweisen. Entsprechend dem Umfang des Vorbringens des Versicherten muss sie in eine erneute Prüfung eintreten und den Antragsteller bescheiden (BSGE 51, 139, 141 = SozR 3900 § 40 Nr. 15; BSG SozR 3-2600 § 243 Nr. 8 S 27 f; BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 23 S. 119 f).

Nach diesen Grundsätzen ist der im Zugunsten-Verfahren nach § 44 SGB X ergangene Ablehnungsbescheid der Beklagten nicht zu beanstanden, denn der bestandskräftige, eine BK ablehnende Bescheid vom 10.09.1998 ist nicht infolge falscher Rechtsanwendung oder infolge unrichtiger Sachgrundlage rechtswidrig.

Der Senat verweist insoweit auf die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid des SG, denen er folgt (§ 153 Abs. 2 SGG). Das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren zwingt zu keiner anderen Beurteilung.

Der vom Kläger vorgelegte Arztbrief des Universitätsklinikums F. vom 22.06.2010 gibt keinen Hinweis auf das Vorliegen einer der geltend gemachten Berufskrankheiten. Wenn darin ausgeführt wird, der erhobene pathologische Befund einer fortgeschrittenen Polyarthrose sei sicherlich so zu interpretiert, dass er im Zusammenhang mit der früheren Arbeit des Klägers am Presslufthammer stehe, ist dieser Umschreibung bereits nicht der erforderliche überwiegend wahrscheinliche Zusammenhang zu entnehmen. Denn offensichtlich ist diese Formulierung auch der den Ärzten des Universitätsklinikums nicht bekannten Krankheitsvorgeschichte bzw. den nicht bekannten früheren Befunden geschuldet, jedenfalls ist nicht erkennbar, dass diese den Ärzten bekannt waren. Darüber hinaus hat Dr. R. diesen Arztbrief gutachterlich gewürdigt und darauf verwiesen, dass eine solche Diagnose wie auch die Diagnose von zystische Veränderungen nach den früheren, der einschlägigen Exposition noch näher liegenden Befunden nicht gestellt worden war. Eine ausgeprägte Heberden- und Bouchardarthrose ist den von Dr. R. gefertigten Röntgenaufnahmen vom Mai 2012 nicht zu entnehmen. Gleiches gilt für das vom Kläger vorgelegte Attest von Dr. G. vom 10.05.2011, das polyzystische Veränderungen im Bereich der Hände beschreibt, was gerade den von Dr. Schw. und Dr. R. überzeugend geforderten isolierten Befall von Handwurzelknochen nicht erkennen lässt.

Ebenso wenig ist der vom Kläger wiederholt in bereits abgeschlossenen Überprüfungsverfahren vorgetragene Hinweis auf die Unternehmensanzeige vom 12.03.1998 nicht zielführend, denn die dort in Bezug genommenen seit 5 Jahren bestehenden Beschwerden sind, wie Dr. R. überzeugend ausgeführt hat, für die geltend gemachten Berufskrankheiten unspezifisch. Die Betriebsärztin Dr. Be. bezieht sich in der Unternehmensanzeige auf ein Schulter-Arm-Syndrom, Epikondylitis (fraglich, da schwer lesbar) sowie auf (Beschwerden an) LWS und Hüfte. Die Beschwerden an Schultergürtel und Arme werden von Dr. Schw. , wie auch von Prof. Dr. H. , auf die Beschwerden der HWS und das Sulcus ulnaris-Syndrom bezogen, die unabhängig von der gesundheitsgefährdenden Exposition für die streitigen Berufskrankheiten entstanden sind. Zu dem Sulcus ulnaris-Syndrom hatte bereits Dr. Schw. in seinem Gutachten vom 12.06.1998 überzeugend ausgeführt, dass hierfür eine mechanische Ursache, nämlich der intraoperative Befund eines auf den Nerven drückenden Muskelbauches, verantwortlich ist. Eine vibrationsbedingte Ursache lag daher nicht vor. Im LSG-Verfahren L 2 U 3734/99 sind die behandelnden Ärzte des Klägers Dr. Ri. , Dr. Me. , Dr. Schu. , Dr. W. und Dr. Be. (vgl. Bl. 215-248 der BG-Akte) schriftlich als sachverständige Zeugen gehört worden – somit auch Dr. W. –, aus deren Aussagen sich aber keine hiervon abweichende Erkenntnisse ergaben. In den vorangegangenen Überprüfungsverfahren hatte sich die Beklagte daher zu Recht auf den insoweit bereits geklärten Sachverhalt berufen, weshalb das erneute diesbezügliche Vorbringen des Klägers keine neuen Erkenntnisse beinhaltet. Dr. Schw. hat zwar auch auf das erstmalige Beschwerdevorbringen nach Ende der Exposition abgestellt, seine gutachterliche Bewertung, dass keine BK vorliegt, aber auch unabhängig davon mit dem Fehlen der pathologischen Veränderungen in der Röntgendiagnostik begründet. Damit übereinstimmend kamen auch die anderen sich gutachterlich äußernden Ärzte Prof. Dr. H. und Dr. R. zum selben Ergebnis.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat dem Kläger Verschuldenskosten nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGG in Höhe von 225 EUR auferlegt. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht im Urteil oder, wenn das Verfahren anders beendet wird, durch Beschluss einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder -verteidigung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist. Dem Beteiligten steht gleich sein Vertreter oder Bevollmächtigter. Als verursachter Kostenbetrag gilt dabei mindestens der Betrag nach § 184 Abs. 2 SGG für die jeweilige Instanz (§ 192 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGG).

Abzustellen ist dabei auf die (objektivierte) Einsichtsfähigkeit eines vernünftigen Verfahrensbeteiligten und damit auf den "Einsichtigen" im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. hierzu stellvertretend BVerfG, Beschluss vom 11.10.2001, Az. 2 BvR 1271/01 m.w.N.). Es kommt nicht auf die konkrete subjektive Sicht des betroffenen Beteiligten an. Anders als beim Begriff des "Mutwillens", der bereits nach dem Wortlaut ein subjektives Element enthält, ist der Fassung des § 192 SGG zufolge, die er mit dem Sechsten Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes vom 17.08.2001 erhalten hat, für den Missbrauch nicht mehr erforderlich, dass der Beteiligte subjektiv weiß, die Rechtsverfolgung sei aussichtslos und er führe nun entgegen besserer Einsicht den Prozess weiter. Dies ergibt sich aus der Intention des Gesetzgebers, wie sie im Gesetzgebungsverfahren zu dem Sechsten Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes zum Ausdruck gekommen ist (BT-Drs. 14/5943, S. 28), der den § 192 SGG nach dem Vorbild des § 34 Abs. 2 BVerfGG gestalten wollte und für dessen Anwendung trotz seiner Überschrift im Fall des § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kein Verschulden des Betroffenen erforderlich ist (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteile des Senats vom 26.11.2010 - L 8 U 3211/10 -, vom 20.11.2009 - L 8 SB 1648/08 - und vom 28.11.2008 - L 8 AL 1799/07- unveröffentlicht sowie vom 20.05.2011 - L 8 SB 2762/10 -). Missbräuchlichkeit der Prozessführung ist anzunehmen, wenn das Begehren weiterverfolgt wird trotz offensichtlicher Aussichtslosigkeit oder auch das Verfahren sich nur als Wiederholung eines "in neues Gewand gekleideten schon abgelehnten Rechtsbehelfs" (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 192 Rn. 9) darstellt.

Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Kläger ist im Erörterungstermin vom 07.04.2014 und noch einmal schriftlich in der Terminsladung durch den Vorsitzenden auf die Möglichkeit der Verhängung von Verschuldenskosten und ausführlich auf die fehlenden Erfolgsaussichten seiner Berufung und die wiederholt vergeblichen Überprüfungsverfahren hingewiesen worden.

In dem nunmehr fünften Verfahren des Klägers, die alle mit im Wesentlichen dem gleichen Vorbringen das Begehren der Feststellung der hier streitgegenständlichen Berufskrankheiten betroffen haben, ist von keinem sich gutachterlich äußernden Arzt das Begehren gestützt worden. Selbst der im ersten Verfahren auf Antrag des Klägers als Arzt seines Vertrauens nach § 109 SGG bestimmte Sachverständige Prof. Dr. H. hat das Vorliegen einer BK verneint. Auch die für den Kläger wegen der gutachterlichen Darlegungen in den vorausgegangenen Verfahren erkennbare hypothetische Zusammenhangsbeurteilung der Universitätsklinik F. ist durch das überzeugende Gutachten von Dr. R. widerlegt worden. Auf die Frage der hinreichenden Exposition der einschlägigen Berufskrankheiten und auf den Beschwerdebeginn ist es insoweit nicht angekommen, was dem Kläger im Rahmen des Erörterungstermins dargelegt worden war. Der Kläger ist nachdrücklich darauf hingewiesen worden, dass bei dieser Prozesslage und der Prozessvorgeschichte ein Festhalten an der Berufung rechtsmissbräuchlich ist. Es ist bei dem Kläger darüber hinaus auch nicht zu erkennen – auch nicht im Erörterungstermin – gewesen, dass er gehindert wäre, diese Einsicht zu gewinnen und danach zu handeln. Vielmehr hat der Kläger ein besonders hohes Maß an Uneinsichtigkeit bewiesen, denn er war sich seines wiederholenden Vorbringens, das ihm in der Vergangenheit bereits nicht zum Erfolg verhalf, bewusst.

Unter Ausübung des ihm nach § 192 SGG eingeräumten Ermessens hält der Senat die Verhängung der vom Kläger hierdurch verursachten Kosten in Höhe der Mindestgebühr - wie angekündigt - nach § 192 Abs. 1 Satz 3 SGG für notwendig und auch angemessen. Daneben hat er die Hälfte der von Gesetzes wegen durch die Beklagte zu entrichtenden Pauschgebühr zu erstatten, denn nach § 186 Satz 1 SGG wäre die Pauschgebühr als regelmäßig anfallende Gerichtskosten bei einer Erledigung des Rechtsstreits ohne Urteil auf die Hälfte ermäßigt worden. Bei verständigem Handeln des Klägers wäre auch dieser Gerichtskostenanteil daher vermeidbar gewesen. Er ist somit vom Kläger in dieser Höhe der Beklagten zu erstatten (vgl. BSG, Urteil vom 27. April 1994 - 10 Rar 10/93 -, juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29.04.2010 - L 12 AL 5449/09 -, juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de; Leitherer in Meyer-Ladewig u.a., a.a.O., § 192 Rdnr. 13, 15). § 192 SGG i.d.F. ab 02.01.2002 ist eine Sonderregelung zu §§ 193 Abs. 4, 186 Abs.1 SGG und begründet auch einen Erstattungsanspruch des anderen Beteiligten (h.M., vgl. Leitherer, a.a.O. Rdnr 1a, 13 m.w.N.; a.A. Knittel in JHennig, SGG § 192 Rdnr. 16).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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