L 7 VE 15/11

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
7
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 5 VE 5/10
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 7 VE 15/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 28. September 2011 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Umstritten ist die Rücknahme einer Beschädigtenversorgung nebst Herabsetzung eines Grades der Schädigung (GdS).

Die am ... 1948 geborene Klägerin wurde am ...1978 im Klinikum K. nach einer Entbindung am ...1978 mit dem Impfstoff Anti-D-Prophylaxe, Chargennummer 130778, geimpft. 66 Tage nach der Schutzanwendung erkrankte sie im Februar 1979 an einer Virus-Hepatitis. Diese Erkrankung wurde als Impfschaden unter der Registrierungsnummer BD 08-301-181/79 anerkannt und zog in den folgenden Jahren Entschädigungsleistungen in Form von Heilbehandlungen, Kurmaßnahmen, Lohnersatz und zeitweise einer Invalidenrente (vom 1. Februar 1984 bis 30. Juni 1985) nach sich. Nach der Epikrise des Bezirkskrankenhauses D. vom 4. Februar 1980 über eine stationäre Kontrolluntersuchung am 21. Januar 1980 bestand bei der Klägerin ein Zustand nach Hepatitisinfektion mit protrahiertem Verlauf nach Injektion von Anti-D-Human-Gamma Globulin und erneuter Schwangerschaft während der Rekonvaleszenz. Die Patientin sei wegen dieser Erkrankung vom 1. bis 28. März 1979 stationär und in der Folgezeit ambulant behandelt worden. Die Transaminasenwerte hätten sich nach den Angaben der Patientin im oberen Grenzbereich und wenig darüber gehalten. Nach dem Zwischenbericht der U. H.-W. vom 16. März 1979 hatte die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt eine Leberpunktion abgelehnt und wurde stationär mit Bettruhe, Diät und Polyvitaminen therapiert. Im ärztlichen Gutachten der Staatlichen Versicherung vom 29. Februar 1984 lautete die Bezeichnung der Krankheiten der Klägerin: Chronisch persistierende Hepatitis nach Non-A Non-B-Hepatitis (1979) infolge Anti-D-Prophylaxe mit erneuter Gravidität und HBs-positiver Hepatitisinfektion (1980) während der Rekonvaleszenz. Die Laparoskopie vom 24. Januar 1984 habe eine makroskopisch persistierende Hepatitis ergeben. Zur Histologie des Leberpunktates wurde angegeben, es hätten sich kleinste Fragmente eines regelrecht gebauten Lebergewebes gezeigt, wobei das Material zur genauen Diagnostik nicht ausreichend gewesen sei.

Mit Schreiben vom 8. und 27. September 1993 informierte der Beklagte die Klägerin darüber, ihm sei in der Schadensangelegenheit bekannt geworden, dass die Klägerin nach dem Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten in der ehemaligen DDR Leistungen bezogen habe. Für zukünftig zustehende Rentenleistungen sei Voraussetzung, dass durch die bei der Klägerin vorgenommene Impfung eine gesundheitliche Schädigung eingetreten ist, die zu einer dauernden Gesundheitsstörungen geführt habe und eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 25 von 100 bedinge. Bei Antragstellung bis 31. Dezember 1993 stünden der Klägerin die Rentenleistungen rückwirkend ab 1. Januar 1991 zu.

Daraufhin stellte die Klägerin am 7. November 1993 den entsprechenden Antrag und wies auf ihre seit 1979 bestehende Erkrankung hin. Der Beklagte zog zur Aufklärung des medizinischen Sachverhaltes die seit 1979 vorhandenen Unterlagen bei und holte Befundberichte des Facharztes für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. L. vom 17. November 1994 und dem Städtischen Klinikum D., Chefarzt Dr. W., vom 3. Januar 1995 bei. Dipl.-Med. L. gab an, die Klägerin befinde sich in gutem Allgemein- und Ernährungszustand. Kopf und Hals seien ohne Befund, ebenso die Psyche und das zentrale Nervensystem. Sonografisch sei eine Steatosis hepatos festgestellt worden. Dr. W. gab an, aus den bis auf das Jahr 1980 zurückreichenden medizinischen Unterlagen ergebe sich, dass sich die Klägerin erstmals am 17. August 1981 ambulant vorgestellt habe. Anamnestisch sei damals festgehalten worden, dass vom 1. bis 28. März 1979 ein stationärer Aufenthalt wegen Hepatitis infektiosa stattgefunden habe und ein weiterer stationärer Krankenhausaufenthalt vom 21. Februar bis 25. April 1980 wegen einer Hepatitis-B-Erkrankung. Zu den Leberwerten hätten sich Werte um 80 gefunden, die nach den damaligen Einheiten erhöht gewesen seien. Der Normalwert habe damals um 50 gelegen. Offensichtlich sei zu dem Zustand nach Non-A-Non-B-Hepatitis infolge einer Anti-D-Prophylaxe im Jahr 1979 im weiteren Verlauf 1980 zusätzlich eine HBs-Antigen-positive Hepatitis hinzugekommen. Diese Diagnose sei im Kurbericht von November 1984 präzisiert und auf die laparoskopische und histologische Sicherung hingewiesen worden. Aus der zusammenfassenden Übersicht der Laborbefunde von 1989 bis 1992 sei eindeutig der Ablauf einer Hepatitis-B- und Hepatitis-C-Infektion zu belegen. Diese Befunde ließen im Jahr 1992 aber auch normale Transaminasen ohne Hinweis auf eine Aktivität erkennen. Nach der Befundlage habe eine geringgradige Übergewichtigkeit der Klägerin bestanden, so dass leichte Transaminasenunruhen auch durch eine Steatosis erklärt werden könnten. Die letzten Vorstellungen der Klägerin seien am 23. Dezember 1992 bei normalen Laborwerten und am 5. Januar 1994 mit weitgehend unauffälligen Befunden erfolgt. Ob derzeit noch eine chronische Hepatitis C bestehe, könne ohne Leberbiopsie nicht sicher entschieden werden. Bislang sei dafür aufgrund der weitgehend normalen Werte allerdings keine Indikation gegeben gewesen.

Der Ärztliche Dienst des Beklagten, Dr. R., erstattete ein versorgungsärztliches Gutachten vom 19. April 1995 mit folgenden Feststellungen: Die medizinische Sachlage sei trotz des Umfanges der Akten nicht gut. Diese bestätigten lediglich die Kausalität einer Hepatitis C, während die übrigen Aktenvorgänge vorwiegend die Regelung von Geldersatzansprüchen der Klägerin zu DDR-Zeiten beträfen. Erwiesen sei, dass nach einer Entbindung im Klinikum K. am ...1978 eine Gabe von Anti-D erfolgt ist. Diese Chargen-Nummer 130778 habe zu den damals zurückgerufenen kontaminierten Chargen gehört. Ferner sei davon auszugehen, dass die stationäre Behandlung im Universitätsklinikum vom 1. bis 28. März 1979 wegen einer Non-A-Non-B-Hepatitis auf der Basis dieser Anti-D-Globulin-Gabe beruht habe. Erst im Jahre 1980 sei dann eine Hepatitis-B-Infektion hinzugekommen, die von der Klägerin auf die damals gehäuft erfolgten Blutentnahmen zurückgeführt werde. 1984 sei im Rahmen einer Kuruntersuchung eine Laparoskopie im Januar 1984 in B. B. durchgeführt worden. Dabei sei eine chronisch-persistierende Hepatitis makroskopisch bestätigt worden, während eine histologische Untersuchung offenbar nicht stattgefunden habe. Eine weitere Heilkur sei im November 1985 in B. E. erfolgt. Seit 1992 befinde sich die Klägerin lediglich noch in der Kontrolle des Hausarztes, wobei dieser nur geringfügig erhöhte Leberwerte festgestellt und einen positiven Antikörpertest durchgeführt habe. Abgesehen von einer anfänglichen Vitaminbehandlung sei keine spezifische Therapie erfolgt. Nach den Angaben der Klägerin würden aufgrund der Schädigungsfolgen nicht sehr viele Beschwerden bestehen. Sie fühle sich zwischenzeitlich abgespannt, habe manchmal Hautjucken und gelegentlich und selten Schmerzen im rechten Oberbauch. Zusammenfassend hat der Sachverständige ausgeführt, dass die mitgeteilten Befunde sowie die jetzigen Enzym-Werte nur leicht pathologische Befunde ergäben. Es sei aber in diesem Zusammenhang mit eindeutiger Sicherheit nachgewiesen, dass die HCV-PCR noch positiv ist, was für eine Persistenz der Hepatitis-Viren einer Hepatitis-C-Erkrankung spreche. Bei dem relativ blanden Verlauf in den letzten Jahren sei für eine Punktion bisher keine ausreichende Indikation gegeben gewesen, weil bei leicht erhöhten Transaminasen eine therapeutische Entscheidung zur Interferontherapie bisher nicht ersichtlich gewesen sei. Insgesamt sei von folgender Erkrankung auszugehen: "Chronische Hepatitis-C mit geringer Aktivität MdE 30 vom 100".

Mit Erstanerkennungsbescheid vom 30. Mai 1995 erkannte der Beklagte eine "Chronisch-persistierende Hepatitis-C infolge Anti-D-Prophylaxe" als Schädigungsfolge an, setzte hierfür eine MdE um 30 von 100 ab 1. Januar 1991 fest und bewilligte der Klägerin ab diesem Zeitpunkt Versorgungsbezüge in gesetzlicher Höhe von anfänglich 84 DM, ab Januar 1995 von 163 DM monatlich.

Am 1. August 2000 beauftragte der Beklagte den ärztlichen Dienst mit der Prüfung, wie die Schädigungsfolgen auf der Grundlage der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit (AHP) 1996 richtig zu bezeichnen und mit welcher MdE diese zu bewerten seien. Im August 2000 (genaues Datum nicht angegeben) kam MR Dr. H. zu dem Ergebnis, Schädigungsfolge sei eine chronische Hepatitis ohne Progression, die mit einer MdE um 20 von 100 zu bewerten sei. Die 1984 nach histologischer Untersuchung getroffene Feststellung einer chronisch persistierenden Hepatitis, verbunden mit PCR +, Anti-HCV positiv, gering erhöhten Transaminasen führe in Unkenntnis aktueller Befunde zu einer MdE um 20. Demgegenüber kam MR Dr. H. am 21. August 2000 zu folgender Einschätzung: Nach Aktenlage liege kein histologischer Befund vor und die seinerzeit gestellte makroskopische Diagnose sei von begrenzter Aussagekraft. Auszugehen sei von allenfalls geringen Aktivitäten. Nach dem Beiratsbeschluss von November 1996 würde dies einer "chronischen Hepatitis mit Progression" entsprechen. Würde man diesen Sachverhalt unbeachtet lassen, lägen geringfügige Leberwerterhöhungen vor, die in dem Bereich angesiedelt seien, die ebenfalls eine MdE um 30 entsprechend dem genannten Beiratsbeschluss nach sich ziehen würden. Unter Berücksichtigung des makroskopischen Bildes der Leber sei von einer chronischen Hepatitis C mit Progression und gering entzündlicher Aktivität, mithin von einer MdE um 30 auszugehen.

Der Einschätzung von MR Dr. H. folgend erließ der Beklagte von Amts wegen den Bescheid vom 18. September 2000 über die Gewährung finanzieller Hilfen an Geschädigte nach § 3 Anti-D-Hilfegesetz und gewährte der Klägerin finanzielle Hilfen nach diesem Gesetz ab 1. Januar 2000. Als Schädigungsfolgen erkannte er an: "Chronische Hepatitis C mit Progression" und setzte dafür eine MdE gemäß § 3 Abs. 4 AntiDHG iVm § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) um 30 von 100 fest. Ferner gewährte er aufgrund der anerkannten MdE eine Einmalzahlung in Höhe von 12.000 DM. Die ab Januar 2000 bewilligte monatliche Rente belief sich auf 500 DM.

In einem Schwerbehindertenverfahren der Klägerin stellte der Beklagte mit Bescheid vom 3. März 2005 gemäß § 69 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch – Rehabilitation und teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) als Beeinträchtigungen "Chronische Hepatitis C, Verlust der Eierstöcke" und einen Grad der Behinderung für diese Gesundheitsstörungen von insgesamt 20 ab 3. Januar 2005 fest. Zugleich wurde im Rahmen des Schwerbehindertenverfahrens die Nachprüfung des Bescheides nach dem AntiDHG dringend empfohlen, da von einer MdE-Minderung mit Wegfall der Berechtigung auszugehen sei. Im Schwerbehindertenverfahren hatte der Beklagte Befundunterlagen von der Fachärztin für Innere Medizin Dr. R. vom 7. Februar 2005, dem Facharzt für Nuklearmedizin Dr. H. vom 22. April 2004 nebst weiteren Unterlagen eingeholt. Nach den von Dr. R. mitgeteilten Laborwerten, die am 18. September 2004 erhoben worden waren, lag ein positiver PCR-HCV wird vor, der für eine akute oder chronisch aktive HCV-Infektion spreche. Dem beigefügten Bericht des Städtischen Klinikums D. vom 24. Juni 2004 war zu entnehmen, dass die Klägerin vom 26. bis 28. Mai 2004 zur Durchführung einer Leberpunktion stationär aufgenommen worden war. Die Laparoskopie und Leberpunktion am 27. Mai 2004 habe histologisch den Nachweis einer geringgradigen chronischen Hepatitis C erbracht. Es handele sich um eine aktiv replizierende Hepatitis C vom Virus-Genotyp 1 mit histologisch nur geringer inflammatorischer und fibrotischer Aktivität. Die Leberfunktion sei in jeglicher Hinsicht ohne Einschränkungen. Aufgrund der histologischen Untersuchung sei keine dringende Indikation zu einer Therapie mit Interferon gegeben.

Mit weiterem Bericht vom 13. Oktober 2004 an Dr. R. wiederholte das Städtische Klinikum D. nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 23. September 2004 die Diagnose einer histologisch gesicherten chronischen Hepatitis mit geringer inflammatorischer und geringer fibrotischer Aktivität. Zur Histologie vom 2. Juni 2004 wurde angegeben: "Kleiner, erheblich fragmentierter Leberpunktionszylinder mit 8 erfassten Periportalfeldern. ( ) Allenfalls nur geringfügige Fibrose. Diskrete, stellenweise bis mäßige lympho-histizytäre Infiltration der Periportalfelder. ( ) Keine klassischen sog. Mottenfraßnekrosen. Wenige Einzelzellnekrosen mit knötchenartiger Sternzellaktivierung. Geringe Verfettung einzelner Hepatozytengruppen ( ) Keine Cholestase. Kein Anhalt für Malignität. Diagnose: Geringgradige chronische Hepatitis C (Grad 2, Score 1 nach Desmet)." Ferner wurde in dem Bericht angegeben, dass paraklinisch grenzwertig erhöhte Transaminasen aufgefallen seien.

In Auswertung dieser Befunde kam Dr. E. vom versorgungsärztlichen Dienst des Beklagten am 24. Mai 2005 und 15. Juni 2005 zu dem Ergebnis, es sei von einer chronischen Hepatitis C mit geringer nekro-inflammatorischer Aktivität und geringer Fibrose auszugehen, die einer MdE um 20 von 100 entspreche. Der histologische Befund habe gegenüber den vergleichsweise unspezifischen Transaminasen im Blut, die sich im Normal- bzw. diskret erhöhten Bereich befänden, Priorität. Vor diesem Hintergrund sei auch nach dem Arbeitshinweis vom 14. Juli 2000 eine zweifelsfreie Unrichtigkeit der bisherigen Bewertung der Hepatitis C festzustellen. Nach den AHP sei die Gesamtkonstellation aller Untersuchungsergebnisse entscheidend, die hier für eine chronische Hepatitis C mit einer MdE um 20 von 100 spreche.

Mit Schreiben vom 21. Juni 2005 hörte der Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten Neufeststellung der Schädigungsfolge und Entziehung der monatlichen Rente an. Mit Bescheid vom 3. Januar 2006 hob er den Bescheid vom 18. September 2000 insoweit auf, als ab 1. Februar 2006 eine Änderung in der Bezeichnung der Schädigungsfolge eintrete und die Höhe der MdE neu festgestellt werde. Die MdE erreiche keine rentenberechtigende Höhe von mindestens 25 vom 100 nach § 30 Abs. 1 BVG mehr. Rentenleistungen stünden der Klägerin nicht mehr zu. Die Schädigungsfolgen seien ab 1. Februar 2006 mit "Chronische Hepatitis C mit geringer nekro-inflammatorischer Aktivität und geringer Fibrose" zu bezeichnen.

Ausweislich eines Telefonvermerkes teilte der Ehemann der Klägerin dem Beklagten am 21. März 2005 in dem Verfahren seiner Frau mit, diese habe im Februar 2005 eine Interferon-Behandlung begonnen; ihr Gesundheitszustand habe sich wesentlich verschlechtert. Mit Schreiben vom 20. März 2005 teilte die Klägerin mit, sie lege Widerspruch gegen den Feststellungsbescheid vom 3. März 2005 ein, da keine Verbesserung, sondern eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes eingetreten sei.

Im Laufe des Widerspruchsverfahrens legte der Beklagte mit verwaltungsinternem Vermerk vom 15. Februar 2006 die Einschätzung nieder, unter Berücksichtigung der älteren Befunde seien nicht festzustellen, dass die Anerkennung "Chronisch-persistierende Hepatitis-C infolge Anti-D-Prophylaxe" und deren Bewertung nach den damals geltenden Vorgaben mit einer MdE von 30 von 100 eindeutig rechtswidrig erfolgt sei. Zu erkennen sei aber, dass die Aktivitätszeichen der Erkrankung nach Erlass des Erstanerkennungsbescheides einen rückläufigen Verlauf genommen haben. Dieser rückläufige Verlauf der Transaminasenwerte lasse auf eine Besserung des Gesundheitszustandes schließen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 9. März 2006 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung gab er an, dass nach § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben sei, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten sei. Eine wesentliche Änderung im Sinne einer Besserung liege dann vor, wenn sich hierdurch der Grad der MdE um mehr als 5 vH senke. Voraussetzung für die Feststellung einer wesentlichen Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse im Sinne einer Besserung sei, dass genügend vergleichbare Befunde vorliegen, aus denen sichere Schlüsse gezogen werden könnten, dass eine wesentliche Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen tatsächlich eingetreten ist.

Diese Voraussetzungen seien im Fall der Klägerin gegeben. Der aufgehobene Bescheid über die Gewährung finanzieller Hilfen an Geschädigte nach § 3 AntiDHG vom 18. September 2000, mit dem eine "Chronische Hepatitis C mit Progression" als Schädigung nach dem AntiDHG anerkannt und mit einer MdE um 30 vH bewertet worden sei, habe auf dem Erstanerkennungsbescheid vom 30. Mai 1995 nach dem damals geltenden Bundesseuchengesetz beruht. Als Schädigungsfolge sei entsprechend den damals geltenden Vorschriften mit diesem Bescheid eine "Chronisch-persistierende Hepatitis-C" mit einer MdE um 30 anerkannt worden. Die dieser Bescheiderteilung zu Grunde liegende Befundlage sei durch eine Erhöhung der Transaminasenwerte als Ausdruck einer chronischen Entzündung gekennzeichnet, die unter Beachtung der damaligen Gesamtbefundkonstellation und des, wenn auch nur bedingt aussagefähigen makroskopischen Bildes der Leber aus dem Jahre 1984, die Zuerkennung einer MdE um 30 von 100 gerechtfertigt habe. Durch den nunmehr vorliegenden Histologiebefund, dem nach den AHP in der ab 1997 geltenden Fassung, geändert durch das Rundschreiben des BMA vom 6. April 2001, vorrangige Bedeutung bei der Beurteilung der chronischen Hepatitis gegenüber den vergleichsweise unspezifischen Transaminasenwerten zukomme, sei eine wesentliche Änderung im Sinne einer Besserung der anerkannten Schädigungsfolgen belegt. Die histologische Auswertung des Leberpunktates nach dem von Ishak modifizierten HAI-Score habe das Vorliegen einer – wie nunmehr anerkannt – "Chronischen Hepatitis mit geringer nekro-inflammatorischer Aktivität und geringer Fibrose" erbracht bzw. bestätigt. Nach den vorgenannten geltenden Richtlinien der AHP bedinge ein solcher Befund, der eine Besserung bestätigt, lediglich eine MdE um 20 von 100. Im Übrigen hätten sich auch die Transaminasenwerte gebessert, denn diese bewegten sich nunmehr weitestgehend im Normbereich bzw. im nur diskret erhöhten Bereich. Vor diesem Hintergrund und unter Beachtung der Tatsache, dass die behandelnden Ärzte unauffällige Sonographiebefunde und zudem auch eine uneingeschränkte Leberfunktion bestätigt hätten, sei die getroffene Entscheidung über die Neufeststellung des Versorgungsanspruchs nicht zu beanstanden. Eine Rente stehe der Klägerin aufgrund dieser aktuellen Befundlage nicht mehr zu.

Gegen den Widerspruchsbescheid erhob die Klägerin am 13. April 2006 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Dessau mit der Begründung, es sei bei ihr keine Besserung des Gesundheitszustandes im Sinne einer wesentlichen Änderung festzustellen. Im Erörterungstermin vom 30. August 2006 wurde der Beklagte ausweislich der Sitzungsniederschrift von der Vorsitzenden darauf hingewiesen, dass eine Entziehung der Rente nur berechtigt sei, wenn eine "Besserung" eingetreten ist. Erst unter dieser Voraussetzung sei nach § 48 SGB X die Rentenentziehung berechtigt. Nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen liege jedoch kein Besserungsnachweis vor. Die medizinischen Unterlagen deuteten darauf hin, dass möglicherweise die MdE um 30 vom 100 zu hoch erfolgt sei. Die Beteiligten schlossen daraufhin zur Beendigung des Rechtsstreits folgenden Vergleich:

Der Beklagte erklärt sich bereit, der Klägerin über den 31. Januar 2006 weiterhin eine Versorgungsrente nach einer MdE von 30 v.H. zu zahlen.

Die Zahlung der Versorgungsrente erfolgt jedoch ab 01. Februar 2006 nicht mehr nach den Grundsätzen der Rentenanpassung. Die Rente wird ab 01. Februar 2006 nach § 48 Abs. 3 SGB X eingefroren.

Der Beklagte erklärt sich bereit der Klägerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Mit Ausführungsbescheid vom 21. September 2006 setzte der Beklagte den vor dem SG Dessau abgeschlossenen gerichtlichen Vergleich um und bewilligte der Klägerin ab 1. November 2006 eine monatliche Rente in Höhe von 271 EUR. Im Juli 2008 leitete er eine Überprüfung der Versorgungsangelegenheit ein und beauftragte Dr. R. sowie Dr. H. mit der Erstattung von Befundberichten. Mit Bericht vom 30. Juli 2008 teilte Dr. R. einen hinsichtlich der Leber regelrechten Sonographiebefund mit. Der am 16. Januar 2008 im Labor ermittelte PCR-HVC (HCV-RNA, quantitative PCR) habe einen Wert von ( 15 ergeben; das allgemeine Befinden der Klägerin sei mäßig bis gut. Es bestehe ein Zustand nach Hepatitis C und Therapie mit Interferon und Ribavarin bis 16. Januar 2008. Es sei keine Viruslast nachweisbar, die Therapie sei erfolgreich gewesen. Dr. H. gab, ebenfalls am 30. Juli 2008, an, bei der Klägerin bestehe einer unter der Therapie mit Ramipril gut eingestellter Bluthochdruck ohne subjektive Beschwerden. Als Endorganschaden bestehe eine mäßige Linksherz-Hypertrophie. Eine Hepatitis-C-Infektion sei offensichtlich erfolgreich bei Frau Dr. R. behandelt worden. Eine entzündliche Aktivität liege unter Berücksichtigung der normwertigen Transaminasen zurzeit nicht vor. Der vom Beklagten mit der Auswertung dieser Befunde beauftragte Ärztliche Dienst kam am 15. September 2008 zu dem Ergebnis (Dr. E.), dass aus den neu herangezogenen medizinischen Befunden eine bis zum 16. Januar 2008 durchgeführte antivirale Therapie mit Interferon und Ribavarin hervorgehe. Nach dieser Behandlung seien keine Hepatitis C-Viren mehr im Blut nachgewiesen worden, die HCV-RNA-PCR sei negativ gewesen. Unter Berücksichtigung dieser Unterlagen sei die Therapie erfolgreich gewesen. Um eine dauerhafte Besserung zu belegen, sei ein Jahr nach dem Ende der antiviralen Behandlung, d.h. im Januar 2009, eine Nachuntersuchung erforderlich. Mit Schreiben vom 31. März 2009 forderte der Beklagte von Dr. R. erneut einen Befundbericht an und bat insbesondere um Mitteilung der Ergebnisse von Kontrolluntersuchungen der HCV-RNA ab 16. Januar 2008. Am 3. Mai 2009 teilte Dr. R. mit, die letzte Konsultation der Klägerin habe am 12. Februar 2009 wegen thorakaler Beschwerden und Luftnot stattgefunden. Es bestehe bei ihr ein Zustand nach Hepatitis-C-Infektion, derzeit ohne Aktivität und Therapie. Nach der durchgeführten antiviralen Therapie sei es zu einem optimalen Behandlungserfolg gekommen. Der Nachweis einer Viruslast sei derzeit nicht zu führen. Regelmäßige laborchemische Untersuchungen hätten Leberwerte im Normbereich gezeigt. Die Patientin gebe bezüglich dieser Erkrankung seit der Therapie keine Probleme mehr an. Auch in Zukunft seien weitere regelmäßige Nachkontrollen geplant. Ferner befindet sich auf dem Befundbericht der handschriftliche Vermerk "HCV-RNA negativ". Ein dem entsprechender Eintrag findet sich auch auf dem Ausdruck der Laborwerte/Messgrößen für die Klägerin vom 30. Juli 2008 und 9. Februar 2009. Mit weiterem Bericht vom 18. Juni 2010 bestätigte Dr. R. diese Befunde; auch bei einem Test am 8. Oktober 2009 wurde im Labor die PCR. HCVQ mit negativ bewertet. Der vom Beklagten erneut beteiligte ärztliche Dienst (Dr. E.) kam am 9. Juli 2010 zu dem Ergebnis, es lägen nunmehr weitere Befunde in ausreichendem Abstand nach Abschluss der bis zum 16. Januar 2008 durchgeführten antiviralen Therapie vor. Demnach sei die Therapie auch dauerhaft erfolgreich. Es sei anhaltend nicht mehr zu einem Virusnachweis im Blut gekommen. Nach der Therapie seien alle Blutuntersuchungen negativ, d.h. ohne Virusnachweis, gewesen. Damit sei die Hepatitis C als ausgeheilt zu betrachten. Konform dazu sei in den Diagnosen der behandelnden Internistin ein Zustand nach Hepatitis C verzeichnet. Es sei jetzt nur noch von einem Antikörpernachweis nach abgelaufener Hepatitis C-Virusinfektion auszugehen. Ein GdS ergebe sich jetzt infolge der Besserung nicht mehr. Dr. E. empfahl als Bezeichnung und Bewertung der Schädigungsfolgen ab Februar 2009: Antikörpernachweis nach abgelaufener Hepatitis C-Virusinfektion - GdS 0 vH.

Mit Schreiben vom 15. Juli 2010 hörte der Beklagte die Klägerin zu der beabsichtigten Herabsetzung des GdS auf 0 mit gleichzeitigem Wegfall der Beschädigtenrente an. Anstelle der bisher festgestellten Schädigungsfolge "Chronische Hepatitis mit geringer nekro-inflammatorischer Aktivität und geringer Fibrose" sei jetzt nur noch die Schädigungsfolge "Antikörpernachweis nach abgelaufener Hepatitis C-Virusinfektion" zu bezeichnen. Ein rentenberechtigtender GdS bestehe danach nicht mehr. Dies führe dazu, dass die monatlich zustehende Rente von derzeit 271 EUR wegfalle. Als Zeitpunkt der Neufeststellung sei frühestens der 1. September 2010 vorgesehen. Mit Bescheid vom 4. August 2010 hob der Beklagte den Widerspruchsbescheid vom 9. März 2006 sowie den Ausführungsbescheid vom 21. September 2006 insoweit auf, als ab dem 1. September 2010 eine Änderung in der Bezeichnung der Schädigungsfolge eintrete und die Höhe des GdS neu festgestellt werde. Der GdS erreiche keine rentenberechtigende Höhe von mindestens 25 vH nach § 30 Abs. 1 BVG mehr. Die Schädigungsfolgen seien ab 1. September 2010 mit "Antikörpernachweis nach abgelaufener Hepatitis C-Virusinfektion" zu bezeichnen. Der GdS betrage ab 1. September 2010 0 von 100. Zur Begründung gab der Beklagte an, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten sei, sei der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben und der Anspruch neu festzustellen (§ 48 Abs. 1 SGB X). Voraussetzung für den Nachweis einer wesentlichen Änderung in den tatsächlichen gesundheitlichen Verhältnissen im Sinne einer Besserung sei, dass genügend vergleichbare Befunde vorliegen, aus denen sichere Schlüsse hinsichtlich einer wesentlichen Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen gezogen werden könnten. Die behandelnde Ärztin Dr. R. habe Befunde über Kontrolluntersuchungen im Labor vom 16. Januar 2008, 30. Juli 2009, 9. Februar 2009 sowie vom 8. Oktober 2009 vorgelegt. In Auswertung dieser Befunde sei festzustellen, dass bereits nach der am 16. Januar 2008 abgeschlossenen antiviralen Therapie mit Interferon und Ribavirin keine Hepatitis-C-Viren mehr im Blut nachgewiesen worden seien. Alle nachfolgenden Blutuntersuchungen seien negativ, d.h. ohne Viruslast, gewesen. Somit sei von einer anhaltenden Viruseliminierung und damit von einer Ausheilung der Hepatitis-C-Erkrankung auszugehen.

Mit ihrem dagegen am 9. August 2010 eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, die Interferon-Behandlung sei wegen einer Verschlimmerung des Gesundheitszustandes durchgeführt worden. Mit dem vor dem SG Dessau abgeschlossenen Vergleich habe sie hingenommen, zukünftig von Rentenerhöhungen ausgeschlossen zu bleiben, weil sie es nicht für zumutbar gehalten habe, durch einen langen Instanzenweg mit den tatsächlichen oder möglichen Folgen der Leberschädigung konfrontiert zu werden. Die Lebererkrankung könne jederzeit wieder ausbrechen und heile nicht aus. Daher können sie nicht nachvollziehen, warum der Beklagte nicht auf die Anwendung des AntiDHG eingehe, zumal die Anspruchsvoraussetzungen in § 1 und die Höhe der Leistungen in § 3 dieses Gesetzes genau definiert seien.

Mit Widerspruchsbescheid vom 1. November 2010 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung gab er an, der Ansicht der Klägerin, wonach die Krankheit jederzeit wieder ausbrechen könne, müsse widersprochen werden. Die Neufeststellung sei zulässig und geboten, weil die vorliegende Befundlage eindeutig belege, dass die bis 16. Januar 2008 durchgeführte antivirale Therapie mit Interferon und Ribavirin erfolgreich gewesen sei. Während noch zum Zeitpunkt der letzten bescheidmäßigen Feststellung des Versorgungsanspruchs der Klägerin eine chronische Hepatitis C mit geringer nekro-inflammatorischer Aktivität und geringer Fibrose vorgelegen habe, seien nach der antiviralen Therapie keine Hepatitis C-Viren mehr im Blut nachgewiesen worden. Lediglich Antikörper hätten noch nachgewiesen werden können. Der Antikörpernachweis sei ein Beleg dafür, dass sich der Körper erfolgreich mit der Infektion auseinandergesetzt habe. Funktionelle Beschwerden würden durch diese Antikörper – anders als durch die vorher vorliegenden entzündlichen Aktivitäten – nicht mehr verursacht. Dem entsprechend könne kein messbarer GdS mehr festgestellt werden. Der Antikörpernachweis sei daher sachgerecht mit einem GdS von 0 von 100 bewertet worden; Der Vorwurf, dass bei der Neufeststellung kaum auf das AntiDHG eingegangen bzw. §§ 1 und 3 dieses Gesetzes nicht beachtet worden seien, greife nicht durch. Durch die Neufeststellung habe sich an der ursprünglich getroffenen Feststellung, dass die Klägerin eine unter den Schutzbereich des AntiDHG fallende Schädigung im Sinne einer Infizierung mit dem Hepatitis-C-Virus im Zusammenhang mit der Anti-D-Prophylaxe erlitten habe, nichts geändert. Die Tatsache, dass ein GdS von 0 vH keinen Anspruch auf Gewährung von Rentenleistungen begründet, sei eindeutig und stehe im Einklang mit den Vorschriften des § 3 AntiDHG.

Gegen den Widerspruchsbescheid hat sich die Klägerin mit der am 25. November 2010 vor dem SG Dessau-Roßlau erhobenen Klage gewendet und vorgetragen, nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VMG) sei eine chronische Hepatitis mit geringer entzündliche Aktivität zunächst grundsätzlich mit einem GdS von 30 zu bewerten. Sofern der Beklagte meine, den GdS der Klägerin mit 0 bewerten zu können, wäre selbst unter Heranziehung seiner nicht zutreffenden Auffassung im Falle einer chronischen Hepatitis ohne jede entzündliche Aktivität nach den VMG jedenfalls ein GdS von 20 festzustellen. Dessen ungeachtet sei aber unter Berücksichtigung der Einschränkungen, die die Klägerin im Hinblick auf die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben durch die Erkrankung habe hinnehmen müssen und weiter hinnehmen müsse, mindestens ein GdS von 30 gerechtfertigt. Der Beklagte hat demgegenüber die Auffassung vertreten, dass bei der Klägerin das Krankheitsbild einer chronischen Hepatitis nicht mehr gegeben sei, weshalb kein GdS mehr festgestellt werden könne.

Mit Urteil vom 28. September 2011 hat das SG der Klage stattgegeben und den Bescheid des Beklagten vom 4. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. November 2010 aufgehoben. In den Entscheidungsgründen hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beklagte die Rente nicht habe entziehen dürfen, weil er sich in dem gerichtlichen Vergleich vom 30. August 2006 zu einer Weiterzahlung der Verletztenrente über den 31. August 2010 hinaus verpflichtet habe. Wegen des gerichtlichen Vergleiches könne die Leistungsgewährung nicht mehr nach den §§ 45 oder 48 SGB X zurückgenommen werden.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner am 9. November 2011 beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegten Berufung. Er macht geltend, nach der Rechtsprechung sei lediglich die Regelung des § 48 Abs. 3 SGB X auf eine durch gerichtlichen Vergleich gemäß § 101 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) festgelegte Höhe der MdE/des GdS nicht anwendbar, da eine Aussparung nach § 48 Abs. 3 SGB X ebenso wie eine Rücknahme einen Eingriff in die durch einen begünstigenden Verwaltungsakt begründete Rechtsposition darstelle und die Bindungswirkung eines Vergleichs der Rücknahme eines auf ihm beruhenden Verwaltungsaktes nach § 45 SGB X entgegenstehe. Ändere sich aber die Sach- und Rechtslage nach diesem Zeitpunkt, stehe die Bindungswirkung des Vergleichs der Aufhebung eines auf ihm beruhenden Verwaltungsaktes nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht entgegen. Für die Wesentlichkeit einer Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X sei das jeweilige materielle Recht maßgebend. Die allgemeinen Voraussetzungen für die Korrektur einer Entscheidung über einen Versorgungsanspruch nach § 48 SGB X würden durch die gesetzlichen Bestimmungen des § 3 Abs. 4 AntiDHG iVm § 30 Abs. 1 BVG und der AHP in der jeweiligen Fassung sowie der Versorgungsmedizin-Verordnung iVm mit den VMG näher konkretisiert. Wesentlich seien insoweit nur solche tatsächlichen oder rechtlichen Änderungen, die Anspruchsvoraussetzungen entfallen ließen. Derartige wesentliche Änderungen seien hier im Sinne einer Besserung der anerkannten Schädigungsfolge eingetreten, denn die bis zum 16. Januar 2008 durchgeführte antivirale Therapie mit Interferon und Ribavirin sei erfolgreich gewesen. Die Hepatitis-C-Viren hätten erfolgreich eliminiert werden können, so dass es zu einer Ausheilung der anerkannten Hepatitis C gekommen sei. Dies habe den Beklagten nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X zur Entziehung der Rente mit Bescheid vom 4. August 2010 berechtigt. Mit dem gerichtlichen Vergleich vom 30. August 2006 seien lediglich die seinerzeit bestehenden Ungewissheiten beseitigt, die Möglichkeit einer Abänderung nach § 48 SGB X aber nicht ausgeschlossen worden. Ein gerichtlicher Vergleich könne keine höhere Bestandskraft haben, als ein Urteil gleichen Inhalts. Auch in materieller Hinsicht seien die Voraussetzungen für eine Neufeststellung des Versorgungsanspruchs gegeben gewesen. Entsprechend den Vorgaben in einem BMA-Rundschreiben vom 31. Juli 2001 seien alle klinischen, laborchemischen, histologischen und bildgebenden Untersuchungsbefunde in die Beurteilung eingeflossen, ob eine stabile bzw. anhaltende wesentliche Besserung des Gesamtleidenszustandes eingetreten sei.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 28. September 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie macht geltend, dass das SG den Aufhebungsbescheid vom 4. August 2010 und den Widerspruchsbescheid vom 1. November 2010 zu Recht aufgehoben habe, weil auf der Grundlage des zwischen den Beteiligten unter dem 30. August 2006 geschlossenen Prozessvergleiches am 21. September 2006 ein von dem Beklagten bestandskräftig erlassener Ausführungsbescheid ergangen sei, der für den Beklagten ebenso wie für die Klägerin bindend geworden sei. Ein sozialgerichtlicher Vergleich sei einerseits eine Prozesshandlung und andererseits ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, der durch ein gegenseitiges Nachgeben als Folge der Unsicherheit der Sach- und Rechtslage im Sinne des § 54 SGB X gekennzeichnet sei. Mit Abschluss des Prozessvergleiches seien hier die Ungewissheiten im Hinblick auf die Folgen des Gesundheitsschadens und die daraus resultierende Höhe der MdE beseitigt worden. Wenn sich ein Leistungsträger durch den Abschluss eines Vergleiches in einem sozialgerichtlichen Verfahren zur Gewährung einer Dauerrente verpflichtet, sei er nicht berechtigt, den in Ausführung dieses Vergleichs erlassenen Verwaltungsakt nach § 45 SGB X wieder zurückzunehmen oder nach § 48 Abs. 3 SGB X auszusparen. Wolle ein am Abschluss eines derartigen Prozessvergleiches Beteiligter in einem erneuten Verfahren von der Gewährung der Leistung abweichen, könne ihm der Vergleich entgegengehalten werden. In materiell-rechtlicher Hinsicht verbleibe es dabei, dass die Voraussetzungen für die Weitergewährung der Rente nach § 3 Abs. 2 AntiDHG vorlägen. Nach dieser Regelung erhielten die in den persönlichen Schutzbereich des AntiDHG einbezogenen Berechtigten als finanzielle Hilfe eine monatliche Rente unter Berücksichtigung des Ausmaßes der Schädigungsfolgen der Hepatitis-C-Infektion. Maßgebend für die Bemessung der Höhe des GdS seien neben den ärztlichen Befunden auch die allgemeinen Auswirkungen der durch die Hepatitis-C-Infektion im Hinblick auf die bei der Klägerin hervorgerufenen körperlichen geistigen und seelischen Gesundheitsstörungen sowie die konkreten Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Hierzu werde auf das bisherige Vorbringen in erster Instanz Bezug genommen. Ferner sei gerade bei chronischen Leiden zu berücksichtigen, dass einzelne, insbesondere die laborchemisch oder bioptisch erhobenen Befunde, nicht immer das tatsächliche Ausmaß des Leidenszustandes zum Zeitpunkt der Untersuchung wiedergeben könnten und auch chronische Leiden selbst Therapieschwankungen im Leidenszustand aufwiesen. Aus diesem Grund sei immer der jeweilige Gesamtleidenszustand unter Beachtung aller klinischen laborchemischen, histologischen und bildgebenden Untersuchungsbefunde sowie des bisherigen Krankheitsverlaufes zugrunde zu legen und darzulegen, dass der gebesserte Gesamtleidenszustand als so stabil anzusehen ist, dass er über einen Zeitraum von sechs Monaten hinaus angehalten hat oder voraussichtlich anhalten werde. Die Klägerin leide bis heute an erheblichen extrahepatischen Auswirkungen der Erkrankung und habe mit diesen auch gegenwärtig täglich zu kämpfen. Zu berücksichtigen seien unter anderem: Müdigkeit und Abgeschlagenheit, depressive Symptome, rheumatoide Gelenkbeschwerden, Polyarthritis, Myopathie, Insulinresistenz/Diabetes mellitus, kognitive Störungen, periphere Neuropathie, Sicca-Syndrom und idiopatische Pulmonalfibrose.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsunterlagen des Beklagten, die Gerichtsakte des abgeschlossenen Verfahrens S 5 VE 5/10 und die Gerichtsakten des laufenden Verfahrens verwiesen. Diese Akten und Unterlagen haben in der mündlichen Verhandlung und anschließenden Beratung und Entscheidungsfindung vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist nach § 143 SGG statthaft und nach § 151 Abs. 2 SGG form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist auch begründet, denn das SG hat zu Unrecht der Klage stattgegeben und den Bescheid vom 4. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. November 2010 aufgehoben. Diese Bescheide sind rechtmäßig, verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG) und hätten daher nicht vom SG aufgehoben werden dürfen.

Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist eine isolierte Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 SGG gegen einen belastenden Verwaltungsakt. Bei der hier erhobenen Anfechtungsklage bezieht sich die Prüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids am 1. November 2010 (vgl. BSG - Urteil vom 18. September 2003, B 9 SB 6/02 R mit weiteren Hinweisen auf einschlägige Rechtsprechung).

Die angefochtenen Bescheide sind formell rechtmäßig. Insbesondere ist die nach § 24 SGB X erforderliche Anhörung zu einer beabsichtigten Herabsetzung des GdS auf 0 nebst Wegfall der Beschädigtenrente mit Schreiben vom 15. Juli 2010 erfolgt.

Ihre materielle Ermächtigungsgrundlage finden die von der Klägerin angefochtenen Bescheide in § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Anlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Als wesentliche Änderung des Gesundheitszustandes gilt, wobei dies sowohl hinsichtlich der Besserung als auch Verschlechterung anzunehmen ist, jedenfalls eine Veränderung, die es erforderlich macht, den Grad der Schädigung um mindestens 10 anzuheben oder abzusenken.

Auf der Grundlage von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X hat der Beklagte wirksam den Bescheid vom 21. September 2006 teilweise aufgehoben. In der Zeit zwischen Erlass dieses Bescheids und dem Widerspruchbescheid am 1. November 2010 ist eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen durch die Ausheilung der Hepatitiserkrankung eingetreten, die nicht mehr den mit Bescheid vom 21. September 2006 in Ausführung des gerichtlichen Vergleichs vom 30. August 2006 festgestellten GdS von 30, sondern ab 1. September 2010 nur noch eine Bewertung mit 0 sowie eine Änderung der Bezeichnung der Schädigungsfolge rechtfertigt. Die dauerhafte Beseitigung der bis 2005/2006 noch nachgewiesenen Hepatitisviren durch die von Dr. R. durchgeführte Interferonbehandlung stellt eine tatsächliche Veränderung in den gesundheitlichen Verhältnissen der Klägerin im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB X dar.

Die Feststellung des Beklagten, wonach die Schädigungsfolge ab 1. September 2010 anders zu bezeichnen und der GdS nur noch mit 0 zu bewerten ist, trifft zu.

Für die Ansprüche der Klägerin wegen des Impfschadens ist das Gesetz über die Hilfe für durch Anti-D-Immunprophylaxe mit dem Hepatitis-C-Virus infizierte Personen (Anti-D-Hilfegesetz – AntiDHG) vom 2. August 2000 (BGBl. I S. 1270) heranzuziehen. Nach § 1 AntiDHG erhalten Frauen, die infolge einer in den Jahren 1978 und 1979 durchgeführten Anti-D-Immunprophylaxe mit mehreren Chargen des Bezirksinstituts für Blutspende-und Transfusionswesen des Bezirks H. mit dem Hepatitis-C-Virus infiziert wurden, aus humanitären und sozialen Gründen Krankenbehandlung und eine finanzielle Hilfe. Die Regelung über die finanzielle Hilfe findet sich in § 3 Abs. 1 und 2 AntiDHG. Danach erhalten Berechtigte nach § 1 Abs. 1 Satz 1 als finanzielle Hilfe eine monatliche Rente und eine Einmalzahlung; die monatliche Rente beträgt bei einem GdS von 30 infolge der Hepatitis-C-Virus-Infektion 272 EUR. Der GdS bestimmt sich nach § 30 Abs. 1 und 31 Abs. 2 des BVG (§ 3 Abs. 4 AntiDHG). Hierbei waren bis 31. Dezember 2008 die AHP und sind seitdem (§ 30 Abs. 16 BVG) die VMG heranzuziehen. Daraus folgt für die Rechtslage bis 31. Dezember 2008, dass die Begriffe des Grades der Behinderung im Sinne des § 2 SGB IX und der MdE im Sinne des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz einander in aller Regel entsprechen (BSG, Urteil vom 24.4.2008, B 9 VJ 7/07 B, juris). Nach den AHP 2004 gehört die chronische Hepatitis zu den Krankheiten der Leber, Gallenwege und Bauchspeicheldrüse in Abschnitt 26.10 (S. 81 f.). Nach den Vorbemerkungen wird der GdB/MdE-Grad für Krankheiten der Leber bestimmt durch die Art und Schwere der Organveränderungen sowie der Funktionseinbußen, durch das Ausmaß der Beschwerden, die Beeinträchtigung des Zustandes und die Notwendigkeit einer besonderen Kostform. Der serologische Nachweis von Antikörpern als Nachweis einer durchgemachten Infektion rechtfertigt allein noch keinen GdB/MdE-Grad. Unter dem Begriff "chronische Hepatitis" werden alle chronischen Verlaufsformen von Hepatitiden zusammengefasst (früher: "chronische Hepatitis ohne Progression" [chronisch-persistierende Hepatitis] und "chronische Hepatitis mit Progression" [chronisch aktive Hepatitis]). Dazu gehören insbesondere die Virus, die Autoimmun-, die Arzneimittel- und die kryptogene Hepatitis. Die gutachtliche Beurteilung einer chronischen Hepatitis beruht auf dem klinischen Befund einschließlich funktionsrelevanter Laborparameter, auf der Ätiologie sowie auf dem histopathologischen Nachweis des Grades der nekro-inflammatorischen Aktivität (Grading) und des Stadiums der Fibrose (Staging). Zusätzlich sind engmaschige Verlaufskontrollen und die Beachtung der Differenzialdiagnose erforderlich. Dies gilt auch für eine geltend gemachte Verschlimmerung im Leidensverlauf. Die GdB/MdE-Bewertung und die Leidensbezeichnung ergeben sich aus der nachfolgenden Tabelle, wobei bereits übliche Befindlichkeitsstörungen berücksichtigt sind. In der nachfolgenden Tabelle ist eine chronische Hepatitis oder (klinisch-) entzündliche Aktivität (ehemals: chronische Hepatitis ohne Progression mit einem GdB/MdE-Grad von 20 und eine chronische Hepatitis mit geringer (klinisch-)entzündliche Aktivität (ehemals: chronische Hepatitis mit Progression, geringe entzündliche Aktivität) mit einem GdB von 30 zu bewerten. Besonderheiten gelten bei Vorliegen eines histologischen Befundes (vergleiche AHP 2004, S. 82 f).

In Anwendung der AHP 2004 war es zutreffend, dass der Beklagte nach Auswertung des Histologiebefundes vom 2. Juni 2004 zu der Einschätzung einer MdE um 30 entsprechend einer chronischen Hepatitis mit geringer entzündliche Aktivität gelangt ist, denn nach den Feststellungen des Städtischen Klinikums Dessau bestand eine geringgradige chronische Hepatitis C mit dem Grad 2, Score 1 nach Desment in Verbindung mit einer Fibrose der Leber und grenzwertig erhöhten Transaminasen.

Es steht fest, dass die Diagnose einer geringgradigen chronischen Hepatitis C nach Abschluss der Interferon-Behandlung bei Dr. R. seit etwa Anfang 2006 nicht mehr gestellt werden kann. Denn nach den mitgeteilten Laborbefunden dieser Ärztin waren, anders als dies noch 2004 bzw. in früheren Jahren der Fall war, keine Hepatitis-C-Viren mehr nachweisbar, sondern lediglich Antikörper. Ab diesem Zeitpunkt hat, bestätigt durch spätere Laboruntersuchungen bis September 2009, keine chronische Hepatitis mehr vorgelegen, so dass eine entsprechende Feststellung nach den AHP 2004/2008 bzw. ab 2009 nach den VMG, für die ein GdB/MdE-Grad bzw. GdS von mindestens 20 anzusetzen wäre, nicht mehr gerechtfertigt war. Zutreffend hat der Beklagte daher den GdS ab 1. September 2009 mit 0 festgesetzt und die Bezeichnung der Schädigungsfolge entsprechend geändert.

Der gerichtliche Vergleich vom 30. August 2006 in dem früheren Verfahren vor dem SG Dessau-Roßlau steht der Anwendung von § 48 SGB X nicht entgegen. Denn mit den §§ 44 ff. SGB X wird die Bestandskraft von Verwaltungsakten durchbrochen. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn die aufgehobene Regelung aufgrund eines Prozessvergleichs wirksam geworden oder, wie hier, bestandskräftig geblieben ist (vgl. Waschull, Sozialgesetzbuch X, Lehr- und Praxiskommentar, 3. Auflage, RdNr. 24 vor §§ 44-51). Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Beteiligten mit dem Abschluss des gerichtlichen Vergleiches eine endgültige Regelung in der Sache treffen und eine erneute Überprüfung ausschließen wollten (BSG, Urteil vom 12.12.2013, B 4 AS 17/13 R, Orientierungssatz Nr. 3, juris). Ein solcher Sachverhalt liegt hier nicht vor, denn wie der Sitzungsniederschrift zu entnehmen ist, hat die Vorsitzende den Beklagten vor Abschluss des Vergleiches darauf hingewiesen, dass eine Entziehung der Rente nur im Falle einer Besserung der Erkrankung berechtigt sei. Von einer Besserung der Erkrankung der Klägerin im Sinne einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse (§ 48 SGB X) war nach der damaligen Befundlage nicht auszugehen, so dass der Beklagte dem Risiko einer Niederlage im Prozess durch den Abschluss des nachfolgenden Vergleiches ausgewichen ist. Die Formulierung des gerichtlichen Vergleiches und die in der Sitzungsniederschrift festgehaltenen Hinweise lassen aber nur den Schluss zu, dass eine Regelung ausschließlich hinsichtlich des damaligen Streitgegenstandes, nämlich der Rechtmäßigkeit des Aufhebungsbescheides vom 3. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. März 2006, getroffen werden sollte. Eine Regelung, wonach der Klägerin die Versorgungsrente auf Dauer ohne jegliche Nachprüfung durch den Beklagten zustehen sollte, mithin auch bei einer wesentlichen Verbesserung der gesundheitlichen Verhältnisse, ist dem Wortlaut des Vergleiches jedoch nicht zu entnehmen. Die Argumentation des Beklagten im vorliegenden Verfahren, wonach dem damaligen gerichtlichen Vergleich keine stärkere Bindungswirkung zukommen dürfe, als einem etwaigen Urteil des Sozialgerichts bei streitiger Entscheidung, trifft daher zu.

An diesem Ergebnis würde sich auch nichts ändern, wenn der Beklagte den Versorgungsrentenanspruch der Klägerin deshalb zu Unrecht festgestellt haben sollte, weil die MdE zu keinem Zeitpunkt höher lag als bei 20 von 100. Denn eine MdE um 20 von 100 wäre der nach den AHP 2004 geringstmögliche Schädigungsgrad, der für die damals noch chronische Hepatitis der Klägerin hätte festgestellt werden müssen, so dass auch in diesem Fall eine Änderung der wesentlichen Verhältnisse eingetreten wäre, nachdem seit 2010 von einer Ausheilung der chronischen Erkrankung auszugehen ist, also von einer MdE bzw. einem GdS von 0.

Mit ihrer gegenteiligen Rechtsauffassung dringt die Klägerin aus diesen Gründen nicht durch. Auch mit ihrem Hinweis auf das Institut des öffentlich-rechtlichen Vertrages hat die Klägerin keinen Erfolg. Denn auch nach Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gemäß § 53 Abs. 1 SGB X ist die getroffene Regelung nicht unveränderbar festgeschrieben, sondern kann im Rahmen von § 59 SGB X bei einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse angepasst oder gekündigt werden. Die Rechtslage wäre in diesem Fall also keine andere, als bei der Anwendung von §§ 44 ff SGB X. Deshalb brauchte der Senat nicht abschließend zu klären, ob der Prozessvergleich (auch) als öffentlich-rechtlicher Vertrag beurteilt werden könnte. Dies erschiene zumindest zweifelhaft, weil der Beklagte die strittigen Entscheidungen durch Verwaltungsakt getroffen, die Klägerin hiergegen Klage erhoben und der gerichtliche Vergleich auf diesen Streitgegenstand eingewirkt hat. Ein solches Vorgehen entspricht nicht dem Verfahren nach §§ 53 ff. SGB X.

Zuletzt ist die Klägerin darauf hinzuweisen, dass der Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 4. August 2010 nicht den Prozessvergleich vom 30. August 2006 beseitigt, also eine (unzulässige) Entscheidung mit rückwirkender Wirkung getroffen, sondern die Beschädigtenrente mit Wirkung vom 1. September 2010, also für die Zukunft, aufgehoben hat. Gegen eine auf die Zukunft gerichtete Aufhebungsentscheidung einer Behörde wegen wesentlicher Änderung der tatsächlichen Verhältnisse bietet ein gerichtlicher Vergleich keinen Schutz, wenn er nicht ausdrücklich darauf gerichtet war, auch in einem solchen Fall keine Aufhebung zuzulassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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