Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 18 AS 6249/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 AS 100/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 10.12.2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung von Leistungsbewilligungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und deren Erstattung streitig.
Der am 1960 geborene, alleinstehende Kläger erlitt am 19.08.1980 einen Arbeitsunfall und bezieht deshalb seit dem 09.03.1981 eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von zunächst 40 und ab dem 08.07.1981 in Höhe von 30 (Bescheid der B. der k. und G.- I. (nunmehr V. [V.]) vom 10.09.1981). Die Verletztenrente belief sich im streitigen Zeitraum auf zunächst 264,43 EUR (bis August 2006) und dann (bis Juni 2011) auf 275,26 EUR und ab Juli 2011 auf 277,98 EUR (Anpassungsmitteilung der Deutschen Post AG; Bl. 120 der Verw.akte).
Der Kläger beantragte erstmals am 04.10.2004 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Im Antragsformular gab er den Bezug einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht an. Mit Bescheid vom 02.11.2004 und Änderungsbescheid vom 07.02.2005 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen für die Zeit vom 01.01.2005 bis zum 30.06.2006 in Höhe von 769,50 EUR für den Monat Januar 2005 und monatlich 545,00 EUR für die weiteren Monate des Bewilligungszeitraumes. In einem vereinfachten Folgeantrag vom 19.05.2005 gab der Kläger an, dass sich Änderungen in den Einkommensverhältnissen der Bedarfsgemeinschaft nicht ergeben hätten. Der Beklagte bewilligte dem Kläger daher mit Bescheid vom 07.06.2005 Leistungen für die Zeit vom 01.07.2005 bis zum 31.12.2005 in Höhe von monatlich 545,00 EUR. Nachdem der Kläger in einem weiteren vereinfachten Folgeantrag wiederum angegeben hatte, dass sich Änderungen in den Einkommensverhältnissen der Bedarfsgemeinschaft nicht ergeben hätten, bewilligte ihm der Beklagte mit Bescheid vom 15.12.2005 Leistungen für die Zeit vom 01.01.2006 bis zum 30.06.2006 in Höhe von monatlich 545,00 EUR. Nach weiterem vereinfachten Folgeantrag vom 13.06.2006, in welchem der Kläger erneut angab, dass sich Änderungen in den Einkommensverhältnissen der Bedarfsgemeinschaft nicht ergeben hätten, bewilligte ihm der Beklagte mit Bescheid vom 22.06.2006 Leistungen für die Zeit vom 01.07.2006 bis zum 31.12.2006 in Höhe von monatlich 545,00 EUR. Zum 31.08.2006 schied der Kläger aus dem Bezug von Leistungen aus. Die Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung berücksichtigte der Beklagte bei der Berechnung der Leistungen im gesamten Zeitraum nicht.
Am 17.05.2011 beantragte der Kläger erneut die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II, ohne den Bezug der Verletztenrente anzugeben. Der Beklagte gewährte mit Bescheid vom 25.05.2011 für den Zeitraum vom 17.05.2011 bis 31.10.2011 Leistungen in Höhe von 207,67 EUR für den Monat Mai 2011 und monatlich 619,85 EUR für die weiteren Monate des Bewilligungszeitraums. In einem Folgeantrag vom 12.10.2011 gab der Kläger erneut den Bezug der Verletztenrente nicht an. Der Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom gleichen Tag Leistungen für die Zeit vom 01.11.2011 bis zum 30.04.2012 in Höhe von monatlich 619,85 EUR. Die Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung berücksichtigte der Beklagte bei der Berechnung der Leistungen im gesamten Zeitraum nicht.
Durch einen Datenabgleich nach § 53 SGB II erfuhr der Beklagte am 05.03.2012 von dem Bezug der laufenden Rentenzahlungen aus der Unfallversicherung. Nach Aufforderung durch den Beklagten legte der Kläger die Mitteilung der Deutschen Post AG hinsichtlich der Anpassung zum 01.07.2011 vor, wobei er die Auffassung vertrat, er habe den Bezug der Verletztenrente aus der Unfallversicherung nicht melden müssen, da es sich nicht um anrechenbares Einkommen handele. Mit Änderungsbescheid vom 01.04.2012 rechnete der Beklagte die Verletztenrente in Höhe von monatlich 222,13 EUR (= 277,98 EUR - 30,00 EUR-Pauschale - 25,85 EUR [KFZ-Versicherung]) als Einkommen an, sodass die Leistung für April 2012 407,72 EUR betrage. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 06.06.2012).
Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 19.09.2012 hob der Beklagte die Entscheidungen vom 02.11.2004, 07.02.2005, 07.06.2005, 15.12.2005, 22.06.2006, 25.05.2011 und 12.10.2011 über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.01.2005 bis zum 31.08.2006 und vom 17.05.2011 bis zum 31.03.2012 teilweise in Höhe von insgesamt 6530,53 EUR (= 4171,60 EUR + 2358,93 EUR) auf und forderte entsprechende Erstattung von dem Kläger. Zur Begründung führte der Beklagte aus, der Kläger habe während des genannten Zeitraumes Einkommen aus einer Unfallrente bezogen. Diese Tatsache habe der Kläger weder bei der Antragstellung am 04.10.2004, noch bei der Antragstellung am 17.05.2011, noch in einem Weiterbewilligungsantrag angegeben. Auch habe der Antragsteller sein Konto bei der Postbank von Anfang an verschwiegen. Mit den nachgewiesenen Einkommensverhältnissen sei der Kläger nicht in bisher festgestellter und bewilligter Höhe hilfebedürftig im Sinne des § 9 SGB II. Der Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bestehe nur in geringerer Höhe. Der Kläger habe bei der Stellung der Anträge zumindest grob fahrlässig falsche oder unvollständige Angaben gemacht. Der Beklagte stützte den Bescheid auf § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Des Weiteren erklärte der Beklagte, dass ab dem 01.10.2012 die Erstattungsforderung gegen den Anspruch des Klägers auflaufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 112,20 EUR aufgerechnet werde.
Hiergegen legte der Kläger bei einer persönlichen Vorsprache beim Beklagten am 22.10.2012 Widerspruch ein und erklärte (mit seiner Unterschrift) ausdrücklich, dass es nur um den Erstattungszeitraum vom 01.01.2005 bis 31.08.2006 und um die Erstattung in Höhe von 4171,60 EUR gehe. Zur Begründung des Widerspruches berief er sich auf den aus Art. 3 des Grundgesetzes (GG) folgenden Gleichheitsgrundsatz. Mit Widerspruchsbescheid vom 19.11.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er aus, dass es sich bei der Verletztenrente nicht um privilegiertes Einkommen im Sinne des § 11a SGB II handele. Das Bundessozialgericht (BSG) habe mit Urteil vom 05.09.2007 (Az. B 11b AS 15/06 R) entschieden, dass der Anrechnung einer Verletztenrente auf die Leistungen nach dem SGB II auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken entgegenstünden. Von dem Renteneinkommen seien sodann ein Beitrag zur KFZ-Versicherung (in Höhe von 25,85 EUR) und die Versicherungspauschale (in Höhe von 30,00 EUR) in Abzug gebracht worden. Dies ergebe ein anrechenbares Einkommen von 208,58 EUR monatlich für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 31.08.2006 und in Höhe von 222,13 EUR für den Zeitraum vom 17.05.2011 bis 31.03.2012. Die Bewilligungsentscheidungen vom 02.11.2004, 07.02.2005, 07.06.2005, 15.12.2005, 22.06.2006, 25.05.2011 und 12.10.2011 seien von Anfang an rechtswidrig gewesen. Die rechtswidrige Bewilligung der Leistungen beruhe darauf, dass der Kläger in wesentlicher Beziehung unvollständige Angaben gemacht habe. Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme der Bewilligungsbescheide sei daher § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X.
Hiergegen hat der Kläger am 17.12.2012 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und zur Begründung vorgetragen, der Bezug von Arbeitslosengeld II und die Zahlung der Verletztenrente dürften nicht im Zusammenhang gesehen werden. Es handele sich bei der Verletztenrente um eine Ausgleichszahlung für erlittene Einschränkungen und Schmerzensgeld. Außerdem werde Art. 3 GG nicht Rechnung getragen. Nach diesem dürfe niemand aufgrund seiner Behinderung benachteiligt werden.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat darauf hingewiesen, dass die Aufrechnung mit den laufenden Leistungen nicht eingestellt worden sei, da zunächst mit der vom Kläger durch den Widerspruch explizit nicht angefochtenen Rückforderungssumme von 2358,93 EUR für den Zeitraum vom 17.05.2011 bis 31.03.2012 aufgerechnet werde.
Mit Urteil vom 10.12.2013 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid des Beklagten Bezug genommen, nachdem keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Berücksichtigung einer Verletztenrente als Einkommen bestünden (Bezugnahme auf Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vom 16.03.2011, 1 BvR 591/08 und 593/08, und BSG vom 14.02.2013, B 14 AS 198/11 R).
Hiergegen richtet sich die am 08.01.2014 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegte Berufung des Klägers, mit der er geltend macht, die "durch einen Arbeitsunfall erlittene Behinderung und wiederkehrende Schmerzen [würden] als anzurechnendes Einkommen auf Alg II gewertet". Diese Rechtsprechung "impliziere nachgerade den Sinn einer Belohnung für geleistete Arbeit, was einem Einkommen entspräche, aber eben nicht ist". Es handele sich um Ausgleichszahlungen für erlittene Einschränkungen und Schmerzensgeld und nicht um eine vermögensbildende Geldzuwendung.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 10.12.2013 sowie den Bescheid des Beklagten vom 19.09.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.11.2012 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat die Beteiligten unter Bezugnahme auf die einschlägige Rechtsprechung des BVerfG und des BSG darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen. Die Beteiligten erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Kläger äußerte sich nicht.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Da der Senat die Berufung des Klägers einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich hält, entscheidet er gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.
Die Berufung ist nach den §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 SGG statthaft und zulässig, sie ist aber nicht begründet. Denn das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 19.09.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.11.2012 (§ 95 SGG) ist - soweit die hierin getroffene Regelung vom Kläger angegriffen wurde (Näheres hierzu sogleich) - rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten. Der Bezug der Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung stellt grundsätzlich zu berücksichtigendes Einkommen dar, das den SGB II-Bedarf mindert.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 19.09.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.11.2012, soweit der Beklagte mit diesem die Bewilligung von SGB II-Leistungen teilweise für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 31.08.2006 aufgehoben und vom Kläger die Erstattung von 4171,60 EUR gefordert hat. Hiergegen wendet sich der Kläger zu Recht mit der isolierten Anfechtungsklage (§ 54 SGG). Der Zeitraum vom 17.05.2011 bis 31.03.2012 und die damit zusammenhängende Erstattungsforderung in Höhe von 2358,93 EUR ist hingegen nicht Streitgegenstand, da der Kläger seinen am 22.10.2012 erhobenen Widerspruch (vgl. § 63 SGG) ausdrücklich auf den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 31.08.2006 und die Erstattung in Höhe von 4171,60 EUR beschränkt hat. Der Bescheid vom 19.09.2012 ist dadurch insoweit teilweise bestandskräftig (§ 77 SGG) geworden. Hieran ist der Senat gebunden.
Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 19.09.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.11.2012 ist, soweit der Beklagte mit diesem die Bewilligung von SGB II-Leistungen teilweise für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 31.08.2006 aufgehoben und von Kläger die Erstattung von 4171,60 EUR gefordert hat, formell und materiell rechtmäßig. Rechtsgrundlage für den Bescheid sind § 40 SGB II, § 45 SGB X, § 50 Abs. 1, 3 SGB X und § 330 Abs. 2 SGB III.
Der formellen Rechtmäßigkeit des Bescheids steht nicht entgegen, dass der Kläger nach § 24 Abs. 1 SGB X im Hinblick auf den eingreifenden Verwaltungsakt von dem Beklagten vor Erlass des genannten Bescheids anzuhören gewesen wäre. Denn die fehlende Anhörung ist durch das durchgeführte Widerspruchsverfahren nach § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X geheilt worden (vgl. BSG, Urteil vom 22.08.2012 - B 14 AS 165/11 R = SozR 4-1300 § 50 Nr. 3 RdNr. 13). Die Möglichkeit einer Heilung einer unterlassenen Anhörung bei Durchführung eines Widerspruchsverfahrens erfordert, dass dem Beteiligten schon in dem angefochtenen Verwaltungsakt oder auf andere Weise im Laufe des Widerspruchsverfahrens alle entscheidungserheblichen Tatsachen zur Kenntnis gebracht wurden, sodass er sich zu ihnen sachgerecht äußern konnte (BSG, Urteil vom 26.09.1999 - 4 RK 4/91 = BSGE 69, 247, 251 ff.; vom 12.12.2001 - B 6 KA 3/01 R = BSGE 89, 90, 93). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, da der Beklagte im angegriffenen Bescheid ausführlich dargelegt hat, weshalb und in welcher Höhe die Verletztenrente des Klägers als Einkommen anzurechnen ist. Auch wurde dem Kläger dargelegt, wie sich die Erstattungssumme errechnet. Der Verwaltungsakt war mithin auch nach § 33 Abs. 1 SGB X inhaltlich hinreichend bestimmt (vgl. hierzu nur BSG, Urteil vom 16.05.2012 - B 4 AS 154/11 R = SozR 4-1300 § 33 Nr. 1).
Der Bescheid ist - soweit er im Verwaltungsverfahren angegriffen wurde - auch materiell rechtmäßig. Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der vom 01.01.2005 bis heute geltenden Fassung aufgrund Art. 1 des 4. Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl. I, 2954), gilt für das Verfahren nach dem SGB II das SGB X. Zudem sind die Vorschriften des SGB III, u.a. über die Aufhebung von Verwaltungsakten, entsprechend anwendbar (§ 330 Abs. 1, 2, 3 Satz1, 4 SGB III; § 40 Abs. 2 Nr. 2, 3 SGB II i.d.F. der Bekanntmachung vom 13.05.2011 (BSGl. I, 850)).
Die Voraussetzungen für eine Rücknahme der Bewilligungsbescheide vom 02.11.2004, 07.02.2005, 07.06.2005, 15.12.2005, 22.06.2006 für die Vergangenheit sind erfüllt. Denn der Kläger kann sich nicht auf Vertrauen berufen. Nach § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II, § 330 Abs. 2 SGB III, § 45 SGB X ist - ohne Ausübung von Ermessen - ein begünstigender Verwaltungsakt - hier die Bewilligungsbescheide vom 02.11.2004, 07.02.2005, 07.06.2005, 15.12.2005, 22.06.2006 - auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit er (von Anfang an) rechtswidrig ist und das Vertrauen des Begünstigten nicht schutzwürdig ist (§ 45 Abs. 2SGB X).
Die Bewilligungsbescheide vom 02.11.2004, 07.02.2005, 07.06.2005, 15.12.2005, 22.06.2006 waren von Anfang an rechtswidrig. Denn zum Zeitpunkt ihres Erlasses bezog der Kläger bereits eine als Einkommen anzurechnende Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung, ohne dass der Kläger dies gegenüber dem Beklagten angegeben hat. Der Bezug der Verletztenrente seit dem 09.03.1981 ergibt sich aus dem Rentenbescheid vom 10.09.1981 (Bl. 137 der Verw.akte) und wird vom Kläger auch nicht bestritten. Danach bezog der Kläger im streitigen Zeitraum vom 01.01.2005 bis 31.08.2006 eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung in Höhe von 264,43 EUR. Unter Abzug der Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 EUR (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO) und den Kosten für die KFZ-Versicherung in Höhe von 25,85 EUR (§ 11b Abs. Satz 1 Nr. 3 SGB II) ergibt sich ein anrechenbares Einkommen in Höhe von 208,58 monatlich. Nachdem der Beklagte die Fristen des § 45 Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 Satz 2 SGB X eingehalten hat und auch die übrigen Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB X vorliegen und der Kläger - auch in Kenntnis der einschlägigen Rechtsprechung (vgl. BVerfG vom 16.03.2011 - 1 BvR 591/08, 1 BvR 593/08 = B 14 AS 198/11 R; BSG vom 14.02.2013 - B 14 AS 198/11 R = juris) - seine (nicht zutreffenden) Argumente nur wiederholt, verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 19.11.2012 (§§ 153 Abs. 1, 136 Abs. 3 SGG).
Der von dem Beklagten nach § 50 Abs. 3 SGB X festgesetzte Erstattungsbetrag von 4171,60 EUR für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 31.08.2006 ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden.
Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Verletztenrente auch für den Zeitraum vom 17.05.2011 bis 31.03.2012 anzurechnen ist, wobei der Beklagte offensichtlich übersehen hat, dass der Kläger bis 30.06.2011 nur eine Verletztenrente in Höhe von 275,26 EUR bezogen hat, was sich aus der Anpassungsmitteilung der Deutschen Post AG (Bl. 120 der Verw.akte) ergibt. Daraus folgt, dass die Aufhebungs- und Erstattungsforderung für die Monate Mai und Juni 2011 insoweit rechtswidrig ist, als eine Verletztenrente in Höhe von 277,98 EUR zugrunde gelegt wurde. Da dieser Zeitraum aber aufgrund der eingetretenen (materiellen) Bestandskraft nicht Streitgegenstand ist, konnte der Senat dies nicht berücksichtigen.
Die Berufung war daher zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung von Leistungsbewilligungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und deren Erstattung streitig.
Der am 1960 geborene, alleinstehende Kläger erlitt am 19.08.1980 einen Arbeitsunfall und bezieht deshalb seit dem 09.03.1981 eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von zunächst 40 und ab dem 08.07.1981 in Höhe von 30 (Bescheid der B. der k. und G.- I. (nunmehr V. [V.]) vom 10.09.1981). Die Verletztenrente belief sich im streitigen Zeitraum auf zunächst 264,43 EUR (bis August 2006) und dann (bis Juni 2011) auf 275,26 EUR und ab Juli 2011 auf 277,98 EUR (Anpassungsmitteilung der Deutschen Post AG; Bl. 120 der Verw.akte).
Der Kläger beantragte erstmals am 04.10.2004 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Im Antragsformular gab er den Bezug einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht an. Mit Bescheid vom 02.11.2004 und Änderungsbescheid vom 07.02.2005 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen für die Zeit vom 01.01.2005 bis zum 30.06.2006 in Höhe von 769,50 EUR für den Monat Januar 2005 und monatlich 545,00 EUR für die weiteren Monate des Bewilligungszeitraumes. In einem vereinfachten Folgeantrag vom 19.05.2005 gab der Kläger an, dass sich Änderungen in den Einkommensverhältnissen der Bedarfsgemeinschaft nicht ergeben hätten. Der Beklagte bewilligte dem Kläger daher mit Bescheid vom 07.06.2005 Leistungen für die Zeit vom 01.07.2005 bis zum 31.12.2005 in Höhe von monatlich 545,00 EUR. Nachdem der Kläger in einem weiteren vereinfachten Folgeantrag wiederum angegeben hatte, dass sich Änderungen in den Einkommensverhältnissen der Bedarfsgemeinschaft nicht ergeben hätten, bewilligte ihm der Beklagte mit Bescheid vom 15.12.2005 Leistungen für die Zeit vom 01.01.2006 bis zum 30.06.2006 in Höhe von monatlich 545,00 EUR. Nach weiterem vereinfachten Folgeantrag vom 13.06.2006, in welchem der Kläger erneut angab, dass sich Änderungen in den Einkommensverhältnissen der Bedarfsgemeinschaft nicht ergeben hätten, bewilligte ihm der Beklagte mit Bescheid vom 22.06.2006 Leistungen für die Zeit vom 01.07.2006 bis zum 31.12.2006 in Höhe von monatlich 545,00 EUR. Zum 31.08.2006 schied der Kläger aus dem Bezug von Leistungen aus. Die Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung berücksichtigte der Beklagte bei der Berechnung der Leistungen im gesamten Zeitraum nicht.
Am 17.05.2011 beantragte der Kläger erneut die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II, ohne den Bezug der Verletztenrente anzugeben. Der Beklagte gewährte mit Bescheid vom 25.05.2011 für den Zeitraum vom 17.05.2011 bis 31.10.2011 Leistungen in Höhe von 207,67 EUR für den Monat Mai 2011 und monatlich 619,85 EUR für die weiteren Monate des Bewilligungszeitraums. In einem Folgeantrag vom 12.10.2011 gab der Kläger erneut den Bezug der Verletztenrente nicht an. Der Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom gleichen Tag Leistungen für die Zeit vom 01.11.2011 bis zum 30.04.2012 in Höhe von monatlich 619,85 EUR. Die Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung berücksichtigte der Beklagte bei der Berechnung der Leistungen im gesamten Zeitraum nicht.
Durch einen Datenabgleich nach § 53 SGB II erfuhr der Beklagte am 05.03.2012 von dem Bezug der laufenden Rentenzahlungen aus der Unfallversicherung. Nach Aufforderung durch den Beklagten legte der Kläger die Mitteilung der Deutschen Post AG hinsichtlich der Anpassung zum 01.07.2011 vor, wobei er die Auffassung vertrat, er habe den Bezug der Verletztenrente aus der Unfallversicherung nicht melden müssen, da es sich nicht um anrechenbares Einkommen handele. Mit Änderungsbescheid vom 01.04.2012 rechnete der Beklagte die Verletztenrente in Höhe von monatlich 222,13 EUR (= 277,98 EUR - 30,00 EUR-Pauschale - 25,85 EUR [KFZ-Versicherung]) als Einkommen an, sodass die Leistung für April 2012 407,72 EUR betrage. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 06.06.2012).
Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 19.09.2012 hob der Beklagte die Entscheidungen vom 02.11.2004, 07.02.2005, 07.06.2005, 15.12.2005, 22.06.2006, 25.05.2011 und 12.10.2011 über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.01.2005 bis zum 31.08.2006 und vom 17.05.2011 bis zum 31.03.2012 teilweise in Höhe von insgesamt 6530,53 EUR (= 4171,60 EUR + 2358,93 EUR) auf und forderte entsprechende Erstattung von dem Kläger. Zur Begründung führte der Beklagte aus, der Kläger habe während des genannten Zeitraumes Einkommen aus einer Unfallrente bezogen. Diese Tatsache habe der Kläger weder bei der Antragstellung am 04.10.2004, noch bei der Antragstellung am 17.05.2011, noch in einem Weiterbewilligungsantrag angegeben. Auch habe der Antragsteller sein Konto bei der Postbank von Anfang an verschwiegen. Mit den nachgewiesenen Einkommensverhältnissen sei der Kläger nicht in bisher festgestellter und bewilligter Höhe hilfebedürftig im Sinne des § 9 SGB II. Der Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bestehe nur in geringerer Höhe. Der Kläger habe bei der Stellung der Anträge zumindest grob fahrlässig falsche oder unvollständige Angaben gemacht. Der Beklagte stützte den Bescheid auf § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Des Weiteren erklärte der Beklagte, dass ab dem 01.10.2012 die Erstattungsforderung gegen den Anspruch des Klägers auflaufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 112,20 EUR aufgerechnet werde.
Hiergegen legte der Kläger bei einer persönlichen Vorsprache beim Beklagten am 22.10.2012 Widerspruch ein und erklärte (mit seiner Unterschrift) ausdrücklich, dass es nur um den Erstattungszeitraum vom 01.01.2005 bis 31.08.2006 und um die Erstattung in Höhe von 4171,60 EUR gehe. Zur Begründung des Widerspruches berief er sich auf den aus Art. 3 des Grundgesetzes (GG) folgenden Gleichheitsgrundsatz. Mit Widerspruchsbescheid vom 19.11.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er aus, dass es sich bei der Verletztenrente nicht um privilegiertes Einkommen im Sinne des § 11a SGB II handele. Das Bundessozialgericht (BSG) habe mit Urteil vom 05.09.2007 (Az. B 11b AS 15/06 R) entschieden, dass der Anrechnung einer Verletztenrente auf die Leistungen nach dem SGB II auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken entgegenstünden. Von dem Renteneinkommen seien sodann ein Beitrag zur KFZ-Versicherung (in Höhe von 25,85 EUR) und die Versicherungspauschale (in Höhe von 30,00 EUR) in Abzug gebracht worden. Dies ergebe ein anrechenbares Einkommen von 208,58 EUR monatlich für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 31.08.2006 und in Höhe von 222,13 EUR für den Zeitraum vom 17.05.2011 bis 31.03.2012. Die Bewilligungsentscheidungen vom 02.11.2004, 07.02.2005, 07.06.2005, 15.12.2005, 22.06.2006, 25.05.2011 und 12.10.2011 seien von Anfang an rechtswidrig gewesen. Die rechtswidrige Bewilligung der Leistungen beruhe darauf, dass der Kläger in wesentlicher Beziehung unvollständige Angaben gemacht habe. Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme der Bewilligungsbescheide sei daher § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X.
Hiergegen hat der Kläger am 17.12.2012 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und zur Begründung vorgetragen, der Bezug von Arbeitslosengeld II und die Zahlung der Verletztenrente dürften nicht im Zusammenhang gesehen werden. Es handele sich bei der Verletztenrente um eine Ausgleichszahlung für erlittene Einschränkungen und Schmerzensgeld. Außerdem werde Art. 3 GG nicht Rechnung getragen. Nach diesem dürfe niemand aufgrund seiner Behinderung benachteiligt werden.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat darauf hingewiesen, dass die Aufrechnung mit den laufenden Leistungen nicht eingestellt worden sei, da zunächst mit der vom Kläger durch den Widerspruch explizit nicht angefochtenen Rückforderungssumme von 2358,93 EUR für den Zeitraum vom 17.05.2011 bis 31.03.2012 aufgerechnet werde.
Mit Urteil vom 10.12.2013 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid des Beklagten Bezug genommen, nachdem keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Berücksichtigung einer Verletztenrente als Einkommen bestünden (Bezugnahme auf Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vom 16.03.2011, 1 BvR 591/08 und 593/08, und BSG vom 14.02.2013, B 14 AS 198/11 R).
Hiergegen richtet sich die am 08.01.2014 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegte Berufung des Klägers, mit der er geltend macht, die "durch einen Arbeitsunfall erlittene Behinderung und wiederkehrende Schmerzen [würden] als anzurechnendes Einkommen auf Alg II gewertet". Diese Rechtsprechung "impliziere nachgerade den Sinn einer Belohnung für geleistete Arbeit, was einem Einkommen entspräche, aber eben nicht ist". Es handele sich um Ausgleichszahlungen für erlittene Einschränkungen und Schmerzensgeld und nicht um eine vermögensbildende Geldzuwendung.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 10.12.2013 sowie den Bescheid des Beklagten vom 19.09.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.11.2012 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat die Beteiligten unter Bezugnahme auf die einschlägige Rechtsprechung des BVerfG und des BSG darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen. Die Beteiligten erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Kläger äußerte sich nicht.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Da der Senat die Berufung des Klägers einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich hält, entscheidet er gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.
Die Berufung ist nach den §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 SGG statthaft und zulässig, sie ist aber nicht begründet. Denn das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 19.09.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.11.2012 (§ 95 SGG) ist - soweit die hierin getroffene Regelung vom Kläger angegriffen wurde (Näheres hierzu sogleich) - rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten. Der Bezug der Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung stellt grundsätzlich zu berücksichtigendes Einkommen dar, das den SGB II-Bedarf mindert.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 19.09.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.11.2012, soweit der Beklagte mit diesem die Bewilligung von SGB II-Leistungen teilweise für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 31.08.2006 aufgehoben und vom Kläger die Erstattung von 4171,60 EUR gefordert hat. Hiergegen wendet sich der Kläger zu Recht mit der isolierten Anfechtungsklage (§ 54 SGG). Der Zeitraum vom 17.05.2011 bis 31.03.2012 und die damit zusammenhängende Erstattungsforderung in Höhe von 2358,93 EUR ist hingegen nicht Streitgegenstand, da der Kläger seinen am 22.10.2012 erhobenen Widerspruch (vgl. § 63 SGG) ausdrücklich auf den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 31.08.2006 und die Erstattung in Höhe von 4171,60 EUR beschränkt hat. Der Bescheid vom 19.09.2012 ist dadurch insoweit teilweise bestandskräftig (§ 77 SGG) geworden. Hieran ist der Senat gebunden.
Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 19.09.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.11.2012 ist, soweit der Beklagte mit diesem die Bewilligung von SGB II-Leistungen teilweise für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 31.08.2006 aufgehoben und von Kläger die Erstattung von 4171,60 EUR gefordert hat, formell und materiell rechtmäßig. Rechtsgrundlage für den Bescheid sind § 40 SGB II, § 45 SGB X, § 50 Abs. 1, 3 SGB X und § 330 Abs. 2 SGB III.
Der formellen Rechtmäßigkeit des Bescheids steht nicht entgegen, dass der Kläger nach § 24 Abs. 1 SGB X im Hinblick auf den eingreifenden Verwaltungsakt von dem Beklagten vor Erlass des genannten Bescheids anzuhören gewesen wäre. Denn die fehlende Anhörung ist durch das durchgeführte Widerspruchsverfahren nach § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X geheilt worden (vgl. BSG, Urteil vom 22.08.2012 - B 14 AS 165/11 R = SozR 4-1300 § 50 Nr. 3 RdNr. 13). Die Möglichkeit einer Heilung einer unterlassenen Anhörung bei Durchführung eines Widerspruchsverfahrens erfordert, dass dem Beteiligten schon in dem angefochtenen Verwaltungsakt oder auf andere Weise im Laufe des Widerspruchsverfahrens alle entscheidungserheblichen Tatsachen zur Kenntnis gebracht wurden, sodass er sich zu ihnen sachgerecht äußern konnte (BSG, Urteil vom 26.09.1999 - 4 RK 4/91 = BSGE 69, 247, 251 ff.; vom 12.12.2001 - B 6 KA 3/01 R = BSGE 89, 90, 93). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, da der Beklagte im angegriffenen Bescheid ausführlich dargelegt hat, weshalb und in welcher Höhe die Verletztenrente des Klägers als Einkommen anzurechnen ist. Auch wurde dem Kläger dargelegt, wie sich die Erstattungssumme errechnet. Der Verwaltungsakt war mithin auch nach § 33 Abs. 1 SGB X inhaltlich hinreichend bestimmt (vgl. hierzu nur BSG, Urteil vom 16.05.2012 - B 4 AS 154/11 R = SozR 4-1300 § 33 Nr. 1).
Der Bescheid ist - soweit er im Verwaltungsverfahren angegriffen wurde - auch materiell rechtmäßig. Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der vom 01.01.2005 bis heute geltenden Fassung aufgrund Art. 1 des 4. Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl. I, 2954), gilt für das Verfahren nach dem SGB II das SGB X. Zudem sind die Vorschriften des SGB III, u.a. über die Aufhebung von Verwaltungsakten, entsprechend anwendbar (§ 330 Abs. 1, 2, 3 Satz1, 4 SGB III; § 40 Abs. 2 Nr. 2, 3 SGB II i.d.F. der Bekanntmachung vom 13.05.2011 (BSGl. I, 850)).
Die Voraussetzungen für eine Rücknahme der Bewilligungsbescheide vom 02.11.2004, 07.02.2005, 07.06.2005, 15.12.2005, 22.06.2006 für die Vergangenheit sind erfüllt. Denn der Kläger kann sich nicht auf Vertrauen berufen. Nach § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II, § 330 Abs. 2 SGB III, § 45 SGB X ist - ohne Ausübung von Ermessen - ein begünstigender Verwaltungsakt - hier die Bewilligungsbescheide vom 02.11.2004, 07.02.2005, 07.06.2005, 15.12.2005, 22.06.2006 - auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit er (von Anfang an) rechtswidrig ist und das Vertrauen des Begünstigten nicht schutzwürdig ist (§ 45 Abs. 2SGB X).
Die Bewilligungsbescheide vom 02.11.2004, 07.02.2005, 07.06.2005, 15.12.2005, 22.06.2006 waren von Anfang an rechtswidrig. Denn zum Zeitpunkt ihres Erlasses bezog der Kläger bereits eine als Einkommen anzurechnende Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung, ohne dass der Kläger dies gegenüber dem Beklagten angegeben hat. Der Bezug der Verletztenrente seit dem 09.03.1981 ergibt sich aus dem Rentenbescheid vom 10.09.1981 (Bl. 137 der Verw.akte) und wird vom Kläger auch nicht bestritten. Danach bezog der Kläger im streitigen Zeitraum vom 01.01.2005 bis 31.08.2006 eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung in Höhe von 264,43 EUR. Unter Abzug der Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 EUR (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO) und den Kosten für die KFZ-Versicherung in Höhe von 25,85 EUR (§ 11b Abs. Satz 1 Nr. 3 SGB II) ergibt sich ein anrechenbares Einkommen in Höhe von 208,58 monatlich. Nachdem der Beklagte die Fristen des § 45 Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 Satz 2 SGB X eingehalten hat und auch die übrigen Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB X vorliegen und der Kläger - auch in Kenntnis der einschlägigen Rechtsprechung (vgl. BVerfG vom 16.03.2011 - 1 BvR 591/08, 1 BvR 593/08 = B 14 AS 198/11 R; BSG vom 14.02.2013 - B 14 AS 198/11 R = juris) - seine (nicht zutreffenden) Argumente nur wiederholt, verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 19.11.2012 (§§ 153 Abs. 1, 136 Abs. 3 SGG).
Der von dem Beklagten nach § 50 Abs. 3 SGB X festgesetzte Erstattungsbetrag von 4171,60 EUR für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 31.08.2006 ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden.
Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Verletztenrente auch für den Zeitraum vom 17.05.2011 bis 31.03.2012 anzurechnen ist, wobei der Beklagte offensichtlich übersehen hat, dass der Kläger bis 30.06.2011 nur eine Verletztenrente in Höhe von 275,26 EUR bezogen hat, was sich aus der Anpassungsmitteilung der Deutschen Post AG (Bl. 120 der Verw.akte) ergibt. Daraus folgt, dass die Aufhebungs- und Erstattungsforderung für die Monate Mai und Juni 2011 insoweit rechtswidrig ist, als eine Verletztenrente in Höhe von 277,98 EUR zugrunde gelegt wurde. Da dieser Zeitraum aber aufgrund der eingetretenen (materiellen) Bestandskraft nicht Streitgegenstand ist, konnte der Senat dies nicht berücksichtigen.
Die Berufung war daher zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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