L 9 U 3857/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 6164/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 3857/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 4. Juli 2013 sowie der Bescheid der Beklagten vom 25. März 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 2011 aufgehoben.

Die Beklagte hat der Klägerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte berechtigt gewesen ist, eine bislang nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 40 v.H. gewährte Rente auf 30 v.H. herabzusetzen.

Die 1945 geborene Klägerin war für die Firma T., Bezirkshandlung R., D., als kaufmännische Angestellte beschäftigt, als sie am 27.01.2006 gegen 09:00 Uhr auf dem Weg vom Büro in das Lager ausrutschte und sich dabei erhebliche Kopfverletzungen zuzog. Im Durchgangsarztbericht von Prof. Dr. D., Städtische Kliniken E. am Neckar, vom 27.01.2006 waren als Diagnosen eine offene Felsenbeinfraktur links und eine Commotio cerebri mit Amnesie angegeben worden. Nach einer hno-ärztlichen Untersuchung am 02.03.2006 stellte Dr. B., F./B., folgende Diagnosen: Schädelhirntrauma mit Commotio cerebri, Zustand nach Kopfplatzwunde occipital, Felsenbein-Längsfraktur links, Hörminderung links, sehr stark belästigendes Hörgeräusch links, Innenohrabfall links sowie Schwindel und Verständigungsprobleme. Prof. Dr. Dr. S. und Dr. B., Städtische Kliniken E., berichteten in ihrem Befundbericht vom 14.03.2006 über eine ausgeprägte Schallempfindungsschwerhörigkeit links, einen Tinnitus links und einen Dreh-/Schwankschwindel bei Felsenbeinlängsfraktur links im Januar 2006 und empfahlen eine Hörgeräteanpassung auf der linken Seite zur Verbesserung der Hypakusis und des Tinnitus. Dr. B. berichtete unter dem 28.03.2006 über ein sehr stark belästigendes Ohrgeräusch links, einen Innenohrabfall links, eine Vertigo und Verständigungsprobleme. Er verordnete eine Hörhilfe. Unter dem 05.05.2006 berichteten Prof. Dr. D. und Dr. L. über regelmäßige Vorstellungen der Klägerin in ihrer Sprechstunde. Bei einer Kontrolle am 12.04.2006 habe sie das vor einer Woche angepasste Hörgerät getragen und eine Besserung der Ohrgeräusche und auch eine deutliche Verbesserung des Hörvermögens angegeben. Sie habe darüber hinaus über einen ausgeprägten lageabhängigen Schwindel und ein Weiterbestehen der Geräusch- und Lärmempfindlichkeit geklagt. Die zuvor geklagten Kopfschmerzen seien rückläufig. Aus neurologischer Sicht käme trotz der Schwere der noch vorhandenen Symptome eine gestufte Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess in Frage. Die Klägerin befand sich hierauf vom 23.05.2006 bis 04.07.2006 und nochmals vom 07.11.2006 bis 13.11.2006 in stationärer Behandlung der Kliniken Schmieder, Stuttgart. Im Entlassungsbericht vom 14.11.2006 waren die Diagnosen eines Schädelhirntraumas I. Grades am 27.01.2006 mit Zustand nach Commotio cerebri und Felsenbeinlängsfraktur links, eine Hypakusis links, ein Tinnitus links, ein fluktuierender Drehschwindel, Gleichgewichtsstörungen, ein chronischer posttraumatischer Kopfschmerz, eine leichte kognitive Störung, eine posttraumatische Wesens-/Verhaltensänderung, eine psycho-physische Belastbarkeitsminderung, eine Anpassungsstörung, gemischt mit Angst sowie ein arterieller Hypertonus und eine alimentäre Adipositas angegeben worden. Ein weiterer stationärer Aufenthalt erfolgte dann vom 23.05.2007 bis 27.06.2007 in den Kliniken Schmieder, Konstanz. Dort wurde im Entlassungsbericht ausgeführt, dass unter dem näher beschriebenen therapeutischen Prozedere zwar eine Verbesserung in allen Bereichen habe erzielt werden können, die mentale Belastbarkeit habe sich dennoch nicht auf über drei Stunden steigern lassen. Ein beruflicher Wiedereinstieg sei mit der noch bestehenden Symptomatik aktuell nicht möglich.

In dem daraufhin von der Beklagten in Auftrag gegebenen Ersten Rentengutachten ging Priv.-Doz. Dr. D.ers (Gutachten vom 05.07.2007), Schmieder Kliniken., von einem Schädel-Hirn-Trauma bei Sturz mit Schädelbasisfraktur links und Felsenbeinfraktur links am 27.01.2006 aus, wobei die Klägerin offensichtlich eine Contusio cerebri erlitten habe mit derzeit noch bestehenden milden kognitiven Defiziten. Die Computertomografie des Schädels habe einen unauffälligen Parenchymbefund ergeben. Dies schließe aber eine klinisch relevante Hirnschädigung nicht aus. Im Vordergrund stehe eine deutliche Einschränkung der längerfristigen Belastbarkeit und der Ausdauer bei geistigen Anforderungen. Nach einer dreistündigen Belastungszeit bzw. einer zweieinhalbstündigen Testsituation sei eine deutliche Ermüdung und Erschöpfung eingetreten. Auch die Berufstherapie komme zum Ergebnis, dass die Klägerin aktuell nicht konkurrenzfähig drei Stunden pro Tag arbeiten könne. Die Angaben der Klägerin seien gut nachvollziehbar. Sie deckten sich mit den Beobachtungen während der Testsituationen und Belastungserprobungen im Haus. Es gebe keine Hinweise für eine Aggravation. Die Patientin habe im Gegenteil große Schwierigkeiten, ihre Defizite zu akzeptieren. Bei ihr liege ein aufgehobenes Leistungsvermögen vor.

In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 25.07.2007 vertrat Dr. H. die Auffassung, dass die ganzen diagnostischen und therapeutischen Befunde und Vorschläge auf der nicht bewiesenen Behauptung fußten, ein höhergradiges, also zu einem strukturellen Defizit führendes Schädel-Hirn-Trauma habe vorgelegen. Ein solcher Vollbeweis sei nicht geführt.

Dr. B. stellte in seinem hno-ärztlichen Gutachten vom 02.10.2007 u.a. Konzentrationsstörungen, Schwindel, Kopfschmerz, Hörbeeinträchtigung mit Kommunikationsproblemen, Tinnitus mit Einschlaf- und Durchschlafstörungen, deswegen fehlende Ruhephasen und Beeinträchtigung durch vermehrte Reizbarkeit mit sehr ungeduldigem Verhalten, Erschöpfung bereits nach ein bis zwei Stunden Arbeit und eine deutliche Belastungsminderung fest. Unter Berücksichtigung der gestellten Diagnosen betrage die MdE 40 v.H.

Der Radiologe Dr. P. teilte unter dem 04.10.2007 den Befund einer Kernspintomografie der Schädelbasis vom 04.10.2007 mit (bei Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma Grad I mit Commotio cerebri und Felsenbeinlängsfraktur links zeige sich ein unauffälliges Neurokranium ohne Nachweis einer Hämorrhagie, Ischämie bzw. einer Defektbildung, keine Zeichen einer abgelaufenen Kontusion, keine Flüssigkeit im Bereich des linken Felsenbeins und eine unauffällige Darstellung des Kleinhirnbrückenwinkels sowie eine Sinusitis maxillaris rechts).

Der von der Beklagten gehörte Beratungsfacharzt Dr. H. führte in seiner Stellungnahme vom 23.10.2007 aus, dass der von Dr. B. angenommenen MdE um 40 v.H. dann zuzustimmen sei, wenn man für die Hörstörung eine MdE von 25 bis 30 v.H., für den Tinnitus eine solche von 20 v.H. und für den Schwindel eine MdE von ebenfalls 20 v.H. annehme. Diese Berechnung enthalte jedoch mehrere unklare Imponderabilien, wie die Stärke des Tinnitus, Ursache und Stärke des Schwindels und Unfallbeteiligung auch des rechten Ohres. Er halte daher dringend eine hno-ärztliche Begutachtung für erforderlich.

In dem daraufhin in Auftrag gegebenen hno-ärztlichen Gutachten stellte Prof. Dr. S.(zusammen mit dem Assistenzarzt Sultanie) unter dem 11.07.2008 eine hochgradige bis an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit links, einen Tinnitus links und Gleichgewichtsstörungen als Folgen des Unfalles fest. Bei der Innenohrschwerhörigkeit handele es sich um einen Dauerzustand. Ob es zu einer Kompensation des Schwindels oder des Tinnitus kommen könne, müsse man abwarten. Der Tinnitus habe sich links mit weißem Rauschen bei 1,5 kHz bestimmen lassen und mit Rauschen von 5 db über der Geräuschschwelle verdecken lassen. Die psycho-vegetativen Begleiterscheinungen in Form von Reizbarkeit, Konzentrationsschwierigkeiten und Einschlafstörungen seien erheblich. Während der Gleichgewichtsuntersuchungen hätten im Gegensatz zu den früheren Untersuchungen in der Lagerungsprüfung Nystagmen ausgelöst werden können. Diese sprächen für eine Otolithendislokation des linken Vestibularorgans, wahrscheinlich verursacht durch das Trauma. Unter Berücksichtigung aller audiologischen Befunde und des Vorschadens am rechten Ohr schätze er die MdE der Hörstörung links auf 20 v.H. Der mit erheblichen psycho-vegetativen Begleiterscheinungen dekompensierte Tinnitus rechtfertige eine MdE um 20 v.H. Gleiches gelte für die Gleichgewichtsstörung mit Unsicherheit und Schwindelerscheinung bei mittlerer Belastung. Insgesamt ergebe sich so eine MdE um 40 v.H.

Mit Bescheid vom 07.08.2008 gewährte die Beklagte eine Rente auf unbestimmte Zeit wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 27.01.2006 nach einer MdE von 40 v.H. ab 01.08.2007. Bei der Bewertung der MdE habe man nach Bruch des linken Felsenbeins mit Einblutung, Gehirnerschütterung und Kopfplatzwunde eine Innenohrschwerhörigkeit und Tinnitus des linken Ohres, Gleichgewichtsstörung mit Unsicherheit und Schwindelerscheinungen, psycho-vegetative Begleiterscheinungen in Form von Reizbarkeit, Konzentrationsschwierigkeiten und Einschlafstörungen berücksichtigt. Die Versorgung mit einem Hörgerät links sei erfolgt.

Vom 09.03.2009 bis zum 04.04.2009 befand sich die Klägerin zur stationären Behandlung in den Median Kliniken B. K ... In deren Abschlussbericht vom 10.06.2009 wurden die Diagnosen chronischer, dekompensierter Tinnitus aurium links, Schädel-Hirn-Trauma mit Felsenbeinfraktur links und Commotio cerebri, traumatogene Schwerhörigkeit links, Einschlafstörungen, lagerungsabhängiger Drehschwindel, Costovertebralsyndrom, funktionelles Zervikalsyndrom und Hyposelenämie gestellt. Es wurde ausgeführt, dass der Allgemeinzustand der Klägerin am Ende des Aufenthaltes deutlich besser gewesen sei, nach deren Aussage sogar sehr gut. Sie habe sich wesentlich ruhiger, gelassener und erholter gefühlt. Sie sei froh gewesen, dass sie sich psychisch und auch physisch wieder leichter fühle. Vor Neuem habe sie weniger Angst und traue sich wieder mehr zu. Außerdem könne sie jetzt besser auf sich achten und das tun, was ihr guttue. Der Tinnitus sei mal lauter, dann wieder leiser. Die Klägerin könne jetzt den Zusammenhang verstehen zwischen der Tinnituslautstärke und dem inneren Aufgewühltsein. Sie höre den Tinnitus nicht mehr, wenn sie in angeregten Unterhaltungen oder mit Lesen beschäftigt sei. Während des autogenen Trainings und der Hypnotherapie höre sie ihn ebenfalls nicht. Die Belastung durch den Tinnitus habe sich deutlich verringert. Sie habe gelernt, gelassener mit den Ohrgeräuschen umzugehen. Dies zeige sich auch im Tinnitus-Fragebogen nach Goebel und Hiller, in dessen Rahmen die Klägerin zu Beginn der Therapie einen äußerst hohen Score von 76 Punkten (Gesamtschweregrad 97,4 %) erreicht habe. Am Ende der Entlassung habe dieser noch 59 Punkte (Gesamtschweregrad 75 %) betragen. Dies entspreche einer Verbesserung um 17 Punkte und unterstreiche deutlich den subjektiv empfundenen Behandlungserfolg. Den Einschlafschwierigkeiten begegne die Klägerin jetzt mit autogenem Training, teilweise schon mit Erfolg. Ansonsten sei der Schlaf gleich geblieben. Eine Wiederholung der stationären Tinnitusbehandlung werde empfohlen. Vor dem Hintergrund der Entstehung des Tinnitus durch einen Unfall, der verbunden sei mit schweren kognitiven Einschränkungen, sei von einer anhaltend starken Beeinträchtigung der Lebensqualität und dem Auftreten depressiver Stimmungen auszugehen, falls die Klägerin das Erlernte noch nicht in vollem Maße in den Alltag integrieren könne. Trotz Verbesserungen zeige der immer noch hohe Score am Ende der Behandlung, dass die Klägerin noch weiteren therapeutischen Bedarf habe.

Die Beklagte gab hierauf ein weiteres hno-ärztliches Gutachten bei Prof. Dr. S., T., in Auftrag. Dieser stellte in seinem Gutachten vom 26.10.2009 (zusammen mit der Assistenzärztin Rebelo) zusammenfassend einen persistierenden, unfallbedingten, teilkompensierten Tinnitus, eine hochgradige, an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit links und Gleichgewichtsstörungen als Folge des Unfalles fest. Der Tinnitus sei als teilkompensiert zu betrachten, nachdem die Klägerin das Geräusch vor allem nachts als störend empfinde und das Einschlafen beeinträchtigt sei. Den jetzt teilkompensierten Tinnitus bewertete er mit einer MdE von 10 v.H. Dadurch ergebe sich unter Berücksichtigung der weiteren Unfallfolgen ein Gesamt-MdE auf hno-fachärztlichem Gebiet von 30 v.H. Ergänzend teilte Prof. Dr. S. unter dem 08.02.2010 mit, dass im Gutachten von 2008 psycho-vegetative Begleiterscheinungen in Form von Reizbarkeit, Konzentrationsschwierigkeiten und Einschlafstörungen als erheblich genannt worden seien. Dies sei aktuell nicht der Fall.

Mit Schreiben vom 05.03.2010 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass beabsichtigt sei, die Versichertenrente herabzusetzen und diese nach einer MdE um 30 v.H. zu gewähren. Hiergegen hat die Klägerin, vertreten durch ihren Ehemann, mit Schreiben vom 10.03.2010 "Einspruch" eingelegt und beantragt, die Rente von 40 auf 50 v.H. zu erhöhen. Sie machte geltend, keinen Abend mehr einschlafen oder gar eine Nacht durchschlafen zu können. Sie habe ständig Kopfschmerzen, bei denen sie meine, ein Dampfhammer sei am Werk. Nach wie vor leide sie unter sehr starken Hörgeräuschen, Reizbarkeit und Konzentrationsschwierigkeiten seien immer noch vorhanden, selbst die Übelkeit, was bei einem flinken Drehen öfters bis zum Erbrechen führe. Im Übrigen sei der neurologische Teil des Unfalles bislang von keiner Seite berücksichtigt oder bewertet worden. Zu keinem Zeitpunkt habe nur eine kleine Gehirnerschütterung vorgelegen, sondern ein Schädelbasisbruch.

Mit Bescheid vom 25.03.2010 stellte die Beklagte die Minderung der Erwerbsfähigkeit ab dem 01.04.2010 auf 30 v.H. neu fest. Zur Begründung führte sie aus, dass sich die dem Bescheid vom 07.08.2008 zugrundeliegenden Verhältnisse wesentlich geändert hätten. Der Tinnitus sei zwischenzeitlich teilkompensiert, dadurch bedingt hätten die psycho-vegetativen Begleiterscheinungen in Form von Reizbarkeit, Konzentrationsschwierigkeiten und Einschlafstörungen abgenommen. Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 30.03.2010 Widerspruch ein. Hierauf empfahl der hno-fachärztliche Berater der Beklagten eine nochmalige Abklärung durch ein hno-fachärztliches Gutachten (Stellungnahme von Dr. H. vom 19.07.2010). In dem daraufhin in Auftrag gegebenen Gutachten stellte Dr.J. (Gutachten vom 12.09.2010) eine mittel- bis hochgradige Innenohrschwerhörigkeit links, verbunden mit einem als dekompensiert einzuschätzenden Tinnitus aurium, und uncharakteristische Belastungsschwindelbeschwerden sowie - jetzt hinzugekommen - auch eine objektive Beeinträchtigung des Riechvermögens im Sinne einer Hyposmie, verbunden mit Hypogeusie fest. Linksseitig bestehe ein permanent und subjektiv als stark störend eingeschätztes Ohrgeräusch, verbunden mit Ein- und Durchschlafstörungen, Konzentrationsminderung und eine aus der subjektiven Belastung resultierende depressive Stimmungslage, weshalb auch die soziale Kommunikation beim Umgang mit Freunden und Bekannten beeinträchtigt sei. Eine Änderung sei nicht erkennbar, die Rückstufung der Gesamt-MdE durch die Unfallfolgen von 40 % auf 30 % erscheine ihm nicht gerechtfertigt, zumal von der Klägerin über eine eher stärkergradige Belastung als zuvor, speziell durch die Ohrgeräusche, geklagt werde. Die Einschränkungen des Riech- oder Geschmackvermögens rechtfertigten nur eine MdE von weniger als 10 v.H.

Die Beklagte gab ein weiteres Gutachten bei Prof. Dr. L., Ulm, in Auftrag. Unter Berücksichtigung eines neuropsychologischen Zusatzgutachtens kamen Dr. Waibel, Prof. Dr. R. und Prof. Dr. L. in ihrem Gutachten vom 20.06.2011 zu den Diagnosen einer Commotio cerebri, einer Felsenbeinlängsfraktur, Tinnitus, einer Somatisierungsstörung und Depression. Ein Anhalt für ein höhergradiges Trauma mit einem länger dauernden unfallabhängigen Kopfschmerz ergebe sich weder klinisch noch morphologisch. Auf neurologischem Fachgebiet liege die MdE aufgrund der subjektiven Beschwerden nach der Commotio cerebri und der neuropsychologischen Defizite in den ersten Wochen nach dem Unfall bei 100 v.H., dann für sechs Wochen bei 50 v.H. und anschließend bei 30 v.H. auf Dauer. Insoweit verwiesen die Gutachten auf das neuropsychologische Zusatzgutachten von Priv.-Doz. Dr ...U.

In der daraufhin veranlassten beratungsfachärztlichen Stellungnahme vom 25.08.2011 wies Dr. H. darauf hin, dass die von Prof. Dr. L. zitierte Rentenliteratur für eine Commotio cerebri eine MdE in Höhe von 30 v.H. nur für die Dauer von drei bis sechs Monaten vorsehe. Die noch bestehenden Beschwerden seien im Hinblick auf das Unfallereignis nicht nachvollziehbar und nicht begründbar. In der ebenfalls veranlassten beratungsärztlichen Stellungnahme vom 27.09.2011 führte der Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten Dr. H. aus, dass die Bewertung der zunächst bestehenden Einschränkungen aufgrund des äußerst lästigen Tinnitus (Ein- und Durchschlafstörungen, Konzentrationsschwäche, Reizbarkeit, schnelle Ermüdung) mit einer MdE um 20 v.H. berechtigt gewesen sei. Weil nach der Behandlung in der Tinnitus-Klinik B.K. die Tinnitusbeschwerden deutlich gebessert erschienen, habe die HNO-Klinik des Katharinenhospitals (Prof. Dr. S.) die hierdurch bedingte MdE sicher zu Recht auf 10 v.H. herabgesetzt, was zu einer Senkung der Gesamt-MdE auf 30 v.H. geführt habe. Aufgrund der eingehend geschilderten Vorgeschichte und der vorliegenden neuropsychologischen Untersuchungsergebnisse sei er der Auffassung, dass die Tinnitusbeschwerden mit einer MdE von 10 v.H. ausreichend berücksichtigt seien, weil eine psychische Überlagerung ziemlich sicher zu sein scheine. Mit Widerspruchsbescheid vom 26.10.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung verwies die Beklagte auf das Gutachten von Prof. Dr. S ... Danach hätten die psycho-vegetativen Begleiterscheinungen in Form von Reizbarkeit, Konzentrations- und Einschlafstörungen durch eine Teilkompensation des Tinnitus abgenommen.

Hiergegen hat die Klägerin am 31.10.2011 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) eingelegt und sich zur Begründung auf das Gutachten von Prof. Dr. L. gestützt. Sie hat daran festgehalten, dass die MdE mit 50 v.H. einzuschätzen sei.

Das SG hat Beweis erhoben durch das Einholen eines Gutachtens bei Prof. Dr. M., H ... In dessen fachneurologischem Gutachten vom 14.05.2012 unter Berücksichtigung eines neuro-psychologischen Zusatzgutachtens von Prof. Dr. Dr. H. und Dr. Dipl.-Psych. M.-W. vom 04.05.2012 wurden als Diagnosen eine Schädigung des linken Hör- und Vestibularorgans mit Tinnitus, Innenohrschwerhörigkeit und Drehschwindel, ein Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma mit Felsenbeinfraktur links, ein Zustand nach Commotio cerebri, eine Pseudodemenz mit Wesensänderung, ein Kopfschmerz vom Spannungstyp, eine sensible Polyneuropathie und der Verdacht auf eine leichte depressive Störung festgestellt. Er hat ausgeführt, dass die bereits anerkannten Beschwerden sich nicht wesentlich geändert hätten, wobei eine objektive Messmethode für die subjektiven Schwindelbeschwerden und die psycho-vegetativen Begleitsymptome fehlten. Neu dokumentiert seien seit dem neuro-psychologischen Gutachten aus dem Jahr 2011 die beschriebenen neuro-kognitiven Defizite, welche er als Ausdruck einer Pseudodemenz mit Wesensänderung werte. Diese sei nicht als hirnorganisch bedingt zu werten und aufgrund der deutlichen zeitlichen Latenz zum Unfallzeitpunkt (5 Jahre) nicht Unfallfolge. Auf neurologischem Gebiet bestehe keine MdE. Die MdE auf hno-ärztlichem Gebiet von 30 v.H. aufgrund der Schädigung des Vestibular- und Hörorgans erscheine ihm hoch angesetzt.

Mit Urteil vom 04.07.2013 hat das SG die Klage abgewiesen und sich hinsichtlich der Einschätzung der MdE auf hno-fachärztlichem Gebiet der des Prof. Dr. S. mit 30 v.H. angeschlossen. Die Einschätzung von Dr. Jacobi sei zu hoch, weil sich durch die Kompensation eine Änderung ergeben habe und der von der Klägerin vorgetragene schlechtere Zustand nicht bewiesen sei. Auf neurologischem Gebiet besteht zur Überzeugung des Gerichts keine unfallbedingte MdE. Insoweit schloss es sich der Auffassung von Prof. Dr. M. an.

Gegen das ihr am 21.08.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 02.09.2013 Berufung eingelegt.

Die Klägerin beantragt zuletzt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 4. Juli 2013 sowie den Bescheid vom 25. März 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 2011 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Mit den Beteiligten wurde der Sach- und Streitstand am 20.05.2014 erörtert. Auf die entsprechende Niederschrift wird verwiesen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entschieden hat, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Gegenstand des Rechtsstreits ist nach der teilweisen Rücknahme der Berufung mit Schriftsatz des Bevollmächtigten der Klägerin vom 02.06.2014 nur noch die teilweise Entziehung der auf unbestimmte Zeit gewährten Rente (Bescheid vom 07.08.2008) mit Wirkung ab 01.04.2010 mit Bescheid vom 25.03.2010 (in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.10.2011) und die Höhe der ab diesem Zeitpunkt gewährten Rente nach einer MdE um nur noch 30 v.H. der Vollrente. Der geltend gemachte Anspruch kann im Rahmen einer isolierten Anfechtungsklage gem. § 54 Abs. 1 SGG geltend gemacht werden, denn mit der Aufhebung des angefochtenen Bescheides gelten die Feststellungen des Bescheides der Beklagten vom 07.08.2008, die die Klägerin seinerzeit nicht angefochten hatte. Eines ausdrücklichen Ausspruches, die Rente über den 01.04.2010 hinaus weiter zu gewähren, bedarf es nicht, da die Klägerin nach Aufhebung der angefochtenen Bescheide Anspruch auf Zahlung der Rente aus der bewilligten Rente auf unbestimmte Zeit hat.

Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Das angefochtene Urteil des SG und die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, weshalb sie aufzuheben waren. Die Beklagte hat zu Unrecht eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um nur noch 30 v.H. festgestellt.

Prüfungsmaßstab für die Rechtmäßigkeit des Herabsetzungsbescheides ist § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X), der die Aufhebung von Verwaltungsakten mit Dauerwirkung bei Änderung der Sach- und Rechtslage regelt. § 48 SGB X wird auch nicht durch § 62 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) verdrängt, weil letzterer nur Änderungen, Aufhebungen oder Ersetzungen von "vorläufigen" Feststellungen eines Rentenanspruchs in der gesetzlichen Unfallversicherung regelt (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 26.02.2013, L 9 U 1265/09, m.w.N., in Juris). Der Bescheid vom 07.08.2008 hatte ausdrücklich eine Rente auf unbestimmte Zeit festgestellt. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Eine Verschlimmerung oder Verbesserung von Unfallfolgen bedeutet nur dann eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 48 SGB X, wenn sich hierdurch der Grad der MdE um mehr als 5 v. H. senkt oder erhöht (§ 73 Abs. 3 SGB VII). Darüber hinaus muss eine solche Veränderung der MdE länger als drei Monate andauern (§ 73 Abs. 3, 2. Halbsatz SGB VII). Ob eine wesentliche Änderung vorliegt, ist durch einen Vergleich der zum Zeitpunkt des Erlasses des ursprünglichen Verwaltungsaktes maßgeblichen Befunde mit denjenigen zu ermitteln, die zum Zeitpunkt der geltend gemachten Änderung vorliegen (BSG SozR 3-1500 § 54 Nr. 18). Maßgeblicher Verwaltungsakt ist insoweit der Bescheid vom 07.08.2008, welcher bestimmte, dass dem Kläger eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 40 v.H. der Vollrente aus Anlass des Unfalles vom 27.01.2006 ab 01.08.2007 zu gewähren ist.

Der Entscheidung lagen die von der Beklagten in Auftrag gegebenen Gutachten von Dr. D. vom 05.07.2007 und die hno-ärztlichen Gutachten von Dr. B.r vom 02.10.2007 und von Prof. Dr. S. vom 11.07.2008 zugrunde. Nach den Ausführungen der Beklagten im Bescheid vom 07.08.2008 war Grundlage für die Bewertung der MdE das Gutachten von Prof. Dr. S.und folgende, durch den Arbeitsunfall verursachte gesundheitliche Beeinträchtigungen:

Nach Bruch des linken Felsenbeins mit Einblutung, Gehirnerschütterung und Kopfplatzwunde: Innenohrschwerhörigkeit und Tinnitus des linken Ohres. Gleichgewichtsstörungen mit Unsicherheit und Schwindelerscheinungen. Psycho-vegetative Begleiterscheinungen in Form von Reizbarkeit, Konzentrationsschwierigkeiten und Einschlafstörungen. Die Versorgung mit einem Hörgerät links ist erfolgt.

Im Gutachten von Prof. Dr. S. als Grundlage zur Begründung eines dekompensierten Tinnitus (Gutachten vom 11.07.2008) ist festgehalten worden, dass die Klägerin über "einen linksseitigen Tinnitus" geklagt habe, "der im Verlauf des Tages an Intensität zunehmen würde". Die Ohrgeräusche beeinträchtigten ihren Lebensalltag sehr. "Sie leide unter Reizbarkeit, Aggressionen und unter einer depressiven Stimmungslage. Bei der Arbeit habe sie Konzentrationsschwierigkeiten und sie leide unter Einschlafstörungen. Die Schwerhörigkeit und Geräuschempfindlichkeit links seien seit dem Unfall subjektiv etwa gleich geblieben. Mit ihrem Hörgerät sei sie zufrieden, da die Sprachverständlichkeit besser geworden und der Tinnitus verdeckt worden seien". Prof. Dr. S. hat den Tinnitus links mit weißem Rauschen bei 1,5 kHz bestimmt und angegeben, dass sich dieser mit Rauschen von 5 dB über der Geräuschschwelle verdecken ließ. Eine Verifizierung der geklagten Beschwerden aufgrund des Tinnitus findet sich in dem Gutachten nicht. Insbesondere wurden geklagte Konzentrationsstörungen nicht weiter überprüft, eine psychiatrische oder psychologische Untersuchung nicht veranlasst. Eine solche dürfte sich aber schon deshalb aufgedrängt haben, nachdem die Klägerin in den neuropsychologischen Untersuchungen im Rahmen des stationären Aufenthaltes in den Kliniken Schmieder im November 2006 und im Rahmen des Ersten Rentengutachtens (05.07.2007) in allen kognitiven Leistungsbereichen noch weitgehend unauffällige Ergebnisse erzielt hatte, auch wenn dort - auf der Grundlage einer Contusio cerebri - dennoch von einer psychophysischen Belastungsminderung ausgegangen wurde. Der Sachverständige ist letztlich aufgrund einer "freien" Einschätzung zu dem Ergebnis gelangt, es handele sich um einen mit "erheblichen" psychovegetativen Begleiterscheinungen dekompensierten Tinnitus links, welchen er mit einer MdE um 20 v.H. bewertete. Eine weitergehende (objektivere) Befunderhebung lässt sich auch dem Ersten Rentengutachten von Dr. B. nicht entnehmen. Zur von Dr. H. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 23.10.2007 geforderten Abklärung der Stärke des Tinnitus und damit des Ausmaßes der damit verbundenen Einschränkungen ist das Gutachten von Prof. Dr. S. nur bedingt aussagekräftig.

Eine wesentliche und über einen Zeitraum von wenigstens drei Monaten anhaltende Besserung der Unfallfolgen ist für die Zeit der teilweisen Aufhebung durch die Beklagte (ab 01.04.2010) nicht belegt und auch unter Berücksichtigung des Gutachtens von Prof. Dr. S. vom 26.10.2009 nicht bewiesen.

Eine dauerhafte Besserung lässt sich schon dem Bericht der Median Kliniken B. K. (stationärer Aufenthalt vom 09.03.2009 bis 04.04.2009) nicht entnehmen. Der Entlassungsbericht spricht zwar von einer deutlichen Besserung des Allgemeinzustandes. Die Klägerin habe sich ruhiger, gelassener und erholter gefühlt. Nach einer deutlichen Gewichtsabnahme sei sie froh gewesen, sich psychisch und physisch wieder leichter zu fühlen. Vor Neuem habe sie weniger Angst und traue sich wieder mehr zu. Hinsichtlich der Einschränkungen durch den Tinnitus wird dieser im Rahmen des Behandlungsergebnisses als mal lauter, mal leiser beschrieben. Die Klägerin habe den Zusammenhang zwischen der Tinnituslautstärke und dem inneren Aufgewühltsein verstehen können. Sie habe den Tinnitus nicht mehr gehört, wenn sie sich angeregt unterhalten habe oder mit Lesen beschäftigt gewesen sei. Auch während des autogenen Trainings und der Hypnotherapie habe sie ihn nicht gehört. Die Belastung durch den Tinnitus habe sich verringert, sie habe gelernt, gelassener mit den Ohrgeräuschen umzugehen. Trotz der angegebenen Besserungen lässt sich dem Bericht der Median Klinik aber (noch) kein dauerhafter Behandlungserfolg entnehmen. Vielmehr wiesen die Behandler ausdrücklich darauf hin, dass vor dem Hintergrund der Entstehung des Tinnitus durch einen Unfall, welcher mit schweren kognitiven Einschränkungen verbunden sei, von einer anhaltend starken Beeinträchtigung der Lebensqualität und dem Auftreten depressiver Stimmungen auszugehen sei, wenn die Klägerin das Erlernte nicht in vollem Umfang in den Alltag integrieren könne. Die Einschlafstörungen seien zum Zeitpunkt der Entlassung auch durch autogenes Training noch nicht überwunden gewesen. Schließlich wiesen sie darauf hin, dass der noch hohe Score im Tinnitusfragebogen nach Goebel und Hiller bei Entlassung aus der stationären Behandlung mit 59 Punkten immer noch einen Gesamtschweregrad von 75 % aufgewiesen habe, weshalb eine weitergehende therapeutische Behandlung erforderlich sei. Dementsprechend geht der Bericht auch noch von einem dekompensierten und nicht schon von einem teilkompensierten Tinnitus aus, wie der Diagnosestellung entnommen werden kann. Die Beklagte hat diesen Bericht dann auch nicht schon zum Anlass genommen, die MdE herabzusetzen, sondern hat ein weiteres Gutachten zur Rentennachprüfung bei Prof. Dr. S. in Auftrag gegeben. Die Anamnese in diesem Gutachten (26.10.2009) beschränkt sich im Hinblick auf die Ohrgeräusche jedoch auf die Angabe, dass im linken Ohr ein konstantes Rauschen mit hoher Intensität vorhanden sei, welches von einem rezidivierenden Piepsen ("wie ein Faxgerät") begleitet werde. Angegeben war zudem, dass die Klägerin nach einem Aufenthalt in der "Reha-Klinik für Tinnitus" eine "transitorisch", also nur eine vorübergehende, nur kurzandauernde, später wegfallende (vgl. das Stichwort unter www.duden.de) "leichte" Besserung bemerkt habe. Eine genauere Eingrenzung und explicit Nachfragen, insbesondere zu den im Vorgutachten noch berücksichtigten psychovegetativen Begleiterscheinungen, sind in dem Gutachten nicht festgehalten worden. Ausgeführt wurde nur, dass die Klägerin den Tinnitus nachts störender als tagsüber empfinde und dass sich die Klägerin "aktuell" leicht ermüdet und seit dem Unfall aggressiver fühle. Ferner gab Prof. Dr. S. lediglich an, die Klägerin empfinde das Geräusch "vor allem" nachts als störend und dass das Einschlafen beeinträchtigt sei. Diese Feststellungen vermögen eine rentenrelevante Besserung der anerkannten psychovegetativen Begleiterscheinungen und damit der Erwerbsminderung jedoch nicht zu belegen. Hierzu hätte es einer ausführlichen Anamneseerhebung bedurft, ein Auseinandersetzen mit den Befunden der Median Kliniken B. K., insbesondere im Hinblick darauf, ob es der Klägerin tatsächlich gelungen war, die Einschränkungen durch den Tinnitus zugunsten von mehr Lebensqualität zu verringern. Hierzu hätte auch die erneute Prüfung mittels des von der Medianklinik verwendeten Tinnitusfragebogens und ggfs. die Beiziehung eines psychiatrischen Gutachtens zur Klärung der durch den Tinnitus verbliebenen Einschränkungen, ob und inwieweit also durch die Ohrgeräusche noch Konzentrationsstörungen Reizbarkeit und Einschlafstörungen bestehen, gehört. Die Angaben der Klägerin, es sei nur eine vorübergehende Besserung eingetreten und auch, dass sie sich weiterhin aggressiver fühle, blieben insoweit ebenfalls unkommentiert. Auf welcher Grundlage das Gutachten von Prof. Dr. S. zu der Überzeugung gelangte, der Tinnitus sei als teilkompensiert anzusehen, erschließt sich dem Senat nicht. Das Gutachten vermag daher nicht zu überzeugen und hat wohl auch die Beklagte nicht überzeugt. Denn es veranlasste sie offensichtlich, ergänzende Stellungnahmen einzuholen. Zunächst wies sie Prof. Dr. S. darauf hin, dass dem Gutachten nicht klar entnommen werden könne, welche Unfallfolgen sich inwiefern gebessert hätten. Mit der dann eingegangenen Stellungnahme führte Prof. Dr. S. - zunächst ohne nähere weitere Erläuterung - aus, eine Besserung sei jetzt durch den teilkompensierten Tinnitus eingetreten, welcher nur noch eine MdE um 10 v.H. rechtfertige (Stellungnahme vom 13.01.2010). Zur weiteren Begründung gab er auf Veranlassung der Beklagten dann unter dem 08.02.2010 an, er gehe nicht mehr von "erheblichen" psycho-vegetativen Begleiterscheinungen in Form von Reizbarkeit, Konzentrationsschwierigkeiten und Einschlafstörungen aus. Diese Ausführungen werden aber - wie oben bereits dargelegt - weder über eine Anamneseerhebung, die unvollständig geblieben ist, noch durch eine spezielle Befunderhebung gedeckt.

Nicht mehr entscheidend ist deshalb, dass der dem Senat durch eigene Beauftragung bekannte Dr. Jacobi in dem von ihm im Widerspruchsverfahren für die Beklagte erstellten Gutachten eine solche Besserung nicht festzustellen vermochte. Hiermit setzt sich die Beklagte im angefochtenen Widerspruchsbescheid im Übrigen nicht auseinander. Dies erstaunt umso mehr, als der Beratungsarzt der Beklagten, Dr. H, eine Abklärung der angeblich bestehenden Beschwerden in seiner Stellungnahme vom 19.07.2010 für erforderlich hielt und die Beklagte gerade deshalb das Gutachten von Dr. J. in Auftrag gegeben hat. Wie sich dem Gutachtensauftrag vom 05.08.2010 entnehmen lässt, war Dr. J. auch speziell zur Frage der Teilkompensation gehört worden. Diesbezüglich hat er dann auch ausdrücklich ausgeführt, dass eine Änderung der Unfallfolgen weder subjektiv bestehe noch objektivierbar sei und der Tinnitus weiterhin aufgrund der subjektiven Belastung als dekompensiert einzuschätzen sei. Der Senat sieht keinen Grund, dies in Zweifel zu ziehen, da keiner der gehörten Ärzte von Aggravation oder Simulation ausgegangen war. Im Übrigen dürfte schon aus beweisrechtlichen Gründen der Zweifel an einer Besserung nicht der Klägerin zum Nachteil gereichen, sondern der Beklagten, die sich zur Begründung ihrer Entscheidung hierauf beruft. Soweit die Beklagte auf eine angeblich nicht mehr nachweisbare schnelle Ermüdbarkeit und fehlende Durchschlafstörungen verweist, ergibt sich hieraus nichts anderes. Eine solche schnelle Ermüdbarkeit war offensichtlich schon nicht wesentliche Grundlage für die Bewertung der MdE mit Bescheid vom 27.08.2008. Denn dort wurden zur Begründung der MdE-Bewertung psychovegetative Begleiterscheinungen "in Form von Reizbarkeit, Konzentrationsschwierigkeiten und Einschlafstörungen" genannt. Eine schnelle Ermüdbarkeit war offensichtlich auch nicht Grundlage für die MdE-Bewertung durch Prof. Dr. S. im Gutachten vom 11.07.2008, auf die sich die Beklagte im Bescheid vom 27.08.2008 ausschließlich bezieht. Denn Feststellungen hierzu finden sich in diesem Gutachten nicht. Gleiches gilt für die Durchschlafstörungen. Soweit Dr. H. meint, die Tinnitusbeschwerden seien mit einer MdE von 10 v.H. ausreichend bemessen, verkennt er, dass es sich hier um keine freie Einschätzung der MdE handelt, sondern um den zu erbringenden Nachweis einer rentenrechtlich relevanten Besserung. Soweit die Beklagte auf Testverfahren bei Dr. Jacobi verweist, ist darauf hinzuweisen, dass Dr. J. - wie die Vorgutachter auf hno-fachärztlichem Gebiet auch - Testverfahren nur zur Klärung der eingetretenen Hörminderung durchgeführt hat. Dass im Rahmen dieser Testungen von Dr. J. Ermüdungserscheinungen nicht dokumentiert wurden, belegt die von der Beklagten behauptete Besserung nicht, da solche Ermüdungserscheinungen während solcher Testungen auch in den hno-ärztlichen Vorgutachten nicht beschrieben wurden. Soweit die Beklagte auf das Gutachten von Prof. Dr. M. verweist, ist darauf hinzuweisen, dass dieser ausdrücklich festgehalten hat, dass eine wesentliche Änderung bei den anerkannten Beschwerden nicht eingetreten sei. Auf den Nachweis einer Besserung zum Zeitpunkt der Gutachtenerstellung durch Prof. Dr. M. käme es im Übrigen nicht an, denn bei einer Anfechtungsklage gegen einen eine Verletztenrente entziehenden Bescheid beurteilt sich dessen Rechtmäßigkeit auch dann nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seines Erlasses, wenn erst nachträglich eine die Entziehung begründende Änderung der Verhältnisse eintritt (BSG SozR 3-1500 § 54 Nr. 18).

Schließlich liegen Besserungen im Gesundheitszustand der Klägerin weder im Bereich der als Unfallfolge berücksichtigten Schwindelerscheinungen noch im Bereich der vom Unfall verursachten linksseitigen Hörbeeinträchtigung vor, was der Senat sowohl dem Gutachten von Prof. Dr. S. als auch von Dr. J. entnimmt. Entsprechendes macht die Beklagte auch nicht geltend.

Soweit sich angesichts der vorliegenden Bewertung der MdE mit 40 v.H. die Frage stellen könnte, ob diese schon im Bescheid vom 27.08.2008 rechtswidrig gewesen und die Aufhebung der Versichertenrente mit Wirkung ab dem 01.04.2010 nach § 45 SGB X gerechtfertigt sein könnte, scheidet dies vorliegend ungeachtet der Frage, ob eine solche Umdeutung möglich wäre (vgl. hierzu Steinwedel in Kasseler Kommentar, Stand Dezember 2013, § 43 Rn 20 ff.), schon deshalb aus, weil ein Nachweis der Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Bewilligung nicht vorliegt und es - § 45 SGB X als Rechtsgrundlage für die Aufhebung unterstellt - an einer auch für eine Aufhebung für die Zukunft erforderlichen Ermessensausübung fehlt, sodass die Aufhebung der Entscheidung auch unter diesem Gesichtspunkt gerechtfertigt wäre. Dass der Sonderfall der sog. Ermessensreduzierung auf Null hier nicht vorliegt, bedarf keiner weitergehenden Ausführungen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass sich die Klägerin auch im Berufungsverfahren nicht nur gegen die Herabsetzung der Verletztenrente gewendet, sondern auch den geltend gemachten Anspruch auf Erhöhung der Rente nach einer MdE um 50 v.H. weiterverfolgt hat. Von diesem Antrag hat sie erst nach Durchführung eines Termins zur Erörterung des Sach- und Streitstandes Abstand genommen, sodass eine hälftige Kostenübernahme durch den Beklagen der Sach- und Rechtslage entspricht.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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