Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
8
1. Instanz
-
Aktenzeichen
L 2 U 268/07
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 SF 49/13 EK
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 10 ÜG 11/14 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Es wird festgestellt, dass die Dauer des Berufungsverfahrens L 2 U 268/07 vor dem Bayerischen Landessozialgericht unangemessen war.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Von den Kosten des Verfahrens haben der Beklagte 1/2 und der Kläger 1/2 zu tragen.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Gewährung von Entschädigungsleistungen wegen einer überlangen Verfahrensdauer bei der Feststellung zusätzlicher Unfallfolgen aus dem Arbeitsunfall des Klägers vom 09.06.1994 in mehreren Verwaltungs-, Widerspruchs- und Gerichtsverfahren. So in erster Instanz vor dem Sozialgericht Augsburg (SG) sowie in dem anschließenden Berufungsverfahren vor dem Bayer. Landesozialgericht (LSG).
Der 1962 geborene Kläger erlitt am 09.06.1994 einen Arbeitsunfall, für den die zuständige Berufsgenossenschaft (BG - damals die Beklagte) mit Bescheid vom 08.11.1995 und Widerspruchsbescheid vom 25.06.1996 die Gewährung einer Verletztenrente ablehnte. Das Sozialgericht Ulm wies die hiergegen gerichtete Klage mit Urteil vom 15.05.1998 ab. Das LSG Baden- Württemberg (L 10 U 2069/98) verurteilte die Beklagte nach Einholung augenärztlicher Gutachten am 19.06.2002 dazu, dem Kläger eine Verletztenrente nach einer MdE von 30 vH zu gewähren. Mit Bescheid vom 24.01.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2005 wurde dem Kläger eine Verletztenrente nach einer MdE von 30 vH wegen der vom LSG festgestellten Unfallfolgen auf augenärztlichem Fachgebiet bewilligt. Weitere Unfallfolgen, insbesondere die vom Kläger geltend gemachten Beschwerden an der HWS, lehnte die BG nach Einholung weiterer Gutachten ab.
Der Kläger erhob am 17.03.2005 gegen den genannten Bescheid Klage zum Sozialgericht Augsburg (Az.: S 5 U 101/05) wegen der Anerkennung weiterer Unfallfolgen, der Gewährung einer Verletztenrente nach einer höheren Minderung der Erwerbsfähigkeit als 30 vH und eines früheren Rentenbeginns. Das SG trennte mit Beschluss vom 17.02.2006 den Rechtstreit hinsichtlich der geltend gemachten weiteren Unfallfolgen und der Höhe der MdE ab (weiteres Az S 5 U 46/06). Mit Gerichtsbescheid vom 2. März 2007 wies das SG die Klage S 5 U 101/05 hinsichtlich des früheren Rentenbeginns ab. Die hiergegen zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) erhobene Berufung (Az.: L 2 U 113/07) nahm der Kläger am 23.03.2009 zurück.
Hinsichtlich der Anerkennung weiterer Unfallfolgen und einer Verletztenrente nach einer höheren MdE wies das SG die Klage mit Urteil vom 2. Juli 2007 (S 5 U 46/06) ab. Die hiergegen gerichtete Berufung L 2 U 268/07 vom 16.07.2007 wies das LSG mit Urteil vom 20. Juni 2012 (zugestellt am 13.07.2012) zurück. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Im Einzelnen war der Verfahrensgang folgender (die Daten beziehen sich jeweils auf den Eingang beim SG/LSG bzw. auf den Ausgang bei gerichtlichen Schreiben):
SG-Verfahren S 5 U 101/05
Das SG klärte zeitnah nach Klageerhebung am 17.03.2005 das Klagebegehren des Klägers ab, forderte Akten bei der zuständigen LVA und beim Versorgungsamt an und holte Befundberichte von den vom Kläger angegebenen behandelnden Medizinern ein (14.06.2005 bis 30.08.2005). Weiterhin zog das SG im September 2005 die Akten des LSG Baden - Württemberg und Unterlagen der AOK bei. Im Oktober 2005 bat das SG den Klägerbevollmächtigten um Begründung des Begehrens auf eine höhere MdE und forderte im Februar 2006 weitere Unterlagen vom Rentenversicherungsträger an. Nach dem Trennungsbeschluss vom 17.02.2006 bearbeitete das SG das Verfahren S 5 U 101/05 hinsichtlich des Rentebeginns weiter und zog medizinische Unterlagen der Rentenversicherung bei, nachdem der Kläger einen Zusammenhang zwischen dem BU - Rentenbeginn und dem früheren Beginn der Verletztenrente geltend gemacht hatte. Nachdem sich die Beteiligten zu den angeforderten Unterlagen geäußert hatten, erteilte das SG am 18.09.2006 einen ausführlichen richterlichen Hinweis. Nach Rückäußerung der Beteiligten und deren Anhörung zur Entscheidung mittels Gerichtsbescheid erledigte das SG das Verfahren mit Gerichtsbescheid vom 02.03.2007 (zugestellt 14.03.2007).
SG-Verfahren S 5 U 46/06
In dem mit Beschluss vom 17.02.2006 abgetrennten Verfahren hinsichtlich der höheren MdE und der weiteren Unfallfolgen klärte das SG zunächst die Klageziele, erteilte am 14.03.2007 einen ausführlichen richterlichen Hinweis zur Rechtslage und hörte gleich- zeitig zur Entscheidung mittels Gerichtsbescheid an. Nachdem der Kläger hiermit nicht einverstanden war, wurde das Verfahren im Mai 2007 für den Sitzungstermin 02.07.2007 geladen, an dem die Klage abgewiesen wurde. Die Zustellung des Urteils erfolgte am 11.07.2007.
LSG Verfahren L 2 U 268/07
Im Berufungsverfahren (Erhebung am 16.07.2007 gegen das Urteil des SG vom 2. Juli 2007 im Verfahren S 5 U 46/06) erfolgte zunächst bis zum Berichterstatterwechsel zum 01.01.2009 kein nennenswerter Schriftverkehr. Nach der Mandatsniederlegung des bisherigen Bevollmächtigten im Juni 2008 beantragte der Kläger im Dezember 2008 die Gewährung einer Vollrente. Hierzu äußerte sich die Beklagte und das LSG verfügte die Akte am 04.03.2009 zum Sitzungsfach. Im Juni 2009 zog das LSG die Akten des LSG Baden - Württemberg bei und bat die Beteiligten im Juli 2009 um ihr Einverständnis mit einer Entscheidung nach § 124 Abs. 2 SGG, das erteilt wurde. Als der Kläger im August 2009 die weitere Anerkennung psychischer Unfallfolgen begehrte und massive psychische Probleme des Klägers aktenkundig wurden, veranlasste das LSG nach Beiziehung medizinischer Befunde eine Begutachtung des Klägers auf nervenärztlichem Fachgebiet. Das Gutachten ging am 27.07.2010 beim LSG ein. Nach gerichtlicher Entscheidung über das Befangenheitsgesuch gegen den Sachverständigen lud das LSG das Berufungsverfahren zur mündlichen Verhandlung auf den 20.10.2010 und erklärte im Termin das Verfahren für entscheidungsreif. In der Folgezeit veranlasste das LSG die Einholung der vom Kläger beantragten Gutachten auf nervenärztlichem und orthopädischen Fachgebiet nach § 109 SGG (Beweisanordnungen vom 18.01.2011 und vom 11.11.2011), wobei es wegen der Einzahlung der erforderlichen Kostenvorschüsse zu Verzögerungen kam. Nach Stellungnahmen der Beteiligten zu den Gutachten vom 28.07.2011 und 01.12.2011 (beim LSG ging das zuletzt genannte Gutachten am 23.03.2012 ein) lud das LSG das Verfahren zum Termin am 20.06.2012 und stellte dem Kläger die Entscheidung am 13.07.2012 zu.
Noch während des laufenden Berufungsverfahrens erhob der Kläger am 22.03.2010 Beschwerde zum EGMR Az.: 17570/10, die mit Beschluss vom 10.07.2012 durch Einzelrichterentscheidung mangels Ausschöpfens des nationalen Rechtsweges für unzulässig erklärt wurde.
Am 11.12.2012 (Eingang beim OLG) hat der Kläger Klage wegen Entschädigung auf- grund überlanger Verfahrensdauer zum OLG München erhoben und die Gewährung einer Entschädigung von 12.000 EUR begehrt. Das Verfahren um die Anerkennung der Unfall- folgen aus dem Arbeitsunfall vom 09.06.1994 hätte bereits 2002 vor dem LSG Baden-Württemberg vollständig abgeschlossen sein müssen und nicht erst mit dem Urteil des Bayer. LSG vom 20. Juni 2012. Die Sozialgerichte unterlägen einer Amtsermittlungspflicht, der sie nicht nachgekommen seien. Der Kläger habe bereits am 22.03.2010 Individualbeschwerde zum EGMR wegen überlanger Verfahrensdauer erhoben.
Das OLG hat die Klage mit Beschluss vom 23.01.2013 an das Bayer. LSG verwiesen und zuvor den Antrag auf Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 16.01.2013 wegen der Unzuständigkeit abgelehnt.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 20.400 EUR zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagtenvertreter hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat einer Einbeziehung auch der Verfahren vor den württembergischen Sozialgerichten widersprochen. Der Beklagte hat ausgeführt, dass eine unangemessene Dauer des Verwaltungsverfahrens im Anschluss an das Gerichtsverfahren in Baden-Württemberg nicht Gegenstand eines Anspruches nach § 198 GVG sein könne.
Das Verfahren S 5 U 101/05 vor dem SG sei im Zeitpunkt des Inkrafttretens des ÜGG bereits rechtskräftig abgeschlossen gewesen (Gerichtsbescheid vom 20.März 2007, Berufungsrücknahme vom 20.03.2009). Die Individualbeschwerde des Klägers zum EGMR sei erst am 22.03.2010 erhoben worden und sei damit außerhalb der Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK von 6 Monaten nach Verfahrensabschluss am 23.03.2009 erfolgt.
Das Verfahren S 5 U 46/06 sei angesichts der schwierigen medizinischen Fragen und der zu klärenden Ursachenzusammenhänge mit 2 Jahren und 3 Monaten nicht überlang gewesen.
Für das Berufungsverfahren L 2 U 268/07 habe eine nach Art. 23 S. 2, 3 ÜGG erforderliche unverzügliche Verfahrensrüge gefehlt, weil das Verfahren bei Inkrafttreten des ÜGG am 03.11.2011 bereits anhängig gewesen sei. Die schlichte Sachstandsanfrage vom 06.03.2012 sei keine Verzögerungsrüge.
Der Kläger hat darauf erwidert, dass im Hinblick auf die bereits anhängige Individualbeschwerde vor dem EGMR eine erneute Verzögerungsrüge beim LSG nicht erforderlich gewesen sei, weil diese ihre Warnfunktion nicht habe entfalten können. Das Verfahren vor dem EGMR sei im Übrigen erst nach dem Urteil des LSG vom 20.06.2012 am 10.07.2012 erledigt worden. Falls eine solche zusätzliche Verzögerungsrüge tatsächlich erforderlich gewesen sei, hätte das Bayer. LSG den Kläger hierauf hinweisen müssen.
Der Senat hat dem Kläger mit Beschluss vom 26.11.2013 Prozesskostenhilfe ab der erneuten Antragstellung am 21.01.2013 dem Grunde nach bewilligt und mit Beschluss vom 15.05.2014 RA B. beigeordnet.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Verfahrensakten S 5 U 101/05; S 5 U 46/06 und L 2 U 268/07 sowie der Gerichtsakte S 8 SF 49/13 EK verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die auf Geldentschädigung gerichtete Klage wegen überlanger Verfahrensdauer ist zwar teilweise zulässig, aber unbegründet. Die Klage ist als Feststellungsklage zulässig und begründet, soweit sie die Dauer des Berufungsverfahrens L 2 U 268/07 vor dem Bayer. LSG betrifft.
Gegenstand des Verfahrens ist nach dem zuletzt gestellten Antrag vom 23.05.2014
(§ 123 SGG) eine Entscheidung wegen aller öffentlich-rechtlicher Verfahren wegen des Arbeitsunfalls vom 09.06.1994. Mit seinem an das OLG München gerichteten Klageantrag vom 10.12.2012 hat der Kläger zunächst nur den Zeitraum nach Abschluss des Verfahrens vor dem LSG Baden - Württemberg von 2002 bis 2012 in Bezug genommen und hierfür eine Entschädigung begehrt und den Verfahrensgegenstand später erweitert.
Hinsichtlich der vom Kläger zuletzt geltend gemachten Entschädigungsansprüche wegen überlanger (Verwaltungs- und) Gerichtsverfahren ist zwischen den einzelnen von ihm in Bezug genommenen Verfahren bzw. Gerichtsinstanzen zu trennen.
I. Klagegegenstand: Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit in Baden-Württemberg
Die Klage ist unzulässig, soweit der Kläger die Überlänge der Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit in Baden-Württemberg rügt.
Bei seinem schriftlichen Klageantrag vom 10.11.2013 auf Entschädigung in Höhe von 20.400 EUR hat der Kläger erstmals auch die Gerichtsverfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit in Baden-Württemberg mit in die Klage einbezogen und damit eine unzulässige Klageänderung nach § 99 Abs. 1 SGG erklärt. Zuvor hatte er in der Klageschrift vom 10.12.2012, in der Klagebegründung vom 31.07.2013 sowie im Schriftsatz vom 01.10.2013 jeweils die Länge des Verfahrens seit dem Abschluss des Verfahrens vor dem LSG Baden-Württemberg am 19.06.2002 bis zur Entscheidung des Bayer. LSG am 20.06.2012 als überlang gerügt und für den 10-Jahres-Zeitraum eine Entschädigung von 12.000 EUR gefordert. Der Beklagte hat sich auf die Klageänderung vom 10.11.2013 nicht eingelassen und hat ihr in der mündlichen Verhandlung vor dem Bayer. LSG ausdrücklich widersprochen. Die Klageänderung ist nicht sachdienlich, weil der Beklagte für den vermeintlichen Überlängeanspruch aus Verfahren vor Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit aus Baden-Württemberg nicht passiv legitimiert ist (§ 200 S. 1 GVG) und die gerügten Verfahren vor dem Sozialgericht Ulm und dem LSG Baden-Württemberg als bereits abgeschlossene Verfahren nicht unter den Anwendungsbereich des Art. 23 S. 1 ÜGG fallen.
II. Klagegegenstand: Verwaltungsverfahren und Widerspruchsverfahren
Die Klage ist weiter unzulässig, soweit sie die Dauer eines Verwaltungs- und Widerspruchsverfahrens zum Gegenstand hat. Der Kläger macht eine Entschädigung geltend für das Verwaltungsverfahren bei der Beklagten im Anschluss an das Urteil des LSG Baden-Württemberg L10 U 2069/98 vom 19.06.2002 und rügt eine Überlänge bis zur Entscheidung des Bayer. LSG vom 20.Juni 2012. Die Entschädigungsklage hinsichtlich der darin enthaltenen Zeitdauer des Verwaltungs- und Widerspruchsverfahrens, das mit dem Erlass des Bescheides vom 24.01.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2005 endete und Gegenstand des SG -Verfahrens vor dem SG Augsburg S 5 U 101/05 (Klageerhebung am 17.03.2005) wurde, ist unzulässig. Nach § 198 Abs. 1 S. 1 GVG ist die unangemessene Dauer eines Gerichtsverfahrens Gegenstand einer Entschädigungsklage. § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG definiert gesetzlich, was im Sinne der Vorschrift des GVG ein Gerichtsverfahren ist ("Im Sinne dieser Vorschrift ist Nr. 1. ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren.") Insoweit ist der Anwendungsbereich des §§ 198 ff GVG nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes nicht eröffnet.
III. Klagegegenstand: Klageverfahren S 5 U 101/05
Das Verfahren S 5 U 101/05 wurde von der früheren Bevollmächtigten des Klägers im Schriftsatz vom 01.10.2013 im Rahmen des Hilfsantrages in Bezug genommen.
Bei der ursprünglichen Klageerhebung vor dem OLG München am 11.12.2012 wurde dieses Verfahren nicht benannt; vielmehr wurde der Verfahrensgang in den Verfahren S 5 U 46/06 und L 2 U 268/07 geschildert und hierfür unter Einbeziehung der Laufzeit im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren eine Entschädigung in Höhe von 12.000 EUR eingefordert.
Bei der Einbeziehung des Verfahrens S 5 U 101/05 im späteren Schriftsatz vom 01.10.2013 im Rahmen des hilfsweise gestellten Feststellungsantrages handelt es sich um eine Klageänderung iS § 99 Abs.1 SGG, die nicht sachdienlich ist, auf die sich der Beklagte aber im Schriftsatz vom 20.11.2013 eingelassen hat.
Die Klage hinsichtlich des Klageverfahrens S 5 U 101/05 ist unzulässig, weil es sich um ein zZ des Inkrafttretens des ÜGG am 03.12.2011 bereits abgeschlossenen Verfahren handelt, dass von der Anwendung des ÜGG nach Art. 23 S. 1 ÜGG ausgeschlossen ist.
Das mit der Klageerhebung am 17.03.2005 begonnene Klageverfahren S 5 U 101/05 vor dem SG Augsburg richtete sich gegen den Bescheid der Beklagten vom 24.01.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2005. Das SG hat mit Beschluss vom 17.02.2006 den Rechtstreit hinsichtlich der geltend gemachten weiteren Unfallfolgen und der Höhe der MdE abgetrennt und unter dem Az S 5 U 46/06 weitergeführt. Mit Gerichtsbescheid vom 2. März 2007 (dem Klägerbevollmächtigten zugestellt am 14.03.2007) hat das SG die Klage S 5 U 101/05 hinsichtlich des früheren Rentenbeginns abgewiesen. Die hiergegen zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) erhobene Berufung (Az.: L 2 U 113/07) hat der Kläger am 23.03.2009 zurückgenommen. Mit der Zurücknahme der Berufung wurde der Gerichtsbescheid vom 2. März 2007 rechtskräftig und das Verfahren war endgültig abgeschlossen (§ 141 Abs. 1 SGG).
Für das Klageverfahren sind die Vorschriften der §§ 198 ff Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) sowie die §§ 183, 197a und 202 SGG idF des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGG) vom 24.11.2011 (BGBl I 2302) maßgebend. Nach Art 23 S 1 ÜGG gilt dieses Gesetz auch für Verfahren, die bei seinem Inkrafttreten (gemäß Art 24 ÜGG am 03.12.2011) bereits anhängig waren, sowie für abgeschlossene Verfahren, deren Dauer bei seinem Inkrafttreten Gegenstand von anhängigen Beschwerden beim EGMR ist oder noch werden kann.
Die am 22.03.2010 zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) erhobene Individualbeschwerde Az.: 17570/10 wurde am 10.07.2012 für unzulässig erklärt, weil der innerstaatliche Rechtsweg nicht erschöpft sei. Die Individualbeschwerde 17570/10 richtete sich ausweislich des Schreibens des EGMR mit der Zusammenfassung des Sachverhaltes vom 30.08.2010 (einliegend in der LSG Akte L 2 U 268/07) gegen die Verfahrensdauer in den Verfahren S 5 U 46/06 und L 2 U 268/07. Das zZ des Inkrafttretens des ÜGG am 03.12.2011 bereits abgeschlossene Verfahren S 5 U 101/05 war somit nicht Gegenstand eines Verfahrens vor dem EGMR und konnte es auch nicht mehr werden. Nach Art. 35 EMRK beginnt die Klagefrist für die Individualbeschwerde mit der endgültigen innerstaatlichen Entscheidung und endet nach 6 Monaten. Das am 23.03.2009 abgeschlossene Verfahren S 5 U 101/05 konnte somit am 03.12.2011 nicht mehr Gegenstand einer Individualbeschwerde werden.
IV. Klageverfahren S 5 U 46/06 und Berufungsverfahren L 2 U 268/07
Entgegen des Schriftsatzes der früheren Bevollmächtigten des Klägers vom 01.10.2013 ist das SG - Verfahren S 5 U 46/06 nach Auslegung und iSd § 123 SGG Gegenstand der vorliegenden Entschädigungsklage. Es war sowohl Gegenstand der Individualbeschwerde 17570/10 vor dem EGMR und Gegenstand der Klagebegründung der Klage vom 11.12.2012. Auch in dem zuletzt gestellten Klageantrag ist das Verfahren S 5 U 46/06 "rechnerisch" mit enthalten.
1. Die Klage ist zulässig.
a)
Für das Klageverfahren sind die Vorschriften der §§ 198 ff Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) sowie die §§ 183, 197a und 202 SGG idF des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGG) vom 24.11.2011 (BGBl I 2302) maßgebend. Nach Art 23 S. 1 ÜGG gilt dieses Gesetz auch für Verfahren, die bei seinem Inkrafttreten (gemäß Art 24 ÜGG am 03.12.2011) bereits anhängig waren, sowie für abgeschlossene Verfahren, deren Dauer bei seinem Inkrafttreten Gegenstand von anhängigen Beschwerden beim EGMR ist oder noch werden kann.
Hinsichtlich der beiden Verfahren S 5 U 46/06 und L 2 U 268/07 handelt es sich um ein einheitliches Gerichtsverfahren iS § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG, wonach jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss ein Gerichtsverfahren ist. Von der ursprünglichen Klageeinleitung vor dem SG am 17.03.2005 (noch unter dem Az S 5 U 101/05) über das Urteil des SG vom 2. Juli 2007 bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens L 2 U 268/07 mit Urteil vom 20. Juni 2012 handelt es sich um ein Gerichtsverfahren, weil das Urteil des SG erst mit der Entscheidung über die Berufung (Zustellung des LSG-Urteils am 13.07.2012) rechtskräftig wurde.
Das vom Kläger als unangemessen lang angesehene Verfahren vor dem SG und dem LSG war bei Inkrafttreten des ÜGG am 03.12.2011 noch nicht abgeschlossen. Das mit der Zustellung des Berufungsurteils am 13.07.2012 abgeschlossene Verfahren hat der Kläger bereits am 22.03.2010 zum Gegenstand einer Individualbeschwerde vor dem EGMR gemacht. Die am 22.03.2010 zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) erhobene Individualbeschwerde Az.: 17570/10 wurde am 10.07.2012 für unzulässig erklärt, weil der innerstaatliche Rechtsweg nicht erschöpft sei. Die Individualbeschwerde 17570/10 richtete sich ausweislich des Schreibens des EGMR mit der Zusammenfassung des Sachverhaltes vom 30.08.2010 (einliegend in der LSG Akte L 2 U 268/07) gegen die Verfahrensdauer in den Verfahren S 5 U 46/06 und L 2 U 268/07. Das zZ des Inkrafttretens des ÜGG am 03.12.2011 noch anhängige Verfahren S 5 U 46/06 und L 2 U 267/07 war somit am 03.12.2011 noch nicht abgeschlossen, aber bereits Gegenstand einer anhängigen Beschwerde vor dem EGMR.
b)
Für die Entscheidung über die Klage ist das LSG zuständig. Nach § 200 S. 1 GVG haftet das Land für Nachteile, die aufgrund von Verzögerungen bei Gerichten des Landes eingetreten sind. Für Klagen auf Entschädigung gegen ein Land ist nach § 201 Abs 1 S 1 GVG das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk die Regierung des beklagten Landes ihren Sitz hat zuständig. Für sozialgerichtliche Verfahren ergänzt § 202 S. 2 SGG diese Regelung dahin, dass die Vorschriften des 17. Titels des GVG (§§ 198-201) mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden sind, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das LSG tritt. In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit wird der Freistaat Bayern unbeschadet der §§ 7a bis 12 der Vertretungsverordnung durch das Landesamt für Finanzen - Dienststelle München - als allgemeine Vertretungsbehörde vertreten (§ 7 S. 1 VertV).
c)
Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) statthaft. Aus § 201 Abs 2 S. 1 GVG, wonach die Vorschriften der ZPO über das Verfahren vor den Landgerichten im ersten Rechtszug entsprechend anzuwenden sind, ergibt sich iVm § 202 S. 2 SGG, dass auch für Verfahren vor dem LSG die Vorschriften des SGG über das Verfahren vor den Sozialgerichten im ersten Rechtszug heranzuziehen sind. Gemäß § 54 Abs. 5 SGG kann mit der Klage die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Der Kläger macht angesichts der Regelung des § 198 GVG nachvollziehbar geltend, dass er auf die begehrte Entschädigungszahlung, eine Leistung iS des § 54 Abs. 5 SGG, einen Rechtsanspruch habe. Eine vorherige Verwaltungsentscheidung ist nach dem Gesetz nicht vorgesehen (vgl. § 198 Abs. 5 GVG).
d)
Die Klage ist form- und fristgerecht erhoben. Die gemäß § 90 SGG für die Klage vorgeschriebene Schriftform ist eingehalten. Die Klage vom 11.12.2012 wurde innerhalb der Frist des § 198 Abs.5 S. 2 GVG innerhalb von sechs Monaten nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung erhoben. Das Urteil des LSG vom 20. Juni 2012 wurde dem Kläger am 13.07.2012 zugestellt, die Klageerhebung zum unzuständigen OLG München erfolgte am 11.12.2012 und damit fristgerecht. Die Sondervorschrift des Art. 23 S. 6 ÜGG mit der Stichtagsregelung zum 03.06.2012 gilt nur für bereits abgeschlossene Verfahren und ist hier nicht anwendbar.
e)
Der Senat hält an seiner Rechtsauffassung fest, dass es sich bei der Frage der (rechtzeitigen) Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 GVG, Art. 23 S. 2 ff ÜGG nicht um eine Zulässigkeitsvoraussetzung handelt (Bayer. LSG Urteil vom 20.06.2013, L 8 SO 134/12 EK unter Hinweis auf BSG Beschluss vom 27.06.2013, B 10 ÜG 9/13 B , Rn. 27).
Die in § 198 Abs. 3 GVG geregelte Verzögerungsrüge stellt eine materielle Entschädigungsvoraussetzung dar (BT-DS. 17/3802, S. 20, 27; Ott, in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 170). Dass das Vorliegen einer Rüge nicht gleichzeitig eine Zulässigkeitsvoraussetzung darstellt, ergibt sich aus § 198 Abs. 4 S. 3, HS 2 GVG (LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 13.02.2013, L 12 SF 3/12 EK AL, Rn. 35; a.A. möglicherweise BSG, Urteile vom 21.02.2013, B 10 ÜG 1/12 KL und B 10 ÜG 2/12 KL, jeweils Rn. 18, wo das Erfordernis einer Verzögerungsrüge unter 1. f) als Frage der Zulässigkeit behandelt wird; davon abrückend aber BSG, Beschluss vom 27.06.2013, B 10 ÜG 9/13 B, Rn. 27). Nach § 198 Abs. 4 S. 3, HS 2 GVG kann das Entschädigungsgericht die Feststellung aussprechen, dass die Verfahrensdauer unangemessen war, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des § 198 Abs. 3 GVG nicht erfüllt sind. Dies schließt insbesondere auch den Fall ein, dass es an einer Verzögerungsrüge fehlt (Ott, in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 168). Handelte es sich bei der Erhebung der Rüge um eine Zulässigkeitsvoraussetzung, so käme bei fehlender Rüge nur die Abweisung der Klage als unzulässig, nicht aber die Feststellung einer unangemessenen Verfahrensdauer in Betracht.
2. Die Klage ist nur als Feststellungsklage wegen der Dauer des Berufungsverfahrens L 2 U 268/07 begründet.
2.1
Die Klage ist nicht begründet, soweit der Kläger eine Entschädigung wegen der Dauer des erstinstanzlichen Klageverfahrens S 5 U 46/06 begehrt, weil das erstinstanzliche Verfahren nicht überlang i. S. § 198 Abs. 1 GVG war.
Nach Art 23 S. 5 ÜGG bedarf es für im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes (03.12.2011) bereits abgeschlossene Instanzen (hier der ersten Instanz, Urteil vom 2. Juli 2007) keiner Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3, 5 GVG.
Das Verfahren S 5 U 46/06 war jedoch mit einer Gesamtverfahrensdauer von gut 27 Monaten zwischen der Erhebung der Klage am 17.03.2005 (abzustellen ist hier nicht auf das Datum des Trennungsbeschlusses vom 17.02.2006) und der Zustellung des Urteils vom 2. Juli 2007 am 13.07.2007 nicht überlang.
§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG bestimmt, dass sich die "Angemessenheit der Verfahrensdauer" nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und der Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter, richtet. Damit hat der Gesetzgeber von der Einführung bestimmter Grenzwerte für die Dauer unterschiedlicher Verfahrenstypen abgesehen, weil eine generelle Festlegung, wann ein Verfahren unverhältnismäßig lange dauert, nicht möglich ist. Er benennt hingegen nur beispielhaft ohne abschließenden Charakter Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit bzw. Unangemessenheit einer Verfahrensdauer besonders bedeutsam sind. Derartige Umstände reichen jedoch für die Anwendung des Begriffs der "unangemessenen Verfahrensdauer" (§ 198 Abs. 1 Satz 1 GVG) nicht aus. Vielmehr sind diese Umstände in einen allgemeinen Wertungsrahmen einzuordnen, der sich aus folgen-den Erwägungen ergibt:
Haftungsgrund für den gesetzlich begründeten Entschädigungsanspruch wegen unangemessener Verfahrensdauer ist die Verletzung des in Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 GG sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK verankerten Rechts eines Verfahrensbeteiligten auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit. § 198 Abs. 1 GVG knüpft für die Bestimmung der (Un)Angemessenheit inhaltlich an die Maßstäbe an, die EGMR und BVerfG für die Beurteilung der Verfahrensdauer entwickelt haben (BSG, Urteil vom 21.02.2013, B 10 ÜG 1/12 KL, Rn. 25 m.w.N.).
Die Anknüpfung des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs gemäß § 198 GVG an den als Grundrecht nach Art. 19 Abs. 4 GG (i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) sowie als Menschenrecht nach Art. 6 Abs. 1 EMRK qualifizierten Anspruch auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit verdeutlicht, dass es darauf ankommt, ob der Beteiligte durch die Länge des Gerichtsverfahrens in seinem Grund- und Menschenrecht beeinträchtigt worden ist. Damit wird eine gewisse Schwere der Belastung von vornherein vorausgesetzt. Es reicht also nicht jede Abweichung vom Optimum, vielmehr muss eine deutliche Überschreitung der äußersten Grenze des Angemessenen vorliegen (BSG, a.a.O., Rn. 26).
Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die Verfahrensdauer in einem gewissen Spannungsverhältnis zur Unabhängigkeit der Richter (Art. 97 Abs. 1 GG) und auch zu dem Ziel einer inhaltlichen Richtigkeit der Entscheidungen steht. Auch das spricht dagegen, bei der Bestimmung der Angemessenheit einer Verfahrensdauer eine enge zeitliche Grenze zu ziehen (BSG, a.a.O., Rn. 27 m.w.N.).
Die Dauer eines Verfahrens ist in hohem Maße von dem Verhältnis abhängig, in dem die Zahl der von Rechtsuchenden betriebenen Verfahren zu den persönlichen und sächlichen Mitteln des jeweils zuständigen Gerichts steht. Dabei reicht es aus, dass dieses Verhältnis angemessen ist. Der Staat ist jedenfalls nicht verpflichtet, so große Gerichtskapazitäten vorzuhalten, dass jedes anhängig gemachte Verfahren sofort und ausschließlich von einem Richter bearbeitet werden kann. Vielmehr muss ein Rechtsuchender damit rechnen, dass der zuständige Richter neben seinem Rechtsbehelf auch noch andere (ältere) Sachen zu behandeln hat. Insofern ist ihm eine gewisse Wartezeit zuzumuten. Im Hinblick darauf kann es von Bedeutung sein, in welcher Zeit vergleichbare Verfahren erledigt werden. Die betreffenden statistischen Zahlen sind allerdings daraufhin zu prüfen, ob sie eine im Durchschnitt überlange Verfahrensdauer widerspiegeln. Ist das nicht der Fall, so können diese Zahlen einen hilfreichen Maßstab bei der Beurteilung der Angemessenheit der Dauer eines konkreten Verfahrens bieten. Entscheidend sind dabei allerdings die Umstände des Einzelfalls (BSG, a.a.O., Rn. 28 m.w.N., siehe auch BSG Beschluss vom 16.12.2013, B 10 ÜG 13/13 B zur indiziellen Bedeutung der durchschnittlichen Dauer vergleichbarer Verfahren und der entscheidenden Bedeutung der Einzelfallumstände).
Dafür, dass die Verfahrensdauer im konkreten Fall nicht unangemessen war, spricht bereits ein Vergleich mit den statistischen Durchschnittswerten. Den Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes (Fachserie 10 Reihe 2.7) für das Kalenderjahr 2007 lässt sich entnehmen, dass mit Urteil abgeschlossene Klageverfahren aus dem Gebiet der gesetzlichen Unfallversicherung im Bundesschnitt eine Verfahrensdauer von 27,1 Monaten aufwiesen. Anhaltspunkte dafür, dass diese Werte schon eine Überlänge widerspiegeln, liegen nicht vor. Damit liegt das erstinstanzliche Verfahren aus dem Gebiet der Unfallversicherung hinsichtlich der Laufzeit im Durchschnitt.
Die konkreten Umstände des Einzelfalles können die Länge des Verfahrens zudem hinreichend erklären. Es handelte sich um schwierige medizinische Fragen und Ursachenzusammenhänge, die in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu klären waren. Der Kläger begehrte die Feststellung weiterer Unfallfolgen aus einem jahrelang zurückliegenden Arbeitsunfall vom 09.06.1994 und deren Bewertung in medizinischer und rechtlicher Hinsicht im Rahmen der Rentengewährung nach dem SGB VII. Infolge des bereits über zwei Instanzen geführten Klage- und Berufungsverfahrens vor dem SG Ulm und dem LSG Baden- Württemberg in den Jahren 1996 bis 2002 waren hierzu schon zahlreiche Feststellungen tatsächlicher und rechtlicher Art getroffen worden, die bei dem erneuten Klageverfahren vor dem SG Augsburg zu berücksichtigen und rechtlich zu bewerten waren. Insoweit handelte es sich um ein umfangreiches und schwieriges Verfahren, das für den Kläger eine große Bedeutung hatte, weil die Verletztenteilrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf Dauer zu zahlen ist.
Der Verfahrensgang in dem SG Verfahren S 5 U 101/05, S 5 U 46/06 stellte sich wie folgt dar:
17.03.2005 Klageerhebung mit Antragstellung und Begründung (VA 24.01.2003, WB 23.02.2005)
11.05.2005 Ermittlungsschreiben SG (Angaben zu behandelnden Ärzten etc)
14.06.2005 bis 30.08.2005 Eingang der angeforderten Befundberichte (zT angemahnt) und der Akten der LVA und des Versorgungsamtes
21.09.2005 Übersendung der eingeholten Befundberichte an die Beteiligten
30.09.2005 Eingang Datenauszug AOK
07.10.2005 Anfrage SG an PV Kläger zur Begründung des Begehrens auf höhere MdE und Anforderung Akten LSG Baden Württemberg zu L 10 U 2069/98 (Eingang 17.10.2005)
17.02.2006 Trennungsbeschluss: Rechtsstreit wegen Rentenbeginn S 5 U 101/05; Unfallfolgen und MdE S 5 U 46/06
30.03.2006 Anfrage SG, ob nur noch Rentenbeginn streitig
24.04.2006 Klägerbevollmächtigter bekräftigt beide Klageziele (Rentenbeginn und Höhe der MdE)
18.05.2006 Klägerbevollmächtigter übersendet Rentenbescheid LVA vom 16.04.2002 mit Anlagen
Mai- September Eingang weiterer medizinischer Unterlagen im Verfahren S 5 U 101/05, dort auch ausführlicher richterlicher Hinweis 18.09.2006 und 29.09.2006
14.03.2007 Richterlicher Hinweis zur Rechtslage und Anhörung Gerichtsbescheid (GB)
25.04.2007 PV Kläger: kein Einverständnis mit GB, weitere Stellungnahme angekündigt
08.05.2007 Schreiben des Klägers
09.05.2007 SG bittet Bevollmächtigten um Mitteilung, ob noch bevollmächtigt und dass unsachliche Äußerungen des Klägers unterbleiben sollten
18.05.2007 Stellungnahme PV Kläger
29.05.2007 Ladungsverfügung zum 02.07.2007
02.07.2007 Urteil des SG: Klageabweisung
11.07.2007 Zustellung Urteil an PV Kläger
Der oben dargestellte Verfahrenskalender zu dem Verfahren S 5 U 46/06 verdeutlicht, dass es in dem gesamten SG - Verfahren keinerlei nennenswerte Verfahrensverzögerungen gibt, die auf eine Nichtbearbeitung oder vom Beklagten zu vertretende Verzögerung hindeuten. Das Verfahren war durchgängig in der Bearbeitung und war zunächst davon gekennzeichnet, den Streitgegenstand hinreichend zu erfassen und zu bestimmen. Hierzu wurde ein reger Schriftwechsel des SG mit dem damaligen Bevollmächtigten des Klägers geführt. Weiterhin wurden umfangreiche medizinische Vorbefunde zB vom Rentenversicherungsträger, vom Versorgungsamt und von der zuständigen Krankenkasse sowie Befundberichte von behandelnden Ärzten eingeholt. Nach Sichtung aller Unterlagen erging am 14.03.2007 ein ausführlicher richterlicher Hinweis zur Rechtslage im Hinblick auf die Höhe der MdE und die Anerkennung weiterer Unfallfolgen und eine Anhörung zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid. Nachdem der Kläger diese Entscheidungsform ablehnte, erging umgehend am 29.05.2007 die Ladungsverfügung auf den Termin am 02.07.2007. Vom Beklagten zu vertretende Verfahrensverzögerungen enthält das Verfahren S 5 U 46/06 nicht. Dem Gericht ist angesichts des umfangreichen Aktenmaterials und der schwierigen rechtlichen und medizinischen Beurteilung mindestens eine durchschnittliche Bearbeitungsdauer zuzugestehen, die hier nicht überschritten wurde.
Insoweit scheidet auch eine Feststellung der Überlänge nach § 198 Abs. 4 GVG aus.
2.2.
Die Klage ist nicht begründet, soweit der Kläger eine Entschädigung wegen der Dauer des Berufungsverfahrens L 2 U 268/07 begehrt. Ein Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung steht dem Kläger nicht zu, weil es an einer Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 S. 1 GVG fehlt.
a)
Das Erfordernis einer Verzögerungsrüge ergibt sich aus § 198 Abs. 3 S. 1 GVG. Weil das Berufungsverfahren bei Inkrafttreten des ÜGG noch nicht abgeschlossen war (s.o.), kommt die Ausnahmevorschrift des Art. 23 Satz 4, 5 ÜGG (Ausschluss von § 198 Abs. 3 und 5 GVG) nicht zur Anwendung. Art. 23 Satz 2, 3 ÜGG bestimmt zusätzlich, dass die Verzögerungsrüge unverzüglich nach Inkrafttreten des Gesetzes zu erheben ist, um einen Anspruch für den vorangegangenen Zeitraum zu wahren. Vorliegend kann eine Auseinandersetzung mit dem Begriff "unverzüglich" unterbleiben (vgl. dazu aber zuletzt BGH Urteil vom 10.04.2014, III ZR 335/13, Rn. 25 nach juris), weil der Kläger zu keinem Zeitpunkt eine Verzögerungsrüge erhoben hat. Bei der Anfrage vom 08.03.2012 handelt es sich eindeutig um eine Sachstandsanfrage ("bitten wir um Sachstandsmitteilung"), die im Zusammenhang mit dem am 11.11.2011 in Auftrag gegebenen orthopädischen Gutachten nach § 109 SGG stand, das dann am 23.03.2012 beim LSG einging. Eine Verzögerungsrüge iS § 198 Abs. 3 GVG (Obliegenheit der Rüge der Dauer des Verfahrens) hat der Kläger in der Zeit vom Inkrafttreten des Gesetzes am 03.12.2011 bis zum Abschluss des Verfahrens am 13.07.2012 (Zustellung des Urteils vom 20. Juni 2012) nicht erhoben. Die Bevollmächtigte des Klägers hat dies auch in ihrem Schriftsatz vom 31.07.2013 unter Hinweis auf ihre Rechtsauffassung, dass es keiner Verzögerungsrüge bedurfte, ausgeführt. Auch das Agieren im Verfahren vor dem EMRG stellt keine Verzögerungsrüge dar. Diese Willenserklärungen waren eindeutig nicht an das LSG gerichtet.
b)
Das Erfordernis einer Verzögerungsrüge entfällt auch nicht deswegen, weil die Rüge angesichts der bereits seit 22.03.2010 anhängigen Individualbeschwerde vor dem EGMR und des Hinweises in der mündlichen Verhandlung vor dem Bayer. LSG am 20.10.2010 ihre Warnfunktion (sie soll dem bearbeitenden Richter - soweit erforderlich - die Möglichkeit zu einer beschleunigten Verfahrensförderung eröffnen, BT-Drs. 17/3802, S. 20) nicht mehr erfüllen konnte (vgl. so aber die Argumentation Klägerbevollmächtigte im Schriftsatz vom 31.07.2013). Denn der Gesetzgeber sieht in der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 2,3 ÜGG gerade auch für beim EGMR anhängige Verfahren ausdrücklich vor, dass in bereits verzögerten Verfahren unverzüglich nach Inkrafttreten des Gesetzes (am 03.12.2011) eine Verzögerungsrüge zu erheben ist, um einen Anspruch für den vorausgehenden Zeitraum zu wahren. Diese Wirkung der Rüge hätte gerade auch im vorliegenden Fall im Vordergrund gestanden. Im Hinblick auf Verzögerungen, die bereits in der Vergangenheit eingetreten sind, kommt jedoch eine Warnfunktion der Rüge von vornherein nicht in Betracht, ohne dass der Gesetzgeber die Rüge deshalb für entbehrlich angesehen hätte.
Eine Hinweispflicht des Gerichts auf das Erfordernis einer Verzögerungsrüge nach Art. 23 S. 2,3 ÜGG bestand nicht. Der anwaltlich vertretene Kläger war, wie die Anrufung des EGMR zeigt, ausreichend sensibilisiert für das Thema "überlange Verfahren" und hat Rechtsnachteile aus dem Fehlen einer rechtzeitigen Verzögerungsrüge selbst zu verantworten. Aus § 106 SGG ergibt sich keine entsprechende Beratungspflicht des Gerichts, das im Übrigen auch nicht mit dem Entschädigungsanspruch, sondern mit dem Erkenntnisverfahren hinsichtlich der unfallversicherungsrechtlichen Ansprüche des Klägers betraut war.
2.3.
a)
Der Senat stellt jedoch fest, dass die Dauer des Berufungsverfahrens unangemessen war. Rechtsgrundlage ist insoweit § 198 Abs. 4 S. 3 Halbsatz 2 GVG. Danach kann die Feststellung einer unangemessenen Verfahrensdauer ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des § 198 Abs. 3 GVG nicht erfüllt sind. So liegt es hier; es fehlt - wie bereits ausgeführt - an einer Verzögerungsrüge im Sinne von § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG. Der Senat hält in Übereinstimmung mit dem Bundesfinanzhof (Urteil vom 17.04.2013, X K 3/12, Rn. 72 juris) und dem LSG Thüringen (Urteil vom 30.10.2013, L 12 SF 1136/12 EK, Rn. 33 juris) an seiner bereits im Urteil vom 20.06.2013, L 8 SF 134/12 EK vertretenen Rechtsansicht fest, wonach das Entschädigungsgericht die Verfahrensverzögerung auch dann feststellen kann, wenn, eine Verzögerungsrüge in den Übergangsfällen des Art. 23 S. 2 ÜGG gar nicht oder nicht unverzüglich erhoben wurde (a.A. BGH Urteil vom 10.04.2014, III ZR 335/13, Rn. 35 juris). Es bedarf im Streitfall, in dem lediglich die Feststellung einer Verfahrensverzögerung auszusprechen ist, der vorherigen (unverzüglichen) Erhebung einer Rüge durch den Kläger nicht. Denn die Feststellung einer unangemessenen Verfahrensdauer kann -im Gegensatz zur Zuerkennung einer Geldentschädigung- nach der ausdrücklichen Regelung des § 198 Abs. 4 Satz 3 GVG auch dann ausgesprochen werden, "wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Abs. 3 nicht erfüllt sind". Die Obliegenheit zur Erhebung einer Verzögerungsrüge ist aber -neben anderen- in § 198 Abs. 3 GVG genannt. Diese Obliegenheit entfällt, wenn das Entschädigungsgericht sich auf einen bloßen Feststellungsausspruch beschränkt, nicht nur im gesetzlichen Regelfall des § 198 Abs. 3 GVG, sondern auch in Fällen der -vorliegend einschlägigen - Übergangsregelung des Art. 23 Satz 2 ÜGG. Denn nach dieser Vorschrift "gilt § 198 Abs. 3 GVG mit der Maßgabe, dass die Verzögerungsrüge unverzüglich nach Inkrafttreten erhoben werden muss". Von dem Verweis der genannten Übergangsregelung auf § 198 Abs. 3 GVG ist daher auch die in § 198 Abs. 4 Satz 3 GVG angeordnete Ausnahme vom Erfordernis des § 198 Abs. 3 GVG umfasst.
Dem Senat steht insoweit ein Ermessen zu, für dessen Ausübung der Gesetzgeber keine näheren Bestimmungen getroffen hat. Der Senat übt sein Ermessen dahingehend aus, die Unangemessenheit der Verfahrensdauer festzustellen, weil eine reine Klageabweisung unbillig erschiene (Ott, a.a.O., § 198 GVG Rn. 168). Ausschlaggebend hierfür sind die erhebliche Überschreitung der durchschnittlichen Verfahrensdauer mit eindeutigen Zeiten des Nichtbearbeitens (so etwa im Jahre 2008 und zT im Jahr 2009, siehe unter b) und die Bedeutung des Verfahrens für den Kläger.
b)
Die Dauer des Berufungsverfahrens L 2 U 268/07 war unangemessen. Die Gesamtver-fahrensdauer von der Erhebung der Berufung am 16.07.2007 bis zur Zustellung des Urteils am 13.07.2012 dauerte knapp 60 Monate.
Gemäß § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG ist ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss. Darunter ist die formelle Rechtskraft einer Entscheidung zu verstehen, so dass in die Verfahrensdauer auch der Zeitraum bis zur Zustellung des Urteils oder einer anderen das Verfahren abschließenden Entscheidung einbezogen ist (Ott, a.a.O., § 198 GVG Rn. 54 m.w.N.).
Hinsichtlich der Herleitung der "Angemessenheit der Verfahrensdauer" nach den Umständen des Einzelfalls aus § 198 Abs. 1 S. 2 GVG (insbesondere nach der Schwierigkeit und der Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter), wird auf die Ausführungen unter Ziffer 2.1. verwiesen.
Dafür, dass die Verfahrensdauer im konkreten Fall unangemessen war, spricht bereits ein Vergleich mit den wesentlich niedrigeren statistischen Durchschnittswerten, deren indizielle Bedeutung hier gewürdigt wird. Nach den statistischen Berichten des Bayer. Landesamtes für Statistik und Datenverarbeitung über die Tätigkeit der Sozialgerichte war ein im Kalenderjahr 2012 beim Bayer. Landessozialgericht durch Urteil/Beschluss erledigtes Berufungsverfahren durchschnittlich 22,8 Monate anhängig. Den Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes (Fachserie 10 Reihe 2.7) lässt sich entnehmen, dass Berufungsverfahren bei den Landessozialgerichten, die 2012 durch Urteil erledigt wurden, im Bundesdurchschnitt 21,1 Monate gedauert haben. Im Jahr 2012 erledigte Berufungsverfahren im Sachgebiet Unfallversicherung (nicht nach Erledigungsart differenziert) haben im Bundesdurchschnitt 19,5 Monate gedauert. Die Frage, ob bereits diese statistischen Zahlen eine im Durchschnitt überlange Verfahrensdauer widerspiegeln, spielt keine Rolle, wenn - wie hier - eine erhebliche Überschreitung der statistischen Werte vorliegt.
Die konkreten Umstände des Einzelfalles können die Länge des Verfahrens jedenfalls nicht in vollem Umfang erklären. Anders als der Verfahrenskalender des erstinstanzlichen Verfahrens S 5 U 46/06 zeigt der Verfahrensablauf des Berufungsverfahrens L 2 U 268/07 Verfahrensverzögerungen, die auf eine Nichtbearbeitung oder Verzögerung hindeuten.
Der Verfahrensgang lässt sich wie folgt skizzieren:
16.07.2007 Berufungserhebung ohne Begründung
16.08.2007 Berufungsbegründung durch PV des Klägers mit Begründung und Antragstellung
24.09.2007 Antragstellung und Berufungserwiderung Beklagte
30.06.2008 Mandatsniederlegung durch VdK
10.12.2008 Antrag des Klägers auf Zahlung Vollrente
01.01.2009 Berichterstatterwechsel
09.01.2009 Stellungnahme Beklagte zum geänderten Antrag vom 08.12.2008
30.01.2009 Erneuter Schriftsatz Kläger will Vollrente ab 19.11.1997, Schreiben erst am 04.03.2009 verfügt
04.03.2009 Verfügung intern "Si" Bl. 48 Rs
30.04.2009 Schriftsatz Kläger, weitere Schreiben Eingang 19.05.2009, 26.05.2009,
26.06.2009 Eingang Akten L 10 U 1999/98 und L 10 U 2069/98 vom LSG Baden-Württemberg
15.07.2009 LSG bittet Beteiligte um Zustimmung zur Entscheidung nach § 124 Abs. 2 SGG
20.07.2009 Kläger erteilt Zustimmung, Beklagte erklärt Zustimmung (22.07.2009)
03.08.2009 Fax Kläger: Ergänzung seiner Klageanträge auf Anerkennung psychische Unfallfolgen
11.08.2009 SS LRA C-Stadt: Suizidandrohung Kläger wiederholt für Fall des zu erwartenden falschen Urteils des LSG
14.08.2009 SS Kläger , weitere Schriftsätze 21.09.2009,
04.09.2009 Beklagte verweist hinsichtlich psychischer Belastungsstörungen auf neurologisch, psychiatrisches GA 30.09.2004, MdE mit 30 % richtig eingeschätzt
16.10.2009 LSG kündigt weitere Gutachten von Amts wegen an
...Einholung diverser Gutachten
20.06.2012 Sitzung (Kläger persönlich nicht anwesend) Berufung zurückgewiesen
13.07.2012 Zustellung Urteil an PV Kläger
Insoweit genügt die Feststellung, dass im Jahr 2008 keine Bearbeitung erfolgte und das Verfahren nach dem Berichterstatterwechsel zum 01.01.2009 am 04.03.2009 erstmals zum Sitzungsfach verfügt wurde. Nach Einholung der Akten vom LSG Baden - Württemberg im Juni 2009 wurden die Beteiligten im Juli 2009 um ihr Einverständnis zu einer Entscheidung nach § 124 Abs. 2 SGG gebeten. Nachdem akute psychische Probleme des Klägers im August 2009 aktenkundig wurden, hat das LSG die Bearbeitung wieder aufgenommen und im Oktober 2009 die Einholung weiterer Gutachten von Amts wegen angekündigt. Seit der Beweisanordnung vom 24.03.2010 erfolgte dann bis zum Termin vom 20.10.2010 eine durchgängige Bearbeitung. Das LSG hat in der Sitzung vom 20.10.2010 darauf hingewiesen, dass es die Sache für entscheidungsreif halte. Der weitere Verlauf bis zum Abschluss des Verfahrens mit Zustellung des Urteils vom 20. Juni 2012 am 13.07.2012 ist dann durch die gestellten zwei Gutachtensanträge des Klägers nach § 109 SGG geprägt. Ab dem 20.10.2010 ergibt sich die Verfahrenslaufzeit aus dem Verhalten des Klägers bei der verzögerten Einzahlung der erforderlichen Kostenvorschüsse und der notwendigen Zeit zur Gutachtenserstellung durch die zwei benannten medizinischen Sachverständigen, die im Übrigen vom Gericht jeweils zur zeitnahen Gutachtenserstattung angemahnt wurden.
Die zu Beginn des Berufungsverfahrens aufgetretenen Verzögerungen sind jedenfalls nicht durch das Verhalten der Beteiligten oder Dritter (mit-)verursacht. Das Gericht hatte nämlich keine Stellungnahmen, Gutachten oder Befundberichte angefordert oder angemahnt, sondern ging nach einer ersten Prüfung im März 2009 davon aus, dass das Verfahren ohne weitere Ermittlungen entscheidungsreif sei. Anhaltspunkte dafür, dass das Verfahren für den Kläger eine besonders geringe Bedeutung gehabt hätte und dass dieser Umstand die Verzögerungen - gerade angesichts der jeweils schon angefallenen Verfahrenslaufzeit - gerechtfertigt hätte, liegen nicht vor. Vielmehr hatte das Verfahren angesichts der im SGB VII vorgesehenen Leistungen eine erhebliche Bedeutung für den Kläger. Eine weitergehende Auseinandersetzung mit den Umständen des Einzelfalls kann unterbleiben, weil der Ausspruch, dass die Verfahrensdauer unangemessen war, Zeitraum oder Zeitdauer der Überlänge nicht genau beziffern muss (Ott, a.a.O., § 198 GVG Rn. 165).
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG, § 201 Abs. 4 GVG. Sie berücksichtigt einerseits, dass der Kläger teilweise obsiegt hat, weil der Senat eine unangemessene Dauer des Berufungsverfahrens festgestellt hat. Andererseits war zu berücksichtigen, dass der Kläger einen nach § 198 Abs. 2 S. 1 GVG vermuteten immateriellen Schaden in Höhe von zuletzt 20.400 Euro geltend gemacht hat, für den keine gesetzliche Vermutung streitet. Eine solche Entschädigung wäre nach den für den Regelfall vorgesehenen Sätzen nur dann zu ereichen, wenn eine Verfahrensverzögerung von 17 Jahren vorgelegen hätte. Diese beurteilt sich aber nur nach den Verzögerungszeiten und nicht nach Gesamtlaufzeiten von Verfahren. Nicht einmal die Addition der Gesamtlaufzeiten der hier zu beurteilenden bayerischen Verfahren 1. und 2. Instanz ergibt die eingeklagte Forderung.
4.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich. Zwar ist das Rechtsgebiet neu. Das BSG hat aber inzwischen mehrere Entscheidungen erlassen. Der Senat weicht hiervon nicht ab. Wenn eine gesetzliche Neuregelung ständige Rechtsprechung kodifiziert, werden dadurch nicht per se schwierige Rechtsfragen aufgeworfen. Die gesetzliche Regelung in § 198 GVG nimmt gerade die schon langjährige ständige Rechtsprechung des EGMR wie auch des BVerfG und des BSG zu den Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch und den Prüfkriterien zur Frage, wann ein Verfahren unangemessen lange gedauert hat, auf. D.h. mit anderen Worten, bei der Prüfung zur Frage der Angemessenheit der Verfahrensdauer sind gerade keine neuen schwierigen Rechtsfragen zu lösen, sondern ist vielmehr eine ständige und gefestigte Rechtsprechung anzuwenden.
Das vorliegende Urteil ist im Übrigen wesentlich auf die Auslegung der Übergangsvorschrift des Art. 23 ÜGG gestützt. Die Klärungsbedürftigkeit und damit die grundsätzliche Bedeutung sind hinsichtlich der Auslegung von Übergangsvorschriften in der Regel zu verneinen. Eine Ausnahme kommt in Betracht, wenn die anzuwendende Vorschrift von fortwirkender Bedeutung für eine nennenswerte Zahl vergleichbar gelagerter Fälle ist (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 160 Rn. 8d m.w.N.). Hierfür sind nach der Erfahrung des erkennenden Senats vorliegend keine Anhaltspunkte ersichtlich.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Von den Kosten des Verfahrens haben der Beklagte 1/2 und der Kläger 1/2 zu tragen.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Gewährung von Entschädigungsleistungen wegen einer überlangen Verfahrensdauer bei der Feststellung zusätzlicher Unfallfolgen aus dem Arbeitsunfall des Klägers vom 09.06.1994 in mehreren Verwaltungs-, Widerspruchs- und Gerichtsverfahren. So in erster Instanz vor dem Sozialgericht Augsburg (SG) sowie in dem anschließenden Berufungsverfahren vor dem Bayer. Landesozialgericht (LSG).
Der 1962 geborene Kläger erlitt am 09.06.1994 einen Arbeitsunfall, für den die zuständige Berufsgenossenschaft (BG - damals die Beklagte) mit Bescheid vom 08.11.1995 und Widerspruchsbescheid vom 25.06.1996 die Gewährung einer Verletztenrente ablehnte. Das Sozialgericht Ulm wies die hiergegen gerichtete Klage mit Urteil vom 15.05.1998 ab. Das LSG Baden- Württemberg (L 10 U 2069/98) verurteilte die Beklagte nach Einholung augenärztlicher Gutachten am 19.06.2002 dazu, dem Kläger eine Verletztenrente nach einer MdE von 30 vH zu gewähren. Mit Bescheid vom 24.01.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2005 wurde dem Kläger eine Verletztenrente nach einer MdE von 30 vH wegen der vom LSG festgestellten Unfallfolgen auf augenärztlichem Fachgebiet bewilligt. Weitere Unfallfolgen, insbesondere die vom Kläger geltend gemachten Beschwerden an der HWS, lehnte die BG nach Einholung weiterer Gutachten ab.
Der Kläger erhob am 17.03.2005 gegen den genannten Bescheid Klage zum Sozialgericht Augsburg (Az.: S 5 U 101/05) wegen der Anerkennung weiterer Unfallfolgen, der Gewährung einer Verletztenrente nach einer höheren Minderung der Erwerbsfähigkeit als 30 vH und eines früheren Rentenbeginns. Das SG trennte mit Beschluss vom 17.02.2006 den Rechtstreit hinsichtlich der geltend gemachten weiteren Unfallfolgen und der Höhe der MdE ab (weiteres Az S 5 U 46/06). Mit Gerichtsbescheid vom 2. März 2007 wies das SG die Klage S 5 U 101/05 hinsichtlich des früheren Rentenbeginns ab. Die hiergegen zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) erhobene Berufung (Az.: L 2 U 113/07) nahm der Kläger am 23.03.2009 zurück.
Hinsichtlich der Anerkennung weiterer Unfallfolgen und einer Verletztenrente nach einer höheren MdE wies das SG die Klage mit Urteil vom 2. Juli 2007 (S 5 U 46/06) ab. Die hiergegen gerichtete Berufung L 2 U 268/07 vom 16.07.2007 wies das LSG mit Urteil vom 20. Juni 2012 (zugestellt am 13.07.2012) zurück. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Im Einzelnen war der Verfahrensgang folgender (die Daten beziehen sich jeweils auf den Eingang beim SG/LSG bzw. auf den Ausgang bei gerichtlichen Schreiben):
SG-Verfahren S 5 U 101/05
Das SG klärte zeitnah nach Klageerhebung am 17.03.2005 das Klagebegehren des Klägers ab, forderte Akten bei der zuständigen LVA und beim Versorgungsamt an und holte Befundberichte von den vom Kläger angegebenen behandelnden Medizinern ein (14.06.2005 bis 30.08.2005). Weiterhin zog das SG im September 2005 die Akten des LSG Baden - Württemberg und Unterlagen der AOK bei. Im Oktober 2005 bat das SG den Klägerbevollmächtigten um Begründung des Begehrens auf eine höhere MdE und forderte im Februar 2006 weitere Unterlagen vom Rentenversicherungsträger an. Nach dem Trennungsbeschluss vom 17.02.2006 bearbeitete das SG das Verfahren S 5 U 101/05 hinsichtlich des Rentebeginns weiter und zog medizinische Unterlagen der Rentenversicherung bei, nachdem der Kläger einen Zusammenhang zwischen dem BU - Rentenbeginn und dem früheren Beginn der Verletztenrente geltend gemacht hatte. Nachdem sich die Beteiligten zu den angeforderten Unterlagen geäußert hatten, erteilte das SG am 18.09.2006 einen ausführlichen richterlichen Hinweis. Nach Rückäußerung der Beteiligten und deren Anhörung zur Entscheidung mittels Gerichtsbescheid erledigte das SG das Verfahren mit Gerichtsbescheid vom 02.03.2007 (zugestellt 14.03.2007).
SG-Verfahren S 5 U 46/06
In dem mit Beschluss vom 17.02.2006 abgetrennten Verfahren hinsichtlich der höheren MdE und der weiteren Unfallfolgen klärte das SG zunächst die Klageziele, erteilte am 14.03.2007 einen ausführlichen richterlichen Hinweis zur Rechtslage und hörte gleich- zeitig zur Entscheidung mittels Gerichtsbescheid an. Nachdem der Kläger hiermit nicht einverstanden war, wurde das Verfahren im Mai 2007 für den Sitzungstermin 02.07.2007 geladen, an dem die Klage abgewiesen wurde. Die Zustellung des Urteils erfolgte am 11.07.2007.
LSG Verfahren L 2 U 268/07
Im Berufungsverfahren (Erhebung am 16.07.2007 gegen das Urteil des SG vom 2. Juli 2007 im Verfahren S 5 U 46/06) erfolgte zunächst bis zum Berichterstatterwechsel zum 01.01.2009 kein nennenswerter Schriftverkehr. Nach der Mandatsniederlegung des bisherigen Bevollmächtigten im Juni 2008 beantragte der Kläger im Dezember 2008 die Gewährung einer Vollrente. Hierzu äußerte sich die Beklagte und das LSG verfügte die Akte am 04.03.2009 zum Sitzungsfach. Im Juni 2009 zog das LSG die Akten des LSG Baden - Württemberg bei und bat die Beteiligten im Juli 2009 um ihr Einverständnis mit einer Entscheidung nach § 124 Abs. 2 SGG, das erteilt wurde. Als der Kläger im August 2009 die weitere Anerkennung psychischer Unfallfolgen begehrte und massive psychische Probleme des Klägers aktenkundig wurden, veranlasste das LSG nach Beiziehung medizinischer Befunde eine Begutachtung des Klägers auf nervenärztlichem Fachgebiet. Das Gutachten ging am 27.07.2010 beim LSG ein. Nach gerichtlicher Entscheidung über das Befangenheitsgesuch gegen den Sachverständigen lud das LSG das Berufungsverfahren zur mündlichen Verhandlung auf den 20.10.2010 und erklärte im Termin das Verfahren für entscheidungsreif. In der Folgezeit veranlasste das LSG die Einholung der vom Kläger beantragten Gutachten auf nervenärztlichem und orthopädischen Fachgebiet nach § 109 SGG (Beweisanordnungen vom 18.01.2011 und vom 11.11.2011), wobei es wegen der Einzahlung der erforderlichen Kostenvorschüsse zu Verzögerungen kam. Nach Stellungnahmen der Beteiligten zu den Gutachten vom 28.07.2011 und 01.12.2011 (beim LSG ging das zuletzt genannte Gutachten am 23.03.2012 ein) lud das LSG das Verfahren zum Termin am 20.06.2012 und stellte dem Kläger die Entscheidung am 13.07.2012 zu.
Noch während des laufenden Berufungsverfahrens erhob der Kläger am 22.03.2010 Beschwerde zum EGMR Az.: 17570/10, die mit Beschluss vom 10.07.2012 durch Einzelrichterentscheidung mangels Ausschöpfens des nationalen Rechtsweges für unzulässig erklärt wurde.
Am 11.12.2012 (Eingang beim OLG) hat der Kläger Klage wegen Entschädigung auf- grund überlanger Verfahrensdauer zum OLG München erhoben und die Gewährung einer Entschädigung von 12.000 EUR begehrt. Das Verfahren um die Anerkennung der Unfall- folgen aus dem Arbeitsunfall vom 09.06.1994 hätte bereits 2002 vor dem LSG Baden-Württemberg vollständig abgeschlossen sein müssen und nicht erst mit dem Urteil des Bayer. LSG vom 20. Juni 2012. Die Sozialgerichte unterlägen einer Amtsermittlungspflicht, der sie nicht nachgekommen seien. Der Kläger habe bereits am 22.03.2010 Individualbeschwerde zum EGMR wegen überlanger Verfahrensdauer erhoben.
Das OLG hat die Klage mit Beschluss vom 23.01.2013 an das Bayer. LSG verwiesen und zuvor den Antrag auf Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 16.01.2013 wegen der Unzuständigkeit abgelehnt.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 20.400 EUR zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagtenvertreter hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat einer Einbeziehung auch der Verfahren vor den württembergischen Sozialgerichten widersprochen. Der Beklagte hat ausgeführt, dass eine unangemessene Dauer des Verwaltungsverfahrens im Anschluss an das Gerichtsverfahren in Baden-Württemberg nicht Gegenstand eines Anspruches nach § 198 GVG sein könne.
Das Verfahren S 5 U 101/05 vor dem SG sei im Zeitpunkt des Inkrafttretens des ÜGG bereits rechtskräftig abgeschlossen gewesen (Gerichtsbescheid vom 20.März 2007, Berufungsrücknahme vom 20.03.2009). Die Individualbeschwerde des Klägers zum EGMR sei erst am 22.03.2010 erhoben worden und sei damit außerhalb der Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK von 6 Monaten nach Verfahrensabschluss am 23.03.2009 erfolgt.
Das Verfahren S 5 U 46/06 sei angesichts der schwierigen medizinischen Fragen und der zu klärenden Ursachenzusammenhänge mit 2 Jahren und 3 Monaten nicht überlang gewesen.
Für das Berufungsverfahren L 2 U 268/07 habe eine nach Art. 23 S. 2, 3 ÜGG erforderliche unverzügliche Verfahrensrüge gefehlt, weil das Verfahren bei Inkrafttreten des ÜGG am 03.11.2011 bereits anhängig gewesen sei. Die schlichte Sachstandsanfrage vom 06.03.2012 sei keine Verzögerungsrüge.
Der Kläger hat darauf erwidert, dass im Hinblick auf die bereits anhängige Individualbeschwerde vor dem EGMR eine erneute Verzögerungsrüge beim LSG nicht erforderlich gewesen sei, weil diese ihre Warnfunktion nicht habe entfalten können. Das Verfahren vor dem EGMR sei im Übrigen erst nach dem Urteil des LSG vom 20.06.2012 am 10.07.2012 erledigt worden. Falls eine solche zusätzliche Verzögerungsrüge tatsächlich erforderlich gewesen sei, hätte das Bayer. LSG den Kläger hierauf hinweisen müssen.
Der Senat hat dem Kläger mit Beschluss vom 26.11.2013 Prozesskostenhilfe ab der erneuten Antragstellung am 21.01.2013 dem Grunde nach bewilligt und mit Beschluss vom 15.05.2014 RA B. beigeordnet.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Verfahrensakten S 5 U 101/05; S 5 U 46/06 und L 2 U 268/07 sowie der Gerichtsakte S 8 SF 49/13 EK verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die auf Geldentschädigung gerichtete Klage wegen überlanger Verfahrensdauer ist zwar teilweise zulässig, aber unbegründet. Die Klage ist als Feststellungsklage zulässig und begründet, soweit sie die Dauer des Berufungsverfahrens L 2 U 268/07 vor dem Bayer. LSG betrifft.
Gegenstand des Verfahrens ist nach dem zuletzt gestellten Antrag vom 23.05.2014
(§ 123 SGG) eine Entscheidung wegen aller öffentlich-rechtlicher Verfahren wegen des Arbeitsunfalls vom 09.06.1994. Mit seinem an das OLG München gerichteten Klageantrag vom 10.12.2012 hat der Kläger zunächst nur den Zeitraum nach Abschluss des Verfahrens vor dem LSG Baden - Württemberg von 2002 bis 2012 in Bezug genommen und hierfür eine Entschädigung begehrt und den Verfahrensgegenstand später erweitert.
Hinsichtlich der vom Kläger zuletzt geltend gemachten Entschädigungsansprüche wegen überlanger (Verwaltungs- und) Gerichtsverfahren ist zwischen den einzelnen von ihm in Bezug genommenen Verfahren bzw. Gerichtsinstanzen zu trennen.
I. Klagegegenstand: Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit in Baden-Württemberg
Die Klage ist unzulässig, soweit der Kläger die Überlänge der Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit in Baden-Württemberg rügt.
Bei seinem schriftlichen Klageantrag vom 10.11.2013 auf Entschädigung in Höhe von 20.400 EUR hat der Kläger erstmals auch die Gerichtsverfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit in Baden-Württemberg mit in die Klage einbezogen und damit eine unzulässige Klageänderung nach § 99 Abs. 1 SGG erklärt. Zuvor hatte er in der Klageschrift vom 10.12.2012, in der Klagebegründung vom 31.07.2013 sowie im Schriftsatz vom 01.10.2013 jeweils die Länge des Verfahrens seit dem Abschluss des Verfahrens vor dem LSG Baden-Württemberg am 19.06.2002 bis zur Entscheidung des Bayer. LSG am 20.06.2012 als überlang gerügt und für den 10-Jahres-Zeitraum eine Entschädigung von 12.000 EUR gefordert. Der Beklagte hat sich auf die Klageänderung vom 10.11.2013 nicht eingelassen und hat ihr in der mündlichen Verhandlung vor dem Bayer. LSG ausdrücklich widersprochen. Die Klageänderung ist nicht sachdienlich, weil der Beklagte für den vermeintlichen Überlängeanspruch aus Verfahren vor Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit aus Baden-Württemberg nicht passiv legitimiert ist (§ 200 S. 1 GVG) und die gerügten Verfahren vor dem Sozialgericht Ulm und dem LSG Baden-Württemberg als bereits abgeschlossene Verfahren nicht unter den Anwendungsbereich des Art. 23 S. 1 ÜGG fallen.
II. Klagegegenstand: Verwaltungsverfahren und Widerspruchsverfahren
Die Klage ist weiter unzulässig, soweit sie die Dauer eines Verwaltungs- und Widerspruchsverfahrens zum Gegenstand hat. Der Kläger macht eine Entschädigung geltend für das Verwaltungsverfahren bei der Beklagten im Anschluss an das Urteil des LSG Baden-Württemberg L10 U 2069/98 vom 19.06.2002 und rügt eine Überlänge bis zur Entscheidung des Bayer. LSG vom 20.Juni 2012. Die Entschädigungsklage hinsichtlich der darin enthaltenen Zeitdauer des Verwaltungs- und Widerspruchsverfahrens, das mit dem Erlass des Bescheides vom 24.01.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2005 endete und Gegenstand des SG -Verfahrens vor dem SG Augsburg S 5 U 101/05 (Klageerhebung am 17.03.2005) wurde, ist unzulässig. Nach § 198 Abs. 1 S. 1 GVG ist die unangemessene Dauer eines Gerichtsverfahrens Gegenstand einer Entschädigungsklage. § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG definiert gesetzlich, was im Sinne der Vorschrift des GVG ein Gerichtsverfahren ist ("Im Sinne dieser Vorschrift ist Nr. 1. ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren.") Insoweit ist der Anwendungsbereich des §§ 198 ff GVG nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes nicht eröffnet.
III. Klagegegenstand: Klageverfahren S 5 U 101/05
Das Verfahren S 5 U 101/05 wurde von der früheren Bevollmächtigten des Klägers im Schriftsatz vom 01.10.2013 im Rahmen des Hilfsantrages in Bezug genommen.
Bei der ursprünglichen Klageerhebung vor dem OLG München am 11.12.2012 wurde dieses Verfahren nicht benannt; vielmehr wurde der Verfahrensgang in den Verfahren S 5 U 46/06 und L 2 U 268/07 geschildert und hierfür unter Einbeziehung der Laufzeit im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren eine Entschädigung in Höhe von 12.000 EUR eingefordert.
Bei der Einbeziehung des Verfahrens S 5 U 101/05 im späteren Schriftsatz vom 01.10.2013 im Rahmen des hilfsweise gestellten Feststellungsantrages handelt es sich um eine Klageänderung iS § 99 Abs.1 SGG, die nicht sachdienlich ist, auf die sich der Beklagte aber im Schriftsatz vom 20.11.2013 eingelassen hat.
Die Klage hinsichtlich des Klageverfahrens S 5 U 101/05 ist unzulässig, weil es sich um ein zZ des Inkrafttretens des ÜGG am 03.12.2011 bereits abgeschlossenen Verfahren handelt, dass von der Anwendung des ÜGG nach Art. 23 S. 1 ÜGG ausgeschlossen ist.
Das mit der Klageerhebung am 17.03.2005 begonnene Klageverfahren S 5 U 101/05 vor dem SG Augsburg richtete sich gegen den Bescheid der Beklagten vom 24.01.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2005. Das SG hat mit Beschluss vom 17.02.2006 den Rechtstreit hinsichtlich der geltend gemachten weiteren Unfallfolgen und der Höhe der MdE abgetrennt und unter dem Az S 5 U 46/06 weitergeführt. Mit Gerichtsbescheid vom 2. März 2007 (dem Klägerbevollmächtigten zugestellt am 14.03.2007) hat das SG die Klage S 5 U 101/05 hinsichtlich des früheren Rentenbeginns abgewiesen. Die hiergegen zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) erhobene Berufung (Az.: L 2 U 113/07) hat der Kläger am 23.03.2009 zurückgenommen. Mit der Zurücknahme der Berufung wurde der Gerichtsbescheid vom 2. März 2007 rechtskräftig und das Verfahren war endgültig abgeschlossen (§ 141 Abs. 1 SGG).
Für das Klageverfahren sind die Vorschriften der §§ 198 ff Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) sowie die §§ 183, 197a und 202 SGG idF des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGG) vom 24.11.2011 (BGBl I 2302) maßgebend. Nach Art 23 S 1 ÜGG gilt dieses Gesetz auch für Verfahren, die bei seinem Inkrafttreten (gemäß Art 24 ÜGG am 03.12.2011) bereits anhängig waren, sowie für abgeschlossene Verfahren, deren Dauer bei seinem Inkrafttreten Gegenstand von anhängigen Beschwerden beim EGMR ist oder noch werden kann.
Die am 22.03.2010 zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) erhobene Individualbeschwerde Az.: 17570/10 wurde am 10.07.2012 für unzulässig erklärt, weil der innerstaatliche Rechtsweg nicht erschöpft sei. Die Individualbeschwerde 17570/10 richtete sich ausweislich des Schreibens des EGMR mit der Zusammenfassung des Sachverhaltes vom 30.08.2010 (einliegend in der LSG Akte L 2 U 268/07) gegen die Verfahrensdauer in den Verfahren S 5 U 46/06 und L 2 U 268/07. Das zZ des Inkrafttretens des ÜGG am 03.12.2011 bereits abgeschlossene Verfahren S 5 U 101/05 war somit nicht Gegenstand eines Verfahrens vor dem EGMR und konnte es auch nicht mehr werden. Nach Art. 35 EMRK beginnt die Klagefrist für die Individualbeschwerde mit der endgültigen innerstaatlichen Entscheidung und endet nach 6 Monaten. Das am 23.03.2009 abgeschlossene Verfahren S 5 U 101/05 konnte somit am 03.12.2011 nicht mehr Gegenstand einer Individualbeschwerde werden.
IV. Klageverfahren S 5 U 46/06 und Berufungsverfahren L 2 U 268/07
Entgegen des Schriftsatzes der früheren Bevollmächtigten des Klägers vom 01.10.2013 ist das SG - Verfahren S 5 U 46/06 nach Auslegung und iSd § 123 SGG Gegenstand der vorliegenden Entschädigungsklage. Es war sowohl Gegenstand der Individualbeschwerde 17570/10 vor dem EGMR und Gegenstand der Klagebegründung der Klage vom 11.12.2012. Auch in dem zuletzt gestellten Klageantrag ist das Verfahren S 5 U 46/06 "rechnerisch" mit enthalten.
1. Die Klage ist zulässig.
a)
Für das Klageverfahren sind die Vorschriften der §§ 198 ff Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) sowie die §§ 183, 197a und 202 SGG idF des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGG) vom 24.11.2011 (BGBl I 2302) maßgebend. Nach Art 23 S. 1 ÜGG gilt dieses Gesetz auch für Verfahren, die bei seinem Inkrafttreten (gemäß Art 24 ÜGG am 03.12.2011) bereits anhängig waren, sowie für abgeschlossene Verfahren, deren Dauer bei seinem Inkrafttreten Gegenstand von anhängigen Beschwerden beim EGMR ist oder noch werden kann.
Hinsichtlich der beiden Verfahren S 5 U 46/06 und L 2 U 268/07 handelt es sich um ein einheitliches Gerichtsverfahren iS § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG, wonach jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss ein Gerichtsverfahren ist. Von der ursprünglichen Klageeinleitung vor dem SG am 17.03.2005 (noch unter dem Az S 5 U 101/05) über das Urteil des SG vom 2. Juli 2007 bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens L 2 U 268/07 mit Urteil vom 20. Juni 2012 handelt es sich um ein Gerichtsverfahren, weil das Urteil des SG erst mit der Entscheidung über die Berufung (Zustellung des LSG-Urteils am 13.07.2012) rechtskräftig wurde.
Das vom Kläger als unangemessen lang angesehene Verfahren vor dem SG und dem LSG war bei Inkrafttreten des ÜGG am 03.12.2011 noch nicht abgeschlossen. Das mit der Zustellung des Berufungsurteils am 13.07.2012 abgeschlossene Verfahren hat der Kläger bereits am 22.03.2010 zum Gegenstand einer Individualbeschwerde vor dem EGMR gemacht. Die am 22.03.2010 zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) erhobene Individualbeschwerde Az.: 17570/10 wurde am 10.07.2012 für unzulässig erklärt, weil der innerstaatliche Rechtsweg nicht erschöpft sei. Die Individualbeschwerde 17570/10 richtete sich ausweislich des Schreibens des EGMR mit der Zusammenfassung des Sachverhaltes vom 30.08.2010 (einliegend in der LSG Akte L 2 U 268/07) gegen die Verfahrensdauer in den Verfahren S 5 U 46/06 und L 2 U 268/07. Das zZ des Inkrafttretens des ÜGG am 03.12.2011 noch anhängige Verfahren S 5 U 46/06 und L 2 U 267/07 war somit am 03.12.2011 noch nicht abgeschlossen, aber bereits Gegenstand einer anhängigen Beschwerde vor dem EGMR.
b)
Für die Entscheidung über die Klage ist das LSG zuständig. Nach § 200 S. 1 GVG haftet das Land für Nachteile, die aufgrund von Verzögerungen bei Gerichten des Landes eingetreten sind. Für Klagen auf Entschädigung gegen ein Land ist nach § 201 Abs 1 S 1 GVG das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk die Regierung des beklagten Landes ihren Sitz hat zuständig. Für sozialgerichtliche Verfahren ergänzt § 202 S. 2 SGG diese Regelung dahin, dass die Vorschriften des 17. Titels des GVG (§§ 198-201) mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden sind, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das LSG tritt. In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit wird der Freistaat Bayern unbeschadet der §§ 7a bis 12 der Vertretungsverordnung durch das Landesamt für Finanzen - Dienststelle München - als allgemeine Vertretungsbehörde vertreten (§ 7 S. 1 VertV).
c)
Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) statthaft. Aus § 201 Abs 2 S. 1 GVG, wonach die Vorschriften der ZPO über das Verfahren vor den Landgerichten im ersten Rechtszug entsprechend anzuwenden sind, ergibt sich iVm § 202 S. 2 SGG, dass auch für Verfahren vor dem LSG die Vorschriften des SGG über das Verfahren vor den Sozialgerichten im ersten Rechtszug heranzuziehen sind. Gemäß § 54 Abs. 5 SGG kann mit der Klage die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Der Kläger macht angesichts der Regelung des § 198 GVG nachvollziehbar geltend, dass er auf die begehrte Entschädigungszahlung, eine Leistung iS des § 54 Abs. 5 SGG, einen Rechtsanspruch habe. Eine vorherige Verwaltungsentscheidung ist nach dem Gesetz nicht vorgesehen (vgl. § 198 Abs. 5 GVG).
d)
Die Klage ist form- und fristgerecht erhoben. Die gemäß § 90 SGG für die Klage vorgeschriebene Schriftform ist eingehalten. Die Klage vom 11.12.2012 wurde innerhalb der Frist des § 198 Abs.5 S. 2 GVG innerhalb von sechs Monaten nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung erhoben. Das Urteil des LSG vom 20. Juni 2012 wurde dem Kläger am 13.07.2012 zugestellt, die Klageerhebung zum unzuständigen OLG München erfolgte am 11.12.2012 und damit fristgerecht. Die Sondervorschrift des Art. 23 S. 6 ÜGG mit der Stichtagsregelung zum 03.06.2012 gilt nur für bereits abgeschlossene Verfahren und ist hier nicht anwendbar.
e)
Der Senat hält an seiner Rechtsauffassung fest, dass es sich bei der Frage der (rechtzeitigen) Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 GVG, Art. 23 S. 2 ff ÜGG nicht um eine Zulässigkeitsvoraussetzung handelt (Bayer. LSG Urteil vom 20.06.2013, L 8 SO 134/12 EK unter Hinweis auf BSG Beschluss vom 27.06.2013, B 10 ÜG 9/13 B , Rn. 27).
Die in § 198 Abs. 3 GVG geregelte Verzögerungsrüge stellt eine materielle Entschädigungsvoraussetzung dar (BT-DS. 17/3802, S. 20, 27; Ott, in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 170). Dass das Vorliegen einer Rüge nicht gleichzeitig eine Zulässigkeitsvoraussetzung darstellt, ergibt sich aus § 198 Abs. 4 S. 3, HS 2 GVG (LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 13.02.2013, L 12 SF 3/12 EK AL, Rn. 35; a.A. möglicherweise BSG, Urteile vom 21.02.2013, B 10 ÜG 1/12 KL und B 10 ÜG 2/12 KL, jeweils Rn. 18, wo das Erfordernis einer Verzögerungsrüge unter 1. f) als Frage der Zulässigkeit behandelt wird; davon abrückend aber BSG, Beschluss vom 27.06.2013, B 10 ÜG 9/13 B, Rn. 27). Nach § 198 Abs. 4 S. 3, HS 2 GVG kann das Entschädigungsgericht die Feststellung aussprechen, dass die Verfahrensdauer unangemessen war, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des § 198 Abs. 3 GVG nicht erfüllt sind. Dies schließt insbesondere auch den Fall ein, dass es an einer Verzögerungsrüge fehlt (Ott, in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 168). Handelte es sich bei der Erhebung der Rüge um eine Zulässigkeitsvoraussetzung, so käme bei fehlender Rüge nur die Abweisung der Klage als unzulässig, nicht aber die Feststellung einer unangemessenen Verfahrensdauer in Betracht.
2. Die Klage ist nur als Feststellungsklage wegen der Dauer des Berufungsverfahrens L 2 U 268/07 begründet.
2.1
Die Klage ist nicht begründet, soweit der Kläger eine Entschädigung wegen der Dauer des erstinstanzlichen Klageverfahrens S 5 U 46/06 begehrt, weil das erstinstanzliche Verfahren nicht überlang i. S. § 198 Abs. 1 GVG war.
Nach Art 23 S. 5 ÜGG bedarf es für im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes (03.12.2011) bereits abgeschlossene Instanzen (hier der ersten Instanz, Urteil vom 2. Juli 2007) keiner Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3, 5 GVG.
Das Verfahren S 5 U 46/06 war jedoch mit einer Gesamtverfahrensdauer von gut 27 Monaten zwischen der Erhebung der Klage am 17.03.2005 (abzustellen ist hier nicht auf das Datum des Trennungsbeschlusses vom 17.02.2006) und der Zustellung des Urteils vom 2. Juli 2007 am 13.07.2007 nicht überlang.
§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG bestimmt, dass sich die "Angemessenheit der Verfahrensdauer" nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und der Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter, richtet. Damit hat der Gesetzgeber von der Einführung bestimmter Grenzwerte für die Dauer unterschiedlicher Verfahrenstypen abgesehen, weil eine generelle Festlegung, wann ein Verfahren unverhältnismäßig lange dauert, nicht möglich ist. Er benennt hingegen nur beispielhaft ohne abschließenden Charakter Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit bzw. Unangemessenheit einer Verfahrensdauer besonders bedeutsam sind. Derartige Umstände reichen jedoch für die Anwendung des Begriffs der "unangemessenen Verfahrensdauer" (§ 198 Abs. 1 Satz 1 GVG) nicht aus. Vielmehr sind diese Umstände in einen allgemeinen Wertungsrahmen einzuordnen, der sich aus folgen-den Erwägungen ergibt:
Haftungsgrund für den gesetzlich begründeten Entschädigungsanspruch wegen unangemessener Verfahrensdauer ist die Verletzung des in Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 GG sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK verankerten Rechts eines Verfahrensbeteiligten auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit. § 198 Abs. 1 GVG knüpft für die Bestimmung der (Un)Angemessenheit inhaltlich an die Maßstäbe an, die EGMR und BVerfG für die Beurteilung der Verfahrensdauer entwickelt haben (BSG, Urteil vom 21.02.2013, B 10 ÜG 1/12 KL, Rn. 25 m.w.N.).
Die Anknüpfung des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs gemäß § 198 GVG an den als Grundrecht nach Art. 19 Abs. 4 GG (i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) sowie als Menschenrecht nach Art. 6 Abs. 1 EMRK qualifizierten Anspruch auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit verdeutlicht, dass es darauf ankommt, ob der Beteiligte durch die Länge des Gerichtsverfahrens in seinem Grund- und Menschenrecht beeinträchtigt worden ist. Damit wird eine gewisse Schwere der Belastung von vornherein vorausgesetzt. Es reicht also nicht jede Abweichung vom Optimum, vielmehr muss eine deutliche Überschreitung der äußersten Grenze des Angemessenen vorliegen (BSG, a.a.O., Rn. 26).
Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die Verfahrensdauer in einem gewissen Spannungsverhältnis zur Unabhängigkeit der Richter (Art. 97 Abs. 1 GG) und auch zu dem Ziel einer inhaltlichen Richtigkeit der Entscheidungen steht. Auch das spricht dagegen, bei der Bestimmung der Angemessenheit einer Verfahrensdauer eine enge zeitliche Grenze zu ziehen (BSG, a.a.O., Rn. 27 m.w.N.).
Die Dauer eines Verfahrens ist in hohem Maße von dem Verhältnis abhängig, in dem die Zahl der von Rechtsuchenden betriebenen Verfahren zu den persönlichen und sächlichen Mitteln des jeweils zuständigen Gerichts steht. Dabei reicht es aus, dass dieses Verhältnis angemessen ist. Der Staat ist jedenfalls nicht verpflichtet, so große Gerichtskapazitäten vorzuhalten, dass jedes anhängig gemachte Verfahren sofort und ausschließlich von einem Richter bearbeitet werden kann. Vielmehr muss ein Rechtsuchender damit rechnen, dass der zuständige Richter neben seinem Rechtsbehelf auch noch andere (ältere) Sachen zu behandeln hat. Insofern ist ihm eine gewisse Wartezeit zuzumuten. Im Hinblick darauf kann es von Bedeutung sein, in welcher Zeit vergleichbare Verfahren erledigt werden. Die betreffenden statistischen Zahlen sind allerdings daraufhin zu prüfen, ob sie eine im Durchschnitt überlange Verfahrensdauer widerspiegeln. Ist das nicht der Fall, so können diese Zahlen einen hilfreichen Maßstab bei der Beurteilung der Angemessenheit der Dauer eines konkreten Verfahrens bieten. Entscheidend sind dabei allerdings die Umstände des Einzelfalls (BSG, a.a.O., Rn. 28 m.w.N., siehe auch BSG Beschluss vom 16.12.2013, B 10 ÜG 13/13 B zur indiziellen Bedeutung der durchschnittlichen Dauer vergleichbarer Verfahren und der entscheidenden Bedeutung der Einzelfallumstände).
Dafür, dass die Verfahrensdauer im konkreten Fall nicht unangemessen war, spricht bereits ein Vergleich mit den statistischen Durchschnittswerten. Den Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes (Fachserie 10 Reihe 2.7) für das Kalenderjahr 2007 lässt sich entnehmen, dass mit Urteil abgeschlossene Klageverfahren aus dem Gebiet der gesetzlichen Unfallversicherung im Bundesschnitt eine Verfahrensdauer von 27,1 Monaten aufwiesen. Anhaltspunkte dafür, dass diese Werte schon eine Überlänge widerspiegeln, liegen nicht vor. Damit liegt das erstinstanzliche Verfahren aus dem Gebiet der Unfallversicherung hinsichtlich der Laufzeit im Durchschnitt.
Die konkreten Umstände des Einzelfalles können die Länge des Verfahrens zudem hinreichend erklären. Es handelte sich um schwierige medizinische Fragen und Ursachenzusammenhänge, die in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu klären waren. Der Kläger begehrte die Feststellung weiterer Unfallfolgen aus einem jahrelang zurückliegenden Arbeitsunfall vom 09.06.1994 und deren Bewertung in medizinischer und rechtlicher Hinsicht im Rahmen der Rentengewährung nach dem SGB VII. Infolge des bereits über zwei Instanzen geführten Klage- und Berufungsverfahrens vor dem SG Ulm und dem LSG Baden- Württemberg in den Jahren 1996 bis 2002 waren hierzu schon zahlreiche Feststellungen tatsächlicher und rechtlicher Art getroffen worden, die bei dem erneuten Klageverfahren vor dem SG Augsburg zu berücksichtigen und rechtlich zu bewerten waren. Insoweit handelte es sich um ein umfangreiches und schwieriges Verfahren, das für den Kläger eine große Bedeutung hatte, weil die Verletztenteilrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf Dauer zu zahlen ist.
Der Verfahrensgang in dem SG Verfahren S 5 U 101/05, S 5 U 46/06 stellte sich wie folgt dar:
17.03.2005 Klageerhebung mit Antragstellung und Begründung (VA 24.01.2003, WB 23.02.2005)
11.05.2005 Ermittlungsschreiben SG (Angaben zu behandelnden Ärzten etc)
14.06.2005 bis 30.08.2005 Eingang der angeforderten Befundberichte (zT angemahnt) und der Akten der LVA und des Versorgungsamtes
21.09.2005 Übersendung der eingeholten Befundberichte an die Beteiligten
30.09.2005 Eingang Datenauszug AOK
07.10.2005 Anfrage SG an PV Kläger zur Begründung des Begehrens auf höhere MdE und Anforderung Akten LSG Baden Württemberg zu L 10 U 2069/98 (Eingang 17.10.2005)
17.02.2006 Trennungsbeschluss: Rechtsstreit wegen Rentenbeginn S 5 U 101/05; Unfallfolgen und MdE S 5 U 46/06
30.03.2006 Anfrage SG, ob nur noch Rentenbeginn streitig
24.04.2006 Klägerbevollmächtigter bekräftigt beide Klageziele (Rentenbeginn und Höhe der MdE)
18.05.2006 Klägerbevollmächtigter übersendet Rentenbescheid LVA vom 16.04.2002 mit Anlagen
Mai- September Eingang weiterer medizinischer Unterlagen im Verfahren S 5 U 101/05, dort auch ausführlicher richterlicher Hinweis 18.09.2006 und 29.09.2006
14.03.2007 Richterlicher Hinweis zur Rechtslage und Anhörung Gerichtsbescheid (GB)
25.04.2007 PV Kläger: kein Einverständnis mit GB, weitere Stellungnahme angekündigt
08.05.2007 Schreiben des Klägers
09.05.2007 SG bittet Bevollmächtigten um Mitteilung, ob noch bevollmächtigt und dass unsachliche Äußerungen des Klägers unterbleiben sollten
18.05.2007 Stellungnahme PV Kläger
29.05.2007 Ladungsverfügung zum 02.07.2007
02.07.2007 Urteil des SG: Klageabweisung
11.07.2007 Zustellung Urteil an PV Kläger
Der oben dargestellte Verfahrenskalender zu dem Verfahren S 5 U 46/06 verdeutlicht, dass es in dem gesamten SG - Verfahren keinerlei nennenswerte Verfahrensverzögerungen gibt, die auf eine Nichtbearbeitung oder vom Beklagten zu vertretende Verzögerung hindeuten. Das Verfahren war durchgängig in der Bearbeitung und war zunächst davon gekennzeichnet, den Streitgegenstand hinreichend zu erfassen und zu bestimmen. Hierzu wurde ein reger Schriftwechsel des SG mit dem damaligen Bevollmächtigten des Klägers geführt. Weiterhin wurden umfangreiche medizinische Vorbefunde zB vom Rentenversicherungsträger, vom Versorgungsamt und von der zuständigen Krankenkasse sowie Befundberichte von behandelnden Ärzten eingeholt. Nach Sichtung aller Unterlagen erging am 14.03.2007 ein ausführlicher richterlicher Hinweis zur Rechtslage im Hinblick auf die Höhe der MdE und die Anerkennung weiterer Unfallfolgen und eine Anhörung zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid. Nachdem der Kläger diese Entscheidungsform ablehnte, erging umgehend am 29.05.2007 die Ladungsverfügung auf den Termin am 02.07.2007. Vom Beklagten zu vertretende Verfahrensverzögerungen enthält das Verfahren S 5 U 46/06 nicht. Dem Gericht ist angesichts des umfangreichen Aktenmaterials und der schwierigen rechtlichen und medizinischen Beurteilung mindestens eine durchschnittliche Bearbeitungsdauer zuzugestehen, die hier nicht überschritten wurde.
Insoweit scheidet auch eine Feststellung der Überlänge nach § 198 Abs. 4 GVG aus.
2.2.
Die Klage ist nicht begründet, soweit der Kläger eine Entschädigung wegen der Dauer des Berufungsverfahrens L 2 U 268/07 begehrt. Ein Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung steht dem Kläger nicht zu, weil es an einer Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 S. 1 GVG fehlt.
a)
Das Erfordernis einer Verzögerungsrüge ergibt sich aus § 198 Abs. 3 S. 1 GVG. Weil das Berufungsverfahren bei Inkrafttreten des ÜGG noch nicht abgeschlossen war (s.o.), kommt die Ausnahmevorschrift des Art. 23 Satz 4, 5 ÜGG (Ausschluss von § 198 Abs. 3 und 5 GVG) nicht zur Anwendung. Art. 23 Satz 2, 3 ÜGG bestimmt zusätzlich, dass die Verzögerungsrüge unverzüglich nach Inkrafttreten des Gesetzes zu erheben ist, um einen Anspruch für den vorangegangenen Zeitraum zu wahren. Vorliegend kann eine Auseinandersetzung mit dem Begriff "unverzüglich" unterbleiben (vgl. dazu aber zuletzt BGH Urteil vom 10.04.2014, III ZR 335/13, Rn. 25 nach juris), weil der Kläger zu keinem Zeitpunkt eine Verzögerungsrüge erhoben hat. Bei der Anfrage vom 08.03.2012 handelt es sich eindeutig um eine Sachstandsanfrage ("bitten wir um Sachstandsmitteilung"), die im Zusammenhang mit dem am 11.11.2011 in Auftrag gegebenen orthopädischen Gutachten nach § 109 SGG stand, das dann am 23.03.2012 beim LSG einging. Eine Verzögerungsrüge iS § 198 Abs. 3 GVG (Obliegenheit der Rüge der Dauer des Verfahrens) hat der Kläger in der Zeit vom Inkrafttreten des Gesetzes am 03.12.2011 bis zum Abschluss des Verfahrens am 13.07.2012 (Zustellung des Urteils vom 20. Juni 2012) nicht erhoben. Die Bevollmächtigte des Klägers hat dies auch in ihrem Schriftsatz vom 31.07.2013 unter Hinweis auf ihre Rechtsauffassung, dass es keiner Verzögerungsrüge bedurfte, ausgeführt. Auch das Agieren im Verfahren vor dem EMRG stellt keine Verzögerungsrüge dar. Diese Willenserklärungen waren eindeutig nicht an das LSG gerichtet.
b)
Das Erfordernis einer Verzögerungsrüge entfällt auch nicht deswegen, weil die Rüge angesichts der bereits seit 22.03.2010 anhängigen Individualbeschwerde vor dem EGMR und des Hinweises in der mündlichen Verhandlung vor dem Bayer. LSG am 20.10.2010 ihre Warnfunktion (sie soll dem bearbeitenden Richter - soweit erforderlich - die Möglichkeit zu einer beschleunigten Verfahrensförderung eröffnen, BT-Drs. 17/3802, S. 20) nicht mehr erfüllen konnte (vgl. so aber die Argumentation Klägerbevollmächtigte im Schriftsatz vom 31.07.2013). Denn der Gesetzgeber sieht in der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 2,3 ÜGG gerade auch für beim EGMR anhängige Verfahren ausdrücklich vor, dass in bereits verzögerten Verfahren unverzüglich nach Inkrafttreten des Gesetzes (am 03.12.2011) eine Verzögerungsrüge zu erheben ist, um einen Anspruch für den vorausgehenden Zeitraum zu wahren. Diese Wirkung der Rüge hätte gerade auch im vorliegenden Fall im Vordergrund gestanden. Im Hinblick auf Verzögerungen, die bereits in der Vergangenheit eingetreten sind, kommt jedoch eine Warnfunktion der Rüge von vornherein nicht in Betracht, ohne dass der Gesetzgeber die Rüge deshalb für entbehrlich angesehen hätte.
Eine Hinweispflicht des Gerichts auf das Erfordernis einer Verzögerungsrüge nach Art. 23 S. 2,3 ÜGG bestand nicht. Der anwaltlich vertretene Kläger war, wie die Anrufung des EGMR zeigt, ausreichend sensibilisiert für das Thema "überlange Verfahren" und hat Rechtsnachteile aus dem Fehlen einer rechtzeitigen Verzögerungsrüge selbst zu verantworten. Aus § 106 SGG ergibt sich keine entsprechende Beratungspflicht des Gerichts, das im Übrigen auch nicht mit dem Entschädigungsanspruch, sondern mit dem Erkenntnisverfahren hinsichtlich der unfallversicherungsrechtlichen Ansprüche des Klägers betraut war.
2.3.
a)
Der Senat stellt jedoch fest, dass die Dauer des Berufungsverfahrens unangemessen war. Rechtsgrundlage ist insoweit § 198 Abs. 4 S. 3 Halbsatz 2 GVG. Danach kann die Feststellung einer unangemessenen Verfahrensdauer ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des § 198 Abs. 3 GVG nicht erfüllt sind. So liegt es hier; es fehlt - wie bereits ausgeführt - an einer Verzögerungsrüge im Sinne von § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG. Der Senat hält in Übereinstimmung mit dem Bundesfinanzhof (Urteil vom 17.04.2013, X K 3/12, Rn. 72 juris) und dem LSG Thüringen (Urteil vom 30.10.2013, L 12 SF 1136/12 EK, Rn. 33 juris) an seiner bereits im Urteil vom 20.06.2013, L 8 SF 134/12 EK vertretenen Rechtsansicht fest, wonach das Entschädigungsgericht die Verfahrensverzögerung auch dann feststellen kann, wenn, eine Verzögerungsrüge in den Übergangsfällen des Art. 23 S. 2 ÜGG gar nicht oder nicht unverzüglich erhoben wurde (a.A. BGH Urteil vom 10.04.2014, III ZR 335/13, Rn. 35 juris). Es bedarf im Streitfall, in dem lediglich die Feststellung einer Verfahrensverzögerung auszusprechen ist, der vorherigen (unverzüglichen) Erhebung einer Rüge durch den Kläger nicht. Denn die Feststellung einer unangemessenen Verfahrensdauer kann -im Gegensatz zur Zuerkennung einer Geldentschädigung- nach der ausdrücklichen Regelung des § 198 Abs. 4 Satz 3 GVG auch dann ausgesprochen werden, "wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Abs. 3 nicht erfüllt sind". Die Obliegenheit zur Erhebung einer Verzögerungsrüge ist aber -neben anderen- in § 198 Abs. 3 GVG genannt. Diese Obliegenheit entfällt, wenn das Entschädigungsgericht sich auf einen bloßen Feststellungsausspruch beschränkt, nicht nur im gesetzlichen Regelfall des § 198 Abs. 3 GVG, sondern auch in Fällen der -vorliegend einschlägigen - Übergangsregelung des Art. 23 Satz 2 ÜGG. Denn nach dieser Vorschrift "gilt § 198 Abs. 3 GVG mit der Maßgabe, dass die Verzögerungsrüge unverzüglich nach Inkrafttreten erhoben werden muss". Von dem Verweis der genannten Übergangsregelung auf § 198 Abs. 3 GVG ist daher auch die in § 198 Abs. 4 Satz 3 GVG angeordnete Ausnahme vom Erfordernis des § 198 Abs. 3 GVG umfasst.
Dem Senat steht insoweit ein Ermessen zu, für dessen Ausübung der Gesetzgeber keine näheren Bestimmungen getroffen hat. Der Senat übt sein Ermessen dahingehend aus, die Unangemessenheit der Verfahrensdauer festzustellen, weil eine reine Klageabweisung unbillig erschiene (Ott, a.a.O., § 198 GVG Rn. 168). Ausschlaggebend hierfür sind die erhebliche Überschreitung der durchschnittlichen Verfahrensdauer mit eindeutigen Zeiten des Nichtbearbeitens (so etwa im Jahre 2008 und zT im Jahr 2009, siehe unter b) und die Bedeutung des Verfahrens für den Kläger.
b)
Die Dauer des Berufungsverfahrens L 2 U 268/07 war unangemessen. Die Gesamtver-fahrensdauer von der Erhebung der Berufung am 16.07.2007 bis zur Zustellung des Urteils am 13.07.2012 dauerte knapp 60 Monate.
Gemäß § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG ist ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss. Darunter ist die formelle Rechtskraft einer Entscheidung zu verstehen, so dass in die Verfahrensdauer auch der Zeitraum bis zur Zustellung des Urteils oder einer anderen das Verfahren abschließenden Entscheidung einbezogen ist (Ott, a.a.O., § 198 GVG Rn. 54 m.w.N.).
Hinsichtlich der Herleitung der "Angemessenheit der Verfahrensdauer" nach den Umständen des Einzelfalls aus § 198 Abs. 1 S. 2 GVG (insbesondere nach der Schwierigkeit und der Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter), wird auf die Ausführungen unter Ziffer 2.1. verwiesen.
Dafür, dass die Verfahrensdauer im konkreten Fall unangemessen war, spricht bereits ein Vergleich mit den wesentlich niedrigeren statistischen Durchschnittswerten, deren indizielle Bedeutung hier gewürdigt wird. Nach den statistischen Berichten des Bayer. Landesamtes für Statistik und Datenverarbeitung über die Tätigkeit der Sozialgerichte war ein im Kalenderjahr 2012 beim Bayer. Landessozialgericht durch Urteil/Beschluss erledigtes Berufungsverfahren durchschnittlich 22,8 Monate anhängig. Den Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes (Fachserie 10 Reihe 2.7) lässt sich entnehmen, dass Berufungsverfahren bei den Landessozialgerichten, die 2012 durch Urteil erledigt wurden, im Bundesdurchschnitt 21,1 Monate gedauert haben. Im Jahr 2012 erledigte Berufungsverfahren im Sachgebiet Unfallversicherung (nicht nach Erledigungsart differenziert) haben im Bundesdurchschnitt 19,5 Monate gedauert. Die Frage, ob bereits diese statistischen Zahlen eine im Durchschnitt überlange Verfahrensdauer widerspiegeln, spielt keine Rolle, wenn - wie hier - eine erhebliche Überschreitung der statistischen Werte vorliegt.
Die konkreten Umstände des Einzelfalles können die Länge des Verfahrens jedenfalls nicht in vollem Umfang erklären. Anders als der Verfahrenskalender des erstinstanzlichen Verfahrens S 5 U 46/06 zeigt der Verfahrensablauf des Berufungsverfahrens L 2 U 268/07 Verfahrensverzögerungen, die auf eine Nichtbearbeitung oder Verzögerung hindeuten.
Der Verfahrensgang lässt sich wie folgt skizzieren:
16.07.2007 Berufungserhebung ohne Begründung
16.08.2007 Berufungsbegründung durch PV des Klägers mit Begründung und Antragstellung
24.09.2007 Antragstellung und Berufungserwiderung Beklagte
30.06.2008 Mandatsniederlegung durch VdK
10.12.2008 Antrag des Klägers auf Zahlung Vollrente
01.01.2009 Berichterstatterwechsel
09.01.2009 Stellungnahme Beklagte zum geänderten Antrag vom 08.12.2008
30.01.2009 Erneuter Schriftsatz Kläger will Vollrente ab 19.11.1997, Schreiben erst am 04.03.2009 verfügt
04.03.2009 Verfügung intern "Si" Bl. 48 Rs
30.04.2009 Schriftsatz Kläger, weitere Schreiben Eingang 19.05.2009, 26.05.2009,
26.06.2009 Eingang Akten L 10 U 1999/98 und L 10 U 2069/98 vom LSG Baden-Württemberg
15.07.2009 LSG bittet Beteiligte um Zustimmung zur Entscheidung nach § 124 Abs. 2 SGG
20.07.2009 Kläger erteilt Zustimmung, Beklagte erklärt Zustimmung (22.07.2009)
03.08.2009 Fax Kläger: Ergänzung seiner Klageanträge auf Anerkennung psychische Unfallfolgen
11.08.2009 SS LRA C-Stadt: Suizidandrohung Kläger wiederholt für Fall des zu erwartenden falschen Urteils des LSG
14.08.2009 SS Kläger , weitere Schriftsätze 21.09.2009,
04.09.2009 Beklagte verweist hinsichtlich psychischer Belastungsstörungen auf neurologisch, psychiatrisches GA 30.09.2004, MdE mit 30 % richtig eingeschätzt
16.10.2009 LSG kündigt weitere Gutachten von Amts wegen an
...Einholung diverser Gutachten
20.06.2012 Sitzung (Kläger persönlich nicht anwesend) Berufung zurückgewiesen
13.07.2012 Zustellung Urteil an PV Kläger
Insoweit genügt die Feststellung, dass im Jahr 2008 keine Bearbeitung erfolgte und das Verfahren nach dem Berichterstatterwechsel zum 01.01.2009 am 04.03.2009 erstmals zum Sitzungsfach verfügt wurde. Nach Einholung der Akten vom LSG Baden - Württemberg im Juni 2009 wurden die Beteiligten im Juli 2009 um ihr Einverständnis zu einer Entscheidung nach § 124 Abs. 2 SGG gebeten. Nachdem akute psychische Probleme des Klägers im August 2009 aktenkundig wurden, hat das LSG die Bearbeitung wieder aufgenommen und im Oktober 2009 die Einholung weiterer Gutachten von Amts wegen angekündigt. Seit der Beweisanordnung vom 24.03.2010 erfolgte dann bis zum Termin vom 20.10.2010 eine durchgängige Bearbeitung. Das LSG hat in der Sitzung vom 20.10.2010 darauf hingewiesen, dass es die Sache für entscheidungsreif halte. Der weitere Verlauf bis zum Abschluss des Verfahrens mit Zustellung des Urteils vom 20. Juni 2012 am 13.07.2012 ist dann durch die gestellten zwei Gutachtensanträge des Klägers nach § 109 SGG geprägt. Ab dem 20.10.2010 ergibt sich die Verfahrenslaufzeit aus dem Verhalten des Klägers bei der verzögerten Einzahlung der erforderlichen Kostenvorschüsse und der notwendigen Zeit zur Gutachtenserstellung durch die zwei benannten medizinischen Sachverständigen, die im Übrigen vom Gericht jeweils zur zeitnahen Gutachtenserstattung angemahnt wurden.
Die zu Beginn des Berufungsverfahrens aufgetretenen Verzögerungen sind jedenfalls nicht durch das Verhalten der Beteiligten oder Dritter (mit-)verursacht. Das Gericht hatte nämlich keine Stellungnahmen, Gutachten oder Befundberichte angefordert oder angemahnt, sondern ging nach einer ersten Prüfung im März 2009 davon aus, dass das Verfahren ohne weitere Ermittlungen entscheidungsreif sei. Anhaltspunkte dafür, dass das Verfahren für den Kläger eine besonders geringe Bedeutung gehabt hätte und dass dieser Umstand die Verzögerungen - gerade angesichts der jeweils schon angefallenen Verfahrenslaufzeit - gerechtfertigt hätte, liegen nicht vor. Vielmehr hatte das Verfahren angesichts der im SGB VII vorgesehenen Leistungen eine erhebliche Bedeutung für den Kläger. Eine weitergehende Auseinandersetzung mit den Umständen des Einzelfalls kann unterbleiben, weil der Ausspruch, dass die Verfahrensdauer unangemessen war, Zeitraum oder Zeitdauer der Überlänge nicht genau beziffern muss (Ott, a.a.O., § 198 GVG Rn. 165).
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG, § 201 Abs. 4 GVG. Sie berücksichtigt einerseits, dass der Kläger teilweise obsiegt hat, weil der Senat eine unangemessene Dauer des Berufungsverfahrens festgestellt hat. Andererseits war zu berücksichtigen, dass der Kläger einen nach § 198 Abs. 2 S. 1 GVG vermuteten immateriellen Schaden in Höhe von zuletzt 20.400 Euro geltend gemacht hat, für den keine gesetzliche Vermutung streitet. Eine solche Entschädigung wäre nach den für den Regelfall vorgesehenen Sätzen nur dann zu ereichen, wenn eine Verfahrensverzögerung von 17 Jahren vorgelegen hätte. Diese beurteilt sich aber nur nach den Verzögerungszeiten und nicht nach Gesamtlaufzeiten von Verfahren. Nicht einmal die Addition der Gesamtlaufzeiten der hier zu beurteilenden bayerischen Verfahren 1. und 2. Instanz ergibt die eingeklagte Forderung.
4.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich. Zwar ist das Rechtsgebiet neu. Das BSG hat aber inzwischen mehrere Entscheidungen erlassen. Der Senat weicht hiervon nicht ab. Wenn eine gesetzliche Neuregelung ständige Rechtsprechung kodifiziert, werden dadurch nicht per se schwierige Rechtsfragen aufgeworfen. Die gesetzliche Regelung in § 198 GVG nimmt gerade die schon langjährige ständige Rechtsprechung des EGMR wie auch des BVerfG und des BSG zu den Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch und den Prüfkriterien zur Frage, wann ein Verfahren unangemessen lange gedauert hat, auf. D.h. mit anderen Worten, bei der Prüfung zur Frage der Angemessenheit der Verfahrensdauer sind gerade keine neuen schwierigen Rechtsfragen zu lösen, sondern ist vielmehr eine ständige und gefestigte Rechtsprechung anzuwenden.
Das vorliegende Urteil ist im Übrigen wesentlich auf die Auslegung der Übergangsvorschrift des Art. 23 ÜGG gestützt. Die Klärungsbedürftigkeit und damit die grundsätzliche Bedeutung sind hinsichtlich der Auslegung von Übergangsvorschriften in der Regel zu verneinen. Eine Ausnahme kommt in Betracht, wenn die anzuwendende Vorschrift von fortwirkender Bedeutung für eine nennenswerte Zahl vergleichbar gelagerter Fälle ist (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 160 Rn. 8d m.w.N.). Hierfür sind nach der Erfahrung des erkennenden Senats vorliegend keine Anhaltspunkte ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Login
FSB
Saved