L 8 U 2051/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 5945/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 2051/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 24.03.2010 abgeändert.

Auf die Klage der Klägerin wird der Bescheid der Beklagten vom 17.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.07.2011 aufgehoben.

Die Beklagte wird unter Änderung ihres Bescheids vom 01.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.07.2008 verurteilt, aufgrund des Unfalls vom 20.02.2006 als weitere Unfallfolge eine Anpassungsstörung mit depressiver und ängstlicher Symptomatik festzustellen und der Klägerin ab dem 14.06.2007 eine Verletztenrente nach einer MdE von 40 v.H. zu gewähren.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 24.03.2010 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten in beiden Instanzen in vollem Umfang zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten sind die Gewährung sowie die Höhe einer Unfallrente streitig.

Die 1960 in Kasachstan geborene Klägerin, russische Staatsangehörige, siedelte am 06.07.2000 aus Russland in die Bundesrepublik Deutschland über. Sie war als Zimmermädchen in einem S. Hotel versicherungspflichtig beschäftigt (Entlassung zum 31.12.2007, Blatt 399 der Beklagtenakte). Im Rechtsstreit um den Grad der Behinderung (GdB) wurde das Vergleichsangebot der Versorgungsverwaltung, der Klägerin seit 26.07.2006 bis 30.09.2008 einen GdB von 60 und danach einen GdB 50 zu zuerkennen, angenommen (vgl. Gerichtsverfahren beim Sozialgericht Stuttgart - S 23 SB 5697/08).

Auf dem Weg zur Arbeit wurde sie am 20.02.2006 beim Überqueren einer Kreuzung von einem Pkw angefahren und zu Boden geschleudert (zur Unfallanzeige vgl. Blatt 1 der Beklagtenakte; zum Ergebnis der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen vgl. Blatt 111/140 der Beklagtenakte). Im K. stellte Prof. Dr. H. ein Schädel-Hirn-Trauma I. Grades, eine geschlossene Oberarmschaftquerfraktur links, eine geschlossene Unterschenkelfraktur links der proximalen Diaphyse und eine proximale Fibulafraktur links, eine vordere Beckenringfraktur rechts sowie eine leicht dislozierte Sakromfraktur rechts fest (D-Arztbericht vom 20.02.2006, Blatt 2/3 der Beklagtenakte). In der Folge wurde die Klägerin mehrfach operiert und vom 20.02. bis 06.04.2006 im K. stationär behandelt. Vom 06.04. bis 27.04.2006 befand sie sich in Reha-Behandlung in der Klinik S ... Die Klägerin war in Folge des Unfalles bis 12.06.2007 arbeitsunfähig.

Im Zwischenbericht vom 08.12.2006 (Blatt 271/272 der Beklagtenakte) gab der Chirurg Dr. G. (K.) an, die Klägerin berichte "von noch erheblichen Schwindel- und Kopfschmerzen". In einer fachärztlichen Stellungnahme vom 15.01.2007 (Blatt 278/279 der Beklagtenakte) führte der Chirurg/Unfallchirurg Dr. H. u.a. aus, wesentliches Problem sei die deutliche Veränderung des Gangbildes bei eingeschränkter Ausdauerleistung. Auffällig gewesen seien Aspekte, die durchaus für eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) sprächen, eine psychologische Betreuung sei sinnvoll.

Vom 23.01. bis 20.02.2007 führte die Klägerin zu Lasten der Beklagten eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme in den Kliniken B. K. durch, aus der die Klägerin als weiterhin arbeitsunfähig entlassen wurde (Entlassbericht vom 14.03.2007, Blatt 298/305 der Beklagtenakte). Außerdem wurde mitgeteilt: "Sollte die posttraumatische Belastungsstörung anhalten, müsse dann eine ambulante Psychotherapie mit einem russischen Therapeuten angeordnet werden."

Im Zwischenbericht vom 09.05.2007 (Blatt 312/313 der Beklagtenakte) gibt PD Dr. G. u.a. an, die Klägerin zeige deutliche Zeichen einer PTBS.

Die Klägerin nahm in der Folgezeit zwei- bis dreimal wöchentlich ambulante Physiotherapie in Anspruch und wurde ab dem 05.03.2007 erfolgte im Rahmen einer beruflichen Wiedereingliederung eine Belastungserprobung, beginnend mit vier Stunden, dann mit sechs Stunden.

Der Chirurg/Unfallchirurg Dr. T. aus der Praxis Dr. H., gab in seiner im Auftrag der Beklagten erstellten fachärztlichen Stellungnahme vom 23.05.2007 (Blatt 317/321 = 324/328 der Beklagtenakte) an, die körperlichen Verletzungsfolgen dürften weitgehend als ausbehandelt bewertet werden, es erscheine nicht realistisch, dass durch weitere Maßnahmen noch wesentliche Funktionsgewinne oder Beschwerdelinderungen erreichbar seien. Es bestehe der Verdacht, dass bereits vor dem Unfallereignis eine erhebliche Überforderung vorgelegen habe, wenn man berücksichtige, dass neben einem achtstündigen Arbeitstag der Arbeitsweg weitere zwei Stunden veranschlage und daneben noch die Aufgaben einer alleinerziehenden Mutter betrachtet würden. Dr. T. führt aber auch aus: "Damit will ich allerdings nicht ausdrücken, dass die bei der Versicherten offensichtlich vorliegende Psychoproblematik als unfallunabhängig zu bewerten wäre. Die notwendigen psychotherapeutischen Maßnahmen haben ihre wesentliche Teilursache auf jeden Fall in dem Unfallgeschehen."

PD Dr. G. wies in seinem Zwischenbericht vom 29.05.2007 (Blatt 329/330 der Beklagtenakte) auf die Wichtigkeit einer Psychotherapie bei PTBS hin.

Mit Schreiben vom 14.08.2007 berichtete der Arzt für Neurologie und Psychiatrie P. (Blatt 343/344 der Beklagtenakte), die Klägerin habe sich nach anfänglichen Schwierigkeiten mit viel Fleiß und Geduld in ihren früheren Arbeitsbereich als Zimmermädchen wieder einarbeiten können. Aktuell bestünden immer noch ausgeprägte Ängste, die vorwiegend auf der Straße aufträten. Sie bekomme Panikattacken, insbesondere beim Überqueren dichtbefahrener Straßen. Die psycho-physische Belastbarkeit habe sich jedoch deutlich gebessert, sei aber immer noch in etwa auf 60 % eingeschränkt. Er stellte die Diagnose eines Zustandes nach Polytrauma mit Schädel-Hirn-Trauma Grad I, eines posttraumatischen hirnorganischen Psychosyndroms mit depressiv-ängstlicher Symptomatik, ebenso wie kognitiven Störungen.

Für die Beklagte erstellte Dr. G., Ärztlicher Direktor am Klinikum S., K., Zentrum für Chirurgie, am 23.08.2007 ein Erstes Rentengutachten (Blatt 347/359 der Beklagtenakte). Als wesentliche Unfallfolgen gab er eine knöchern in achsgerechter Stellung konsolidierte Oberarmschaftfraktur links, eine knöchern in achsgerechter Stellung konsolidierte proximale Tibiafraktur links, deutliche Bewegungseinschränkungen des linken oberen Sprunggelenks, eine nicht durchbaute proximale Fibulafraktur links, eine knöchern in achsgerechter Stellung konsolidierte Radiusfraktur links, eine knöchern mit einem bestehenden Versatz konsolidierte vordere Beckenringfraktur rechts und eine knöchern konsolidierte Os sacrum Fraktur an. Er schätzte die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) vom 13.06. bis 15.08.2007 mit 20 vom Hundert (v. H.) ein und danach für ein Jahr weiterhin mit 20 v. H. Bis zur Beendigung des dritten Jahres nach dem Unfall schätzte er die MdE voraussichtlich noch mit 10 v. H ein. Dr. G. gab weiter an, die Versicherte gebe keine Beschwerden im Bereich der Implantate an. Sie sei zu allen Tätigkeiten im Rahmen ihres Berufes wieder als voll arbeitsfähig anzusehen. Die angegebenen Schmerzen und Schlafstörungen stünden vermutlich in direktem Zusammenhang mit einer PTBS, weshalb ein psychiatrisches Zusatzgutachten eingeholt werden solle.

Prof. Dr. S., Neurologe und Psychiater, stellte in seinem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 12.10.2007 (Blatt 364/375 der Beklagtenakte) und unter Auswertung eines psychologischen Zusatzgutachtens von Dipl.-Psychologin M. vom 28.09.2007 (Blatt 376/380 der Beklagtenakte) als Unfallfolgen auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet eine Nervus ischiadicus-Teilschädigung mit Betonung der peronealen Anteile mit leichter Kraftminderung der Zehenhebung, Zehenspreizung und Fußsenkung sowie subjektiven Beschwerden (Gefühlsstörungen) links, und eine folgenlos ausgeheilte Gehirnerschütterung fest. Da eine substantielle Hirngewebeschädigung nicht stattgefunden habe, könnten die geklagten kognitiven Beschwerden nicht nachvollzogen werden. Unfallunabhängige Gesundheitsstörungen seien Spannungskopfschmerzen. Zudem beschreibe die Klägerin eine Konfliktsituation am Arbeitsplatz, welche sie sehr belaste. Hinweise für eine PTBS oder eine andere Unfallfehlverarbeitung hätten sich nicht ergeben. Die MdE auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet schätze er ab Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit mit 20 v.H. ein. Mit einer weiteren Besserung sei zu rechnen.

Der Neurologe und Psychiater P. legte in seinem Befundbericht vom 15.01.2008 (Blatt 408/409 der Beklagtenakte) dar, es bestehe auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet vordergründig ein posttraumatisches hirnorganisches Psychosyndrom nach schwerem Schädel-Hirn-Trauma mit ausgeprägter psychophysischer Minderbelastbarkeit, kognitiven Störungen und ängstlich-depressiver Verstimmung.

Die Beklagte gewährte der Klägerin mit Bescheid vom 01.02.2008 (Blatt 412 der Beklagtenakte) eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE um 20 v.H. wegen der Folgen des Versicherungsfalls vom 20.02.2006 ab 14.06.2007 bis auf Weiteres. Als Unfallfolgen wurden anerkannt: - Bewegungseinschränkung des linken oberen Sprunggelenkes, radiologische Veränderungen, - noch einliegendes Osteosynthesematerial, - Ischiadicus-Teilschädigung distal mit Betonung der peronealen Anteile, - Narbe an der linken Speiche, an linker Schulter, am linken Oberarm, über dem linken Beckenkamm, über dem Os sacrum, über der Patellasehne, an der Außenseite und Innenseite des linken Kniegelenks Nicht als Folgen des Arbeitsunfalls anerkannt wurden Spannungskopfschmerzen.

Die Klägerin erhob am 26.02.2008 Widerspruch (Blatt 428 der Beklagtenakte, zur Begründung vgl. Blatt 485/487 der Beklagtenakte) mit dem sie die Gewährung einer Vollrente wegen weiterer Unfallfolgen in Gestalt von Kopfschmerzen, Schmerzzuständen, Schlaflosigkeit, Depressionen, Verlangsamungen im Bewegungsablauf, Störungen im Denkablauf und Konzentrationsstörungen geltend machte.

Der MDK führte in einem Gutachten von Dr. H. vom 14.03.2008 (Blatt 438/440 der Beklagtenakte) u.a. aus, es sei wahrscheinlich, dass die beschriebenen hirnorganischen Beeinträchtigungen und die depressive Verstimmung in ursächlichem Zusammenhang mit dem Unfall vom 20.02.2006 stünden, sei wären ohne den Unfall wahrscheinlich nicht aufgetreten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 31.07.2008 (Blatt 490/493 der Beklagtenakte) wies die Beklagte den Widerspruch unter Hinweis auf die Gutachten von Dr. G. und Prof. Dr. S. zurück.

Am 03.09.2008 hat die Klägerin beim Sozialgericht (SG) Stuttgart zuletzt mit dem Ziel einer Rente nach einer MdE von 40 v.H. Klage erhoben. Wegen der psychischen und physischen Folgen des Arbeitsunfalles sei sie nicht in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sich zu bewerben, schon gar nicht im Beruf eines Zimmermädchens. Sie legte u.a. ein arbeitsmedizinisches Gutachten von Dr. F. vom I. vom 06.06.2008 vor (Blatt 57/61 der SG-Akte), der angab, es bestehe ein Zusammenhang zwischen dem Unfallgeschehen und der Schmerzsymptomatik sowie der psychischen Symptomatik.

Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung des die Klägerin behandelnden Neurologen und Psychiaters P. als sachverständigen Zeugen. Dieser hat in seiner Auskunft vom 25.11.2008 (Blatt 62/63 der SG-Akte) Konzentrationsstörungen, Vergesslichkeit, insbesondere im Kurzzeitbereich und Schwierigkeiten bei schnellem Themenwechsel im Gespräch sowie wenn die Klägerin nacheinander oder gleichzeitig mehrere Aufgaben erledigen müsse, angegeben.

Dem hat die Beklagte entgegen gehalten (Blatt 65/66 der SG-Akte) Prof. Dr. S. habe die festgestellte Verlangsamung der Reaktionsgeschwindigkeit nicht auf das Unfallgeschehen bezogen, da dieses zu keiner traumatischen Hirnschädigung bzw. substantiellen Hirngewebsschädigung geführt habe.

Die Beklagte hat zur Prüfung einer Rente auf unbestimmte Zeit zwei weitere Gutachten eingeholt (chirurgisch/orthopädisches Gutachten Dr. G. vom 14.10.2008, Blatt 83/95 der SG-Akte; nervenärztliches Gutachten Dr. L. vom 23.10.2008, Blatt 96/111 der SG-Akte). Der Facharzt für Chirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. G. hat die verbleibende MdE mit 10 v.H. bewertet. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. hat neben einer Commotio cerebri und einer Ischiadicus-Teilschädigung linksseitig eine rückläufige Depression und Anpassungsstörung diagnostiziert. Die Commotio cerebri sei zwischenzeitlich ausgeheilt. Dennoch sei für die ersten sechs Monate nach dem Trauma dafür eine MdE um 20 v.H. zu veranschlagen. Im Unterschied zu Prof. Dr. S. schätze er die MdE bis zum Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit mit 40 v.H. ein. Bis heute anhaltend sei eine Einzel-MdE für die Ischiadicus-Teilschädigung mit 10 v.H. anzunehmen. Für die Depression und Anpassungsstörung betrage die MdE anteilig 30 v.H. Die Kopfschmerzen seien, soweit es die Diagnose von Spannungskopfschmerzen betreffe, in der MdE von 30 v.H. für die Depression und Anpassungsstörung mit erfasst. Die Gesamt-MdE betrage 30 v.H. Unter einer effektiven Therapie sollte innerhalb eines Jahres eine weitere Reduktion der MdE auf 20 v.H oder sogar weniger möglich sein.

Die Beklagte legte des Weiteren eine beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. B. vom 30.04.2009 (Blatt 143/146 der SG-Akte) vor. Dieser hielt die gutachterlichen Feststellungen und Schlussfolgerungen von Dr. L. für mangelhaft. Das Gutachten erwecke den Eindruck, dass die Kausalitätshypothesen der Versicherten bzw. ihrer Tochter unkritisch übernommen worden seien. Das Gutachten könne nicht als Nachweis für einen Kausalzusammenhang angesehen werden, da konkurrierende Faktoren wie die Unzufriedenheit oder Überlastungssituation am Arbeitsplatz der Klägerin, eine mögliche Selbstwertminderung durch die Tätigkeit als Zimmermädchen bei einer Ausbildung als Buchhalterin, die Frage der gesellschaftlichen Integration bei sehr beschränkten Deutschkenntnissen, die Trennung vom Ehemann und das Betreten der Kreuzung bei "Rot" nicht berücksichtigt und diskutiert worden seien.

Die Klägerin hat daraufhin einen Entlassungsbericht einer zu Lasten der Deutschen Rentenversicherung durchgeführten stationären Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation vom 17.02. bis 10.04.2009 in der Klinik a. S. B. N. (Blatt 153/162 der SG-Akte; Diagnosen: Organisches Psychosyndrom nach Schädel-Hirn-Trauma, posttraumatische Belastungsstörung, Zustand nach Polytrauma mit multiplen operativ versorgten Frakturen und Commotio cerebri, Fibula-Pseudarthrose und mikrozytäre Anämie) sowie eine Niederschrift über eine Sitzung des Landgerichts Stuttgart (Az 22 O 372/06) vom 18.09.2006 vorgelegt.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 26.11.2009 (Blatt 180 der SG-Akte) gegenüber der Klägerin erklärt, die Verletztenrente sei am 20.02.2009 automatisch zur Rente auf unbestimmte Zeit geworden. Sie beabsichtige nunmehr, eine Überprüfung der MdE auf chirurgischem Gebiet vornehmen zu lassen und schlage der Klägerin dafür verschiedene Gutachter vor.

Das SG hat mit Urteil vom 24.03.2010 den Bescheid der Beklagten vom 01.02.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.07.2008 abgeändert und die Beklagte verurteilt, als weitere Unfallfolge eine posttraumatische Belastungsstörung anzuerkennen und der Klägerin ab 14.06.2007 Verletztenrente nach einer MdE um 30 v.H. zu gewähren; die weitergehende Klage hat das SG abgewiesen. Eine höhere MdE von Beginn an sei deshalb anzunehmen, weil auf Grund des Gutachtens von Dr. L. eine psychoreaktive Störung als Unfallfolge anzunehmen sei. Auch unter Berücksichtigung der MdE auf chirurgischem Gebiet, die zunächst von Dr. G. mit 20 v. H. und zuletzt vom Chirurgen G. mit 10 v. H. eingeschätzt worden sei, komme die Kammer bei der Bildung der Gesamt-MdE für den gesamten Zeitraum zu einer solchen i.H.v. 30 v.H., da sich die beiden Bereiche nur hinsichtlich einer ausgeheilten Commotio cerebri und einer Ischiadicus-Teilschädigung überschnitten. Der beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. B. könne nicht gefolgt werden. Dieser habe zwar verschiedene Überlegungen zu von ihm selbst als konkurrierende Faktoren bezeichneten Umständen angeführt, doch stehe für die Kammer nicht fest, dass derartige Überlegungen von den behandelnden Ärzten unbeachtet geblieben seien; darüber hinaus handele es sich bei den von Dr. B. als konkurrierende Faktoren bezeichneten Umständen teilweise auch um Spekulationen und Vermutungen, die immer angestellt werden könnten, wenn Psychoreaktive Störungen als Unfallfolgen in Betracht kämen.

Gegen das den Beteiligten am 09.04.2010 (Klägerbevollmächtigter) bzw. am 12.04.2010 (Beklagte) zugestellte Urteil haben die Klägerin am 29.04.2010 und die Beklagte am 07.05.2010 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt.

Mit Schreiben vom 23.02.2011 hat die Beklagte die Klägerin unter Vorlage des Gutachtens von Dr. S. vom 26.03.2010 zur Entziehung der Rente wegen eines Herabsinkens der MdE auf unter 20 v.H. angehört (Blatt 86/99 der Senatsakte). Hiergegen hat sich die Klägerin gewandt (Blatt 101/102 der Senatsakte). Die Beklagte hat daraufhin mit Bescheid vom 17.03.2011 (Blatt 105 der Senatsakte) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.07.2011 (Blatt 118/121 der Senatsakte) die Rente mit Ablauf des Monats März 2011 entzogen; die Beweglichkeit des linken Sprunggelenks habe sich gebessert, sodass die funktionell sehr ungünstige Spitzfußstellung nicht mehr bestehe. Die MdE sei mit unter 20 v.H. zu bemessen; die psychischen Beschwerden würden nicht als unfallbedingt anerkannt.

Die Klägerin hat vorgetragen, entsprechend den maßgeblichen gutachterlichen Bewertungen sei eine Gesamt-MdE von 40 v.H. zu beanspruchen. Wesentlich ursächlich auf das Unfallereignis zurückzuführen sei eine Anpassungsstörung, verbunden mit Angst, Panik, Unruhe, Anspannung und Schlafstörungen aufgetreten. Demgegenüber seien die vorwiegend spekulativen Ausführungen des Dr. B. nicht überzeugend. Ungeachtet der psychiatrischen Bewertung der Unfallfolgen seien die in orthopädisch-chirurgischer Hinsicht bestehenden Dauerschäden ebenfalls MdE-steigernd zu berücksichtigen. Selbst wenn man die von Seiten des Dr. S. festgestellten Dauerschäden zur Unfallfolgenbewertung heranziehe, ergebe sich eine weitere aufzuaddierende Teil-MdE von 10 v.H., so dass beanspruchte Gesamt-MdE sich mit 40 v.H. beziffere. Voneinander abgrenzbare Unfallfolgen könnten aufaddiert werden. So seien die orthopädischen Schwierigkeiten gesondert von den psychiatrisch vermittelten Unfallfolgen zu bewerten und bei der Gesamt-MdE-Bildung auch gesondert zu berücksichtigen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 24.03.2010 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 01.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.07.2008 sowie unter Aufhebung des Bescheids vom 17.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.07.2011 zu verurteilen, als weitere Unfallfolge eine Anpassungsstörung festzustellen und Verletztenrente nach einer MdE um 40 v.H. ab 14.06.2007 zu gewähren, sowie die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 24.03.2010 abzuändern und die Klagen gegen den Bescheid vom 01.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.07.2008 vollends sowie die Klage gegen den Bescheid vom 17.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.07.2011 abzuweisen sowie die Berufung der Klägerin zurückzuweisen

Die Beklagte hat ausgeführt, die Anerkennung einer PTBS als Unfallfolge entbehre einer nachvollziehbaren Grundlage, denn es liege bislang keine überzeugende gutachterliche Würdigung zu der Frage vor, ob bzw. welche psychischen Erkrankungen der Klägerin aus dem Unfallereignis resultierten. Prof. Dr. S. habe keine Anhaltspunkte für eine unfallabhängige psychische Erkrankung gefunden. Auch zeitnah zum Unfallereignis lägen keine Befunde vor, die auf das Vorliegen oder die Entstehung einer psychischen Erkrankung bzw. einer PTBS schließen ließen. So habe Dr. G. im Zwischenbericht vom 26.10.2006 darauf hingewiesen, dass sich keine Hinweise auf die Entwicklung eines psychischen Gesundheitsschadens ergeben hätten. Der Annahme des SG, es handele sich bei dem Hinweis von Dr. B. zum Vorliegen konkurrierender Faktoren in Form von Überlastung am Arbeitsplatz und familiären Problemen/Scheidung teilweise auch um Spekulationen und Vermutungen, sei entgegenzuhalten, dass nicht nur Dr. B., sondern vielmehr bereits auch der Gutachter Prof. Dr. S. diese persönlichen Lebensumstände der Klägerin als wesentlich für die Entstehung der festgestellten depressiven Verstimmung bewertet habe. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass der Verletzungsfolgenzustand sowohl nach der fachärztlichen Bewertung von Dr. G. als auch von Dr. S. auf unfallchirurgischem Fachgebiet eine MdE nur noch i.H.v. 10 v.H. bedinge. Auch aus der festgestellten Besserung der Unfallfolgen auf chirurgischem Fachgebiet lasse sich keine Entstehung bzw. kein Unterhalten einer psychischen Erkrankung ableiten. Unfallfolgen seien auch nicht aufzuaddieren.

Die Beklagte hat das Gutachten des Arztes für Chirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. S. vom 26.03.2010 vorgelegt (Blatt 31/56 der Senatsakte), in dem dieser die noch bestehenden Unfallfolgen wie folgt dargestellt hat: - Minimale Bewegungsbeeinträchtigung des linken Handgelenkes, - Knöchern verheilter Bruch des vorderen Beckenringes rechts mit leichter Verschiebung, - Bewegungsbeeinträchtigung des linken oberen Sprunggelenkes, - Zahlreiche Weichteilnarben und Knochennarben, - Falschgelenkbildung Wadenbein (stabil), - muskuläre Schonzeichen linkes Bein. Als unfallunabhängige krankhafte Veränderungen hat er eine Weichteilverletzung am rechten Oberarm angegeben. Im Vergleich zum maßgeblichen Vorgutachten vom 23.08.2007 bestehe eine wesentliche Änderung. Der linke Fuß könne jetzt aktiv bis 10 Grad gehoben werden. Am 15.08.2007 habe noch ein Streckdefizit für den linken Fuß von 10 Grad bestanden. Diese funktionell sehr ungünstige Spitzfußsituation bestehe jetzt nicht mehr. Die MdE bewertete er mit 10 v.H. Des Weiteren hat Dr. S. ausgeführt, dass eine deutliche Diskrepanz zwischen den objektivierbaren Befunden und den geklagten Beschwerden bestehe. Hinweise hinsichtlich einer bewussten Aggravation oder Simulation habe er nicht gefunden. Insgesamt bestehe der Eindruck einer somato-formen Schmerzstörung.

Der Senat hat die Akten des Verfahrens S 13 SB 5697/08 beigezogen und daraus das Gutachten des Arztes für Chirurgie, Unfallchirurgie und Orthopädie Dr. N. vom 01.06.2011 samt neurologisch-psychiatrischem Zusatzgutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. V. vom 01.06.2011 sowie einem neuropsychologischen Zusatzgutachten des Dipl. Psychologen H. vom 30.05.2011 (Blatt 127/162, 163/175. 176/188 der Senatsakte) zu den Akten genommen, ebenso - das Vergleichsangebot des Landes Baden-Württemberg, einen GdB von 60 ab 28.04.2008 bis 30.09.2008 und von 50 ab 01.10.2008 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "G" in der Zeit vom 26.07.2006 bis 27.04.2008 festzustellen (Blatt 189 der Senatsakte), - eine versorgungsmedizinische Stellungnahme von Dr. G. vom 19.09.2011, der u.a. einen Teil-GdB von 50 für eine seelisches Störung und kognitive Teilleistungsschwäche angenommen hat, (Blatt 190 der Senatsakte) und - den Bescheides des Landes Baden-Württemberg vom 07.11.2011 über die Feststellung des GdB entsprechend dem Vergleichsangebot (Blatt 190a/b der Senatsakte).

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 23.08.2012 (Blatt 193/194 der Senatsakte) ausgeführt, auch Dr. V. habe keine Hinweise auf eine PTBS, auf eine hirnorganische Störung bzw. ein Psychosyndrom gefunden.

Die Klägerin hat u.a. ausgeführt (Schreiben vom 15.10.2012, Blatt 196/197 der Senatsakte), für sie habe sich aus den im Schwerbehindertenverfahren eingeholten Gutachten bezogen auf das vorliegende Verfahren keine Änderung ergeben.

Die Beklagte hat des Weiteren (Schreiben vom 17.01.2013, Blatt 209/210 der Senatsakte) unter Vorlage einer beratungsärztlichen Stellungnahme des Chirurgen/Unfallchirurgen Dr. H. vom 15.01.2013 darauf hingewiesen, dass sich der Gesundheitszustand der Klägerin so wesentlich verändert habe, dass eine Rentenentziehung gerechtfertigt erscheine. Dr. H. hat angeführt, es bestehe keine Spitzfußproblematik mehr, sondern mit 10/0/45 Grad eine wiederhergestellte Abrollfähigkeit.

Nach Durchführung eines Termins zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 19.12.2012 (zur Niederschrift vgl. Blatt 202/203 der Senatsakte) hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 213/215, 234/243, 244/255 der Senatsakte) Bezug genommen. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. V. hat in seinem Gutachten vom 25.04.2014 unter Berücksichtigung eines neuropsychologischen Zusatzgutachten des Dipl. Psychologen S. vom 02.03.2013 sowie einer Kernspintomographie von Prof. Dr. Z. vom 14.02.2014 (Blatt 228/229 der Senatsakte) ausgeführt, auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet bestehe eine Anpassungsstörung mit depressiver und ängstlicher Symptomatik, die mit großer Wahrscheinlichkeit auf den Unfall vom 20.02.2006 zurückgeführt werden könne. Eine unfallunabhängige Ursache oder Beeinflussung sei nicht nachvollziehbar. Die MdE sei ab 14.06.2007 auf 30 v.H. einzuschätzen. Prof. Dr. S. könne nur teilweise zugestimmt werden. Soweit von diesem lediglich eine Affektlabilität beschrieben worden sei, sei dies nicht nachvollziehbar, da sämtliche andere Untersucher in diesem Zeitraum eine depressive Verstimmung gefunden hätten. Dem Gutachten Dr. L. könne zugestimmt werden, auch von ihm sei eine Anpassungsstörung gefunden worden, die dieser mit einer MdE von 30 bewertet habe. An der Ausprägung der Störung scheine sich im zeitlichen Verlauf keine wesentliche Änderung ergeben zu haben.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Blatt 261/262 der Senatsakte).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte und die beigezogene Akte des SG, auch zu dem Verfahren S 23 SB 5697/08 sowie der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt hatten und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich erscheint.

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegten Berufungen sind gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig. Die Berufung der Klägerin ist begründet, die Berufung der Beklagten ist unbegründet.

Der Senat musste auf die beiden Berufungen der Beteiligten hin über den Bescheid der Beklagten vom 01.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.07.2008 sowie das Urteil des SG vom 24.03.2010 entscheiden. Der Bescheid vom 01.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.07.2008 wurde i.S.d. § 96 SGG vollständig ersetzt durch den während des Berufungsverfahrens ergangenen Bescheid der Beklagten vom 17.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.07.2011, mit dem die Beklagte die zuvor zuerkannte Rente nach einer MdE von 20 v.H. wieder entzogen hat. Hierüber hatte der Senat auf Klage zu entscheiden (§§ 153 Abs. 1, 96 Abs. 1 SGG).

Die Berufung der Klägerin sowie deren Klage sind begründet. Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Feststellung weiterer Unfallfolgen sowie Zahlung einer Unfallrente nach einer unfallbedingten MdE von 40 v.H. seit dem 14.06.2007. Hinsichtlich des Verpflichtungsantrages auf Feststellung begehrt die Klägerin nicht mehr, eine PTBS, sondern eine Anpassungsstörung als Unfallfolge festzustellen, was gemäß § 99 Abs. 3 Nr. 1 SGG keine Klageänderung ist, sondern unter Beibehaltung des Klagegrundes (psychische Erkrankung als Unfallfolge) mit Ergänzung/Berichtigung der medizinisch-tatsächlichen Ausführungen nur ein Austausch der Krankheitsbezeichnung darstellt.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 vom Hundert mindern (§ 56 Abs. 1 SGB VII). Bei Verlust der Erwerbsfähigkeit wird die Vollrente geleistet, bei einer MdE wird eine Teilrente geleistet, die in der Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente festgesetzt wird, der der MdE entspricht (§ 56 Abs. 3 SGB VII).

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i. S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat und das Unfallereignis einen Gesundheits(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Das Entstehen von längerandauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheits(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (ständige Rechtsprechung, vgl. stellvertretend BSG 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).

Für beide Bereiche der Kausalität (haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität) gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung sowie der Beweismaßstab der - überwiegenden - Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 12).

Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie (vgl. dazu nur Heinrichs in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Aufl. 2006, Vorb. v § 249 RdNr. 57 ff mwN sowie zu den Unterschieden BSGE 63, 277, 280 = SozR 2200 § 548 Nr 91) auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele ("conditio sine qua non"). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache erforderlich (BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 12).

Ob die Verursachung eines Gesundheitsschadens oder des Todes eines Versicherten "durch" einen Arbeitsunfall festgestellt werden kann, entscheidet sich - bei Vorliegen einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne - letztlich danach, ob das Unfallereignis selbst und nicht eine andere, unfallunabhängige Ursache die wesentliche Bedingung für den Eintritt der Schädigung bildet (st. Rspr. des BSG; vgl. stellvertretend BSGE 63, 277 , 278 = SozR 2200 § 548 Nr 91 m.w.N). Welcher Umstand entweder für den Eintritt eines Arbeitsunfalls für den Eintritt des Schadens als wesentlich angesehen werden muss, ist durch eine wertende Betrachtung aller in Frage kommenden Umstände zu ermitteln. Die einzelnen Bedingungen müssen gegeneinander abgewogen werden; ob eine von ihnen wesentlich den Erfolg mit bewirkt hat, ist anhand ihrer Qualität zu entscheiden. Auf eine zeitliche Reihenfolge oder die Quantität kommt es nicht an. Zur Bewertung der Qualität einer bestimmten Bedingung hat die Rechtsprechung (vgl. etwa BSGE 59, 193 , 195 = SozR 2200 § 548 Nr. 77 m.w.N.) vielfach auf die Auffassung des "täglichen" oder "praktischen" Lebens abgestellt. Anders als bei der für das Zivilrecht maßgebenden Adäquanztheorie (stellvertretend BGHZ 137, 11, 19ff m.w.N.) folgt daraus keine abstrakt-generalisierende Betrachtungsweise; vielmehr ist die Kausalitätsbewertung in der gesetzlichen Unfallversicherung vom ex-post-Standpunkt aus anhand individualisierender und konkretisierender Merkmale des jeweiligen Einzelfalles vorzunehmen. Daher kommt es bei der Wertung im Bereich der Kausalität vor allem darauf an, welche Auswirkungen das Unfallgeschehen gerade bei der betreffenden Einzelperson mit ihrer jeweiligen Struktureigenheit im körperlich-seelischen Bereich hervorgerufen hat (vgl. BSGE 66, 156 , 158 = SozR 3-2200 § 553 Nr. 1 m.w.N.). Gleichzeitig ist im Rahmen der gegenseitigen Abwägung mehrerer, zu einem bestimmten "Erfolg" führender Umstände der Schutzzweck sowohl der gesetzlichen Unfallversicherung im Allgemeinen als auch der jeweils anzuwendenden Norm - hier der §§ 27, 56 SGB VII - zu berücksichtigen. Dies führt zu der Wertbestimmung, bis zu welcher Grenze der Versicherungsschutz im Einzelfall reicht (vgl. insgesamt BSG 09.12.2003 - B 2 U 8/03 R -, SozR 4-2200 § 589 Nr. 1 m.w.N.).

Gibt es neben der versicherten Ursache noch konkurrierende Ursachen, z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, solange die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war (BSG SozR Nr. 6 zu § 589 RVO, SozR Nr. 69 zu § 542 RVO a.F.). Eine Krankheitsanlage war von überragender Bedeutung, wenn sie so stark war oder so leicht ansprechbar war, dass die (naturwissenschaftliche) Verursachung akuter Erscheinungen nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern jedes alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinungen verursacht hätte (BSGE 62, 220 , 222 f = SozR 2200 § 589 Nr 10 S 30). War die Krankheitsanlage von solcher überragender Bedeutung, so ist die versicherte naturwissenschaftliche Ursache nicht als wesentlich anzusehen und scheidet als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts aus; sie ist dann bloß eine so genannte Gelegenheitsursache (BSG 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - , SozR 4-2700 § 8 Nr. 15).

Die Klägerin war als abhängig beschäftigtes Zimmermädchen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versichert und übte zum Zeitpunkt des Unfalles am 20.02.2006 eine versicherte Tätigkeit aus, denn die Verrichtung der Klägerin – Weg zur Arbeit - gehörte zur Zeit des Unfalls zu den versicherten Wegen i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII.

Der Unfall am 20.02.2006 verursachte bei der Klägerin nicht nur die von der Beklagten bereits anerkannten Unfallfolgen auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet. Der Unfall war vielmehr auch wesentliche Ursache für die bei der Klägerin erst in der Folge aufgetretene psychische Störung (Anpassungsstörung mit depressiver und ängstlicher Symptomatik, derzeit mittelgradig ausgeprägt i.S.d IDC-10 F 43.2).

Dies konnte der Senat auf der Grundlage der Gutachten von Dr. V. und Dr. L. feststellen; das Vorliegen einer solchen Erkrankung wird letztlich auch nicht von der Beklagten bestritten, vielmehr hat diese die Kausalität des Unfallereignisses für das Auftreten dieser Gesundheitsstörung bestritten. Der Senat ist aber – entgegen den Ausführungen der Beklagten, deren Beratungsarzt Dr. B. und deren Gutachter Prof. Dr. S. - zu der Überzeugung gelangt, dass der Unfall vom 20.02.2006 wesentliche Bedingung für den Eintritt auch dieser der Gesundheitsstörung i.S.d. zuvor dargestellten Grundsätze ist.

So konnte Dr. V. in seinem Gutachten vom 25.04.2014 zunächst anhand der erhobenen Befunde zur Überzeugung des Senats das Bestehen dieser Gesundheitsstörung (Anpassungsstörung mit depressiver und ängstlicher Symptomatik) darlegen. Insoweit sind seine Befunde sowohl im Hinblick auf die bereits in seinem Gutachten vom 01.06.2011 im Verfahren S 23 SB 5697/08 für das SG erhobenen Befunde als auch die Befunde, die Dr. L. in seinem für die Beklagte erstatteten Gutachten erhoben hat, schlüssig. Auch die Ausführungen von Dr. P. im Reha-Entlassbericht vom 14.03.2007 (Blatt 298/305 der Beklagtenakte) und die vom behandelnden Neurologen und Psychiater P. mitgeteilten Befunde, ebenso wie die Angaben den behandelnden Chirurgen Dr. G., unterstützen dieses. Soweit Prof. Dr. S. insoweit bis auf eine Affeklabilität keine relevanten psychischen Auffälligkeiten gefunden hat, kann sich der Senat dessen Ansicht nicht anschließen. Dr. V. konnte für den Senat überzeugend darlegen, dass sich auch retrospektiv die Bewertungen von Prof. Dr. S. nicht nachvollziehen ließen, zumal sämtliche andere Untersucher im selben Zeitraum eine depressive Verstimmung fanden. Insoweit mag die Beurteilung der Schwere einer psychischen Erkrankung zwischen mehreren Ärzten durchaus unterschiedlich ausfallen, dass jedoch bei Prof. Dr. S. gar keine relevanten psychischen Beeinträchtigungen vorhanden waren, erschließt sich dem Senat angesichts der aus demselben Zeitraum stammenden Befunde anderer behandelnder Ärzte nicht. So hatte PD Dr. G. am 08.12.2006 über Schwindel und Kopfschmerzen berichtet (Blatt 271 der Beklagtenakte) und am 09.05.2007 über deutliche Zeichen einer PTBS (Blatt 312 der Beklagtenakte). In der Folgezeit hat Dr. G. diese Symptome weiter beschrieben (vgl. z.B. die Zwischenberichte vom 29.05.2007, Blatt 329 der Beklagtenakte, vom 12.06.2007, Blatt 362 der Beklagtenakte , vom 14.01.2008, Blatt 410 der Beklagtenakte; ebenso Dr. D. in seinem Zwischenbericht vom 07.12.2007, Blatt 401 der Beklagtenakte). Dr. G. hat dann in seinem Gutachten vom 23.08.2007 (Blatt 347/359 der Beklagtenakte) darauf hingewiesen, dass die geklagten Beschwerden vermutlich im Zusammenhang mit einer PTBS stünden. Auch Dr. H., der Beratungsarzt der Beklagten, der die Klägerin am 12.01.2007 und Dr. T. aus der Praxis Dr. H., der sie am 23.05.2007 persönlich untersucht hat, haben eine erhebliche Angst, Stress und Kopfschmerzen bzw. eine psychische Betroffenheit als limitierenden Faktor beschrieben (Blatt 278 ff., 317 ff, der Beklagtenakte). Dr. P. hat in seinem Reha-Entlassbericht vom 14.03.2007 (Blatt 298/305 der Beklagtenakte) eine diskrete PTBS (Angst bei Teilnahme am Straßenverkehr) beschrieben und eine russischsprachige Therapie empfohlen. Der Neurologe und Psychiater P. hat am 15.01.2008 (Blatt 408 der Beklagtenakte) ein posttraumatisches hirnorganisches Syndrom u.a. mit depressiver Verstimmung beschrieben. Weshalb dann Prof. Dr. S. in seinem Gutachten vom 12.10.2007 (Blatt 364 der Beklagtenakte) weder einen Hinweis auf eine PTBS noch – außer einer Affektlabilität – keinen auffälligen psychischen Befund gefunden hat, kann der Senat weder anhand seines Gutachtens noch anhand des psychologischen Zusatzgutachtens von Dipl. Psychologin M. nachvollziehen. Gründe, warum er in seiner Befundung und Bewertung von den auch von ihm zitierten Berichten der anderen Ärzte abweicht, bleiben Prof. Dr. S. und Dipl. Psychologin M. schuldig (so auch Dr. L., vgl. Blatt 109 der SG-Akte). Auch insoweit erscheint sein Gutachten widersprüchlich, als er eigentlich ohne sonstigen gravierenden neurologisch/psychiatrischen Befund eine MdE von 20 v.H. annimmt. Mit der vorliegenden Beurteilung stimmt auch das Gutachten von Dr. L. vom 23.10.2008 (Blatt 96/111 der SG-Akte) überein. Dieser hatte in seinem für die Beklagte gefertigten Gutachten eine rückläufige Depression/Anpassungsstörung festgestellt und dabei ausdrücklich (Blatt 104 der SG-Akte) Angst, Panik, Anspannung, Vermeidungsverhalten eruiert. Er hat auch (Blatt 108 der SG-Akte) Schwunglosigkeit, Freudlosigkeit, Mattigkeit, Antriebsschwäche, formale Denkstörungen als auch Konzentrationsstörungen und Gedächtnisstörungen beschrieben.

Vor diesem Hintergrund konnte sich der Senat vom Vorliegen der von Dr. V. beschriebenen Gesundheitsstörung i.S.d. ICD-10 überzeugen, die in der Sache der von Dr. L. beschriebenen Depression/Anpassungsstörung entspricht. Dass der Unfall keine hirnorganischen Gewebeschädigungen hervorgerufen hat, bedeutet nicht, dass die von Dr. V. angenommenen psychischen Gesundheitsstörungen nicht bestünden, da diese gerade nicht als organisch bedingte Störungen aufgetreten sind.

Der Unfall ist nach Überzeugung des Senats auch wesentliche Ursache des psychischen Gesundheitsschadens. Dies konnten sowohl Dr. L. in seinem Gutachten für die Beklagte, als auch Dr. V. in seinem Gutachten für den Senat darlegen. So hat auch Dr. L. andere Ursachenfaktoren, wie die Scheidung, erwogen. Er konnte aber darstellen, dass die Scheidung die Klägerin zwar beeinträchtigt und gequält habe, die derzeitigen Ängste und die schwere depressive Einengung aber in erster Linie auf den Unfall zurückzuführen ist und mit ihm im zeitlichen Zusammenhang aufgetreten ist. Er konnte beschreiben, dass gerade der Unfall und nicht die Scheidung, zu einer wesentlichen Veränderung der Stimmung der Klägerin geführt hatte. Dr. V. hat in seinem Gutachten eine unfallunabhängige Ursache bzw. Beeinflussung der Gesundheitsstörung als nicht nachvollziehbar bezeichnet (Blatt 254 der Senatsakte). Vor dem Unfall war eine psychiatrische Behandlung weder erfolgt noch erforderlich gewesen. Auch sonstige vorbestehende psychiatrische Belastungen von Krankheitswert konnten nicht festgestellt werden. Insoweit hat zwar auch Dr. H. (Blatt 320 der Beklagtenakte) verschiedene unfallunabhängige Ursachenfaktoren, so den langen Arbeitsweg, die lange Arbeitszeit, die "Überqualifikation" der "gelernten Buchhalterin" – der der Senat aber keine große Bedeutung bei einer Ausbildungszeit von 6 Monaten beimisst (vergleiche Gutachten von Diplompsychologin M. vom 28.09.2007, Bl. 376 Beklagtenakte) –, die zum Unfallzeitpunkt als Zimmermädchen tätig war, sowie die alleinige Erziehung zweier Kinder durch die Klägerin. Alle diese Umstände hat er aber nicht als so wesentlich angesehen, dass sie alleine die Gesundheitsstörungen verursachten. Vielmehr hat er ausdrücklich angegeben, dass die "notwendigen psychotherapeutischen Maßnahmen ihre wesentliche Teilursache auf jeden Fall in dem Unfallgeschehen" haben (Blatt 320 der Beklagtenakte). Angesichts der Scheidung im Jahr 2003/2004, des Alters der Kinder (Geburt 1982 bzw. 1987, die im Unfallzeitpunkt mithin bereits volljährig waren), der langjährig ausgeübten Erwerbstätigkeit trotz Sprachschwierigkeiten kann sich der Senat nicht davon überzeugen, dass diese Umstände plötzlich eine psychisch relevante, wesentliche Ursache des nach dem Unfallereignis am 20.02.2006 aufgetretenen Gesundheitsschadens bilden. Vielmehr sind der Unfall und danach auf ihn rückführbare Umstände, wie ein langwieriger Heilungsverlauf und der auf unfallbedingte Leistungsminderung beruhende Arbeitsplatzverlust, kausal für die psychische Erkrankung, denn dieser Ursachenkomplex kann nach Überzeugung des Senats nicht hinweg gedacht werden, ohne dass auch der psychische Gesundheitsschaden entfiele. Auch unter wertender Betrachtung konnte sich der Senat davon überzeugen, dass die Anpassungsstörung mit depressiver und ängstlicher Symptomatik, ihre wesentliche Ursache in dem versicherten Unfallereignis vom 20.02.2006 und den nachfolgenden hierauf zurückzuführenden Umständen hat.

Der beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. B. (Blatt 143/146 der Beklagtenakte) konnte der Senat nicht folgen. Das SG hat zutreffend ausgeführt, dass Dr. B. eine Reihe von Spekulationen und Annahmen als mögliche alternative Ursachen anführt, die jedoch so in dem vorliegend zu entscheidenden Fall nicht festgestellt werden konnten. So ist – wie ausgeführt - die Kausalitätsbewertung in der gesetzlichen Unfallversicherung vom ex-post-Standpunkt aus anhand individualisierender und konkretisierender Merkmale des jeweiligen Einzelfalles vorzunehmen. Es kommt daher bei der Wertung im Bereich der Kausalität vor allem darauf an, welche Auswirkungen das Unfallgeschehen im konkreten Einzelfall gerade bei der betreffenden Einzelperson mit ihrer jeweiligen Struktureigenheit im körperlich-seelischen Bereich hervorgerufen hat (vgl. BSGE 66, 156 , 158 = SozR 3-2200 § 553 Nr. 1 m.w.N.). Maßgeblich ist insoweit nicht, ob bei anderen Personen ein solcher Gesundheitsschaden eingetreten wäre, sondern ob er beim Versicherten in Folge des Unfalles eingetreten ist. Gleichzeitig ist im Rahmen der gegenseitigen Abwägung mehrerer, zu einem bestimmten "Erfolg" führender Umstände der Schutzzweck sowohl der gesetzlichen Unfallversicherung im Allgemeinen als auch der jeweils anzuwendenden Norm - hier der §§ 27, 56 SGB VII - zu berücksichtigen. Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung hält der Senat den Unfall vom 20.02.2006 für ursächlich i.S. einer wesentlichen Bedingung für die Entstehung der Anpassungsstörung mit depressiver und ängstlicher Symptomatik.

Dass diese Anpassungsstörung mit depressiver und ängstlicher Symptomatik erst einige Zeit nach dem Unfall am 20.02.2006, mithin erstmals im Januar 2007 (Blatt 278 der Beklagtenakte, Zwischenbericht Dr. G. vom 15.01.2007), ärztlicherseits beschrieben ist, steht bei kritischer Prüfung der Kausalität dieser vorliegend nicht entgegen. So beschreiben Schönberger/Mehrtens/Valentin (Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, Seite 145), dass Phobie und Angststörungen monothematisch über Jahrzehnte bestehen können. Vorliegend ist aufgrund der von Dr. L. und Dr. V. beschriebenen Persönlichkeitsstruktur der Klägerin für den Senat überzeugend dargelegt, dass die Anpassungsstörung aus den dem Versicherungsfall zurechenbaren, sich später auswirkenden Folgen entstanden ist und von diesen auch unterhalten wird. Die testpsychologisch bestätigte Leistungsminderung im Bereich Aufmerksamkeit, Konzentration und Arbeitstempo als Ausdruck einer mittelgradigen Depression im Rahmen der Anpassungsstörung verstärkt die Selbsteinschätzung der Klägerin mit dem Gefühl der Nutzlosigkeit, wie sie es durch den Arbeitsplatzverlust erfahren hat. Dies wird in den Gutachten von Dr. V. und von Dr. L. für den Senat plausibel dargelegt. Daher konnte auch bei Anlegung eines strengen Maßstabs unter Berücksichtigung auch alternativer Ursachenmöglichkeiten der Senat keine andere wesentliche Bedingung oder gar eine lediglich schicksalhafte unfallunabhängige Entwicklung feststellen, die Ursache der Anpassungsstörung mit depressiver und ängstlicher Symptomatik wäre.

Dagegen konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass die Spannungskopfschmerzen ursächlich auf den Unfall zurückzuführen sind. Einen Kausalzusammenhang konnte weder Dr. V. noch Dr. L. darlegen.

Daher war zusätzlich zu den bisherigen unfallbedingten Gesundheitsstörungen noch eine Anpassungsstörung mit depressiver und ängstlicher Symptomatik festzustellen.

Mit dieser Überzeugung setzt sich der Senat auch nicht in Widerspruch zu der Entscheidung vom 26.09.2013 (L 6 U 3246/12 – juris RdNr. 49 ff; ebenso LSG BW 20.06.2013 - L 6 VG 5753/11). Nach dieser Rechtsprechung ist die Anerkennung einer PTBS als Unfallfolge ausgeschlossen, wenn der Versicherte – wie vorliegend - zum Unfallzeitpunkt bewusstlos war und demzufolge keinerlei Erinnerung an das Unfallgeschehen besteht, sondern dies nur im Nachhinein aus Erzählungen rekonstruiert wird. Vorliegend handelt es sich aber nicht um eine PTBS, sondern um eine Anpassungsstörung mit depressiver und ängstlicher Symptomatik, die von der zitierten Rechtsprechung des Senats nicht betroffen ist.

Die aus der in Folge des versicherten Unfalles eingetretenen Gesundheitsschädigung zu bemessende MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 SGB VII), d.h. es ist eine abstrakte Bewertung der verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Arbeitsmarkt vorzunehmen und nicht allein auf die Einschränkungen am konkreten Arbeitsplatz abzustellen. Die Bemessung der MdE ist vom Gericht als Tatsachenfeststellung gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu treffen. Dies gilt für die Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ebenso wie für die auf der Grundlage medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen zu treffende Feststellung der ihm verbliebenen Erwerbsmöglichkeiten (BSG SozR 4-2700 § 56 Nr. 2; BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8, S 36 m.w.N.). Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE geschätzt werden (BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8). Die zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind deshalb bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der tägliche Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (BSG aaO; zuletzt BSG Urteil vom 22. Juni 2004 - B 2 U 14/03 R - SozR 4-2700 § 56 Nr. 1).

Nach diesen Grundsätzen steht der Klägerin ab dem 14.06.2007 eine Unfallrente auf Basis einer MdE von 40 v.H. zu.

Auf chirurgischem Fachgebiet bedingen die bereits von der Beklagten festgestellten Unfallfolgen – wie von dieser festgestellt – zunächst eine MdE von 20 , nach Besserung der Beweglichkeit des linken Fußes ist die chirurgisch bedingte MdE mit 10 anzunehmen. Insoweit schließt sich der Senat den Ausführungen von Dr. G., Dr. G. und Dr. S. in deren Gutachten an. Dr. G. hatte in seinem Gutachten vom 23.08.2007 (Blatt 452 ff. der Beklagtenakte) angenommen, die chriurgischen unfallbedingten Gesundheitsstörungen seien bis 15.08.2008 mit einer MdE von 20 v.H. zu bewerten, anschließend auf Dauer mit voraussichtlich 10 v.H. Dr. G. hat in seinem Gutachten vom 14.10.2008 (Blatt 83/95 der SG-Akte) angenommen, es bleibe dauerhaft bei einer MdE von 10 v.H. wegen der chirurgischen unfallbedingten Gesundheitsstörungen. Dr. S. hat in seinem Gutachten vom 26.03.2010 (Blatt 31/56 der Senatsakte) ausgeführt, der linke Fuß könne jetzt aktiv bis 10 Grad gehoben werden. Im August 2007 habe noch ein Streckdefizit von 10 Grad in funktionell ungünstiger Spitzfußstellung bestanden. Insoweit ist eine deutliche Besserung eingetreten. Dr. S. hat unter Berücksichtigung der Besserung die MdE mit 10 v.H. eingeschätzt. Diese Besserung konnte er bei seiner Untersuchung am 22.02.2010 feststellen. Dieser ärztlichen Einschätzung der MdE auf chirurgischem Fachgebiet schließt sich der Senat an. Die MdE war daher bis 22.02.2010 mit 20 v.H., anschließend mit 10 v.H. zu bewerten.

Die Anpassungsstörung mit depressiver und ängstlicher Symptomatik, die derzeit mittelgradig ausgeprägt ist (vgl. das Gutachten von Dr. V. vom 25.04.2014), ist mit einer MdE von 30 v.H. zu bewerten. Insoweit schließt sich der Senat den Einschätzungen von Dr. L. und Dr. V. an, die beide übereinstimmend eine MdE von 30 v.H. angenommen haben. Die Anpassungsstörung führt zu einer relevanten psychisch-emotionalen Beeinträchtigung und einer Beeinträchtigung der sozial-kommunikativen Fähigkeiten. Die geschilderten und gutachtlich festgestellten kognitiven Einschränkungen sind Folgen der depressiven Erkrankung. Die Anpassungsstörung bedingt insoweit erhebliche und bedeutsame Beeinträchtigungen des Sozialverhaltens und vorliegend auch der Einsetzbarkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarktes. Denn infolge der verursachten Störungen hat die Klägerin ihren Arbeitsplatz verloren. Auch im Übrigen führen die vorhandenen Störungen zu einer erheblichen Beeinträchtigung bei Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, die der Senat – im Anschluss an die Gutachten und das Urteil des SG – mit einer MdE von 30 v.H. bewertet.

Insgesamt ließe sich vorliegend bis zur Feststellung der Besserung der Beweglichkeit des linken Fußes am 22.02.2010, mithin bis zum 21.02.2010, ggf. auch eine Gesamt-MdE von 50 v.H., seither von 40 v.H. begründen. Im Ergebnis ist der Senat aber im Hinblick auf den im Klageverfahren und im Berufungsverfahren gestellten Antrag zu der Überzeugung gelangt, dass die MdE seit dem 14.06.2007 jedenfalls mit 40 v.H. zu bemessen ist.

Zwar kann bei der Bildung der Gesamt-MdE die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen nicht schematisch zusammengerechnet werden, vielmehr ist das Gesamtbild aller Funktionseinschränkungen auf den unterschiedlichen Fachgebieten integrierend und im Ganzen zu würdigen.

Ausgehend von der Funktionsstörung mit der höchsten Einzel-MdE, vorliegend der Anpassungsstörung mit depressiver und ängstlicher Symptomatik mit einer MdE von 30, ist zu beachten, dass die auf chirurgischem Fachgebiet bestehenden Funktionseinschränkungen keinerlei Überschneidungen mit den auf psychiatrischem Fachgebiet bestehenden funktionellen Beeinträchtigungen aufweisen. So ist zwar grds. davon auszugehen, dass die Gesamt-MdE niedriger ist als die Summe ihrer Einzel-GdB (Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O. Seite 103), doch bedeutet das nicht, dass bei sich nicht überschneidenden Funktionsbeeinträchtigungen verschiedener Fachgebiete im Ergebnis eine Addition unzulässig wäre.

So ist der Senat vorliegend angesichts sich nicht im Geringsten überschneidender Funktionsbeeinträchtigungen zu der Überzeugung gelangt, dass seit dem 14.06.2007 jedenfalls eine Gesamt-MdE von 40 v.H. anzunehmen ist. Ob sich durch Behandlungen, ggf. einer Traumatherapie, zukünftig eine rentenrelevante Besserung erzielen lässt, war für die vorliegende Entscheidung ohne Bedeutung, denn zukünftige therapeutische Maßnahmen begründen erst bei einer tatsächlich eintretenden rentenrelevanten Besserung die Möglichkeit nach § 48 SGB X vorzugehen, geben aber nicht die Möglichkeit, quasi in Vorschrift auf eine solche Maßnahme die MdE niedriger zu bemessen.

Damit war unter voller Stattgabe der Berufung der Klägerin die angefochtene Entscheidung des SG abzuändern, ebenso der Bescheid der Beklagten vom 01.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.07.2008, und auf Klageantrag der Klägerin auch der Bescheid vom 17.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.07.2011 aufzuheben.

Die Berufung der Beklagten war zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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