Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 3 U 134/08
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 110/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Zur richterlichen Überzeugungsbildung hinsichtlich des sachlichen Zusammenhangs zwischen versicherter Tätigkeit und dem Zurücklegen eines Weges bei einem Wegeunfall mit anschließender retrograder Amnesie der Versicherten.
2. Zur Wahlfeststellung zwischen § 8 Abs. 2 Nrn. 1 und 4 SGB VII.
2. Zur Wahlfeststellung zwischen § 8 Abs. 2 Nrn. 1 und 4 SGB VII.
I. Auf die Berufung der Klägerin wird unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Gießen vom 24. Februar 2011 und des Bescheides der Beklagten vom 30. Januar 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2008 festgestellt, dass das Ereignis vom 6. Dezember 2007 ein Arbeitsunfall gewesen ist.
II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für beide Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Anerkennung eines Ereignisses als Arbeitsunfall.
Die Klägerin arbeitete ab dem Jahr 2000 als Altenpflegerin in dem Alten- und Pflegeheim C.-Haus in B-Stadt. Im Jahre 2002 zog sie mit ihrem damaligen Freund und heutigem Ehemann, dem Zeugen A., in eine Wohnung in A-Stadt, die etwa 55 Kilometer von dem Heim entfernt ist. Die Mutter des Zeugen A., die Zeugin A., wohnte ebenfalls in diesem Haus. Im Jahr 2003 mietete die Klägerin daneben eine 52 qm große Wohnung in dem etwa 5 Kilometer von dem Heim entfernten B-Stadt-C-Stadt an, um ihren Arbeitsweg – zunächst zur Berufsschule in D-Stadt, anschließend zum Nachtdienst in B-Stadt – zu verkürzen. Ihren ersten Wohnsitz hatte die Klägerin in der Wohnung in B-Stadt-C-Stadt gemeldet. Seit dem Jahr 2004 war sie als Nachtschwester in Dauernachtwache tätig. Im Regelfall folgte auf etwa eine Woche Nachtschicht eine Woche Freizeit. In der Zeit, in der die Klägerin Nachtschicht hatte, wohnte sie in der Wohnung in B-Stadt-C-Stadt, im Übrigen in der Wohnung in A-Stadt.
Durch Aushang am schwarzen Brett wurden alle Mitarbeiter(innen) des Alten- und Pflegegeheimes zu einer Dienstversammlung am Donnerstag, den 6. Dezember 2007, ab 13.00 Uhr mit Anwesenheitspflicht für alle, eingeladen. Mitarbeiter, die nicht an der Dienstübergabe Frühdienst-Spätdienst beteiligt waren, mussten erst um 14.00 Uhr anwesend sein. Die Klägerin bekundete unter anderem gegenüber ihrer Kollegin, der Zeugin D., und dem Zeugen A., zur Dienstversammlung erscheinen zu wollen. Sie hatte bis zum 5. Dezember 2007 frei und befand sich daher zu dieser Zeit in ihrer Wohnung in A-Stadt. Am 6. Dezember 2007 hätte gegen 20.45 Uhr ihr Nachtdienst begonnen.
Am 6. Dezember 2007 wollte sich die Klägerin gegen 12.30 Uhr von der Zeugin A., der Mutter ihres Freundes, verabschieden, führte dann aber noch ein längeres Gespräch mit dieser, dessen Ende nicht bekannt ist. Anschließend fuhr sie mit ihrem Auto von der Wohnung in A-Stadt aus los.
Gegen 15.20 Uhr befuhr sie die Bundesstraße 49, kam zwischen den Anschlussstellen Solms und Leun in Fahrtrichtung Leun bei starkem Regen und schlechter Sicht im Überholverbot auf die Gegenfahrbahn und stieß mit einem anderen Kraftfahrzeug frontal zusammen. Hierbei erlitt sie unter anderem verschiedene Frakturen im Bereich der Lendenwirbelsäule sowie Skalpierungsverletzungen und eine Hirnkontusion. Die Klägerin wurde mit dem Notarztwagen in die Universitätsklinik A-Stadt und E-Stadt gebracht. Im Notarztprotokoll wurde bei ihr unter anderem eine Amnesie vermerkt. Bei Aufnahme in die Universitätsklinik bestand kein Verdacht auf Alkohol-, Drogen- oder Medikamenteneinfluss. Es wurde zudem eine retrograde Amnesie festgestellt. Etwa zum Zeitpunkt des Unfalles – gegen 15.20 Uhr – endete auch die Dienstversammlung.
Ein gegen die Klägerin eingeleitetes staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung (2 Js 50948/08 VU) wurde nach § 153b Strafprozessordnung (StPO) i. V. m. § 60 Strafgesetzbuch (StGB) eingestellt.
Mit Schreiben vom 24. Januar 2008 teilte der Arbeitgeber der Klägerin der Beklagten mit, dass der Dienst der Klägerin am Unfalltag um 20.30 Uhr begonnen hätte. Es sei bekannt, dass der Freund der Klägerin in A-Stadt lebe und sie folglich oft zwischen ihrem Wohnort in C-Stadt und A-Stadt pendle. Da der Unfall am Nachmittag, also während der Freizeit, passiert sei, habe keine Veranlassung für eine Unfallmeldung bestanden.
Mit Bescheid vom 30. Januar 2008 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 6. Dezember 2007 als Arbeitsunfall ab. Zur Begründung legte sie dar, ausweislich der Auskunft des Arbeitgebers habe sich die Klägerin auf dem Rückweg von ihrem Freund befunden. Da es vom Unfallzeitpunkt bis zum Arbeitsbeginn noch mehr als fünf Stunden gewesen sei, sei ein Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit nicht gegeben.
Mit Schreiben vom 4. Februar 2008 teilte der Arbeitgeber der Klägerin gegenüber der Beklagten mit, seine Angaben vom 24. Januar 2008 seien zu korrigieren. Am Unfalltag habe um 13.00 Uhr eine Dienstversammlung stattgefunden. Wie die Klägerin nun mitteile, habe sie den Termin vergessen und sich, wenn auch verspätet, auf dem Weg zur Dienstversammlung befunden, als der Unfall geschehen sei.
Mit Schreiben vom 11. Februar 2008 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 30. Januar 2008 ein. Zur Begründung führte sie aus, am Unfalltag habe sie sich von ihrer Wohnung in A-Stadt aus, wo sie mit ihrem Lebensgefährten wohne, verspätet und durch den Nikolausverkehr noch zusätzlich aufgehalten, direkt auf dem Weg zu einer Dienstversammlung befunden. Am Unfalltag habe sie die Wohnung in A-Stadt geschätzt zwischen 13.00 Uhr und 14.00 Uhr verlassen. Die Dienstversammlung habe gegen 13.00 Uhr bis 13.30 Uhr beginnen sollen, wobei diese Dienstversammlungen erfahrungsgemäß auch später anfangen könnten und in der Regel zwischen 2 bis 3 Stunden dauerten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2008 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte sie aus, es fehle an einem inneren Zusammenhang zwischen der Wegstrecke und der versicherten Tätigkeit. Angesichts des Unfallzeitpunktes (15.20 Uhr), einer regulären Fahrdauer von der Wohnung in A Stadt zum Heim in B-Stadt von 45 Minuten, einem Zuschlag angesichts der Witterungsverhältnisse von 15 Minuten und dem Umstand, dass der Unfallort etwa in der Mitte der Strecke liege, sei davon auszugehen, dass die Klägerin die Wohnung erst gegen 14.45 Uhr verlassen habe. Damit habe sie erst gegen 15.45 Uhr in B-Stadt ankommen können, also zu einem Zeitpunkt, indem die Dienstversammlung bereits beendet gewesen sei. Daher könne nicht davon ausgegangen werde, dass die Klägerin gegen 14.45 Uhr zur Dienstversammlung aufgebrochen sei. Es sei unklar geblieben, wann die Klägerin den Weg nach B-Stadt angetreten habe. Falls dies zwischen 13.30 Uhr und 14.00 Uhr der Fall gewesen sei, habe sie keine Erklärung geliefert, weshalb sich der Unfall mehr als eine Stunde nach Fahrtantritt ereignet habe. Falls sie erst gegen 14.45 Uhr aufgebrochen sei, könne nicht davon ausgegangen werden, dass sie noch die Dienstversammlung habe besuchen wollen. Es könne damit offen bleiben, wohin die Klägerin habe fahren wollen. Es sei genauso gut möglich, dass sie zu einer anderen Stelle in Richtung des Zielortes habe fahren wollen, namentlich zu ihrer Unterkunft, um gegen 20.30 Uhr den Nachtdienst aufzunehmen.
Am 14. Juli 2008 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Gießen erhoben.
Das Sozialgericht hat im Termin vom 29. April 2010 die Klägerin angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin E., die in der Verwaltung des Pflegeheimes arbeitete, und der Zeugin A. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 29. April 2010 Bezug genommen. Das Sozialgericht hat sodann eine Auskunft des Deutschen Wetterdienstes über die Wetterverhältnisse am 6. Dezember 2007 eingeholt, auf die Bezug genommen wird. Schließlich hat das Sozialgericht am 16. September 2010 Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin D. und der Zeugin F. – Arbeitskolleginnen der Klägerin – und des Zeugen A. und die Klägerin erneut angehört durch eine weitere Befragung der Klägerin. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 16. September 2010 Bezug genommen.
Ergänzend zu ihren Ausführungen im Vorverfahren hat die Klägerin vorgetragen, es sei aufgrund ihrer bei dem Verkehrsunfall erlittenen retrograden Amnesie nicht möglich, den Hinweg zur Arbeit zu rekonstruieren. Sie könne sich den Zeitpunkt des Ankommens an der Unfallstelle nur so erklären, dass sie angesichts ihrer Angst vor Starkregen und Aquaplaning an die Seite gefahren sei, um das Ende des Regens abzuwarten. Wann sie genau von A-Stadt losgefahren sei, könne sie ebenfalls nicht sagen. Dass sie sich nicht für die Dienstversammlung entschuldigt habe, zeige, dass sie auf dem Weg dorthin gewesen sei.
Mit Urteil vom 24. Februar 2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es sei nicht erwiesen, dass sich der streitige Unfall auf unmittelbarem Weg vom Wohnort der Klägerin zur ihrer Arbeitsstelle in B-Stadt ereignet habe, da es genauso möglich sei, dass sie nicht mehr an die Dienstversammlung gedacht habe und auf ihrem Weg zur Wohnung in C-Stadt gewesen sei, um dort regulär um 20.30 Uhr ihren Dienst anzutreten. Gegenüber keinem der Zeugen habe die Klägerin am Unfalltag etwas von der Dienstversammlung erzählt. Üblicherweise dauerten Dienstversammlungen zwei Stunden, sodass von einem Ende gegen 15.00 Uhr auszugehen sei. Die Klägerin sei zwischen 12.30 Uhr und 14.30 Uhr in A-Stadt aufgebrochen. Da die Fahrstrecke zwischen A-Stadt und dem Unfallort 29 Minuten dauere, müsse die Klägerin spätesten kurz vor 14.00 Uhr in A-Stadt losgefahren sein. Jedenfalls habe die Klägerin nicht mehr rechtzeitig zu der auf 13.00 Uhr angesetzten Dienstversammlung erscheinen können. Schließlich habe sie sich auch nicht telefonisch abgemeldet.
Gegen das ihr am 27. April 2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 16. Mai 2011 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt erhoben.
Der Senat hat am 18. Februar 2014 einen Erörterungstermin durchgeführt und die Klägerin befragt. Wegen des Inhaltes der Befragung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 18. Februar 2014 Bezug genommen.
Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Klägerin vor, dass die Feststellungen des Sozialgerichts bereits deshalb unzutreffend seien, weil eine Anwesenheitspflicht für die Klägerin erst ab 14.00 Uhr bestanden habe. Nicht nachvollziehbar sei auch die Annahme des Sozialgerichts, die Dienstversammlungen dauerten üblicherweise nur bis ca. 15.00 Uhr, wo doch die Zeugin F. ausgesagt habe, dass Dienstversammlungen auch bis 16.30 Uhr dauern könnten. Auf die Zeugin D. könne sich das Sozialgericht angesichts deren unzutreffender Aussagen ohnehin nicht stützen. Selbst wenn sie - die Klägerin - erst gegen 13.10 Uhr aufgebrochen sein sollte, hätte sie noch rechtzeitig um 14.00 Uhr in dem Heim ankommen können. Unzutreffend sei schließlich der Schluss des Sozialgerichts, dass sie sich nicht auf dem Weg zur ihrer Arbeitsstätte befunden haben könne, weil sie nicht mehr rechtzeitig dort habe eintreffen können. Selbst wenn sie erst um 14.00 Uhr losgefahren wäre, habe die Fahrt für sie noch einen Sinn gehabt, da solche Versammlungen bis 16.30 Uhr dauern könnten. Sie hätte auch das zum Unfall führende Überholmanöver nicht unternommen, wenn sie nicht auf dem Weg zur Dienstversammlung, sondern zu ihrer Wohnung in C-Stadt gewesen wäre. Der Umstand, dass sie sich nicht bei ihrem Arbeitgeber abgemeldet habe, spreche gerade dafür, dass sie sich auf dem Weg ins Altenheim befunden habe. In allen früheren Fällen, in denen sie einer Dienstversammlung ferngeblieben sei, habe sie sich jeweils abgemeldet. Sie sei eine bei Schnee und Regen ängstliche Fahrerin, die auch rechts ran fahre, um bei einem Regenschauer auszuharren. Angesichts des zur Unfallzeit stattgefundenen Regenschauers sei es naheliegend, dass sie angehalten und die Fahrt erst bei Nachlassen des Regens fortgesetzt habe. Dafür spreche auch die Aussage des im staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren vernommenen Zeugen G. Aufgrund ihrer unfallbedingten Erinnerungslücken seien die Grundsätze des Beweisnotstandes anzuwenden, wonach ein Vollbeweis gerade nicht erbracht werden müsse.
Mittlerweile könne sie sich wieder an Einiges mehr erinnern, zum Beispiel daran, dass sie vor Wetzlar, bei der Abfahrt nach Dutenhofen, rechts ran gefahren sei, weil es stark geregnet habe. Da es nicht aufgehört habe zu regnen, sei sie irgendwann weitergefahren. Wenn sie gegen 14.00 Uhr von A-Stadt losgefahren sei, unterwegs wegen starken Regens angehalten und einige Zigaretten geraucht habe, führe dies zu einer Erklärung der Unfallzeit von 15.20 Uhr. Zwar habe sie den Unfall verschuldet. Es sei aber nicht geklärt, warum sie von der Fahrbahn abgekommen sei. Genauso gut könne Aquaplaning der Grund hierfür gewesen sein. Dagegen, dass sie habe überholen wollen, spreche der Umstand, dass weder ein Blinkersetzen noch eine Geschwindigkeitserhöhung habe festgestellt werden können.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 24. Februar 2011 und den Bescheid der Beklagten vom 30. Januar 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2008 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 6. Dezember 2007 ein Arbeitsunfall gewesen ist,
hilfsweise,
der Klägerseite Gelegenheit zu geben, die Amnesie durch weitere medizinische Unterlagen nachzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Die von der Klägerin angeführte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Beweiserleichterung bei Erinnerungslücken, wonach das Tatsachengericht schon aufgrund weniger tatsächlicher Anhaltspunkte von einem bestimmten Geschehensablauf überzeugt sein könne, sei nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar, weil das Sozialgericht von einem bestimmten Geschehensablauf gerade nicht überzeugt sei. Aus dieser Rechtsprechung folge im Übrigen keine Verringerung des Beweismaßstabes des Vollbeweises. Auch durch die im Berufungsverfahren vorgetragene Unterbrechung der Fahrt werde die Zeitspanne bis zum Unfallereignis nicht erklärt. Es bestehe ein ungeklärter Zeitraum von nahezu drei Stunden. Schließlich ergebe sich aus der Aussage der Zeugin D., dass die Anwesenheit von Mitarbeitern, die Nachschicht hätten, nicht unbedingt verpflichtend gewesen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Beklagtenakte, die auch Aktenteile des staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens 2 Js 50948/08 VU enthält, Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Das Urteil des Sozialgerichts und der angegriffene Bescheid sind aufzuheben. Denn die als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) statthafte und auch im Übrigen zulässige Klage ist begründet. Der angegriffene Bescheid der Beklagten ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Der Unfall der Klägerin vom 6. Dezember 2007 war ein Arbeitsunfall.
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten in Folge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeiten (versicherte Tätigkeit). Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII ist auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges von und nach dem Ort der Tätigkeit eine versicherte Tätigkeit. Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen, § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII.
Ein Arbeitsunfall setzt voraus, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen länger andauernder Unfallfolgen aufgrund des Gesundheits(erst)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern für die Gewährung einer Verletztenrente (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R, juris, Rn. 10). Die den Versicherungsschutz begründende Verrichtung, die (möglicherweise dadurch verursachte) Einwirkung und der (möglicherweise dadurch bedingte) Erstschaden müssen im Überzeugungsgrad des Vollbeweises feststehen (BSG, Urteil vom 24.07.2012, B 2 R 9/11 R, juris, Rn. 28). Für die Feststellung der Kausalität genügt der Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden. Allein die Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs genügt dagegen nicht (BSG, Urteil vom 18.01.2011, B 2 U 5/10 R, juris, Rn. 21).
Unter Anwendung dieser Maßstäbe war der Verkehrsunfall der Klägerin vom 6. Dezember 2007 ein Arbeitsunfall.
Das Führen ihres Kraftfahrzeuges (Verrichtung) hat zu einem Zusammenstoß der Klägerin mit einem anderen Kraftfahrzeug (Unfallereignis) geführt und bei ihr verschiedene Verletzungen, unter anderem eine Hirnkontusion (Gesundheitserstschaden), verursacht.
Dies geschah auch infolge des Zurücklegens eines versicherten Weges.
Die Klägerin war auf dem streitgegenständlichen Weg im Rahmen der Wegeunfallversicherung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII kraft Gesetzes versichert (vgl. BSG, Urteil vom 13.11.2012, B 2 U 19/11 R, juris, Rn. 21). Denn sie befand sich zur Zeit des Unfalls auf dem unmittelbaren Weg von ihrer Wohnung zu dem Ort ihrer Tätigkeit im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII. Es besteht mithin ein sachlicher Zusammenhang zwischen der nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherten Tätigkeit und dem Zurücklegen des streitgegenständlichen Weges.
Der innere Zusammenhang zwischen dem Zurücklegen des Weges und der versicherten Tätigkeit ist zu bejahen, wenn das Zurücklegen des Weges wesentlich dazu dient, den Ort der Tätigkeit oder nach deren Beendigung die eigene Wohnung oder einen anderen Endpunkt des Weges zu erreichen. Maßgebend ist dabei die Handlungstendenz des Versicherten, so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalles bestätigt wird. Danach muss der Weg von dem Vorhaben des Versicherten rechtlich wesentlich geprägt sein, sich zur Arbeit oder zu der sonstigen versicherten Tätigkeit zu begeben oder von dieser zurückzukehren. Fehlt es an einer solchen Handlungstendenz, dann scheidet ein Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII selbst dann aus, wenn sich der Unfall auf derselben Strecke ereignet, die der Versicherte auf dem Weg zu und von dem Ort der Tätigkeit gewöhnlich benutzt (Wagner, in: jurisPK-SGB VII, § 8 Rn. 194 m. w. N., Stand: 15.03.2014).
Bei der Ermittlung des inneren Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der unfallbringenden Verrichtung handelt es sich nicht um die Feststellung eines Kausalzusammenhanges, sondern um einen Akt wertender Erkenntnis (Becker, MedSach 2010, 145, 149; Schwerdtfeger, in: Lauterbach, SGB VII, § 8 Rn. 33, Stand: 2012). Für die tatsächlichen Grundlagen der Wertentscheidung über das Vorliegen des inneren Zusammenhanges ist grundsätzlich der volle Nachweis zu erbringen (BSG, Urteil vom 12.06.1990, 2 RU 58/89, juris, Rn. 13).
Der Senat hat keine Zweifel daran, dass die Klägerin am 6. Dezember 2007 auf direktem Weg zu ihrem Arbeitsplatz in B-Stadt als alleinigem Ziel war, um an der Dienstversammlung teilzunehmen, als sich gegen 15.20 Uhr der Verkehrsunfall ereignete. Für die gegenteilige Annahme gibt es nicht die geringsten Anhaltspunkte. Objektive Umstände, denen Hinweise auf eine abweichende Handlungstendenz entnommen werden können, fehlen. Einer Gewährung von Beweiserleichterungen durch Reduzierung der Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung wegen unfallbedingter Erinnerungslücken und dadurch bedingtem Beweisnotstand (siehe BSG, Urteil vom 12.06.1990, 2 RU 58/89, juris, Rn. 19) der Klägerin bedarf es nicht.
Der Senat ist zunächst davon überzeugt, dass die Klägerin an der Dienstversammlung teilnehmen wollte und zu diesem Zweck von ihrer Wohnung in A-Stadt in Richtung B Stadt losgefahren ist. Die Zeugin A., der Zeuge A. und die Zeugin D. haben übereinstimmend ausgesagt, dass die Klägerin an der Dienstversammlung teilnehmen wollte. Dass die Klägerin dies nicht am Unfalltag bekundet hat, ist hierbei ohne Belang. Die Klägerin war auch zur Teilnahme an der Dienstversammlung verpflichtet. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Einladung sowie insbesondere aus der Vernehmung der Zeugin F., die die Dienstversammlungen organisiert hatte. Diese hat bestätigt, dass ab 14.00 Uhr alle Mitarbeiter anwesend sein mussten, sofern sie keinen Entschuldigungsgrund hatten, und dass die Dienstversammlung Dienst war. Dass sich die Klägerin nicht abgemeldet hat, spricht gerade für ihren Willen, an der Dienstversammlung teilzunehmen. Denn in der Vergangenheit hat sie sich offenbar stets abgemeldet, wenn sie an einer Dienstversammlung nicht teilnahm. Auch dies hat die Zeugin F. bestätigt.
Gegen einen entsprechenden Willen der Klägerin spricht nicht, dass die Klägerin zu spät zur Dienstversammlung gekommen wäre. Fest steht zunächst, dass die Klägerin erst ab 14.00 Uhr bei der Dienstversammlung anwesend sein musste und nicht bereits um 13.00 Uhr. Denn die Klägerin hätte an dem Unfalltag Nachtschicht gehabt. Für Mitarbeiter der Nachtschicht begann die Anwesenheitspflicht erst um 14.00 Uhr. Dass die Klägerin im Widerspruchsverfahren als Beginn der Dienstversammlung etwa 13.00 Uhr bis 13.30 Uhr, gegebenenfalls auch etwas später, genannt hat, ändert nichts daran, dass sie selbst erst um 14.00 Uhr anwesend sein musste. Sie wurde von der Beklagten nicht danach gefragt, wann sie auf der Dienstversammlung anwesend sein musste, sondern wann diese begann. Die Klägerin durfte auch damit rechnen, noch während der Dienstversammlung in B-Stadt einzutreffen. Aus der Aussage der Zeugin F. ergibt sich, dass in der Vergangenheit die Dienstversammlungen sogar bis 16.30 Uhr gedauert haben. Die Klägerin selbst ging von einer Dauer von zwei bis drei Stunden aus. Damit hätte selbst bei einem Eintreffen gegen 16.00 Uhr die realistische Möglichkeit bestanden, noch an der Dienstversammlung teilzunehmen.
Ohne Belang für die Frage, ob die Fahrt nach B-Stadt unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht, ist es, ob die Klägerin zu spät zur Dienstversammlung gekommen wäre. In gleicher Weise wie der Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII nicht davon abhängig ist, dass der Versicherte die vorgeschriebene Arbeitszeit einhält, also rechtzeitig zum Dienst erscheint und diesen auch erst nach Ende der offiziellen Arbeitszeit beendet, ist auch der Versicherungsschutz auf Wegen zum und vom Ort der Tätigkeit hiervon nicht abhängig. Diese Wege sind auch versichert, wenn es nicht zur Arbeitsaufnahme kommt.
Zwar ist nicht aufklärbar, wann genau die Klägerin von ihrer Wohnung in A-Stadt losgefahren ist. Die Klägerin hat hierzu im Rahmen der Befragung durch den Senat glaubhaft bekundet, sich angesichts der unfallbedingten retrograden Amnesie nicht erinnern zu können. Im Widerspruchsverfahren hat sie den Zeitpunkt auf etwa zwischen 13.30 Uhr und 14.00 Uhr geschätzt. Diesbezügliche Unklarheiten begründen aber keine Zweifel daran, dass die Klägerin zum Altenheim fahren wollte, um an der Versammlung teilzunehmen. Selbst bei einer Abfahrt um 14.00 Uhr hätte die Klägerin unter normalen Umständen noch während dem tatsächlichen und auch dem zu erwartenden Andauern der Dienstversammlung das Heim erreicht.
Ebenso steht zwar nicht zweifelsfrei fest, wann die Klägerin für wie lange eine Fahrpause eingelegt hat, um eine Besserung der Wetterlage abzuwarten. Diese Umstände spielen für die streitgegenständliche Frage allerdings ebenfalls keine entscheidende Rolle. Die Aussage der Klägerin, angesichts des starken Regens an die Seite gefahren und dort längere Zeit gewartet zu haben, ist glaubhaft. Wenn die Klägerin anschließend ein waghalsiges Überholmanöver im Überholverbot unternommen haben sollte, spräche das nicht gegen das vorherige Warten, sondern würde eher noch untermauern, dass die Klägerin es besonders eilig hatte, um noch rechtzeitig zur Dienstversammlung zu gelangen. Ansonsten ist kein Grund für ein eiliges Fahren ersichtlich, insbesondere nicht der erst um 20.45 Uhr beginnende Nachtdienst.
Selbst wenn die Klägerin vor dem Unfall ihren Weg zum Heim in B-Stadt unterbrochen habe sollte, um eine privatwirtschaftliche und damit unversicherte Tätigkeit auszuüben, wäre sie jedenfalls zum Zeitpunkt des Unfalls wieder auf dem regulären Weg zu ihrer Arbeitsstätte und damit versichert gewesen. Der Schutz der Wegeunfallversicherung tritt wieder ein, sobald die Handlungstendenz darauf gerichtet ist, wieder den versicherten Weg zurückzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 04.07.2013, B 2 U 12/12 R, juris, Rn. 20).
Weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist allerdings, ob die Klägerin überhaupt ihren Weg zum Altenheim unterbrochen hat. Eine Unterbrechung des Weges liegt jedenfalls nicht für eine Dauer von mehr als zwei Stunden vor, sodass eine eventuelle Unterbrechung unschädlich wäre (vgl. BSG, Urteil vom 13.11.2012, B 2 U 19/11 R, juris, Rn. 25). Wenn die reguläre Dauer des Weges von A-Stadt zum Unfallort dreißig Minuten dauert und der Unfall um 15.20 Uhr stattfand, dann hätte die Klägerin bereits um 12.50 Uhr von A-Stadt losfahren müssen, damit insgesamt vor einer Unterbrechung von mehr als zwei Stunden ausgegangen werden könnte. Ein Beginn der Fahrt bereits um 12.50 Uhr ist bereits angesichts des längeren Gespräches zwischen der Klägerin und der Zeugin A. ab 12.30 Uhr nicht nachgewiesen. Zudem wäre die Zeit, welche die Klägerin am Fahrbahnrand gewartet hat, dem Zurücklegen des Weges zuzurechnen und damit keine Unterbrechung im Rechtssinne.
Die durch den Zusammenstoß mit dem anderen Kraftfahrzeug verursachten gesundheitlichen Einwirkungen auf den Körper der Klägerin traten auch im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII "infolge" des Zurücklegens des versicherten Weges auf und sind damit nach dem Schutzzweck der Norm der versicherten Tätigkeit zuzurechnen (vgl. BSG, Urteil vom 04.07.2013, B 2 U 12/12 R, juris, Rn. 15). Die Unfallkausalität zwischen dem Zurücklegen eines versicherten Weges und dem Unfallereignis wird vermutet, weil oft kein Grund zu erkennen ist, warum sich ein Unfall gerade jetzt und so zugetragen hat (in diesem Sinne BSG, Urteil vom 30.01.2007, B 2 U 23/05 R, juris, Rn. 15). Das Abkommen der Klägerin von ihrer Fahrbahn lässt sich angesichts der äußeren Einflüsse – schlechte Sicht, Regen und nasse Fahrbahn – als Realisierung einer Verkehrsgefahr qualifizieren.
Gegen einen inneren Zusammenhang zwischen dem Unfall und dem Zurücklegen des Weges spricht auch nicht der Umstand, dass die Klägerin im Überholverbot auf die Gegenfahrbahn gelangt ist und dies zu dem Verkehrsunfall geführt hat. Verbotswidriges Handeln schließt nach § 7 Abs. 2 SGB VII auch den Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII nicht aus. Dennoch gibt es Fallkonstellationen, in denen im Zusammenhang mit einem Normverstoß der Unfallversicherungsschutz zu verneinen ist (Wagner, in: jurisPK-SGB VII, § 7 Rn. 52, Stand: 15.03.2014).
Eine unversicherte Mitursache kann – auch im Rahmen der Wegeunfallversicherung – die Zurechnung eines Schadens zu einer versicherten Ursache, etwa dem Zurücklegen eines versicherten Weges, ausschließen, wenn sie das Unfallgeschehen derart geprägt hat, dass sie die versicherte Ursache verdrängt, sodass der Schaden im Wesentlichen rechtlich nicht mehr dem Schutzbereich des jeweiligen Versicherungstatbestandes unterfällt. Die Unfallversicherung des Zurücklegens des Weges nach und von dem Ort der (jeweiligen) versicherten Tätigkeit schützt nur gegen Gefahren für Gesundheit und Leben, die aus der Teilnahme am öffentlichen Verkehr, also aus eigenem oder fremden Verkehrsverhalten oder äußeren Einflüssen durch die Beschaffenheit des Verkehrsraumes hervorgehen (BSG, Urteil vom 13.11.2013, B 2 U 19/11 R, juris, Rn. 42, 45).
Der Zusammenhang mit dem Betrieb kann gelöst werden, wenn der Versicherte durch sein Verhalten einen besonderen, mit seiner betrieblichen Tätigkeit nicht zusammenhängenden Gefahrenbereich schafft, mithin betriebsfremde Motive erheblich eingewirkt haben und das Verhalten des Versicherten völlig unvernünftig und sinnwidrig war (Schwerdtfeger, in: Lauterbach, SGB VII, § 8 Rn. 494, Stand: April 2012).
So eröffnet eine Verkehrsgefahr, die sich erst und allein aus der unversicherten Tätigkeit des Alkoholgenusses ergibt, schon nicht den Schutz der Wegeunfallversicherung (BSG, Urteil vom 13.11.2012, B 2 U 19/11 R, juris, Rn. 49). Die Klägerin hatte indes nach den Feststellungen der Universitätsklinik im Vorfeld des streitgegenständlichen Unfalls keinen Alkohol getrunken und stand auch nicht unter Drogen- oder Medikamenteneinfluss.
Auch Verkehrsverstöße können den Wegeunfallversicherungsschutz ausschließen. So ist etwa das Fahren entgegen der zulässigen Fahrtrichtung auf einer Autobahn unter Nichtachtung von Verkehrs- und Warnzeichen als eine selbstgeschaffene Gefahr bewertet worden, die den Wegeunfallversicherungsschutz entfallen lässt (BSG, Urteil vom 31.10.1972, 2 RU 118/71, juris, Rn. 20).
Ein den Unfall herbeiführendes unzureichendes, gegebenenfalls sogar verkehrswidriges, aber dennoch versichertes Fahrverhalten kann indes ebenfalls Wirkursache für eine Realisierung einer geschützten Wegegefahr sein. Auch eine eventuell verminderte Aufmerksamkeit und Konzentration des Fahrers oder eine überhöhte Geschwindigkeit könnten als eigenständige Wirkursachen festgestellt werden, die dann aber im Regelfall hinter der Wirkursache "sich auf dem Weg zur Arbeit befinden" rechtlich zurückzutreten hätten. Wenn ein Versicherter aus bloßer Unachtsamkeit die Fahrspur wechselt oder fahrlässig auf die Gegenfahrbahn gerät, beendet dies mithin nicht den Versicherungsschutz (BSG, Urteil vom 04.07.2012, B 2 U 12/12 R, juris, Rn. 20).
Es ist vorliegend zumindest nicht nachgewiesen, weshalb die Klägerin auf die Gegenfahrbahn geraten ist, insbesondere, ob dies willentlich geschah. Dies wirkt sich zu Gunsten der Klägerin aus. Ihr Vortrag, wahrscheinlicher sei ein Abkommen von der Fahrbahn wegen des starken Regens, ist jedenfalls plausibel, wenn er auch der Aussage des Zeugen G. aus dem staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren widerspricht. Dieser hat mehrfach davon gesprochen, dass die Klägerin das Fahrzeug vor ihr überholen wollte. Nachgewiesen ist immerhin, dass es zur Zeit des Unfalls stark geregnet und die Klägerin vor dem Fahrbahnwechsel nicht den Blinker betätigt hat. Jedenfalls steht kein gravierender Verkehrsverstoß fest, der als überragende Konkurrenzursache die rechtliche Wesentlichkeit des "sich auf dem Weg zur Arbeit befinden" beseitigen könnte. Das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren wurde nach § 153b StPO i. V. m. § 60 StGB mit Zustimmung des Gerichts eingestellt, weil angesichts der schweren Verletzungen der Klägerin die Verfolgung der fahrlässigen Körperverletzung zum Nachteil der weniger Geschädigten nicht angemessen sei. Kommt aber für einen auf einem grundsätzlich versicherten Weg erlittenen Verkehrsunfall eine andere Ursache als Mitursache in Betracht, trägt die Feststellungslast hierfür der Versicherungsträger (BSG, Urteil vom 30.01.2007, B 2 U 23/05 R, juris, Rn. 27; Schwerdtfeger, in: Lauterbach, SGB VII, § 8 Rn. 497, Stand: April 2012).
Der Unfall der Klägerin wäre selbst dann ein versicherter Arbeitsunfall, wenn die tatsächlichen Feststellungen des Sozialgerichts zutreffend wären. Nach den auch im Recht der Unfallversicherung anwendbaren Grundsätzen der Wahlfeststellung ist Versicherungsschutz zu bejahen, wenn der konkrete Unfallverlauf nicht aufgeklärt werden kann, jedoch alle möglichen Unfallverläufe und -zusammenhänge zu dem Ergebnis führen, dass eine versicherte Tätigkeit vorliegt, die eine rechtlich wesentliche Ursache für den Unfall war; eine bis ins einzelne gehende Sachaufklärung ist dann nicht erforderlich (BSG, Urteil vom 20.01.1987, 2 RU 27/86, juris, Rn. 16).
Wenn es offen wäre, ob die Klägerin zu ihrer Arbeitsstätte in B-Stadt oder zu ihrer Wohnung in C-Stadt fahren wollte, eine dritte Variante aber ausscheidet, wäre sie ebenfalls unfallversichert. Wenn die Klägerin nämlich auf dem Weg zu ihrer Wohnung in C-Stadt gewesen wäre, dann wäre dieser Weg nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 SGB VII versichert. Danach ist das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung auch eine versicherte Tätigkeit, wenn der Versicherte wegen der Entfernung seiner Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft hat. Die Voraussetzungen dieser Norm liegen vor. Die Wohnung in A-Stadt war die Familienwohnung der Klägerin, in der sie mit ihrem Lebensgefährten wohnte. Die Wohnung in C-Stadt war die Wohnung am Ort der Tätigkeit, die die Klägerin nur deshalb angemietet hat, um in den Phasen ihrer Nachtschicht nicht nach A-Stadt fahren zu müssen. Unschädlich für den Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 SGB VII ist schließlich, wenn die Klägerin bis zu sechs Stunden vor Beginn ihres Dienstbeginns zu der Wohnung am Ort der Beschäftigung gefahren wäre. Denn die strengen Voraussetzungen an einen Wegeunfall im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII, insbesondere die sog. Zwei-Stunden-Spanne, gelten bei Familienheimfahrten nicht (vgl. Schwerdtfeger, in: Lauterbach, SGB VII, § 8 Rn. 566, Stand: Dezember 2012). Sinn und Zweck dieser Sonderregelung gestatten es nicht, strenge Anforderungen hinsichtlich des Beginns der Fahrt zur und von der Familienwohnung zu stellen (vgl. BSG, Urteil vom 14.12.1995, 2 BU 151/95, juris, Rn. 10).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision folgt aus § 160 Abs. 2 SGG.
II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für beide Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Anerkennung eines Ereignisses als Arbeitsunfall.
Die Klägerin arbeitete ab dem Jahr 2000 als Altenpflegerin in dem Alten- und Pflegeheim C.-Haus in B-Stadt. Im Jahre 2002 zog sie mit ihrem damaligen Freund und heutigem Ehemann, dem Zeugen A., in eine Wohnung in A-Stadt, die etwa 55 Kilometer von dem Heim entfernt ist. Die Mutter des Zeugen A., die Zeugin A., wohnte ebenfalls in diesem Haus. Im Jahr 2003 mietete die Klägerin daneben eine 52 qm große Wohnung in dem etwa 5 Kilometer von dem Heim entfernten B-Stadt-C-Stadt an, um ihren Arbeitsweg – zunächst zur Berufsschule in D-Stadt, anschließend zum Nachtdienst in B-Stadt – zu verkürzen. Ihren ersten Wohnsitz hatte die Klägerin in der Wohnung in B-Stadt-C-Stadt gemeldet. Seit dem Jahr 2004 war sie als Nachtschwester in Dauernachtwache tätig. Im Regelfall folgte auf etwa eine Woche Nachtschicht eine Woche Freizeit. In der Zeit, in der die Klägerin Nachtschicht hatte, wohnte sie in der Wohnung in B-Stadt-C-Stadt, im Übrigen in der Wohnung in A-Stadt.
Durch Aushang am schwarzen Brett wurden alle Mitarbeiter(innen) des Alten- und Pflegegeheimes zu einer Dienstversammlung am Donnerstag, den 6. Dezember 2007, ab 13.00 Uhr mit Anwesenheitspflicht für alle, eingeladen. Mitarbeiter, die nicht an der Dienstübergabe Frühdienst-Spätdienst beteiligt waren, mussten erst um 14.00 Uhr anwesend sein. Die Klägerin bekundete unter anderem gegenüber ihrer Kollegin, der Zeugin D., und dem Zeugen A., zur Dienstversammlung erscheinen zu wollen. Sie hatte bis zum 5. Dezember 2007 frei und befand sich daher zu dieser Zeit in ihrer Wohnung in A-Stadt. Am 6. Dezember 2007 hätte gegen 20.45 Uhr ihr Nachtdienst begonnen.
Am 6. Dezember 2007 wollte sich die Klägerin gegen 12.30 Uhr von der Zeugin A., der Mutter ihres Freundes, verabschieden, führte dann aber noch ein längeres Gespräch mit dieser, dessen Ende nicht bekannt ist. Anschließend fuhr sie mit ihrem Auto von der Wohnung in A-Stadt aus los.
Gegen 15.20 Uhr befuhr sie die Bundesstraße 49, kam zwischen den Anschlussstellen Solms und Leun in Fahrtrichtung Leun bei starkem Regen und schlechter Sicht im Überholverbot auf die Gegenfahrbahn und stieß mit einem anderen Kraftfahrzeug frontal zusammen. Hierbei erlitt sie unter anderem verschiedene Frakturen im Bereich der Lendenwirbelsäule sowie Skalpierungsverletzungen und eine Hirnkontusion. Die Klägerin wurde mit dem Notarztwagen in die Universitätsklinik A-Stadt und E-Stadt gebracht. Im Notarztprotokoll wurde bei ihr unter anderem eine Amnesie vermerkt. Bei Aufnahme in die Universitätsklinik bestand kein Verdacht auf Alkohol-, Drogen- oder Medikamenteneinfluss. Es wurde zudem eine retrograde Amnesie festgestellt. Etwa zum Zeitpunkt des Unfalles – gegen 15.20 Uhr – endete auch die Dienstversammlung.
Ein gegen die Klägerin eingeleitetes staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung (2 Js 50948/08 VU) wurde nach § 153b Strafprozessordnung (StPO) i. V. m. § 60 Strafgesetzbuch (StGB) eingestellt.
Mit Schreiben vom 24. Januar 2008 teilte der Arbeitgeber der Klägerin der Beklagten mit, dass der Dienst der Klägerin am Unfalltag um 20.30 Uhr begonnen hätte. Es sei bekannt, dass der Freund der Klägerin in A-Stadt lebe und sie folglich oft zwischen ihrem Wohnort in C-Stadt und A-Stadt pendle. Da der Unfall am Nachmittag, also während der Freizeit, passiert sei, habe keine Veranlassung für eine Unfallmeldung bestanden.
Mit Bescheid vom 30. Januar 2008 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 6. Dezember 2007 als Arbeitsunfall ab. Zur Begründung legte sie dar, ausweislich der Auskunft des Arbeitgebers habe sich die Klägerin auf dem Rückweg von ihrem Freund befunden. Da es vom Unfallzeitpunkt bis zum Arbeitsbeginn noch mehr als fünf Stunden gewesen sei, sei ein Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit nicht gegeben.
Mit Schreiben vom 4. Februar 2008 teilte der Arbeitgeber der Klägerin gegenüber der Beklagten mit, seine Angaben vom 24. Januar 2008 seien zu korrigieren. Am Unfalltag habe um 13.00 Uhr eine Dienstversammlung stattgefunden. Wie die Klägerin nun mitteile, habe sie den Termin vergessen und sich, wenn auch verspätet, auf dem Weg zur Dienstversammlung befunden, als der Unfall geschehen sei.
Mit Schreiben vom 11. Februar 2008 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 30. Januar 2008 ein. Zur Begründung führte sie aus, am Unfalltag habe sie sich von ihrer Wohnung in A-Stadt aus, wo sie mit ihrem Lebensgefährten wohne, verspätet und durch den Nikolausverkehr noch zusätzlich aufgehalten, direkt auf dem Weg zu einer Dienstversammlung befunden. Am Unfalltag habe sie die Wohnung in A-Stadt geschätzt zwischen 13.00 Uhr und 14.00 Uhr verlassen. Die Dienstversammlung habe gegen 13.00 Uhr bis 13.30 Uhr beginnen sollen, wobei diese Dienstversammlungen erfahrungsgemäß auch später anfangen könnten und in der Regel zwischen 2 bis 3 Stunden dauerten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2008 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte sie aus, es fehle an einem inneren Zusammenhang zwischen der Wegstrecke und der versicherten Tätigkeit. Angesichts des Unfallzeitpunktes (15.20 Uhr), einer regulären Fahrdauer von der Wohnung in A Stadt zum Heim in B-Stadt von 45 Minuten, einem Zuschlag angesichts der Witterungsverhältnisse von 15 Minuten und dem Umstand, dass der Unfallort etwa in der Mitte der Strecke liege, sei davon auszugehen, dass die Klägerin die Wohnung erst gegen 14.45 Uhr verlassen habe. Damit habe sie erst gegen 15.45 Uhr in B-Stadt ankommen können, also zu einem Zeitpunkt, indem die Dienstversammlung bereits beendet gewesen sei. Daher könne nicht davon ausgegangen werde, dass die Klägerin gegen 14.45 Uhr zur Dienstversammlung aufgebrochen sei. Es sei unklar geblieben, wann die Klägerin den Weg nach B-Stadt angetreten habe. Falls dies zwischen 13.30 Uhr und 14.00 Uhr der Fall gewesen sei, habe sie keine Erklärung geliefert, weshalb sich der Unfall mehr als eine Stunde nach Fahrtantritt ereignet habe. Falls sie erst gegen 14.45 Uhr aufgebrochen sei, könne nicht davon ausgegangen werden, dass sie noch die Dienstversammlung habe besuchen wollen. Es könne damit offen bleiben, wohin die Klägerin habe fahren wollen. Es sei genauso gut möglich, dass sie zu einer anderen Stelle in Richtung des Zielortes habe fahren wollen, namentlich zu ihrer Unterkunft, um gegen 20.30 Uhr den Nachtdienst aufzunehmen.
Am 14. Juli 2008 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Gießen erhoben.
Das Sozialgericht hat im Termin vom 29. April 2010 die Klägerin angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin E., die in der Verwaltung des Pflegeheimes arbeitete, und der Zeugin A. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 29. April 2010 Bezug genommen. Das Sozialgericht hat sodann eine Auskunft des Deutschen Wetterdienstes über die Wetterverhältnisse am 6. Dezember 2007 eingeholt, auf die Bezug genommen wird. Schließlich hat das Sozialgericht am 16. September 2010 Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin D. und der Zeugin F. – Arbeitskolleginnen der Klägerin – und des Zeugen A. und die Klägerin erneut angehört durch eine weitere Befragung der Klägerin. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 16. September 2010 Bezug genommen.
Ergänzend zu ihren Ausführungen im Vorverfahren hat die Klägerin vorgetragen, es sei aufgrund ihrer bei dem Verkehrsunfall erlittenen retrograden Amnesie nicht möglich, den Hinweg zur Arbeit zu rekonstruieren. Sie könne sich den Zeitpunkt des Ankommens an der Unfallstelle nur so erklären, dass sie angesichts ihrer Angst vor Starkregen und Aquaplaning an die Seite gefahren sei, um das Ende des Regens abzuwarten. Wann sie genau von A-Stadt losgefahren sei, könne sie ebenfalls nicht sagen. Dass sie sich nicht für die Dienstversammlung entschuldigt habe, zeige, dass sie auf dem Weg dorthin gewesen sei.
Mit Urteil vom 24. Februar 2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es sei nicht erwiesen, dass sich der streitige Unfall auf unmittelbarem Weg vom Wohnort der Klägerin zur ihrer Arbeitsstelle in B-Stadt ereignet habe, da es genauso möglich sei, dass sie nicht mehr an die Dienstversammlung gedacht habe und auf ihrem Weg zur Wohnung in C-Stadt gewesen sei, um dort regulär um 20.30 Uhr ihren Dienst anzutreten. Gegenüber keinem der Zeugen habe die Klägerin am Unfalltag etwas von der Dienstversammlung erzählt. Üblicherweise dauerten Dienstversammlungen zwei Stunden, sodass von einem Ende gegen 15.00 Uhr auszugehen sei. Die Klägerin sei zwischen 12.30 Uhr und 14.30 Uhr in A-Stadt aufgebrochen. Da die Fahrstrecke zwischen A-Stadt und dem Unfallort 29 Minuten dauere, müsse die Klägerin spätesten kurz vor 14.00 Uhr in A-Stadt losgefahren sein. Jedenfalls habe die Klägerin nicht mehr rechtzeitig zu der auf 13.00 Uhr angesetzten Dienstversammlung erscheinen können. Schließlich habe sie sich auch nicht telefonisch abgemeldet.
Gegen das ihr am 27. April 2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 16. Mai 2011 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt erhoben.
Der Senat hat am 18. Februar 2014 einen Erörterungstermin durchgeführt und die Klägerin befragt. Wegen des Inhaltes der Befragung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 18. Februar 2014 Bezug genommen.
Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Klägerin vor, dass die Feststellungen des Sozialgerichts bereits deshalb unzutreffend seien, weil eine Anwesenheitspflicht für die Klägerin erst ab 14.00 Uhr bestanden habe. Nicht nachvollziehbar sei auch die Annahme des Sozialgerichts, die Dienstversammlungen dauerten üblicherweise nur bis ca. 15.00 Uhr, wo doch die Zeugin F. ausgesagt habe, dass Dienstversammlungen auch bis 16.30 Uhr dauern könnten. Auf die Zeugin D. könne sich das Sozialgericht angesichts deren unzutreffender Aussagen ohnehin nicht stützen. Selbst wenn sie - die Klägerin - erst gegen 13.10 Uhr aufgebrochen sein sollte, hätte sie noch rechtzeitig um 14.00 Uhr in dem Heim ankommen können. Unzutreffend sei schließlich der Schluss des Sozialgerichts, dass sie sich nicht auf dem Weg zur ihrer Arbeitsstätte befunden haben könne, weil sie nicht mehr rechtzeitig dort habe eintreffen können. Selbst wenn sie erst um 14.00 Uhr losgefahren wäre, habe die Fahrt für sie noch einen Sinn gehabt, da solche Versammlungen bis 16.30 Uhr dauern könnten. Sie hätte auch das zum Unfall führende Überholmanöver nicht unternommen, wenn sie nicht auf dem Weg zur Dienstversammlung, sondern zu ihrer Wohnung in C-Stadt gewesen wäre. Der Umstand, dass sie sich nicht bei ihrem Arbeitgeber abgemeldet habe, spreche gerade dafür, dass sie sich auf dem Weg ins Altenheim befunden habe. In allen früheren Fällen, in denen sie einer Dienstversammlung ferngeblieben sei, habe sie sich jeweils abgemeldet. Sie sei eine bei Schnee und Regen ängstliche Fahrerin, die auch rechts ran fahre, um bei einem Regenschauer auszuharren. Angesichts des zur Unfallzeit stattgefundenen Regenschauers sei es naheliegend, dass sie angehalten und die Fahrt erst bei Nachlassen des Regens fortgesetzt habe. Dafür spreche auch die Aussage des im staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren vernommenen Zeugen G. Aufgrund ihrer unfallbedingten Erinnerungslücken seien die Grundsätze des Beweisnotstandes anzuwenden, wonach ein Vollbeweis gerade nicht erbracht werden müsse.
Mittlerweile könne sie sich wieder an Einiges mehr erinnern, zum Beispiel daran, dass sie vor Wetzlar, bei der Abfahrt nach Dutenhofen, rechts ran gefahren sei, weil es stark geregnet habe. Da es nicht aufgehört habe zu regnen, sei sie irgendwann weitergefahren. Wenn sie gegen 14.00 Uhr von A-Stadt losgefahren sei, unterwegs wegen starken Regens angehalten und einige Zigaretten geraucht habe, führe dies zu einer Erklärung der Unfallzeit von 15.20 Uhr. Zwar habe sie den Unfall verschuldet. Es sei aber nicht geklärt, warum sie von der Fahrbahn abgekommen sei. Genauso gut könne Aquaplaning der Grund hierfür gewesen sein. Dagegen, dass sie habe überholen wollen, spreche der Umstand, dass weder ein Blinkersetzen noch eine Geschwindigkeitserhöhung habe festgestellt werden können.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 24. Februar 2011 und den Bescheid der Beklagten vom 30. Januar 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2008 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 6. Dezember 2007 ein Arbeitsunfall gewesen ist,
hilfsweise,
der Klägerseite Gelegenheit zu geben, die Amnesie durch weitere medizinische Unterlagen nachzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Die von der Klägerin angeführte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Beweiserleichterung bei Erinnerungslücken, wonach das Tatsachengericht schon aufgrund weniger tatsächlicher Anhaltspunkte von einem bestimmten Geschehensablauf überzeugt sein könne, sei nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar, weil das Sozialgericht von einem bestimmten Geschehensablauf gerade nicht überzeugt sei. Aus dieser Rechtsprechung folge im Übrigen keine Verringerung des Beweismaßstabes des Vollbeweises. Auch durch die im Berufungsverfahren vorgetragene Unterbrechung der Fahrt werde die Zeitspanne bis zum Unfallereignis nicht erklärt. Es bestehe ein ungeklärter Zeitraum von nahezu drei Stunden. Schließlich ergebe sich aus der Aussage der Zeugin D., dass die Anwesenheit von Mitarbeitern, die Nachschicht hätten, nicht unbedingt verpflichtend gewesen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Beklagtenakte, die auch Aktenteile des staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens 2 Js 50948/08 VU enthält, Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Das Urteil des Sozialgerichts und der angegriffene Bescheid sind aufzuheben. Denn die als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) statthafte und auch im Übrigen zulässige Klage ist begründet. Der angegriffene Bescheid der Beklagten ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Der Unfall der Klägerin vom 6. Dezember 2007 war ein Arbeitsunfall.
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten in Folge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeiten (versicherte Tätigkeit). Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII ist auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges von und nach dem Ort der Tätigkeit eine versicherte Tätigkeit. Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen, § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII.
Ein Arbeitsunfall setzt voraus, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen länger andauernder Unfallfolgen aufgrund des Gesundheits(erst)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern für die Gewährung einer Verletztenrente (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R, juris, Rn. 10). Die den Versicherungsschutz begründende Verrichtung, die (möglicherweise dadurch verursachte) Einwirkung und der (möglicherweise dadurch bedingte) Erstschaden müssen im Überzeugungsgrad des Vollbeweises feststehen (BSG, Urteil vom 24.07.2012, B 2 R 9/11 R, juris, Rn. 28). Für die Feststellung der Kausalität genügt der Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden. Allein die Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs genügt dagegen nicht (BSG, Urteil vom 18.01.2011, B 2 U 5/10 R, juris, Rn. 21).
Unter Anwendung dieser Maßstäbe war der Verkehrsunfall der Klägerin vom 6. Dezember 2007 ein Arbeitsunfall.
Das Führen ihres Kraftfahrzeuges (Verrichtung) hat zu einem Zusammenstoß der Klägerin mit einem anderen Kraftfahrzeug (Unfallereignis) geführt und bei ihr verschiedene Verletzungen, unter anderem eine Hirnkontusion (Gesundheitserstschaden), verursacht.
Dies geschah auch infolge des Zurücklegens eines versicherten Weges.
Die Klägerin war auf dem streitgegenständlichen Weg im Rahmen der Wegeunfallversicherung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII kraft Gesetzes versichert (vgl. BSG, Urteil vom 13.11.2012, B 2 U 19/11 R, juris, Rn. 21). Denn sie befand sich zur Zeit des Unfalls auf dem unmittelbaren Weg von ihrer Wohnung zu dem Ort ihrer Tätigkeit im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII. Es besteht mithin ein sachlicher Zusammenhang zwischen der nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherten Tätigkeit und dem Zurücklegen des streitgegenständlichen Weges.
Der innere Zusammenhang zwischen dem Zurücklegen des Weges und der versicherten Tätigkeit ist zu bejahen, wenn das Zurücklegen des Weges wesentlich dazu dient, den Ort der Tätigkeit oder nach deren Beendigung die eigene Wohnung oder einen anderen Endpunkt des Weges zu erreichen. Maßgebend ist dabei die Handlungstendenz des Versicherten, so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalles bestätigt wird. Danach muss der Weg von dem Vorhaben des Versicherten rechtlich wesentlich geprägt sein, sich zur Arbeit oder zu der sonstigen versicherten Tätigkeit zu begeben oder von dieser zurückzukehren. Fehlt es an einer solchen Handlungstendenz, dann scheidet ein Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII selbst dann aus, wenn sich der Unfall auf derselben Strecke ereignet, die der Versicherte auf dem Weg zu und von dem Ort der Tätigkeit gewöhnlich benutzt (Wagner, in: jurisPK-SGB VII, § 8 Rn. 194 m. w. N., Stand: 15.03.2014).
Bei der Ermittlung des inneren Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der unfallbringenden Verrichtung handelt es sich nicht um die Feststellung eines Kausalzusammenhanges, sondern um einen Akt wertender Erkenntnis (Becker, MedSach 2010, 145, 149; Schwerdtfeger, in: Lauterbach, SGB VII, § 8 Rn. 33, Stand: 2012). Für die tatsächlichen Grundlagen der Wertentscheidung über das Vorliegen des inneren Zusammenhanges ist grundsätzlich der volle Nachweis zu erbringen (BSG, Urteil vom 12.06.1990, 2 RU 58/89, juris, Rn. 13).
Der Senat hat keine Zweifel daran, dass die Klägerin am 6. Dezember 2007 auf direktem Weg zu ihrem Arbeitsplatz in B-Stadt als alleinigem Ziel war, um an der Dienstversammlung teilzunehmen, als sich gegen 15.20 Uhr der Verkehrsunfall ereignete. Für die gegenteilige Annahme gibt es nicht die geringsten Anhaltspunkte. Objektive Umstände, denen Hinweise auf eine abweichende Handlungstendenz entnommen werden können, fehlen. Einer Gewährung von Beweiserleichterungen durch Reduzierung der Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung wegen unfallbedingter Erinnerungslücken und dadurch bedingtem Beweisnotstand (siehe BSG, Urteil vom 12.06.1990, 2 RU 58/89, juris, Rn. 19) der Klägerin bedarf es nicht.
Der Senat ist zunächst davon überzeugt, dass die Klägerin an der Dienstversammlung teilnehmen wollte und zu diesem Zweck von ihrer Wohnung in A-Stadt in Richtung B Stadt losgefahren ist. Die Zeugin A., der Zeuge A. und die Zeugin D. haben übereinstimmend ausgesagt, dass die Klägerin an der Dienstversammlung teilnehmen wollte. Dass die Klägerin dies nicht am Unfalltag bekundet hat, ist hierbei ohne Belang. Die Klägerin war auch zur Teilnahme an der Dienstversammlung verpflichtet. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Einladung sowie insbesondere aus der Vernehmung der Zeugin F., die die Dienstversammlungen organisiert hatte. Diese hat bestätigt, dass ab 14.00 Uhr alle Mitarbeiter anwesend sein mussten, sofern sie keinen Entschuldigungsgrund hatten, und dass die Dienstversammlung Dienst war. Dass sich die Klägerin nicht abgemeldet hat, spricht gerade für ihren Willen, an der Dienstversammlung teilzunehmen. Denn in der Vergangenheit hat sie sich offenbar stets abgemeldet, wenn sie an einer Dienstversammlung nicht teilnahm. Auch dies hat die Zeugin F. bestätigt.
Gegen einen entsprechenden Willen der Klägerin spricht nicht, dass die Klägerin zu spät zur Dienstversammlung gekommen wäre. Fest steht zunächst, dass die Klägerin erst ab 14.00 Uhr bei der Dienstversammlung anwesend sein musste und nicht bereits um 13.00 Uhr. Denn die Klägerin hätte an dem Unfalltag Nachtschicht gehabt. Für Mitarbeiter der Nachtschicht begann die Anwesenheitspflicht erst um 14.00 Uhr. Dass die Klägerin im Widerspruchsverfahren als Beginn der Dienstversammlung etwa 13.00 Uhr bis 13.30 Uhr, gegebenenfalls auch etwas später, genannt hat, ändert nichts daran, dass sie selbst erst um 14.00 Uhr anwesend sein musste. Sie wurde von der Beklagten nicht danach gefragt, wann sie auf der Dienstversammlung anwesend sein musste, sondern wann diese begann. Die Klägerin durfte auch damit rechnen, noch während der Dienstversammlung in B-Stadt einzutreffen. Aus der Aussage der Zeugin F. ergibt sich, dass in der Vergangenheit die Dienstversammlungen sogar bis 16.30 Uhr gedauert haben. Die Klägerin selbst ging von einer Dauer von zwei bis drei Stunden aus. Damit hätte selbst bei einem Eintreffen gegen 16.00 Uhr die realistische Möglichkeit bestanden, noch an der Dienstversammlung teilzunehmen.
Ohne Belang für die Frage, ob die Fahrt nach B-Stadt unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht, ist es, ob die Klägerin zu spät zur Dienstversammlung gekommen wäre. In gleicher Weise wie der Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII nicht davon abhängig ist, dass der Versicherte die vorgeschriebene Arbeitszeit einhält, also rechtzeitig zum Dienst erscheint und diesen auch erst nach Ende der offiziellen Arbeitszeit beendet, ist auch der Versicherungsschutz auf Wegen zum und vom Ort der Tätigkeit hiervon nicht abhängig. Diese Wege sind auch versichert, wenn es nicht zur Arbeitsaufnahme kommt.
Zwar ist nicht aufklärbar, wann genau die Klägerin von ihrer Wohnung in A-Stadt losgefahren ist. Die Klägerin hat hierzu im Rahmen der Befragung durch den Senat glaubhaft bekundet, sich angesichts der unfallbedingten retrograden Amnesie nicht erinnern zu können. Im Widerspruchsverfahren hat sie den Zeitpunkt auf etwa zwischen 13.30 Uhr und 14.00 Uhr geschätzt. Diesbezügliche Unklarheiten begründen aber keine Zweifel daran, dass die Klägerin zum Altenheim fahren wollte, um an der Versammlung teilzunehmen. Selbst bei einer Abfahrt um 14.00 Uhr hätte die Klägerin unter normalen Umständen noch während dem tatsächlichen und auch dem zu erwartenden Andauern der Dienstversammlung das Heim erreicht.
Ebenso steht zwar nicht zweifelsfrei fest, wann die Klägerin für wie lange eine Fahrpause eingelegt hat, um eine Besserung der Wetterlage abzuwarten. Diese Umstände spielen für die streitgegenständliche Frage allerdings ebenfalls keine entscheidende Rolle. Die Aussage der Klägerin, angesichts des starken Regens an die Seite gefahren und dort längere Zeit gewartet zu haben, ist glaubhaft. Wenn die Klägerin anschließend ein waghalsiges Überholmanöver im Überholverbot unternommen haben sollte, spräche das nicht gegen das vorherige Warten, sondern würde eher noch untermauern, dass die Klägerin es besonders eilig hatte, um noch rechtzeitig zur Dienstversammlung zu gelangen. Ansonsten ist kein Grund für ein eiliges Fahren ersichtlich, insbesondere nicht der erst um 20.45 Uhr beginnende Nachtdienst.
Selbst wenn die Klägerin vor dem Unfall ihren Weg zum Heim in B-Stadt unterbrochen habe sollte, um eine privatwirtschaftliche und damit unversicherte Tätigkeit auszuüben, wäre sie jedenfalls zum Zeitpunkt des Unfalls wieder auf dem regulären Weg zu ihrer Arbeitsstätte und damit versichert gewesen. Der Schutz der Wegeunfallversicherung tritt wieder ein, sobald die Handlungstendenz darauf gerichtet ist, wieder den versicherten Weg zurückzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 04.07.2013, B 2 U 12/12 R, juris, Rn. 20).
Weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist allerdings, ob die Klägerin überhaupt ihren Weg zum Altenheim unterbrochen hat. Eine Unterbrechung des Weges liegt jedenfalls nicht für eine Dauer von mehr als zwei Stunden vor, sodass eine eventuelle Unterbrechung unschädlich wäre (vgl. BSG, Urteil vom 13.11.2012, B 2 U 19/11 R, juris, Rn. 25). Wenn die reguläre Dauer des Weges von A-Stadt zum Unfallort dreißig Minuten dauert und der Unfall um 15.20 Uhr stattfand, dann hätte die Klägerin bereits um 12.50 Uhr von A-Stadt losfahren müssen, damit insgesamt vor einer Unterbrechung von mehr als zwei Stunden ausgegangen werden könnte. Ein Beginn der Fahrt bereits um 12.50 Uhr ist bereits angesichts des längeren Gespräches zwischen der Klägerin und der Zeugin A. ab 12.30 Uhr nicht nachgewiesen. Zudem wäre die Zeit, welche die Klägerin am Fahrbahnrand gewartet hat, dem Zurücklegen des Weges zuzurechnen und damit keine Unterbrechung im Rechtssinne.
Die durch den Zusammenstoß mit dem anderen Kraftfahrzeug verursachten gesundheitlichen Einwirkungen auf den Körper der Klägerin traten auch im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII "infolge" des Zurücklegens des versicherten Weges auf und sind damit nach dem Schutzzweck der Norm der versicherten Tätigkeit zuzurechnen (vgl. BSG, Urteil vom 04.07.2013, B 2 U 12/12 R, juris, Rn. 15). Die Unfallkausalität zwischen dem Zurücklegen eines versicherten Weges und dem Unfallereignis wird vermutet, weil oft kein Grund zu erkennen ist, warum sich ein Unfall gerade jetzt und so zugetragen hat (in diesem Sinne BSG, Urteil vom 30.01.2007, B 2 U 23/05 R, juris, Rn. 15). Das Abkommen der Klägerin von ihrer Fahrbahn lässt sich angesichts der äußeren Einflüsse – schlechte Sicht, Regen und nasse Fahrbahn – als Realisierung einer Verkehrsgefahr qualifizieren.
Gegen einen inneren Zusammenhang zwischen dem Unfall und dem Zurücklegen des Weges spricht auch nicht der Umstand, dass die Klägerin im Überholverbot auf die Gegenfahrbahn gelangt ist und dies zu dem Verkehrsunfall geführt hat. Verbotswidriges Handeln schließt nach § 7 Abs. 2 SGB VII auch den Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII nicht aus. Dennoch gibt es Fallkonstellationen, in denen im Zusammenhang mit einem Normverstoß der Unfallversicherungsschutz zu verneinen ist (Wagner, in: jurisPK-SGB VII, § 7 Rn. 52, Stand: 15.03.2014).
Eine unversicherte Mitursache kann – auch im Rahmen der Wegeunfallversicherung – die Zurechnung eines Schadens zu einer versicherten Ursache, etwa dem Zurücklegen eines versicherten Weges, ausschließen, wenn sie das Unfallgeschehen derart geprägt hat, dass sie die versicherte Ursache verdrängt, sodass der Schaden im Wesentlichen rechtlich nicht mehr dem Schutzbereich des jeweiligen Versicherungstatbestandes unterfällt. Die Unfallversicherung des Zurücklegens des Weges nach und von dem Ort der (jeweiligen) versicherten Tätigkeit schützt nur gegen Gefahren für Gesundheit und Leben, die aus der Teilnahme am öffentlichen Verkehr, also aus eigenem oder fremden Verkehrsverhalten oder äußeren Einflüssen durch die Beschaffenheit des Verkehrsraumes hervorgehen (BSG, Urteil vom 13.11.2013, B 2 U 19/11 R, juris, Rn. 42, 45).
Der Zusammenhang mit dem Betrieb kann gelöst werden, wenn der Versicherte durch sein Verhalten einen besonderen, mit seiner betrieblichen Tätigkeit nicht zusammenhängenden Gefahrenbereich schafft, mithin betriebsfremde Motive erheblich eingewirkt haben und das Verhalten des Versicherten völlig unvernünftig und sinnwidrig war (Schwerdtfeger, in: Lauterbach, SGB VII, § 8 Rn. 494, Stand: April 2012).
So eröffnet eine Verkehrsgefahr, die sich erst und allein aus der unversicherten Tätigkeit des Alkoholgenusses ergibt, schon nicht den Schutz der Wegeunfallversicherung (BSG, Urteil vom 13.11.2012, B 2 U 19/11 R, juris, Rn. 49). Die Klägerin hatte indes nach den Feststellungen der Universitätsklinik im Vorfeld des streitgegenständlichen Unfalls keinen Alkohol getrunken und stand auch nicht unter Drogen- oder Medikamenteneinfluss.
Auch Verkehrsverstöße können den Wegeunfallversicherungsschutz ausschließen. So ist etwa das Fahren entgegen der zulässigen Fahrtrichtung auf einer Autobahn unter Nichtachtung von Verkehrs- und Warnzeichen als eine selbstgeschaffene Gefahr bewertet worden, die den Wegeunfallversicherungsschutz entfallen lässt (BSG, Urteil vom 31.10.1972, 2 RU 118/71, juris, Rn. 20).
Ein den Unfall herbeiführendes unzureichendes, gegebenenfalls sogar verkehrswidriges, aber dennoch versichertes Fahrverhalten kann indes ebenfalls Wirkursache für eine Realisierung einer geschützten Wegegefahr sein. Auch eine eventuell verminderte Aufmerksamkeit und Konzentration des Fahrers oder eine überhöhte Geschwindigkeit könnten als eigenständige Wirkursachen festgestellt werden, die dann aber im Regelfall hinter der Wirkursache "sich auf dem Weg zur Arbeit befinden" rechtlich zurückzutreten hätten. Wenn ein Versicherter aus bloßer Unachtsamkeit die Fahrspur wechselt oder fahrlässig auf die Gegenfahrbahn gerät, beendet dies mithin nicht den Versicherungsschutz (BSG, Urteil vom 04.07.2012, B 2 U 12/12 R, juris, Rn. 20).
Es ist vorliegend zumindest nicht nachgewiesen, weshalb die Klägerin auf die Gegenfahrbahn geraten ist, insbesondere, ob dies willentlich geschah. Dies wirkt sich zu Gunsten der Klägerin aus. Ihr Vortrag, wahrscheinlicher sei ein Abkommen von der Fahrbahn wegen des starken Regens, ist jedenfalls plausibel, wenn er auch der Aussage des Zeugen G. aus dem staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren widerspricht. Dieser hat mehrfach davon gesprochen, dass die Klägerin das Fahrzeug vor ihr überholen wollte. Nachgewiesen ist immerhin, dass es zur Zeit des Unfalls stark geregnet und die Klägerin vor dem Fahrbahnwechsel nicht den Blinker betätigt hat. Jedenfalls steht kein gravierender Verkehrsverstoß fest, der als überragende Konkurrenzursache die rechtliche Wesentlichkeit des "sich auf dem Weg zur Arbeit befinden" beseitigen könnte. Das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren wurde nach § 153b StPO i. V. m. § 60 StGB mit Zustimmung des Gerichts eingestellt, weil angesichts der schweren Verletzungen der Klägerin die Verfolgung der fahrlässigen Körperverletzung zum Nachteil der weniger Geschädigten nicht angemessen sei. Kommt aber für einen auf einem grundsätzlich versicherten Weg erlittenen Verkehrsunfall eine andere Ursache als Mitursache in Betracht, trägt die Feststellungslast hierfür der Versicherungsträger (BSG, Urteil vom 30.01.2007, B 2 U 23/05 R, juris, Rn. 27; Schwerdtfeger, in: Lauterbach, SGB VII, § 8 Rn. 497, Stand: April 2012).
Der Unfall der Klägerin wäre selbst dann ein versicherter Arbeitsunfall, wenn die tatsächlichen Feststellungen des Sozialgerichts zutreffend wären. Nach den auch im Recht der Unfallversicherung anwendbaren Grundsätzen der Wahlfeststellung ist Versicherungsschutz zu bejahen, wenn der konkrete Unfallverlauf nicht aufgeklärt werden kann, jedoch alle möglichen Unfallverläufe und -zusammenhänge zu dem Ergebnis führen, dass eine versicherte Tätigkeit vorliegt, die eine rechtlich wesentliche Ursache für den Unfall war; eine bis ins einzelne gehende Sachaufklärung ist dann nicht erforderlich (BSG, Urteil vom 20.01.1987, 2 RU 27/86, juris, Rn. 16).
Wenn es offen wäre, ob die Klägerin zu ihrer Arbeitsstätte in B-Stadt oder zu ihrer Wohnung in C-Stadt fahren wollte, eine dritte Variante aber ausscheidet, wäre sie ebenfalls unfallversichert. Wenn die Klägerin nämlich auf dem Weg zu ihrer Wohnung in C-Stadt gewesen wäre, dann wäre dieser Weg nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 SGB VII versichert. Danach ist das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung auch eine versicherte Tätigkeit, wenn der Versicherte wegen der Entfernung seiner Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft hat. Die Voraussetzungen dieser Norm liegen vor. Die Wohnung in A-Stadt war die Familienwohnung der Klägerin, in der sie mit ihrem Lebensgefährten wohnte. Die Wohnung in C-Stadt war die Wohnung am Ort der Tätigkeit, die die Klägerin nur deshalb angemietet hat, um in den Phasen ihrer Nachtschicht nicht nach A-Stadt fahren zu müssen. Unschädlich für den Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 SGB VII ist schließlich, wenn die Klägerin bis zu sechs Stunden vor Beginn ihres Dienstbeginns zu der Wohnung am Ort der Beschäftigung gefahren wäre. Denn die strengen Voraussetzungen an einen Wegeunfall im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII, insbesondere die sog. Zwei-Stunden-Spanne, gelten bei Familienheimfahrten nicht (vgl. Schwerdtfeger, in: Lauterbach, SGB VII, § 8 Rn. 566, Stand: Dezember 2012). Sinn und Zweck dieser Sonderregelung gestatten es nicht, strenge Anforderungen hinsichtlich des Beginns der Fahrt zur und von der Familienwohnung zu stellen (vgl. BSG, Urteil vom 14.12.1995, 2 BU 151/95, juris, Rn. 10).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision folgt aus § 160 Abs. 2 SGG.
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