L 18 KN 78/13

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 8 KN 858/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 18 KN 78/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 22.5.2013 wird zurückgewiesen. Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf jeweils 5000,00 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Streitig ist die Berechnung von Beiträgen durch Schätzung des für die Beitragsberechnung maßgeblichen Arbeitsentgelts.

Der Kläger ist selbständiger Steuerberater. Er beschäftigt Arbeitnehmer in geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen, für die er als Arbeitgeber regelmäßig u.a. Sozialabgaben an die Beklagte abführt. Am 26.3.2012 schätzte die Beklagte das den Beschäftigten des Klägers für März 2012 gezahlte Arbeitsentgelt und zog auf der Basis ihrer Schätzung am 28.3.2012 per Lastschrift einen Betrag in Höhe von 92,64 Euro vom Konto des Klägers ein. Der Kläger übermittelte der Beklagten im Laufe des 26.3.2012 den monatlichen Beitragsnachweis für März 2012, der einen Sollbetrag von 92,67 Euro auswies. Die Beklagte zog am 30.3.2012 den Differenzbetrag von 0,03 Euro ein.

Mit am 14.6.2012 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben erhob der Kläger Widerspruch gegen die Beitragserhebung für März 2012 und beantragte die Zahlung von Schadensersatz in Höhe von (geschätzt) 0,80 Euro. Die vorläufige Schätzung sowie der doppelte Lastschrifteinzug seien rechtswidrig. Er habe den Beitragsnachweis am 26.3.2012 fristgerecht zwei Arbeitstage vor Fälligkeit der Beiträge durch Datenübertragung bei der Beklagten eingereicht. Fällig seien die Beiträge spätestens am 28.3.2012 gewesen, dem drittletzten Bankarbeitstag des Monats März 2012. Ausgehend hiervon habe die Frist am 26.3.2012 um 24 Uhr geendet.

Die Beklagte lehnte die Erstattung von Arbeitgeberaufwendungen bzw die Zahlung von Schadensersatz ab. Ihr sei kein schuldhaftes und schadensverursachendes Handeln vorzuwerfen. Die Schätzung sei rechtmäßig erfolgt. Der Beitragsnachweis müsse nach § 28f Abs 3 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) spätestens zwei Arbeitstage vor Fälligkeit der Beiträge vorliegen. Der Beitragsnachweises für den Abrechnungsmonat März 2012 habe somit am 26.3.2012 um 0:00 Uhr vorliegen müssen. Die Übermittlung im Laufe des 26.3.2012 sei verspätet. Liege der vom Arbeitgeber einzureichende Beitragsnachweis nicht rechtzeitig vor, würden die Beiträge vorbehaltlich der tatsächlichen Verhältnisse geschätzt. Die Beitragsschätzung habe so lange Bestand, bis der Beitragsnachweis eingereicht werde (Bescheid vom 12.7.2012; Widerspruchsbescheid vom 24.10.2012).

Mit seiner Klage vom 2.11.2012 hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt und sein Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren vertieft.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Kläger indes nur noch beantragt,

den Widerspruchsbescheid vom 24.10.2012 aufzuheben, soweit dieser eine Schätzung der Sozialversicherungsbeiträge für den Monat März 2012 enthält.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen: Die Beklagte habe die vom Kläger für März 2012 zu zahlenden Sozialversicherungsbeiträge im Wege der Schätzung festsetzen dürfen, weil der Kläger den Beitragsnachweis für diesen Monat nicht fristgemäß an die Beklagte übermittelt habe. Der Beitragsnachweis für März 2012 hätte der Beklagten spätestens am 26.3.2012 um 0:00 Uhr zur Verfügung stehen müssen. Der Kläger habe den Beitragsnachweis hingegen erst im Laufe des 26.3.2012 an die Beklagte übermittelt (Urteil vom 22.5.2013, zugestellt am 26.6.2013).

Mit seiner am 16.7.2013 beim erkennenden Gericht eingegangenen Berufung hält der Kläger an seiner Rechtsauffassung zur Fristberechnung fest. Die durch das SG vorgenommene Auslegung des Gesetzes sei fehlerhaft. Die Frist für die Fälligkeit der Beitragsschuld für März 2012 sei am 28.3.2012 um 24 Uhr abgelaufen. Die Frist für die Meldung des Beitragsnachweises habe zwei Arbeitstage vorher geendet, also am 26.3.2012 um 24 Uhr.

Er begehre die generelle Feststellung, dass ihm für die Übermittlung des Beitragsnachweises eine um einen Tag längere Frist einzuräumen sei. Das auf Zahlung von Schadensersatz gerichtete Begehren habe er bereits in erster Instanz nicht weiter verfolgt, da das SG die Auskunft erteilt habe, dass es insoweit nicht zuständig und ein dahingehender Klageantrag mithin unzulässig sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 22.05.2013 zu ändern, die Schätzungsverfügung der Beklagten vom 26.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2012 aufzuheben und festzustellen, dass er zur Übermittlung des Beitragsnachweises für den laufenden Monat noch im Verlauf des fünftletzten Bankarbeitstages des Monats berechtigt ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und die Klage abzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Für März 2012 sei die Beitragsfestsetzung (auf der Grundlage einer Schätzung des Arbeitsentgelts) durch Verwaltungsakt erfolgt. Es liege ein Verwaltungsakt "in anderer Weise" gemäß § 33 Abs 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) vor. Die konkrete Ausgestaltung bzw die - zunächst fehlende - Begründung seien im Widerspruchsbescheid erfolgt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes verweist der Senat auf die Gerichtsakten sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft, § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Sie bedurfte nicht der Zulassung im Urteil des SG, § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG. Hiernach bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des SG, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro nicht übersteigt. Die Klage betrifft weder eine Geldleistung in diesem Sinne noch einen auf eine solche gerichteten Verwaltungsakt. Der Kläger wendet sich offensichtlich weder gegen Grund noch gegen Höhe der Beitragsforderung (vgl zum Charakter von Beitragsforderungen als Geldleistungen Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer. SGG. 10. Aufl 2012. § 144 RdNr 10), sondern geht davon aus, dass diese für März 2012 in Höhe von EUR 92,67 besteht. Er greift die streitgegenständlichen Bescheide ausdrücklich nur insoweit an, als die Beklagte darin ihre Beitragsforderung auf der Basis einer Schätzung des Arbeitsentgelts festgesetzt und dadurch zusätzliche Kosten verursacht hat.

II. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist ausweislich des Sachantrags in zweiter Instanz - anders als noch in erster Instanz - auch ein Feststellungsantrag, der darauf gerichtet ist festzustellen, dass der Kläger als Arbeitgeber berechtigt ist, die Beitragsnachweise für den laufenden Monat jeweils noch im Verlauf des fünftletzten Bankarbeitstages zu übermitteln. Um diesen Feststellungsantrag hat der Kläger seine Klage im Berufungsverfahren erweitert. Diese Erweiterung der Klage ist nach § 153 Abs 1 iVm § 99 SGG zulässig. Es liegt keine Klageänderung, sondern eine zulässige Erweiterung der Klage nach § 99 Abs 3 Nr 2 SGG vor, da der Kläger den Klagegrund, also den dem Klageantrag zugrunde liegenden Lebenssachverhalt, nicht geändert hat. Der Sachverhalt, aus dem der Kläger seinen Anspruch auf Aufhebung der Schätzungsverfügung sowie sein Feststellungsbegehren herleitet, ist derselbe geblieben. In Bezug auf die erweiterte Klage hat der Senat nicht auf Berufung, sondern auf Klage zu entscheiden.

III. Die im Berufungsverfahren erhobene Klage ist als Feststellungsklage statthaft und zulässig. Gegenstand dieser Klage ist die generelle, also auch künftige Befugnis der Beklagten, das für die Beitragsberechnung maßgebende Arbeitsentgelt zu schätzen, wenn der Kläger den Beitragsnachweis für den laufenden Monat nicht vor Beginn des fünftletzten Bankarbeitstages, sondern erst in dessen Verlauf an die Beklagte übermittelt.

Die Feststellungsklage ist statthaft, § 55 Abs 1 Nr 1, Abs 2 SGG. Entgegen dem Wortlaut dieser Vorschrift muss sich die Feststellungsklage nicht auf das (Nicht-)Bestehen eines gesamten Rechtsverhältnisses beziehen, sondern kann sich auf einzelne Rechte und Pflichten innerhalb des bestehenden Rechtsverhältnisses beschränken (Breitkreuz in: Breitkreuz-Fichte. SGG. Kommentar. 2. Aufl. 2014, § 55 Rdnr 4). § 55 Abs 2 SGG regelt ausdrücklich, dass darunter auch die Feststellung fällt, in welchem Umfang Beiträge zu berechnen sind. Genau darum geht es dem Kläger. Zwischen ihm als Arbeitgeber und der Beklagten als Einzugsstelle besteht ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis. Es ist streitig, ab welchem Zeitpunkt die Beklagte befugt ist, die Beiträge auf der Grundlage einer Schätzung des maßgebenden Arbeitsentgelts zu berechnen und einzuziehen.

Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der von ihm erstrebten Feststellung, weil das Vorgehen der Beklagten - jedenfalls nach seinem Vortrag - bei ihm zu höheren Lastschriftgebühren führt und abzusehen ist, dass die Beklagte auch in Zukunft ebenso wie im März 2012 verfahren wird. Da die Feststellung (auch) auf die zukünftige Klärung der Schätzungsbefugnis der Beklagten gerichtet ist, handelt es sich um eine vorbeugende Feststellungsklage.

IV. Berufung und (zweitinstanzliche) Feststellungsklage sind unbegründet. Das SG hat die bei ihm angefallene Klage zu Recht abgewiesen. Dabei hat es implizit auch über die (im Sachantrag des Klägers nicht ausdrücklich genannte) Schätzungsverfügung vom 26.3.2012 entschieden. Wäre es nämlich von einer Regelung (nur) im Widerspruchsbescheid vom 24.10.2012 ausgegangen, wäre dieser Bescheid schon wegen fehlender Erstregelungsbefugnis der Widerspruchsbehörde aufzuheben gewesen.

1. Die ursprünglich erhobene Klage ist zulässig. Sie ist als isolierte Anfechtungsklage statthaft, § 54 Abs 1 Satz 1 SGG. Der Kläger begehrt mit dieser Klage die Aufhebung der am 26.3.2012 erfolgten Schätzung des für die Berechnung der für März 2012 zu zahlenden Sozialversicherungsbeiträge maßgebenden Arbeitsentgelts, dh die Berechnung der Beiträge auf der Grundlage eines durch Schätzung ermittelten Arbeitsentgelts. Die Schätzung des für die Beitragsberechnung maßgebenden Arbeitsentgelts bzw die entsprechende Verfügung der Beklagten stellt einen Verwaltungsakt iS des § 31 Satz 1 SGB X dar (aA, nämlich Realakt, jedoch ohne Begründung: Werner in: jurisPK-SGB IV. 2. Aufl 2011. § 28f RdNr 94). Die Schätzung des Arbeitsentgelts ist insbesondere auf die Regelung eines Einzelfalls gerichtet. Ein Verwaltungsakt trifft eine Regelung, wenn er darauf gerichtet ist, eine Rechtsfolge zu setzen, also ein subjektives öffentliches Recht bzw eine öffentlich-rechtliche Pflicht festzustellen, zu begründen, zu ändern oder aufzuheben (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 5.9.2006, Az B 4 R 71/06 R, juris RdNr 17). Mit der Schätzung des Arbeitsentgelts hat die Beklagte die Grundlage für die Pflicht des Klägers geschaffen, die auf Grund dieses Arbeitsentgelts abzuführenden Beiträge an die Beklagte als zuständige Einzugsstelle (§ 28i Satz 5 SGB IV) zu zahlen, § 28e Abs 1 Satz 1 SGB IV. Zur Beseitigung dieser Verpflichtung ist es ausreichend, die Schätzungsverfügung aufzuheben, da damit automatisch der vom Kläger (später) eingereichte Beitragsnachweis als Leistungsbescheid der Einzugsstelle gilt, § 28f Abs 3 Satz 3 SGB IV.

Die Anfechtungsklage ist auch nicht unzulässig, weil sich der angefochtene Verwaltungsakt erledigt hätte. Die am 26.3.2012 erfolgte Schätzung des Arbeitsentgelts hat sich nicht durch die Übermittlung des Beitragsnachweises im Verlaufe desselben Tages erledigt, sondern blieb weiterhin wirksam, § 39 Abs 2 SGB X. Denn auch nach (späterer) Übermittlung eines Beitragsnachweises bleibt die Schätzung in Kraft und stellt insoweit den Rechtsgrund für die Beitragsforderung sowie die Einziehung des Betrags in Höhe von EUR 92,64 dar. Zwar stellt § 28f Abs 3 Satz 2 SGB IV fest, dass die Einzugsstelle das für die Beitragsberechnung maßgebende Arbeitsentgelt schätzen kann, bis der Nachweis ordnungsgemäß übermittelt wird. Dieser letzte Halbsatz ist jedoch nicht in der Weise zu verstehen, dass die Schätzung nur so lange Bestand hat, bis der Beitragsnachweis übermittelt wird, dass sie also mit Eingang des Beitragsnachweises gegenstandslos wird (so aber unter Annahme einer auflösenden Bedingung: Werner in: jurisPK-SGB IV. 2. Aufl 2011. § 28f RdNr 95). Eine solche materielle Rechtsfolge der Übermittlung des Nachweises für die Wirksamkeit der Schätzung kann diesem Halbsatz nicht entnommen werden. Vielmehr besagt er lediglich, dass die Einzugsstelle nach ordnungsgemäßem, aber verspätetem Eingang des Beitragsnachweises nicht mehr zur Schätzung des Arbeitsentgelts befugt ist. Hat sie also bis zu diesem Zeitpunkt noch keine Schätzung vorgenommen, obwohl sie dazu befugt war, so darf nun keine Schätzung mehr erfolgen; maßgebend für die Beitragsforderung ist nun der (verspätet eingegangene) Beitragsnachweis. Denn da dieser nach § 28f Abs 3 Satz 3 SGB IV als Leistungsbescheid der Einzugsstelle gilt, ist eine Schätzung nicht mehr erforderlich. Dass die Schätzung nach Übermittlung des Beitragsnachweises wirksam bleibt, zeigt die Betrachtung eines Sachverhalts, in dem zunächst die Schätzung und die entsprechende Abbuchung der Beiträge erfolgen, und der Beitragsnachweis erst zu einem späteren Zeitpunkt übermittelt wird. Hätte die Schätzung in diesem Fall nach Eingang des Beitragsnachweises keinen Bestand mehr, sondern würde gegenstandslos, wäre die vorangehende Abbuchung rückwirkend ohne Rechtsgrundlage erfolgt. Denn zu diesem Zeitpunkt war der Beitragsnachweis als Leistungsbescheid noch nicht in Kraft. Der verspätet eingegangene Beitragsnachweis ergänzt daher lediglich die vorherige Schätzung und bildet somit die Grundlage für eine eventuelle (positive oder negative) Differenz zu der geschätzten Beitragsforderung, also entweder für eine Pflicht des Arbeitgebers zur Nachentrichtung oder für eine Pflicht der Einzugsstelle zur Erstattung zu viel gezahlter Beiträge. Grundlage für die ursprünglich festgestellte Beitragsforderung bleibt hingegen die Schätzung.

Vor Erhebung der Anfechtungsklage hat der Kläger das erforderliche Vorverfahren ordnungsgemäß durchgeführt. Der Kläger hat gegen die Schätzung des Arbeitsentgelts für März 2012 form- und fristgerecht Widerspruch erhoben, § 84 Abs 1 Satz 1 SGG. Die Schätzung erfolgte am 26.3.2012. Bekanntgegeben wurde sie dem Kläger durch die Abbuchung des von seinem Beitragsnachweis abweichenden Betrages in Höhe von 92,64 Euro am 28.3.2012. Der Widerspruch des Klägers, den er mit am 14.6.2012 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben erhoben hat, ist fristgerecht. Denn die Schätzungsverfügung ist ohne die erforderliche Rechtsbehelfsbelehrung ergangen, so dass für die Erhebung des Widerspruchs eine Jahresfrist ab Bekanntgabe gilt, § 66 Abs 2 Satz 1 SGG.

Der Bescheid vom 12.7.2012 ist dagegen nicht (mehr) Gegenstand des Verfahrens. Darin hat die Beklagte (nur) geregelt, dass dem Kläger Aufwendungen nicht zu erstatten seien. Dieses Begehren hat der Kläger aber bereits in erster Instanz fallen gelassen.

2. Anfechtungsklage und Feststellungsklage sind unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung der Schätzungsverfügung vom 26.3.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2012 (§ 95 SGG) und aus den gleichen Gründen auch nicht auf die begehrte Feststellung.

a) Die angefochtene Schätzungsverfügung ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht, § 54 Abs 2 Satz 1 SGG. Die Beklagte war nach § 28f Abs 3 Satz 2 SGB IV berechtigt, das Arbeitsentgelt für März 2012 zu schätzen. Denn der Kläger hat den Beitragsnachweis für März 2012 erst im Verlauf des 26.3.2012 und damit nicht "zwei Arbeitstage vor Fälligkeit der Beiträge" an die Beklagte übermittelt.

Nach § 28f Abs 3 Satz 2 SGB IV kann die Einzugsstelle das für die Beitragsberechnung maßgebende Arbeitsentgelt schätzen, wenn der Arbeitgeber den Beitragsnachweis nicht zwei Arbeitstage vor Fälligkeit der Beiträge übermittelt, bis der Nachweis ordnungsgemäß übermittelt wird.

Die Berechnung der Frist des § 28f Abs 3 Satz 2 SGB IV bestimmt sich nach den allgemeinen Regeln zur Fristbestimmung in den §§ 187 bis 193 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), § 26 Abs 1 SGB X. Bei der Anwendung dieser Vorschriften ist allerdings zu beachten, dass die Frist von zwei Arbeitstagen von einem bestimmten Zeitpunkt aus (Eintritt der Fälligkeit der Beiträge) in die Vergangenheit berechnet wird. Es liegt also eine so genannte Rückwärtsfrist vor. Deren Berechnung ist in den §§ 187ff BGB nicht explizit geregelt, da diese Vorschriften davon ausgehen, dass der Fristbeginn festgelegt ist und von diesem Zeitpunkt aus das Fristende zukunftsgerichtet zu ermitteln ist (so genannte Vorwärtsberechnung von Fristen). Die Regelungen sind jedoch entsprechend anwendbar, wenn die Frist - wie hier - von einem Endzeitpunkt in die Vergangenheit zu berechnen ist (BSG, Urteil vom 22.3.1995, + Az 10 RAr 1/94, juris RdNr 52; Oberlandesgericht (OLG) Hamm, Urteil vom 14.1.2008, Az 8 U 61/07, juris RdNr 32; Grothe in: Münchener Kommentar zum BGB. 6. Aufl 2012. § 187 RdNr 4). Bei Rückwärtsfristen zählt der Tag des Endzeitpunkts, von dem ab zurückzurechnen ist, analog § 187 Abs 1 BGB nicht mit. Nur dann, wenn die Frist ab dem Ende eines Tages zurückzurechnen ist, ist dieser Tag analog § 187 Abs 2 BGB mitzurechnen (Ellenberger in: Palandt. BGB. 73. Aufl 2014. § 187 RdNr 4 mwN).

Nach § 28f Abs 3 Satz 2 SGB IV ist der feststehende Endzeitpunkt der Eintritt der Fälligkeit der Beiträge. Daher zählt nach den dargestellten Grundsätzen der Tag, an dem die Beiträge fällig werden, bei der Berechnung der Frist nicht mit. Der oben genannte Ausnahmefall, dass die Frist ab dem Ende eines Tages zurückzurechnen ist, liegt entgegen der Auffassung des Klägers nicht vor. Denn die Fälligkeit der Beiträge tritt nicht - wie der Kläger meint - am Ende eines Tages ein (also um 24:00 Uhr), sondern am Anfang (um 0:00 Uhr).

Beiträge, die nach dem Arbeitsentgelt oder dem Arbeitseinkommen zu bemessen sind, sind in voraussichtlicher Höhe der Beitragsschuld spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des Monats fällig, in dem die Beschäftigung oder Tätigkeit, mit der das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt wird, ausgeübt worden ist oder als ausgeübt gilt, § 23 Abs 1 Satz 2 SGB IV. Der Kläger missversteht offenbar den Begriff der Fälligkeit bzw den Zeitpunkt, der mit diesem Begriff verbunden ist. Denn er geht davon aus, die Fälligkeit der Beitragsschuld für März 2012 trete erst am 28.3.2012 um 24:00 Uhr ein (so ausdrücklich in der Berufungsbegründung). Jedoch bestimmt sich die Fälligkeit einer Leistung nicht nach einer Frist, die an einem Tag - bzw. am Ende eines Tages - abläuft. Vielmehr bestimmt die Fälligkeit, ab welchem Zeitpunkt der Gläubiger des Anspruchs dessen Erfüllung bzw das geschuldete Tun oder Unterlassen vom Schuldner verlangen kann (Jochim in: jurisPK-SGB IV. 2. Aufl 2011. § 23 RdNr 63). Dies bedeutet, dass die Einzugsstellen ab Beginn des drittletzten Bankarbeitstages des laufenden Monats die Zahlung der Beiträge verlangen können. Die Fälligkeit der Beiträge endet also nicht - wie der Kläger meint - mit Ablauf des drittletzten Bankarbeitstages, sondern sie beginnt mit Beginn dieses Tages. Die Beiträge für März 2012 waren damit ab Mittwoch, dem 28.3.2012, 0:00 Uhr fällig. Ab diesem Zeitpunkt war die Beklagte berechtigt, die Zahlung der Beiträge für diesen Monat von dem Kläger zu verlangen bzw diese Beiträge vom Konto des Klägers im Wege des Lastschriftverfahrens einzuziehen, § 28i Satz 5 iVm § 28h Abs 3 Satz 1 SGB IV.

Ausgehend von diesem Endzeitpunkt wird die Frist von zwei Arbeitstagen in die Vergangenheit zurückgerechnet. Da der Tag des Endzeitpunkts (28.3.2012) nicht mitgerechnet wird, ist Anfangszeitpunkt der Frist Montag, der 26.3.2012, ebenfalls 0:00 Uhr. Zwar endet nach § 188 Abs 2 BGB eine nach Tagen bestimmte Frist mit dem Ablauf des letzten Tages der Frist. Bei der Rückwärtsberechnung ist jedoch zu beachten, dass, eben weil die Frist rückwärts gerechnet wird und die Vorschriften des BGB entsprechend anzuwenden sind, die Frist nicht mit dem Ablauf des Tages, sondern mit dem Beginn des jeweiligen Tages, also um 0:00 Uhr, "endet" (vgl OLG Hamm, aaO; OLG Brandenburg, Beschluss vom 20.12.2011, Az 13 UF 128/11, juris RdNr 7 mwN).

Der Beitragsnachweis für März 2012 hätte demnach spätestens bis zum 25.3.2012 um 24:00 Uhr bei der Beklagten eingegangen sein müssen. Nur so ist gewährleistet, dass zwischen Eingang des Beitragsnachweises und dem Beginn der Fälligkeit mindestens der gesetzliche vorgesehene Zeitraum von zwei Arbeitstagen liegt.

b) Daraus ergibt sich, dass auch die Feststellungsklage unbegründet ist: Die Beiträge sind ab Beginn des drittletzten Bankarbeitstages des laufenden Monats fällig, so dass die Beklagte zu einer Schätzung des Arbeitsentgelts berechtigt ist, falls der Kläger den Beitragsnachweis für den laufenden Monat nicht vor Beginn des fünftletzten Bankarbeitstages an die Beklagte übermittelt hat.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193 Abs 1 Satz 1, 183 Satz 1 SGG.

VI. Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, § 160 Abs 2 SGG. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, weil für die Entscheidung keine ungeklärten Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung ausschlaggebend sind.

VII. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 52 Abs 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Da es dem Kläger um die generelle Klärung der Befugnis der Beklagten zur Schätzung des Arbeitsentgelts ging, bietet der Sach- und Streitstand keine genügenden Anhaltspunkte für eine betragsmäßige Bestimmung des Streitwerts (iS des § 52 Abs 1 GKG). Die Befugnis des Rechtsmittelgerichts, den Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren abweichend zu bestimmen, ergibt sich aus § 63 Abs 3 Satz 1 Nr 2 GKG. Auch in erster Instanz richtete sich die Klage nicht gegen die Beitragsforderung an sich, sondern gegen die Schätzung der Beklagten.
Rechtskraft
Aus
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